Klausel in den AGBs eines Inkassobüros zur Beanspruchung der vollen Vergütung trotz Auftragskündigung unwirksam
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
03. 02. 2005
Aktenzeichen
III ZR 268/04
Eine formularmäßige Klausel, wonach ein Inkassobüro für jeden Fall der Kündigung des Inkassoauftrages die volle Vergütung als Festbetrag - unabhängig von dem Stand der bis dahin erbrachten Leistungen - beanspruchen kann, ist gemäß § 10 Nr. 7 Buchst. a AGBG unwirksam.
Wird eine solche Klausel gegenüber einem Unternehmer verwandt, ist sie nach § 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam.
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte beauftragte die Klägerin durch "Überwachungsauftrag (Einzug einer ausgeklagten Forderung)" vom 17. Oktober 2000, eine titulierte Forderung gegen R. S. in Höhe von 410.530 DM beizutreiben. In dem formularmäßigen Auftrag erkannte der Beklagte die "Geschäftsbedingungen" der Klägerin an, in denen es in Absatz 12 heißt:
"Bereits rechtskräftig titulierte und bislang nicht zu realisierende Forderungen werden von e. <= Klägerin> überwacht. Das gesamte Kostenrisiko trägt e. ab Übernahme des Auftrages. Die Gesamtforderung ist mit Annahme des Auftrages (Originaltitel) in Höhe von 30 % zzgl. MWST (Bearbeitungsvergütung) an e. abgetreten. Bei jedem Zahlungseingang erfolgt entsprechende Verrechnung. Bei Kündigung des Auftrages ist die gesamte Bearbeitungsgebühr, sowie die bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Kosten in voller Höhe zu erstatten."
Die Klägerin erreichte nicht, daß der Schuldner zahlte. Mit Schreiben vom 24. April 2002 kündigte der Beklagte den Inkassoauftrag mit sofortiger Wirkung. Daraufhin stellte ihm die Klägerin am 29. April 2002 eine Bearbeitungsvergütung in Höhe von 30 % der Forderung sowie Gerichtsvollzieherkosten, insgesamt 83.278,22 €, in Rechnung.
Eingeklagt ist von der vorgenannten Rechnung ein Teilbetrag von 5.500 €, nämlich 5.118,60 € Bearbeitungsvergütung und 381,40 € von der Klägerin verauslagte Vollstreckungskosten, nebst Zinsen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage in Höhe von 877,40 € zuzüglich Zinsen stattgegeben. Mit der von dem Berufungsgericht zu ihren Gunsten zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Zahlung von (insgesamt) 5.500 € nebst Zinsen weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Klägerin könne nach der Kündigung des Inkassoauftrages gemäß § 675 Abs. 1, §§ 628, 612, 670 BGB in Verbindung mit Absatz 12 Satz 5 ihrer (vorzitierten) Geschäftsbedingungen Erstattung der bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Kosten verlangen. Darunter seien nicht nur ihre Auslagen, sondern auch diejenigen - nach Zeitaufwand unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 50 € zu ermittelnden - Aufwendungen für Personal und Organisation zu verstehen, die mit dem Inkassoauftrag zusammengehangen hätten (insgesamt 877,40 € einschließlich Umsatzsteuer).
Dagegen könne die Klägerin nicht darüber hinaus eine Vergütung fordern. Die Regelung in Absatz 12 Satz 5 ihrer Geschäftsbedingungen, wonach bei Kündigung des Auftrages - zusätzlich zu den bis dahin angefallenen Kosten - die gesamte Bearbeitungsgebühr "zu erstatten" sei, halte der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz nicht stand. Die Klägerin lasse sich hierdurch eine unangemessen hohe Vergütung für erbrachte Leistungen versprechen, was gemäß § 10 Nr. 7 Buchst. a AGBG nicht zulässig sei. Jedenfalls liege in einer solchen Abwicklungsregelung eine von wesentlichen Gedanken der gesetzlichen Regelung abweichende, den Beklagten unangemessen benachteiligende Bestimmung, die gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam sei. Das Prinzip, daß Bezahlung (nur) für geleistete Tätigkeiten geschuldet sei, werde auf den Kopf gestellt.
Nach der - an die Stelle der unwirksamen Geschäftsbedingungen tretenden - gesetzlichen Regelung (§ 628 Abs. 1 Satz 1 BGB) habe der Klägerin eine anteilige Vergütung für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen nicht zugesprochen werden können; denn sie habe insoweit die tatsächlichen Voraussetzungen nicht dargelegt.
II.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung stand.
1. Die Klägerin kann nur die rechtskräftig zuerkannten 877,40 € Personalund Vollstreckungskosten nebst Zinsen beanspruchen. Der von der Revision weiter geltend gemachte Aufwand zur Abwicklung des Vertragsverhältnisses nach erfolgter Kündigung war schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil er nicht durch entsprechenden substantiierten Parteivortrag belegt war.
2. Die Klägerin kann darüber hinaus keine Vergütung fordern.
a) Zwar ist in Absatz 12 Satz 5 der Geschäftsbedingungen bestimmt,
daß bei Kündigung des Inkassoauftrages - außer den bis zu diesem Zeitpunkt
angefallenen Kosten - die gesamte Bearbeitungsgebühr (oder - im selben
Sinn -: "Bearbeitungsvergütung" aa) Entgegen der Auffassung der Revision ist die in Absatz 12 Satz 5
der Geschäftsbedingungen getroffene Regelung der Inhaltskontrolle nach den
§§ 9 bis 11 AGBG unterworfen; denn durch sie wurde eine von Rechtsvorschriften
abweichende Regelung vereinbart (§ 8 AGBG).
(1) Abreden, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistungspflicht
und der hierfür geschuldeten Vergütung unmittelbar bestimmen, unterliegen
allerdings nicht der Regelung durch Rechtsvorschriften, sondern sind von der
den Parteien eingeräumten Vertragsfreiheit umfaßt. Mit solchen Preisabsprachen
ist daher im nicht preisregulierten Markt keine Änderung oder Ergänzung
von Rechtsvorschriften im Sinne des § 8 AGBG verbunden. Kontrollfähig sind
dagegen vorformulierte Vereinbarungen, die mittelbare Auswirkungen auf Preis
und Leistung haben (Nebenabreden) und an deren Stelle, wenn eine wirksame
vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann. Hierzu
zählen insbesondere Klauseln, die in einer die Gleichwertigkeit von Leistung
und Gegenleistung berührenden Weise die Entstehungsvoraussetzungen für
den Vergütungsanspruch regeln (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2002 - V ZR
251/00 - ZIP 2002, 808, 809 m.w.N.; s. auch Brandner in Ulmer/Brandner/
Hensen, AGB-Gesetz 9. Aufl. 2001 § 8 Rn. 21; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher,
AGB-Gesetz 4. Aufl. 1999 § 8 Rn. 18 f). So liegt der Streitfall.
(2) Die von den Parteien vereinbarte Einziehung von Forderungen des
Beklagten durch die als Inkassobüro tätige Klägerin ist als Geschäftsbesorgungsdienstvertrag
(§ 675 Abs. 1 BGB) zu qualifizieren (vgl. Senatsurteil vom
29. April 2004 - III ZR 279/03 - BGHReport 2004, 1065). Ein solcher Vertrag ist
für den Auftraggeber nach § 627 Abs. 1 BGB jederzeit kündbar (vgl. BGH, Urteil
vom 29. Mai 1991 - IV ZR 187/90 - WM 1991, 1642 bb) Nach dem - somit gemäß § 8 AGBG anwendbaren - Klauselverbot
des § 10 Nr. 7 Buchst. a AGBG ist eine Bestimmung unwirksam, nach der der
Verwender für den Fall, daß eine Vertragspartei den Vertrag kündigt, eine unangemessen
hohe Vergütung für erbrachte Leistungen verlangen kann. Richtschnur
für die rechtliche - also entgegen der Auffassung der Revision einem
Sachverständigenbeweis nicht zugängliche - Angemessenheitsprüfung ist jeweils
das, was - ohne die Klausel - nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldet
wäre (vgl. BGH, Urteile vom 8. November 1984 - VII ZR 256/83 - NJW
1985, 632 und vom 29. Mai 1991 aaO; Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen aaO
§ 10 Nr. 7 Rn. 1). Angemessen wäre demnach eine Vergütung, die den vom
Dienstverpflichteten bis zur Kündigung durch den Auftraggeber erbrachten Leistungen
entspräche (§ 628 Abs. 1 Satz 1 BGB). Darüber greift die von der Klägerin verwandte formularmäßige Regelung indes hinaus und unterliegt deshalb
dem Klauselverbot des § 10 AGBG (vgl. BGHZ 87, 309, 319). Die Klägerin hat
sich in Absatz 12 Satz 5 ihrer Geschäftsbedingungen für jeden Fall der Kündigung
die volle Vergütung ("gesamte Bearbeitungsgebühr") als Festbetrag
- unabhängig von dem Stand ihrer bis dahin erbrachten Leistungen - versprechen
lassen. Der Beklagte sollte die gesamte Vergütung selbst dann schulden,
wenn er zu einer Zeit kündigte, als die Klägerin noch nichts unternommen hatte.
Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hätte die
Klägerin im Falle der vorzeitigen Vertragsbeendigung sogar noch mehr erhalten
als bei Beendigung nach vollständiger Vertragserfüllung, nämlich die gesamte
Bearbeitungsgebühr und vollen Ersatz der ihr entstandenen Kosten
(Abs. 12 Satz 5 der Geschäftsbedingungen). Bei erfolgreichem Forderungseinzug
hätte sie zwar ebenfalls die Bearbeitungsgebühr erhalten, aber die Beitreibungskosten
selbst tragen müssen (vgl. Abs. 12 Satz 2 der Geschäftsbedingungen).
Bei nur teilweisem Forderungseinzug hätte die Klägerin - im Fall der
ordentlichen Vertragsbeendigung - nur eine anteilige Vergütung erhalten und
wiederum die Beitreibungskosten selbst tragen müssen.
Die AGB-förmige Bestimmung einer offensichtlich überhöhten Vergütung
für den Fall der Kündigung wird nicht durch ein Interesse der Klägerin gerechtfertigt,
den Auftraggeber so an einer vorzeitigen Kündigung des Inkassovertrages
zu hindern. Im Gegenteil ist darin, daß dem Auftraggeber durch Absatz 12
Satz 5 der Geschäftsbedingungen die Ausübung seines gesetzlichen Kündigungsrechts
(§ 627 Abs. 1 BGB) erschwert wird, eine weitere, die Unangemessenheit
der Vergütungsregelung verstärkende, einseitige Benachteiligung zu
sehen. Dieses Recht auszuhebeln, besteht kein rechtlich anzuerkennendes
Interesse. Was die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen angeht, ist der Dienstverpflichtete durch die Vergütungsregelung in § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB
hinreichend geschützt.
cc) Nichts anderes, nämlich Unwirksamkeit der Vergütungsregelung,
gälte, wenn § 10 AGBG hier nicht Anwendung fände, weil die Geschäftsbedingungen
der Klägerin - was das Berufungsgericht bezüglich des Beklagten offengelassen
hat - gegenüber einem Unternehmer verwendet worden wären (§
24 Satz 1 AGBG). Denn Absatz 12 Satz 5 der Geschäftsbedingungen der Klägerin
ist auch nach dem - im Verkehr mit Unternehmern uneingeschränkt anwendbaren
- § 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam. In § 628 Abs. 1
Satz 1 BGB ist für den Dienstvertrag festgelegt, daß sich die tatsächlich erbrachten
Dienstleistungen und die Vergütung im Fall der vorzeitigen Vertragsbeendigung
entsprechen müssen. Überhaupt wird Bezahlung grundsätzlich nur
für geleistete Tätigkeiten geschuldet (vgl. § 611 Abs. 1 BGB). Mit diesem wesentlichen
Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ist Absatz 12 Satz 5 der
Geschäftsbedingungen nicht vereinbar. Denn dort wird - wie oben im Zusammenhang
mit § 10 Nr. 7 Buchst. a AGBG ausgeführt - das vorbeschriebene
Äquivalenzprinzip mißachtet und letztlich auch für eine Nichtleistung ein Entgelt
festgesetzt (vgl. Brandner aaO § 8 Rn. 21b).
b) Aufgrund der von Absatz 12 Satz 5 der Geschäftsbedingungen nicht
verdrängten gesetzlichen Regelung des § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der
Klägerin eine höhere (anteilige) Vergütung als zuerkannt nicht zugesprochen
werden. Nach der - nicht angegriffenen - Feststellung des Berufungsgerichts ist
dem Parteivorbringen nicht zu entnehmen, welche Gesamtleistungen die Klägerin zu erbringen hatte. Die von ihr durchgeführten Tätigkeiten können deshalb
nicht ins Verhältnis zu der geschuldeten Gesamtleistung gesetzt und so
eine anteilige (höhere) Vergütung nicht bemessen werden.
Vorinstanzen
OLG Hamm; LG Hagen
Rechtsgebiete
Allgemeines Zivilrecht
Normen
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