Reptilienhaltung in Eigentumswohnung und Garten - Giftschlangen und Pfeilfrösche

Gericht

OLG Karlsruhe


Art der Entscheidung

Beschluss über weitere Beschwerde


Datum

29. 12. 2003


Aktenzeichen

14 Wx 51/03


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Haltung giftiger Schlangen und Frösche in einer Eigentumswohnung stellt keinen ordnungsgemäßen Gebrauch des Sondereigentums dar.

  2. Die Haltung und auch Züchtung nichtgiftiger Reptilien in Wohnung und Garten stellt keinen nichtordnungsgemäßen Gebrauch des Sondereigentums dar, wenn eine Geruchsbelästigung ausgeschossen ist und mit ihr auch keine sonstigen vermeidbaren Nachteile für die anderen Wohnungseigentümer verbunden sind.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Ast. und der Ag. sind Mitglieder einer aus mehr als 20 Wohnungen bestehenden Wohnanlage. Die Eigentumswohnung des Ast. befindet sich im ersten Obergeschoss, die des Ag. unmittelbar darunter im Erdgeschoss. Zur Wohnung des Ag. gehört das Sondernutzungsrecht am vorgelagerten Teil des Gartens. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LG hat der Ag. zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung im Garten eine Anzahl von Schildkröten und in seiner Wohnung in verschiedenen Terrarien 25 bis 30 Giftschlangen, 4 Chamäleons und 2 Kragenechsen sowie 6 Pfeilgiftfrösche gehalten. Der Ast. ist der Auffassung, die Haltung der Tiere gehe über den zulässigen Gebrauch des Sondereigentums hinaus; es bestehe eine Geruchsbelästigung; das Risiko eines Entweichens der Schlangen könne ihm nicht zugemutet werden. Es bestehe die Gefahr einer Minderung des Werts seiner Eigentumswohnung, weil Käufer sich durch die Schlangen- und Schildkrötenhaltung abschrecken ließen. Seinem Unterlassungsverlangen ist der Ag. entgegengetreten; von den Tieren gehe keine Belästigung aus, sie seien nahezu geruchsfrei und die an sie zu verfütternden Nagetiere würden nicht in der Wohnung gehalten.

Das AG hat den Antrag abgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Ast. hat das LG dahin teilweise abgeändert, dass es den Ag. verpflichtet hat, das Halten giftiger Reptilien in seiner Wohnung zu unterlassen und die vorhandenen Giftschlangen und Pfeilgiftfrösche zu entfernen; die weitergehende sofortige Beschwerde des Ast. hat es zurückgewiesen. Die sofortige weitere Beschwerde des Ag. ist ohne Erfolg geblieben, während die des Ast. zu einem - vorläufigen - Erfolg in der Sache führte.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. 1. b) aa) Das Recht des Wohnungseigentümers, mit den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben zu verfahren, besteht nicht unbegrenzt, sondern nur, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen (§ 13 WEG).

Eingeschränkt wird es u.a. durch § 14 Nr. 1 WEG. Danach darf jeder Wohnungseigentümer von seinem Sondereigentum und vom gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch machen, dass dadurch keinem anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Maßgeblich ist dabei die Verkehrsanschauung, die je nach den konkreten Verhältnissen zu unterschiedlichen Beurteilungen führen kann (Weitnauer/Lüke, WEG, 8. Aufl. [1995], § 14 Rdnr. 3). Wenn ein Wohnungseigentümer die ihm nach der genannten Vorschrift gezogenen Grenzen überschreitet, kann jeder andere Wohnungseigentümer von ihm nach § 1004 I BGB, § 15 III WEG die Unterlassung des übermäßigen Gebrauchs verlangen (vgl. BayObLG, WuM 1991, 614; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl. [2003], § 14 Rdnr. 67 m.w. Nachw., § 15 Rdnr. 30).

bb) In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich ein Unterlassungsanspruch des Ast. jedenfalls in Bezug auf eine Haltung giftiger Schlangen und Frösche in der Wohnung des Ag. Die Haltung solcher Tiere stellt - unabhängig davon, ob Tierhaltung nach der Teilungserklärung beschränkt ist oder nicht - keinen ordnungsgemäßen Gebrauch einer Eigentumswohnung dar, weil sie den hiesigen Vorstellungen über die Haltung von Tieren in Wohnanlagen nicht entspricht (hierzu LG Bochum, NJW-RR 1990, 1430; OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 1990, 1430 [1431]) und geeignet ist, bei anderen Hausbewohnern die begründete Besorgnis auszulösen, von etwa entwichenen Tieren geschädigt zu werden. Diese Besorgnis ist nicht etwa als völlig irrational und somit auch nicht als unbeachtlich anzusehen. Sie ist vielmehr deshalb anzuerkennen, weil zum einen nicht völlig ausgeschlossen werden kann, dass Tiere trotz - wie hier festgestellt - artgerechter und sicherer Unterbringung infolge eines Missgeschicks unkontrolliert aus ihren Terrarien entweichen, und weil zum anderen dem Laien das Verhalten und die Reaktionen etwa entwichener Giftschlangen und Pfeilgiftfrösche nicht bekannt sind, was Gefühle der Unsicherheit und des Bedrohtseins hervorzurufen geeignet ist. Eine derartige - vermeidbare - latente Bedrohungssituation braucht kein Wohnungseigentümer hinzunehmen.

2. Als nicht frei von Rechtsfehlern erweist sich der angefochtene Beschluss dagegen, soweit zum Nachteil des Ast. entschieden ist.

Das LG hat ausgeführt, ein Anspruch des Ast. auf Unterlassung der Haltung von vier Chamäleons und zwei Kragenechsen bestehe nicht, weil die Tiere nicht gefährlich seien und auch nicht davon auszugehen sei, dass ihre Haltung zu einer die zulässige Nutzung des Wohnungseigentums überschreitenden Geruchsbelästigung des Ast. führe. Ein Anspruch des Ast., Haltung und Züchtung von Schildkröten im Garten zu unterlassen, bestehe nicht, weil eine nennenswerte Störung nicht ersichtlich sei.

b) Insoweit kann der angefochtene Beschluss jedenfalls vorläufig nicht bestehen bleiben.

aa) Richtig ist zwar, dass Haltung und auch Züchtung nichtgiftiger Reptilien in Wohnung und Garten keinen Verstoß gegen § 14 Nr. 1 WEG darstellt, falls eine Geruchsbelästigung ausgeschlossen ist und mit ihr auch keine sonstigen vermeidbaren Nachteile für die anderen Wohnungseigentümer verbunden sind.

bb) Indessen beruht die Bejahung dieser Voraussetzungen auf einer Rechtsverletzung (§ 27 I 1 FGG).

Das LG geht ohne weiteres davon aus, dass mit der Entfernung der giftigen Schlangen und Frösche die Gefahr einer Geruchsbelästigung durch in der Wohnung gehaltene Tiere beseitigt sein werde. Ferner stellt es fest, eine nennenswerte Störung durch Haltung und Züchtung von Schildkröten im Garten sei nicht ersichtlich. Worauf diese Erkenntnisse beruhen, wird aber nicht dargelegt, was einen Verstoß gegen § 25 FGG darstellt. Das BeschwGer. teilt auch nicht mit, auf welcher Grundlage, bezogen auf die Anzahl gehaltener Exemplare, seine Auffassung beruht. Dazu, mit wie vielen innerhalb und außerhalb der Wohnung gehaltenen Schildkröten und anderen Reptilien künftig zu rechnen sei, hat das LG keine Feststellungen getroffen. Darin liegt ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG), weil das Tatsachengericht alle zur Aufklärung des Sachverhalts dienlichen Beweise zu erheben hat, soweit das Vorbringen der Beteiligten und der Sachverhalt hierzu Anlass geben (vgl. BayObLG, WuM 1991, 614). Anlass zu derartigen Ermittlungen war im vorliegenden Fall deshalb gegeben, weil Art und Zahl der vom Ag. in Haus und Garten gehaltenen Exemplare in der Vergangenheit stark geschwankt hat und sich nach Aktenlage auf bis zu 34 Schlangen nebst anderen Reptilien in der Wohnung und 57 Schildkröten im Garten belaufen hat; zudem heißt es im genannten Schreiben des Regierungspräsidiums, dass der Ag. „jährlich eine hohe Zahl EG-Bescheinigungen für Nachzuchten von griechischen Landschildkröten und Breitschwanzschildkröten beantragt (hat), um diese zu veräußern“. Die vom LG durchzuführenden Ermittlungen wären sodann darauf zu erstrecken gewesen, ob bei der zu erwartenden Zahl gehaltener Exemplare eine Geruchsbelästigung ausgeschlossen ist bzw. ab welcher Zahl mit einer nennenswerten Geruchsbelästigung zu rechnen ist.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

WEG §§ 13, 14 Nr. 1, 15 III; BGB § 1004 I; FGG §§ 12, 27