Auf den Bahamas ansässige Betriebsfirma mit inländischem Büroservice

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

11. 11. 2004


Aktenzeichen

17 HK 0 13939/04


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

... Die Beklagte betreibt einen Büroservice-Lettershop. Sie nimmt für die Firma L. Inc. Rücksendungen im Rahmen des Rückgabe- und Umtauschrechts von Kunden dieser Firma entgegen und leitet sie an diese Firma weiter.

Die Firma L. Inc. warb in der Zeitschrift "d." vom 22.03.2004 für die Produkte "Probust Kapseln" und "Probust Creme" mit den im Unterlassungsantrag aufgeführten Wirkungsbehauptungen. Diese Firma hat keine Niederlassung im Inland. Bestellungen sind nur über die Internetadresse www.I ... .com möglich. Inhaber dieser Domain ist die Firma L. Inc. auf den Bahamas. Im Impressum der vorbenannten Internetadresse ist für dieselbe Firma eine weitere Adresse in Las Vegas in den USA verzeichnet. Ferner ist eine Kontaktadresse in Luxemburg angegeben. Unter der in der Zeitschrift angegebenen Internetadresse ist bei Aufruf als einzige Adresse in Deutschland unter der Rubrik "Rückgaberecht und Umtausch" der Name und die Anschrift der Beklagten wie folgt angegeben:

"L. Inc.
Auslieferungslager Fa. S.
...
Deutschland".

...

Die Beklagte behauptet, sie stehe in keinen vertraglichen Beziehungen zu der Firma L. Sie habe nur Logistikaufträge wie die Post übernommen. Sie habe keine Prüfpflicht, welche Rücksendungen wettbewerbswidrige Produkte enthielten. Die Rücknahme selbst stelle keine wettbewerbsrechtliche Beeinträchtigung dar. Die Beklagte könne nicht als Mitstörerin in Anspruch genommen werden, da sie an der Werbekampagne weder mitgewirkt noch von ihr überhaupt gewusst habe und auch inzwischen die Löschung ihrer Adresse im Internet veranlasst habe. Die Beklagte sei auch nicht befugt, Rücksendungen zu öffnen und zu überprüfen.

Entscheidungsgründe


Auszüge den Gründen:

I. ...

II. Der Unterlassungsanspruch beruht auf den §§ 3, 5, 8 UWG, 3, 3 a HWG, 2 I Nr. 1, 21 AMG. Die Beklagte kann als Mitstörerin in Anspruch genommen werden. Entsprechend dem Antrag des Klägers wird sie nicht zur Unterlassung der Werbung verpflichtet, sondern zur Unterlassung des Tatbeitrags, den sie im Rahmen des Vertriebs des Produkts leistet.

Die Beklagte ist am Vertrieb des wettbewerbswidrig beworbenen Produkts in der Weise beteiligt, dass sie - wie auch im Termin vom 21.10.2004 unstreitig gestellt wurde - Rücksendungen für die Firma L. entgegen nimmt und diese Rücksendungen an diese Firma weiterleitet. Ihr dazu im Widerspruch stehender Sachvortrag, sie stehe in keinen vertraglichen Beziehungen zu dieser Firma, ist angesichts dieses unstreitigen Sachverhalts nicht nachvollziehbar und daher unbeachtlich: Die Beklagte betreibt einen Büroservice und dient in diesem Zusammenhang als Rücksendeadresse. Ohne vertragliche Beziehungen in irgendeiner Form wäre sie weder berechtigt noch verpflichtet, solche Sendungen entgegenzunehmen und weiterzuleiten. An entsprechenden vertraglichen Verpflichtungen, wie auch immer diese ausgestaltet sein mögen, bestehen daher für das Gericht keine Zweifel.

Durch diese vertragliche Verpflichtung trägt sie auch wesentlich zum Vertriebs des wettbewerbswidrig beworbenen Produkts bei: Die Firma L. muss gem. § 312 c/d BGB im Internetvertrieb eine inländische Adresse angeben, die für sie für die Geltendmachung von Widerrufsrechten bzw. Rückgaberechten zuständig ist. Wenn die Beklagte sich als Büroservice vertraglich zur Verfügung stellt, dann ist die Vertriebsfirma zunächst auch berechtigt, diesen Büroservice in ihrer Werbung als Rückgabeadresse im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen anzugeben. Die Beklagte kann sich nicht dahingehend einlassen, dass die Nennung ihrer Adresse als Rückgabeadresse im Internet gegen ihren Willen war. Ein solches Verschweigen dieser Büroservice-Adresse wäre auch völlig unsinnig, da der Büroservice von den Verbrauchern ja nur in Anspruch genommen werden kann, wenn er bekannt gemacht ist. Wenn also die Beklagte sich vertraglich als Büroservice zur Verfügung stellt, dann ist die Nennung dieser Adresse vom Vertragspartner geradezu vertragsimmanent.

Wenn sich also die Beklagte, wie von ihr behauptet, mit der Vertriebsfirma in Luxemburg wegen der Löschung der Adresse im Internet in Verbindung gesetzt haben sollte, so reicht es keinesfalls aus, ihre Störerhaftung zu beseitigen, da sie nach wie vor, wie auch im Termin vom 21.10.2004 bestätigt, Rücksendungen entgegennimmt und damit nach wie vor Teil des Vertriebssystems der wettbewerbswidrig handelnden Firma ist. Spätestens auch seit der ersten Abmahnung vom 29.03.2004 weiß die Beklagte, dass sie einen Tatbeitrag zum Vertrieb wettbewerbswidrig beworbener Produkte leistet.

Die Verantwortlichkeit als Störerin entfällt auch nicht etwa deshalb, weil die Beklagte keine Prüfpflicht dahingehend hätte, ob es sich bei den Rücksendungen um wettbewerbswidrig beworbene Ware handelte. Der Beklagten ist eine solche Prüfpflicht auch zumutbar. Zum einen gilt das Postgeheimnis für die Beklagte als privater Dienstleister, an den Rücksendungen im Rahmen des Widerrufs- bzw. Rücktrittsrechts gesandt werden können, nicht. Zum anderen hat es die Beklagte in der Hand, im Rahmen der Vertragsgestaltung sich ein solches Prüfungsrecht vorzubehalten. Die Beklagte ist mehr als eine Art Poststelle, da die Kunden sie nicht nur als "Transportmittel" in Anspruch nehmen, sondern die Kunden mit der Rücksendung an die Beklagte ihre Pflichten und Rechte aus dem Vertrag bereits erfüllt haben. Im Termin vom 21.10.2003 hat die Beklagte bestätigt, dass es für die Geltendmachung der Widerrufs- bzw. Rücktrittsrechte nicht auf den Empfang der Firma L. ankommt, sondern auf den Empfang durch die Beklagte. Da also die Beklagte durch ihre Einbindung in das Vertriebssystern der Firma L. auch eine Prüfpflicht hinsichtlich der zurückgesandten Waren hat, kann sie als Mitstörerin auf Unterlassung der Entgegennahme der wettbewerbswidrigen Ware in Anspruch genommen werden (Köhler/PiperUWG, 3. Aufl., vor § 13 UWG, Rdnr. 68, sowie zum neuen UWG: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 8 UWG, Rdnr. 2.13). Die Beklagte stellte sich nicht erst nach dem Verkauf solcher Produkte als Abwickler zur Verfügung, sondern bereits in der Werbung für das Produkt. Dieser Tatbeitrag der Beklagten trägt zur streitgegenständlichen wettbewerbswidrigen Beeinträchtigung bei, die darin besteht, dass die Lieferantin ein nicht zugelassenes Produkt als Arzneimittel vertreibt und bewirbt. Die Beklagte kann daher auf Unterlassung ihres Tatbeitrags zum Vertrieb dieses Produkts verpflichtet werden. ...

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht

Normen

§§ 3, 5 UWG, 3, 3 a HWG, 2 I Nr. 1, 21 AMG