Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung - Gartenhaus auf Sondernutzungsfläche

Gericht

BayObLG


Art der Entscheidung

Beschluss über weitere Beschwerde


Datum

21. 05. 1999


Aktenzeichen

2Z BR 188/98


Leitsatz des Gerichts

Die Beseitigung einer baulichen Veränderung, die den Gesamteindruck einer Wohnanlage optisch nachteilig verändert (hier: Gartenhaus auf einer Sondernutzungsfläche), kann nicht verlangt werden, wenn sie mit Zustimmung der beeinträchtigten Wohnungseigentümer vorgenommen worden ist. Die Frage, ob eine solche Zustimmung erteilt ist, unterliegt grundsätzlich der tatrichterlichen Würdigung, die vom Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt nachgeprüft werden kann.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Ast. und die Ag. sind die Wohnungeigentümer einer aus zwei Doppelhaushälften und einem Garagengebäude bestehenden Anlage. Den Ag. gehört die zur Straße hin gelegene Haushälfte (Sondereigentum Nr. I), die vom Sohn der Ag. zu 1 und seiner Familie bewohnt wird. Die Ast. bewohnt ihre im rückwärtigen Teil des Grundstücks gelegene Haushälfte (Sondereigentum Nr. II) selbst. Gem. Nr. IV Abs. 2 der Teilungserklärung (TE) vom 12. 8. 1966 ist die Benutzung des nicht überbauten Grundstücksteils in der Weise geregelt, daß mit dem Wohnungseigentum Nr. I das Recht auf ausschließliche Nutzung des vorgelagerten, im Lageplan rot schraffierten Grundstücksteils (ca. eine Hälfte) und mit dem Wohnungseigentum Nr. II das Recht auf ausschließliche Nutzung der diesem vorgelagerten, im Lageplan grün schraffierten Grundstücksfläche (ca. eine Hälfte) verbunden ist. Der blau schraffierte Teil des Grundstücks, der den Zugang bildet, steht den Wohnungseigentümern zur gemeinschaftlichen Nutzung zu. Dieser Zugang, ein gepflasterter Weg, führt von der Straße kommend zwischen dem Garagengebäude und der Sondernutzungsfläche des Wohnungseigentums Nr. I auf die Haushälfte der Ag. zu, knickt dort nach links ab und verläuft zwischen dieser Haushälfte und der Rückseite des Garagengebäudes, wendet sich dann wieder nach rechts und führt an der Nordseite des Wohngebäudes entlang zunächst zum Hauseingang der Ag. und dann weiter zum Hauseingang der Ast. Nördlich des Wohngebäudes liegt zwischen dem Zugangsweg und der Grundstücksgrenze ein etwa zwei Meter breiter Geländestreifen. Er ist dem Wohnungseigentum der Ag. zur Sondernutzung zugewiesen, soweit er diesem vorgelagert ist. Auf dieser Sondernutzungsfläche errichteten die Ag. im Herbst 1995 ein Gartenhaus mit Schindeldach, das eine Breite von 2,02 m, eine Länge von 3,55 m und eine Firsthöhe von 2,80 m hat. Es schließt an die gemauerte Rückseite eines auf dem Nachbargrundstück stehenden Gartenhauses an und entspricht diesem in Höhe und Profil. Gegenüber liegt der Hauseingang der Ag. Von dessen Vordach aus führten sie ein Regenrohr auf das Dach ihres Gartenhauses.

Die Ast. hat beantragt, die Ag. zur Entfernung des Gartenhauses nebst der Rohrverbindung zum gegenüber liegenden Vordach am Hauseingang zu verpflichten. Die Ag. sind dem Antrag entgegengetreten und haben hilfsweise für den Fall ihres Unterliegens beantragt, die Ast. ihrerseits zur Beseitigung des Gerätehäuschens zu verpflichten, das sie vor etwa 20 Jahren im hinteren Bereich ihrer Sondernutzungsfläche errichtete. Das AG hat dem Antrag der Ast. stattgegeben, den Hilfsantrag der Ag. aber abgewiesen. Die Ag. haben sofortige Beschwerde eingelegt. Das LG hat durch die Berichterstatterin als beauftragte Richterin einen Augenschein eingenommen sowie vor der vollbesetzten Kammer den Sohn und den Ehemann der Ag. zu 1 als Zeugen vernommen. Sodann hat es die Entscheidung des AG aufgehoben und den Antrag der Ast. zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich deren sofortige weitere Beschwerde ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. 1. Das LG hat ausgeführt: Die Errichtung des Gartenhauses auf der Sondernutzungsfläche der Ag. stelle eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums dar, die zwar nicht die Nutzung des gemeinschaftlichen Zugangs, wohl aber das optische Erscheinungsbild der Anlage erheblich beeinträchtige. Der gemeinsame Zugang zu den Doppelhaushälften werde durch das sehr massiv wirkende Gartenhaus wesentlich verändert, dessen Gestaltung den Eindruck eines Schrebergartenhauses erwecke. Demgegenüber sei das Gartenhaus der Ast. deutlich kleiner und unauffälliger sowie von Büschen abgeschirmt.

Zur Errichtung des Gartenhauses der Ag. sei die Zustimmung der Ast. erforderlich gewesen. Die Kammer sei jedoch aufgrund der von ihr durchgeführten Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, daß die Ast. ihre Zustimmung erteilt habe. Der Sohn der Ag. zu 1 habe ausgesagt, im Frühjahr 1995 habe die Ast. zwar seinen Vorschlag abgelehnt, ein Gartenhaus an der Rückwand der Garage zu errichten, sich aber mit der Errichtung am jetzigen Standort einverstanden erklärt unter der Voraussetzung, daß es nicht in dem gemeinsamen Zugangsweg hineinrage. Bei einem zweiten Gespräch einige Wochen später habe er gemeinsam mit seiner Mutter der Ast. näher erläutert, daß das Gartenhaus der Form des nachbarlichen Gartenhauses angepaßt und zur Verbreiterung des Zugangswegs eine zusätzliche Plattenreihe gelegt werden solle. Die Ast. habe erklärt, dies sei ihr egal, sofern der ursprüngliche Weg nicht verändert werde. Ähnlich habe sie sich zur äußeren Gestaltung des Häuschens geäußert. Der Ehemann der Ag. zu 1 und Vater des vorgenannten Zeugen habe bekundet, die Ast. habe bei dem Gespräch im Frühjahr 1995 zu dem Vorschlag, ein Gartenhaus an die Rückwand der Garage anzubauen, ihre Zustimmung verweigert. Zu dem Vorschlag, das Gartenhäuschen am jetzigen Standort an das schon bestehende des Nachbarn anzubauen, habe sie erklärt, sie habe nichts dagegen unter der Bedingung, daß das Gartenhäuschen den gemeinsamen Weg nicht tangiere. Es sei ihr ausschließlich darum gegangen, auf diesem Weg ihr Fahrrad bequem durchschieben zu können. Hinsichtlich des zweiten Gesprächs, bei dem er nicht anwesend gewesen sei, habe ihn seine Ehefrau dahin unterrichtet, daß die Ast. gegen das Gartenhaus nichts eingewendet habe.

Die Kammer habe keinen Anlaß gehabt, an der Glaubwürdigkeit der beiden Zeugen zu zweifeln, die einen absolut offenen, geradlinigen und ehrlichen Eindruck gemacht hätten. In ihren Aussagen habe die Kammer keine wesentlichen Widersprüche erkennen können. Es könne unterstellt werden, daß die Ast. sich im März und im Mai 1995 bei der Gemeinde erkundigt habe, was sie gegen die Errichtung eines Gartenhauses durch die Nachbarn unternehmen könne. Aus dieser Tatsache könne nicht zwingend auf eine Verweigerung ihrer Zustimmung geschlossen werden. Für die Glaubwürdigkeit der Zeugen spreche auch, daß die Ast. erstmals zwei Jahre nach Errichtung des Gartenhauses dessen Entfernung gefordert und sich dabei nicht auf ein fehlendes Einverständnis berufen habe. Aufgrund der Zeugenaussagen sei die Kammer davon überzeugt, daß die Ast. jedenfalls zum Zeitpunkt des zweiten Gesprächs ausreichend informiert gewesen sei. Das wesentliche Ausmaß des zu errichtenden Bauwerks sei durch die Hinweise auf das nachbarliche Gartenhaus, an das angebaut werden sollte, und den Weg, den die Ast. nicht verkleinert wissen wollte, ausreichend konkretisiert worden. Entsprechend diesen Angaben sei das Gartenhaus errichtet worden. Daß das Dach etwas in den Weg hineinrage, sehe die Kammer als unbedeutend an.

Sofern man entgegen der Auffassung der Kammer das Verhalten der Ast. nicht als Zustimmung werten sollte, stünde ihrem Beseitigungsverlangen der Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegen. Unabhängig davon, ob die Ast. ihre Zustimmung ausdrücklich erklärt habe, sei die Kammer jedenfalls aufgrund der Zeugenaussagen davon überzeugt, sie habe zu erkennen gegeben, daß sie dem Vorhaben positiv gegenüber stehe und nichts dagegen unternehmen werde. Angesichts dessen erscheine es zumindest treuwidrig, zwei Jahre nach der Errichtung des Gartenhauses dessen Beseitigung zu verlangen. Über den Hilfsantrag der Ag. sei nicht mehr zu entscheiden.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. a) Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Errichtung eines Gartenhauses auf der Sondernutzungsfläche der Ag. eine bauliche Verhänderung des Gemeinschaftseigentums i.S. von § 22 I WEG darstellt (vgl. BayObLG, NJW-RR 1988, 591; 1992, 975 [976]) und dazu die Zustimmung der Ast. erforderlich war, wenn deren Rechte über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt wurden. Das LG hat eine Beeinträchtigung i.S. von § 14 Nr. 1 WEG bejaht, weil der optische Gesamteindruck der Anlage wesentlich verändert worden ist, und ist deswegen zu Recht von der Zustimmungsbedürftigkeit der Maßnahme ausgegangen (allg. M., vgl. BayObLG, NZM 1998, 775 [776] m.w. Nachw.).

b) Offenbleiben kann, ob durch das Gartenhaus die Benutzung des Zugangswegs beeinträchtigt ist und damit ein weiterer Nachteil vorliegt, wie die Rechtsbeschwerde geltend macht. Das LG hat dies verneint und sich dabei auf die beim Augenschein der Berichterstatterin getroffenen Feststellungen und die von den Ag. vorgelegten Pläne gestützt; die in diesen Plänen enthaltenen Maßangaben waren von der Ast. im ersten Rechtszug und im Beschwerdeverfahren nicht beanstandet worden. Die Ast. trägt im übrigen selbst vor, daß der Plattenweg im Bereich des Gartenhäuschens um 23 cm verbreitert worden sei; eine Beeinträchtigung des Zugangs durch das Vordach über dem Hauseingang oder eine Fußmatte vor den Stufen, die sie behauptet, hat im vorliegenden Verfahren, dessen Gegenstand allein die Beseitigung des Gartenhäuschens ist, außer Betracht zu bleiben.

c) Das LG hat einen auf § 1004 I 1 BGB, §§ 15 III , 14 Nr. 1 WEG gestützten Anspruch auf Beseitigung des Gartenhäuschens verneint, weil die Ast. der Errichtung zugestimmt habe. Dabei hat es sich auf das Ergebnis der von ihm durchgeführten Zeugenvernehmungen gestützt. Die Ermittlung und Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen ist Sache des Tatrichters. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die vom Tatrichter getroffenen Feststellungen und seine Beweiswürdigung nur beschränkt, nämlich auf Rechtsfehler nachprüfen (§ 43 I 1 WEG, § 27 I 2 FGG, § 561 ZPO). Der Senat kann demnach nur überprüfen, ob das LG den Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG) und bei der Erörterung des Beweisstoffs alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (§ 25 FGG), ob seine Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, ferner ob die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt worden sind (BayObLG, NJW-RR 1995, 653 [654] m.w. Nachw.; st. Rspr.). Die Beweiswürdigung des LG ist frei von solchen Rechtsfehlern.

(1) Das LG hat nicht gegen seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 12 FGG) verstoßen, weil es den Gemeindebediensteten nicht vernommen hat, bei dem die Ast. zweimal wegen der Errichtung des Gartenhäuschens vorgesprochen hat. Das LG hat den Vortrag der Ast. als zutreffend unterstellt, sie habe sich im März und im Mai 1995 bei der Gemeinde nach Möglichkeiten erkundigt, das Gartenhaus zu verhindern, und dies bei der Würdigung der Aussagen des Ehemanns und des Sohnes der Ag. zu 1 berücksichtigt. Entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde ist das LG nicht davon ausgegangen, daß die zweite Unterredung zwischen der Ast. und dem Sohn der Ag. zu 1, bei der seiner Aussage zufolge die Zustimmung erteilt worden ist, im April 1995 und damit vor dem zweiten Besuch der Ast. bei der Gemeinde stattgefunden habe. Zur zeitlichen Abfolge der Unterredungen zwischen der Ast. und den Angehörigen der Ag. zu 1 einerseits und der Vorsprachen der Ast. bei der Gemeinde andererseits hat das LG keine Feststellungen getroffen.

Im übrigen kann nach Aussage des Sohns der Ag. zu 1, der an beiden Gesprächen mit der Ast. teilgenommen hat, zwischen dem ersten und dem zweiten Gespräch ein Zeitraum von zehn Wochen liegen.

(2) Das LG hat die Zeugen aufgrund des persönlichen Eindrucks der Kammer für glaubwürdig gehalten. Es hat berücksichtigt, daß sie am Ausgang des Verfahrens persönlich interessiert sind, und den Umstand gewürdigt, daß die Zeugen erst während des Beschwerdeverfahrens benannt worden sind. Das LG hat ferner berücksichtigt, daß die Angaben der Zeugen nicht in allen Punkten übereinstimmen, die sich ergebenden Widersprüche aber für unwesentlich erachtet. Das Vorbringen der Ast. läuft darauf hinaus, der Tatsachen- und Beweiswürdigung des LG zu widersprechen und diese durch ihre eigene Würdigung ersetzen zu wollen. Damit kann sie im Rechtsbeschwerdeverfahren keinen Erfolg haben (vgl. BayObLG, WE 1997, 275 [276]).

d) Im Ergebnis geht das LG ohne Rechtsfehler davon aus, daß die Ast. der Errichtung des Gartenhauses zugestimmt hat. Auf die Erwägungen, mit denen es hilfsweise die Geltendmachung des Beseitigungsanspruchs durch die Ast. als Rechtsmißbrauch wertet, kommt es deshalb nicht mehr an.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

BGB § 1004 I; WEG §§ 22 I, 15 III; FGG § 27 I; ZPO § 561