Kein zwangsweiser Vollzug einer Umgangsregelung

Gericht

AG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

06. 08. 2004


Aktenzeichen

35 F 11260/ 03


Leitsatz des Gerichts

Das Recht eines Elternteils zum Umgang mit seinem Kind kann zwar stets angeordnet werden, jedoch kann je nach Einzelfall der Vollzug der Umgangsregelung nicht immer erzwungen werden. Dies gilt insbesondere, wenn das Kind den Umgang aus vernünftigen Motiven ablehnt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Eltern der 1994 geborenen Tochter leben getrennt. Die Tochter lebt bei dem sorgeberechtigten Vater. Die Mutter beantragt regelmäßigen Umgang mit ihrer Tochter, die Tochter lehnt den Umgang aber ab.

Das AG hat beschlossen, dass die Mutter das Recht auf einen regelmäßigen Umgang mit ihrer Tochter hat. Den Vollzug der Regelung hat das AG jedoch ausgeschlossen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Kindesmutter hat das Recht, mit S in regelmäßigen Abständen im üblichen Umfang allein zusammen zu sein, § 1684 I BGB.

Der Sachverhalt ist ausermittelt. Es sind in der Person der Mutter keine Gründe festzustellen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen Ausschluss des Umgangs rechtfertigen können.

Die Problematik, dass ein solcher Umgang, nämlich dass S regelmäßig eine zeitlang allein mit der Mutter zusammen sein kann, nicht stattfindet, ist nicht - darin folgt das Gericht den überzeugenden Feststellungen der Gutachterin im Gutachten vom 25. 3. 2004 - auf ein irgendwie geartetes Fehlverhalten oder „Unmöglichsein“ der Mutter zurückzuführen, sondern einzig auf die klare und unmissverständliche Verweigerung von S eines solchen Umgangs. Diese Weigerung kann nicht zur Folge haben, dass der Mutter das menschliche, elterliche und auch gesetzlich zustehende Recht, Umgang mit ihrer Tochter zu haben, per Gerichtsentscheid abgesprochen wird. Er steht ihr zu.

Durch die getroffene Regelung wird die Mutter das ihr zustehende Recht aber nicht erzwingen können.

Da das Gericht davon ausgeht - auch insoweit folgt es den Feststellungen der Gutachterin - dass auch das Verhalten des Vaters nicht ursächlich für die Verweigerung von S ist, dass er einem unkomplizierten Umgang im Gegenteil positiv gegenüber steht, kann das Gericht keinen Sinn darin sehen, gegen ihn einen Umgang zu erzwingen und zu vollstrecken.

Aber auch über Maßnahmen gegen den Vater zu erreichen, dass S zum Umgang mit ihrer Mutter gezwungen wird, lehnt das Gericht ab.

Nach den Feststellungen der Gutachterin - und das Gericht weiß es auch nicht besser - hat S erklärbare Gründe - ohne dass sie sie selbst nachvollziehbar erklären könnte - derzeit zuviel Nähe zur Mutter zu vermeiden. Die Gutachterin erklärt die Gründe mit der tragischen Abfolge von Begegnung und Trennung im bisherigen Leben des Kindes, die das Verhalten der emotionalen Distanzierung und Vermeidung von Nähe als Bewältigungsstrategie eines immer wieder drohenden Beziehungsabbruchs bewertet. Bewältigungsstrategien können mit therapeutischen Mitteln verändert werden, wie es ja auch mit S versucht wird, nicht aber durch staatlichen Zwang.

Das Gericht hat die seelischen Vorgänge bei S zu achten. Eine Missachtung würde ihre seelische Entwicklung und damit ihr Wohl gefährden. Dahinter hat das Recht der Mutter zurückzustehen.

Da ein weiterer begleiteter Umgang als Möglichkeit im Prinzip außer Streit ist, von der Mutter aber verständlicherweise als persönliche Einschränkung und Abwertung abgelehnt wird, war darüber nicht zu entscheiden.

Rechtsgebiete

Ehe- und Familienrecht

Normen

BGB § 1684