Vergleichende redaktionelle Darstellung nur mit Bewertungsmaßstäben

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

27. 07. 2005


Aktenzeichen

9 O 10623/05


Leitsatz des Gerichts

  1. Bei vergleichenden Darstellungen von Waren und Dienstleistungen auch in Form einer Rangliste sind (von dem solche Produkte vergleichenden Presseorgan) die Bewertungsmaßstäbe ohne Rücksicht darauf offen zu legen, ob die Rangliste als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung zu qualifizieren ist.

  2. Wenn bei einer vergleichende Darstellung von Waren und Dienstleistungen im Internet der Nutzer nicht auf der gleichen Seite über die Quelle des Vergleichs und die diesem zugrundeliegenden Bewertungsmaßstäbe unterrichtet wird, ist sie gleichwohl rechtmäßig, wenn er zu dieser Darstellung über eine Seite geführt wird, welche solche Informationen enthält oder wenn von der darstellenden Seite aus für den Nutzer erkennbar auf die Seite mit der Quellenangabe und den Bewertungsmaßstäben geklickt werden kann.

    Rechtswidrig ist eine Gestaltung, die es dem Nutzer erlaubt, unmittelbar auf eine Seite mit der vergleichende Darstellung ohne Quellenangabe, ohne Angabe der Bewertungsmaßstäbe oder ohne (eine geführte) Weiterleitung zu einer Seite mit diesen Informationen zu gelangen.

  3. Bietet ein Presseorgan eine solche vergleichende Darstellung von Waren und Dienstleistungen im Internet an, kann es sich nicht erfolgreich darauf berufen, dass ein interessierter Nutzer – wenn auch ohne Anleitung - durch weitere Suche im Internet über mehrere „Klicks“ zu den erforderlichen Angaben über die Bewertungsmaßstäbe gelangt wäre.

Tenor

  1. Die einstweilige Verfügung vom 02.06.2005 wird mit folgender - einschränkender - Maßgabe bestätigt:

    ..., ohne den Nutzer/Leser über die Zeitschrift Aero-International als Quelle sowie die zugrunde liegenden Bewertungsmaßstäbe zu unterrichten, in dem sie ihn über folgende Seite führt: ...

  2. Im übrigen wird die einstweilige Verfügung aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer solchen Verfügung zurückgewiesen.

  3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung seitens der Verfügungsbeklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,- abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Klägerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen einer Veröffentlichung im Internetauftritt der Beklagten. Die Klägerin wurde von der Beklagten unter der Internetadresse ... als schlechteste, einen traurigen Minusrekord im Hinblick auf Abstürze und Todesopfer haltende Fluglinie bezeichnet.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Berichterstattung nicht den Ansprüchen an eine vergleichende Darstellung genüge, da weder die Quelle für ihre Einordnung als auch Bewertungsmaßstäbe genannt würden.

Mit Beschluss vom 02.06.2005 hat die Kammer folgende einstweilige Verfügung erlassen:

  1. Den Antragsgegnerin wird bei Meidung

    - eines Ordnungsgeldes von EUR 5,-- bis zu EUR 250.000,--, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder

    - einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen am Vorstand: ...

    für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gemäß §§ 935 ff, 890 ZPO verboten, über die Antragstellerin gemäß Anlage AST 1 zu berichten, berichten zu lassen oder bei der Verbreitung eines solchen Berichtes mitzuwirken.

  2. Die Antragsgegner haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

  3. Der Streitwert wird auf EUR 100.000,-- festgesetzt.

Die Verfügungsbeklagte hat hiergegen Widerspruch eingelegt.

Zur Begründung trägt sie insbesondere vor, die von der Klägerin vermissten Angaben seien durchaus enthalten gewesen und verweist hierzu auf die Anlagen AG 1 und AG 2.

Die Beklagte beantragt:

Die Verfügung vom 02.06.2005 wird aufgehoben, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Klägerin beantragt:

Die Verfügung vom 02.06.2005 wird bestätigt.

Auf das Widerspruchsvorbringen hin trägt sie vor, durch Anklicken verschiedener Links sei es möglich gewesen, von der Anlage ASt 12 zu der Anlage ASt 13 und von dort aus ohne Zwischenschritt zu der Anlage ASt 1 zu kommen. Auf diesem Weg ergebe sich für den Leser/Nutzer weder ein Hinweis auf die Quelle noch auf die Bewertungsmaßstäbe. Dies sei ausreichend für das Unterlassungsgebot, da die Beklagte sicherstellen müssen, dass auf keinem der im Internet möglichen Wege maßgebliche Informationen verloren gingen.

Die Beklagte erwidert hierauf, für den interessierten Leser seien durch das übliche "Surfen" im Internet die Angaben über Quelle und Bewertungsmaßstäbe unschwer zu erlangen.

Im Termin vom 04.07.2005 wurde der Klägervertreter, Rechtsanwalt Schäfer-Newiger, als Zeuge vernommen; auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen (Blatt 30 ff.).

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die einstweilige Verfügung war mit der in Ziffer 1 enthaltenen einschränkenden Maßgabe zu bestätigen, da der Klägerin nur insoweit ein Anspruch gemäß §§ 823 ff. BGB, 1004 BGB auf Unterlassung zusteht.


I.

Bei einer vergleichenden Darstellung von Waren und Dienstleistungen fällt häufig die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und zulässiger Meinungsäußerung schwer. Jedenfalls sind aber von dem solche Produkte vergleichenden Presseorgan die Bewertungsmaßstäbe offenzulegen, vgl. BGH NJW 87, 222 f.


II.

Diesen Anforderungen genügt die Internetberichterstattung der Beklagten nur teilweise.

Zwar hat die Beklagte durch die von ihr vorgelegten Screen-Shots (AG 1 und 2) glaubhaft gemacht, dass der Leser/Nutzer auf dem von ihr geschilderten Wege zu den erforderlichen Angaben gelangt.

Gleichzeitig steht jedoch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es einem solchen Leser/Nutzer auch möglich war, zu der zum Bestandteil der einstweiligen Verfügung vom 02.05.2005 gewordenen Seite zu gelangen, ohne dass er über die entsprechenden Quellen geführt wurde. Dies ergibt sich aufgrund der Beweisaufnahme. Der Zeuge Schäfer-Newiger hat bei seiner Vernehmung bekundet, dass er selbst den Weg in den Anlagen ASt 12 und ASt 13 wiedergegebenen Internetseiten zu der Seite gefunden hat, die Bestandteil der einstweiligen Verfügung vom 02.06.2005 geworden ist. Von der Richtigkeit seiner Darstellung ebenso wie von seiner Glaubwürdigkeit ist das Gericht überzeugt. Der Zeuge hätte wegen dieses Verfahrens sicher keine Falschaussage gemacht. Auch an seiner Erinnerungsfähigkeit bestehen keine Zweifel: Schließlich surfte er nicht zu seinem Vergnügen im Internet, sondern bereitete in der Anfangsphase eines Mandats die Antragsschrift auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor, so dass er im besondere Maße aufmerksam und konzentriert war.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass ein interessierter Leser/Nutzer durch weitere Suche im Internet zu den erforderlichen Angaben gelangt wäre. Aus den vorgelegten Angaben ist ein solcher Weg durch 1, 2, höchstens 3 "Klicks", nicht nachvollziehbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 6, 711 ZPO, soweit die Verfügung aufgehoben wurde. Im übrigen war ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Verfügungsverfahren nicht veranlasst.

Rechtsgebiete

Informations- und Telekommunikationsrecht