Anspruch auf höhere Vergütungungsgruppe

Gericht

LAG Niedersachsen


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

19. 08. 1988


Aktenzeichen

3 Sa 360/86 E


Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 18. 12. 1985 - 2 Ca 310/85 E abgeändert.

Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger seit dem 1. 1. 1984 ( bis 31. 12. 1987 ) Vergütung aus der Vergütungsgruppe III BAT statt gewärter Vergütung aus Vergütungsgruppe IV a BAT nebst 4 % Zinsen auf die jeweiligen Nettodifferenzbeträge ab 11. 7. 1985, frühestens aber ab jeweiligem Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Parteien streiten über eine Höhergruppierung des Klägers aus der Vergütungsgruppe IV a BAT in die Vergütungsgruppe III BAT ab 01.01.1984.

Der Kläger stand vom 01.01.1982 bis zum 31. Dezember 1987 als technischer Angestellter in den Diensten der beklagten Stadt. Er übte eine Tätigkeit als ( einziger ) technischer Prüfer im Rechnungsprüfungsamt aus. Die Parteien hatten einzelvertraglich die Geltung des BAT und der diesen ändernden und ergänzenden Tarifverträge vereinbart. Der Kläger bezog Vergütung nach Vergütungsgruppe IV a BAT. Mit der Klage hat er die Feststellung der Verpflichtung der beklagten Stadt begehrt, an ihn ab 01. Januar 1984 Vergütung nach Vergütungsgruppe III BAT zu zahlen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Durch dieses Urteil vom 18. Dezember 1985 hat die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Hannover die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt sowie schließlich den Streitwert auf 9.000,-- DM festgesetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe wiederum verwiesen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Feststellungsbegehren weiter, nach näherer Maßgabe seines Schriftsatzes vom 29.03.1986.

Der Kläger beantragt nunmehr,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den Schlußanträgen erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung nach näherer Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 12.06.1986.

Im übrigen wird wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszuge zu den auf ihre sonstigen, ebenfalls zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet.

Der Kläger hat gemäß § 22 BAT, der auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, Anspruch auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe III BAT seit dem 01.01.1984 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien mit dem 31.12.1987.

Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob die Hälfte der Gesamtarbeitzeit des Klägers ausfüllende Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der vom Kläger für sich, beanspruchten Vergütungsgruppe entsprechen ( § 22 Abs.1, Abs. 2 Unterabs. 1 und Unterabs. 2, Satz 1 BAT ). Dabei ist von dem in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Begriff des Arbeitsvorganges auszugehen, wonach darunter eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer vernünftigen, sinnvollen praktischen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und tarifrechtliche selbständig bewertbare Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen ist ( vgl. BAG AP-Nr. 2, 115, 116, 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975, mit weiteren Nachweisen zur ständigen Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts ). Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind freilich die in einem bestimmten zeitlichen Ausmaß geforderten tariflichen Anforderungen, wie selbständige Leistungen, besondere Schwierigkeit und Bedeutung oder Verantwortung nicht im Arbeitsvorgang zu messen. Nunmehr ist zu prüfen, ob in dem geforderten Ausmaß von einem Fünftel, einem Drittel oder der Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die ihrerseits die tariflichen Anforderungen erfüllen. Dazu sind tariflich selbständig zu bewertetende tatsächlich trennbare Tätigkeiten, die keine Zusammenhangstätigkeiten darstellen, jeweils für sich zu bewerten und dürfen nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden. Dann müssen Tätigkeiten, die selbständig, schwierig und, bedeutungsvoll oder verantwortungsvoll sind, den anderen Tätigkeiten ohne diese Merkmale gegenübergestellt werden, und muß an der Gesamttätigkeit gemessen werden, ob das geforderte Maß erfüllt ist. Dazu ist jeweils eine Überprüfung der gesamten Tätigkeit des Angestellten erforderlich ( so jetzt Bundesarbeitsgericht Urteil vom 19. März 1986 - 4 AZR 642/84 - BAG E 51, 282 ff. = AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975; hierzu weiter: Neumann ZTR 1987, Seite 41 ff.; Clement ZTR 1987, S. 74 ff.; Jesse ZTR 1987, S. 193 ff. )

Hiervon ausgehend, gelangt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, daß die dem Kläger zugewiesene Tätigkeit im Rechnungsprüfungsamt der Beklagten zu einer Bewertung nach Vergütungsgruppe III BAT führen muß. Diese Vergütungsgruppe setzt in Fallgruppe 1 voraus, daß es sich um einen technischen Angestellten mit technischer Ausbildung nach Nr. 2 der Bemerkung zu allen Vergütungsgruppen und langjähriger praktischer Erfahrung, die sich durch besonders schwierige Tätigkeiten und die Bedeutung ihres Aufgabengebietes aus der Vergütungsgruppe VI a Fallgruppe 1 herausheben, handelt. Dies ist hier zu bejahen.

Dabei bedarf es keiner näheren Begründung dafür, daß die Tätigkeit des Klägers zunächst einmal, was zwischen den Parteien auch gar nicht weiter strittig ist, die Merkmale der Vergütungsgruppen IV b und IV a BAT erfüllt, auf die dann die Vergütungsgruppe III BAT ( hier: VkA ) aufbaut. Unzweifelhaft ist auch, daß der Kläger die für die Vergütungsgruppe III BAT erforderliche langjährige praktische Erfahrung aufweist. Die Tätigkeit des Klägers hebt sich indes aus der Vergütungsgruppe IV a BAT des weiteren heraus durch besonders schwierige Tätigkeiten und durch die Bedeutung des Aufgabengebietes.

Dabei kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, welche Arbeitsvorgänge in dem eingangs skizzierten tarifrechtlichen Sinne bei der Tätigkeit des Klägers eigentlich vorliegen ( vgl. im übrigen zur Eingruppierung eines technischen Prüfers im Rechnungsprüfungsamt: BAG Urteil vom 05.11.1980 - 4 AZR 796/78 - sowie eines Vorprüfers im Rechnungsprüfungsamt: BAG Urteil vom 17.12.1980 - 4 AZR 832/78 -).

Die "besondere Schwierigkeit" der Tätigkeit muß sich unmittelbar aus der Tätigkeit selbst ergeben. Das kann beispielsweise durch die Breite des geforderten fachlichen Wissens und Könnens, durch Spezialkenntnisse oder außergewöhnliche Erfahrungen geschehen. Hiermit wird weder eine richtungsweisende Entscheidungskompetenz noch Unterschriftsbefugnis gefordert (vgl BAG AP Nrn. 23, 56, 61 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Dies ergibt sich im vorliegenden Falle daraus, daß der Kläger seine Prüftätigkeit auf alle Gewerke zu erstrecken hat. Die Arbeitsergebnisse des Klägers, die im übrigen keiner weiteren fachlichen Kontrolle mehr unterliegen, betreffen nicht nur eine Ausbildungsrichtung des Bauwesens, wenn man beispielsweise so unterschiedliche Tätigkeiten wie Brückenanhängung einer SW-Druckleitung, elektronische Arbeiten für Pumpwerke, Kanalisationsarbeiten, Dachreparaturarbeiten, Betonsanierungsarbeiten, Herstellung einer Straßenbeleuchtungsanlage, maschinelle Ausrüstung für ein Pumpwerk, Heizungsarbeiten, Parkettreparatur- und Versiegelungsarbeiten, Filterkesselbeschichtung in einem Hallenbad, Dorferneuerungsplanung, Bodenuntersuchungen (Gefährdungsabschätzung), Ingenieurauftrag für Lärmschutz usw. berücksichtigt. Dies bezieht sich zumindest auf die in der Arbeitsbeschreibung, die als solche unstreitig ist, genannten Tätigkeiten im Bereich der Vergabeprüfung im VOL/VOB-Bereich ab 5.000,-- / 10.000,-- DM, die Prüfung aller Bauvorhaben, die Prüfung der Jahresrechnung, die Prüfung aller Verwendungsnachweise, die grundsätzliche Visakontrolle im technischen Bereich sowie die Prüfung von Ingenieur-, Nutzungs-, Gestattungs-, Ablöse- und Erschließungsverträgen in technischer Hinsicht, die insgesamt einen Zeitanteil von 75 % ausmachen. Die technische Prüfung erstreckt sich damit weder allein auf Fragen des Hochbaus, noch allein auf Fragen des Tiefbaus, sondern auf beide Bereiche und darüberhinaus auch noch auf weitere erforderliche Sonderbereiche Haustechnik, Sportstättenbau, Garten- u. Friedhofsbau ). Schließlich ist auch bei diesen Tätigkeiten die "Bedeutung des Aufgabengebiets" zu bejahen. Diese ergibt sich aus der Funktion eines kommunalen Rechnungsprüfungsamtes sowie dem Umstand, daß der Kläger als einziger technischer Prüfer im Rechnungsprüfungsamt dort in technischer Hinsicht allein die entscheidende Stellungnahme abgibt. Die Tätigkeit eines solchen technischen Prüfers hat erhebliche Auswirkungen auf die zu treffenden Entscheidungen im Verwaltungsbereich, aber darüberhinaus auch im Bereich der zuständigen politischen Gremien. Die Überwachung der Haushalts- und Wirtschäftsführung der mittelverwaltenden Stellen durch ein Kontrollorgan hat über die rein rechnerischformale Nachprüfung der Rechnungslegung auch gerade im Hinblick auf die präventive Wirkung, die von einer solchen Tätigkeit ausgeht, eine erhebliche Bedeutung auf die Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der gesamten Haushalts- und Wirtschaftsführung. Dies ist um so bedeutsamer, als immer wieder Fälle und Vorgänge bekannt werden, die mit den Grundsätzen einer sparsamen Haushaltsführung und Mittelverwendung nicht in Einklang zu bringen sind. Um so bedeutsamer erscheint dann freilich die Tätigkeit des einzigen technischen Prüfers in einem kommunalen Rechnungsprüfungsamt, dessen Tätigkeit damit zumindest zuweilen eine richtungsweisende Bedeutung für mittelverwaltende Stellen zukommt. Dabei kommt es nicht darauf an, daß konkret festgestellt werden kann, inwieweit der Kläger durch seine Prüftätigkeit nennenswerte Beträge eingespart hat oder nicht. Dies verbietet sich schon deshalb, weil die bereits angesprochene präventive Wirkung der Tätigkeit eines Rechnungsprüfungsamtes sich einer derartigen Quantifizierung entzieht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Kostenstreitwert des Berufungsverfahrens ist der jenige des angefochtenen Urteils, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Vorinstanzen

ArbG Hannover, 2 Ca 310/85 E, 18.12.1985

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht