Versorgungsehe eines verstorbenen Polizeioberkommissars

Gericht

OVG Münster


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

07. 07. 2004


Aktenzeichen

6 E 693/04


Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kl. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Kosten werden nicht erstattet.

Entscheidungsgründe


Gründe:

Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Kl., ihr für das unter dem Aktenzeichen 23 K 3103/02 VG Düsseldorf geführte Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihr Rechtsanwältin ... beizuordnen, zu Recht nicht entsprochen. Die Klage bietet auch unter Berücksichtigung des Beschwerdeverfahrens nicht die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -, §§ 114, 121 II der Zivilprozessordnung - ZPO -).

Die Kl. - Witwe des am ... verstorbenen Polizeioberkommissars a. D. ..., den sie am ... geheiratet hatte - erstrebt eine Verpflichtung des beklagten Landes, ihr Witwengeld zu gewähren. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand wird die angefochtene Verwaltungsentscheidung, mit der das Landesamt für Besoldung und Versorgung die Gewährung von Witwengeld unter Berufung auf § 19 I Satz 2 Nr. 1 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) in der bis zum 31. 12. 2001 geltenden Fassung abgelehnt hat, der gerichtlichen Prüfung in dem Klageverfahren voraussichtlich Stand halten.

Nach der erwähnten Regelung des § 19 I Satz 2 Nr. 1 BeamtVG ist die Gewährung von Witwengeld in einem Fall wie dem vorliegenden - der Ehemann der Kl. verstarb rund einen Monat nach der Heirat - grundsätzlich ausgeschlossen. Es wird von Gesetzes wegen vermutet, dass durch die Heirat (ausschließlich oder vorrangig) beabsichtigt war, der Witwe eine beamtenrechtliche Versorgung zu sichern, so dass es dem Dienstherrn auch im Rahmen der grundsätzlichen Alimentationspflicht nicht zugemutet wird, der Witwe Versorgungsleistungen zukommen zu lassen.

Die Witwe kann die gesetzliche Vermutung einer „Versorgungsehe“ allerdings widerlegen. Die Vermutung ist widerlegt, wenn der Witwe der Nachweis gelingt oder wenn im Übrigen festgestellt werden kann, dass unter den Heiratsmotiven jedenfalls eines der Ehegatten die Versorgungsabsicht keine maßgebende Bedeutung hatte. Die Vermutung der „Versorgungsehe“ kann jedoch nur durch die besonderen (objektiv feststellbaren) Umstände des jeweiligen Falles ausgeräumt werden. Erklärungen der Ehegatten über den Zweck der Ehe reichen grundsätzlich nicht aus. Entscheidend ist, ob die Versorgungsabsicht nach dem äußeren Gesamtbild der Eheschließung im Vordergrund gestanden hat. Die materielle Beweislast dafür, dass die Versorgungsabsicht keine maßgebende Bedeutung für die Heirat hatte, trifft die Witwe. Ein voller Gegenbeweis für einen anderen Zweck der Heirat ist allerdings nicht erforderlich. Es genügt, wenn die Annahme, die Versorgungsabsicht sei der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen, ausgeräumt wird.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 29. 1. 1990 - 12 A 395/88 -, Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, ES/CII. 2.3.1 Nr. 5, und vom 27. 2. 2001 - 6 A 4906/00 -, jeweils m.w. Nachw.

Unter Berücksichtigung dessen bietet der Akteninhalt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die gesetzliche Vermutung des § 19 I Satz 2 Nr. 1 BeamtVG im vorliegenden Fall ausgeräumt ist.

Bei dem Ehemann der Kl. war im Jahre ... ein malignes Melanom (bösartiger Tumor) am linken Auge aufgetreten und mit Erfolg behandelt worden. Ab August ... stellten sich zunehmende Metastasen in der Lunge heraus (vgl. die vom Landesamt eingeholte ärztliche Stellungnahme des Chefarztes der Abteilung für Innere Medizin des St. ... Krankenhauses ... vom ...). Während der stationären Behandlung in der Abteilung für Innere Medizin des Krankenhauses wurde am ein Enddarmtumor festgestellt. Daraufhin wurde der Ehemann der Kl. am ... in die Chirurgische Abteilung verlegt und am ... operiert. Dabei wurde im Gewebe neben dem Enddarm eine Metastase festgestellt. Laut der vom Landesamt eingeholten ärztlichen Stellungnahme des Chefarztes der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses vom ... war wegen der „extremen Bösartigkeit“ dieser Metastase „eine Rettung des Patienten aussichtslos, so dass auf eine onkologische Nachbetreuung durch unseren Spezialisten verzichtet wurde. Herrn ... wurde diese Prognose natürlich in dieser Deutlichkeit nicht mitgeteilt“. Nach stationären internistischen und chirurgischen Nachbehandlungen verstarb der Ehemann der Kl. am ...

Dieser Geschehensablauf stellt für sich gesehen nicht in Frage, dass durch die Eheschließung am ... jedenfalls vorrangig beabsichtigt war, der Kl. eine beamtenrechtliche Versorgung zu sichern. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Kl..

Die Kl. verweist darauf, es habe sich bei der im Juli ... erneuerten Bekanntschaft mit ihrem späteren Ehemann um Liebe auf den ersten Blick gehandelt. Er habe Anfang September .. um ihre Hand angehalten, und sie habe eingewilligt. Er sei Mitte September ... zum Standesamt gefahren, um das Aufgebot zu bestellen. Danach habe die Hochzeit stattfinden sollen. Diese habe sich lediglich wegen Problemen mit der Beschaffung der Geburtsurkunde des Ehemannes bis zum ... verzögert. Er sei zwar seit längerer Zeit schwer erkrankt gewesen, und von einer begrenzten Lebenserwartung sei auszugehen gewesen. Ihm sei aber seine Krankheit nicht anzusehen gewesen, und die Ärzte hätten sie beide über den Ernst seiner Erkrankung, insbesondere über seine nur noch sehr kurze Lebenserwartung, im Unklaren gelassen. Sie, die Kl., sei vor der Eheschließung nicht über Art und Umfang der Erkrankung unterrichtet gewesen. Eine Tumorerkrankung bedeute nicht zwangsläufig ein „Todesurteil“. Falls bei der Eheschließung eine Versorgungsabsicht im Vordergrund gestanden hätte, hätten sie schon früher geheiratet.

Nach diesem Vorbringen der Kl. wurde der Entbeschluss zur Heirat von ihr und ihrem Ehemann kurz nach der Darmkrebsoperation vom ... gefasst, bei der das extrem bösartige Metastasen-Karzinom festgestellt worden war. Der Ehemann mag zwar schon im August ... - vor dem Bekanntwerden der zunehmenden Metastasierung - Heiratsabsichten geäußert haben. Ein (beiderseitiger) Heiratsentschluss war damals aber nach den oben wiedergegebenen Angaben der Kl. im Beschwerdeverfahren noch nicht gefasst worden. Jedenfalls sie entschloss sich zu der Heirat erst Anfang September ... . An ihrem ursprünglichen Vortrag, sie hätten bereits im August ... geheiratet, wenn es ihnen auf eine beamtenrechtliche Versorgung angekommen wäre, die Heirat habe sich wegen einer Operation und wegen einer Kur bis zum ... verschoben, hält sie offenbar nicht mehr fest.

Nach der Operation vom ... stand außer Zweifel, dass der Ehemann nicht mehr lange zu leben hatte. Der sich aus den Akten ergebende Geschehensablauf deutet auch nicht darauf hin, dass ihm und der Kl. dies nicht bewusst war. Zumindest spricht viel dafür, dass beide ein baldiges Ableben des Ehemannes befürchteten. Im Allgemeinen bleibt der Ernst der Lage eines Patienten, bei dem sich Metastasen seines Krebsleidens herausgestellt haben, ihm und den ihm nahestehenden Personen nicht verborgen. Dass das hier anders war, erscheint nicht als glaubhaft. Dagegen spricht schon, dass der Heiratsentschluss offenbar sehr bald nach der Operation vom ... gefasst wurde. Nach der oben auszugsweise wiedergegebenen ärztlichen Stellungnahme vom ... wurde dem Ehemann seitens der operierenden Ärzte zwar nicht „in dieser Deutlichkeit“ mitgeteilt, dass seine Rettung aussichtslos sei. Das bedeutet jedoch nicht, dass er, wie die Kl. vorträgt, über den Ernst seiner Erkrankung im Unklaren gelassen worden sei. Für eine Verharmlosung des Falles durch die Ärzte gegenüber dem Ehemann und auch gegenüber der Kl. liegen keine Anhaltspunkte vor. Dass die Ärzte sich nicht festlegten, wie lange er noch zu leben habe, ist kein Indiz dafür, dass er und die Kl. meinten, die am ... festgestellte Metastase sei nicht lebensgefährlich. Im Übrigen lässt das Vorbringen der Kl. konkrete Ausführungen dazu vermissen, was die Ärzte nach der Operation vom ... mitgeteilt haben. Soweit sie geltend macht, sie sei vor der Eheschließung über Art und Umfang der Erkrankung nicht unterrichtet gewesen, wird dem unter Berücksichtigung des oben Ausgeführten voraussichtlich nicht zu folgen sein. Insbesondere ist nach dem gegenwärtigen Sachstand nicht nachzuvollziehen, dass sie nicht gewusst haben will, dass die Operation vom ... wegen der fortschreitenden Krebserkrankung ihres späteren Ehemannes erfolgte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 II VwGO und § 166 VwGO i.V. mit § 127 IV ZPO.

Vorinstanzen

VG Düsseldorf, 23 K 3103/02

Rechtsgebiete

Sozialrecht