Verwirkung des Unterhaltsanspruchs wegen Körperverletzung und Strafanzeige

Gericht

OLG Koblenz


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

28. 03. 1991


Aktenzeichen

11 UF 1037/90


Leitsatz des Gerichts

Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt kann verwirkt sein, wenn der Unterhaltsberechtigte den Unterhaltspflichtigen wegen behaupteter Unterschlagungen bei seinem früheren Arbeitgeber angezeigt hat.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Das AG - FamG - hat der Ag. durch Verbundurteil nachehelichen Unterhalt zuerkannt. Der Ast. trägt mit seiner Berufung vor, die Ag. habe auf ihn und seine Freundin mit einem Kleiderbügel und einem Lederriemen eingeschlagen. Außerdem habe sie ihn zu Unrecht angezeigt, zum Nachteil seines früheren Arbeitgebers Unterschlagungen begangen zu haben.

Die Berufung des Ast. hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Ag. hat ihren Unterhaltsanspruch gegen den Ast. verwirkt (§ 1579 Nr. 2 und 4 BGB). Ihr wäre an sich Unterhalt in Höhe von 2331,12 DM ab Rechtskraft der Scheidung zuzuerkennen. Hierbei geht der Senat von der eigenen Berechnung des Ast. aus. Dieser hat sein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen im Jahr 1991 mit 4662,23 DM errechnet. Der von der Ag. geltend gemachte Unterhalt in Höhe von 2325 DM liegt sogar geringfügig unter der Hälfte des Einkommens des Ast., so daß sich weitere Ausführungen zu dessen Berechnung erübrigen. Es ist davon auszugehen, daß die bereits 58 Jahre alte Ag. keine Arbeitsstelle mehr finden wird.

Die Inanspruchnahme des Ast. auf Zahlung von Unterhalt an die Ag. wäre grob unbillig. Die Ag. wurde wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen jeweils im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit zu einer Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50 DM verurteilt. Opfer dieser gefährlichen Körperverletzung waren der Ast. und dessen frühere Freundin. Sie hat mit einem Kleiderbügel und mit einem mit einer Schnalle versehenen Lederriemen auf den Ast. eingeschlagen. Sie hat sich damit eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Ast. schuldig gemacht (§ 1579 Nr. 2 BGB).

Weiterhin hat die Ag. den Ast. des Vortäuschens einer Straftat, des Versicherungsbetrugs und der Untreue zu Lasten seiner früheren Arbeitgeberin beschuldigt.

Aufgrund ihrer gegenüber einem Versicherungsvertreter und der Polizei ausgesprochenen Vermutung, daß der Ast. anläßlich eines Einbruchs in sein Wochenendhaus Gegenstände als gestohlen gemeldet habe, die sich nicht in dem Wochenendhaus befunden hätten, wurde gegen den Ast. ein Ermittlungsverfahren wegen Vortäuschens einer Straftat eingeleitet. Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens fand aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses eine Hausdurchsuchung bei dem Ast. statt. Da diese ohne Ergebnis blieb, wurde das Verfahren eingestellt. Gegen die Einstellung des Verfahrens wandte sich die Ag. mit einem Schreiben vom 31. 10. 1990. Diesem Schreiben beigefügt war eine Aufstellung von Gegenständen, die der Ast. gemäß der Behauptung der Ag. bei seiner Arbeitgeberin entwendet oder unterschlagen haben soll. Daraufhin wurde ein neues Verfahren gegen den Ast. wegen des Verdachts der Untreue eingeleitet. Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Durch den nicht nur bei der Polizei, sondern auch gegenüber dem Geschäftsführer seiner früheren Arbeitgeberin erhobenen Vorwurf, der Ast. habe dieser Firma gehörende Gegenstände entwendet oder unterschlagen, hat sich die Ast. über schwerwiegende Vermögensinteressen des Ast. mutwillig hinweggesetzt. Mit ihrer Anzeige wollte sie eine Bestrafung des Ast. erreichen. Für diesen Fall wäre die Zahlung seiner betrieblichen Altersrente gefährdet gewesen. Gem. § 9 II des Dienstvertrags des Ast. entfällt der Anspruch auf Ruhegeldzuschuß, wenn sich nach Beendigung des Dienstverhältnisses ein vorher ereigneter Sachverhalt herausstellt, der die Gesellschaft zur fristlosen von dem Ast. zu vertretenden Kündigung des Dienstverhältnisses berechtigt hätte. Diese Voraussetzungen würden bei der Feststellung von Unterschlagungen bzw. Diebstählen ohne Zweifel vorliegen.

Auf den Streit der Parteien darüber, ob nicht nur die Prozeßbevollmächtigten der Ag, sondern auch sie selbst Einblick in den Dienstvertrag bereits in früheren Verfahren erhalten haben, kommt es nicht an. Auch einem juristischen Laien ist bekannt, daß Diebstähle und Unterschlagungen zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses führen können und damit auch Einfluß auf die betriebliche Altersversorgung haben können. Einziges erkennbares Motiv der Ag. bei ihren Handlungen ist auch, dem Ast. schaden zu wollen.

Ob es tatsächlich zu den dargestellten negativen Konsequenzen - Wegfall der Betriebsrente - kommen wird, ist nicht entscheidend. Die Vermögensgefährdung reicht aus (vgl. Häberle, FamRZ 1986, 312). Die Hartnäckigkeit und Intensität der gegen Interessen des Ast. gerichteten Handlungsweise der Ag. muß auch angesichts der relativ kurzen Ehe hier dazu führen, daß der Unterhaltsanspruch nicht nur herabgesetzt oder zeitlich begrenzt wird, sondern daß er vollständig versagt wird, weil die Inanspruchnahme des Ast. grob unbillig wäre. Auf die weiteren von dem Ast. behaupteten und von ihr bestrittenen Handlungen der Ag. (Telefonterror, Gesichtsverletzungen aufgrund des Schusses aus einer Gaspistole) kommt es hierbei bereits nicht mehr an.

Die Ag. hat zwar erklärt, daß ihr Verhalten ihre Ursache in einer krankhaften Reaktion auf die Untreue des Ast. habe und daß sie deswegen manchmal für ihr Verhalten nicht verantwortlich sei. Die von ihr zur Konkretisierung ihrer Behauptung vorgelegte ärztliche Bescheinigung gibt jedoch keinen Anlaß zur Einholung eines fachpsychologischen Sachverständigengutachtens. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie hat festgestellt, daß die Ag. an einer vorwiegend reaktiven Depression mit neurotischen Komponenten leide, die durch die Ehekrise der Parteien ausgelöst worden sei. Für eine mangelnde Impulskontrolle oder deutlich aggressive Tendenzen ergebe sich kein Anhaltspunkt. Auch hätten aufgrund der Auswertung der psychologischen Tests keine eindeutigen Hinweise auf das Vorliegen hirnorganisch bedingter Defekte festgestellt werden können.

Rechtsgebiete

Unterhaltsrecht

Normen

BGB § 1579 Nrn. 2, 4