Mietbemessung in einer Seniorenwohnanlage

Gericht

LG Koblenz


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

15. 12. 2004


Aktenzeichen

12 S 147/04


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten über die zulässige Miethöhe der von der Bekl. angemieteten Wohnung in einer Seniorenanlage im Modell des "betreuten Wohnens". Die Klage, gerichtet auf Zahlung von Mietrückständen von knapp 3000 Euro hatte erstinstanzlich keinen Erfolg; die Widerklage, gerichtet auf getrennte Aufbewahrung und Rechnungslegung der Kaution, hatte vor dem AG Erfolg. Der ausführliche Sachverhalt, den die Vorinstanz der Klage zu Grunde gelegt hatte, ist abgedruckt in NZM 2004, 702. Die Berufung des Kl. hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrag steht ihm (dem Kl.) ein Anspruch auf Miete, Betriebskosten und Betreuungskosten für die Monate Januar und Februar 2000 in Höhe von 2673,69 Euro zu.

Nach Verrechnung mit der von der Bekl. gezahlten Kaution und den hiermit erwirtschafteten Zinsen in Höhe von insgesamt 1133,74 Euro verbleiben 1539,95 Euro. Hiervon hat der Kl. eine Überzahlung von 97,15 Euro (190 DM) und die Verwaltungspauschale in Höhe von 102,26 Euro (200 DM) in Abzug gebracht, so dass insoweit 1340,54 Euro verbleiben.

Der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag ist entgegen der Auffassung des AG nicht teilweise nichtig, so dass die vereinbarten Zahlungen seitens der Bekl. zu leisten sind. Ihr stehen demzufolge auch keine aufrechenbaren Forderungen aus zuviel gezahlter Miete zu. Die Teilnichtigkeit des Vertrags ergibt sich nicht, wie das AG meint, aus § 134 BGB i. V. mit § 5 11 WiStrG. Dabei ist ohne Bedeutung, dass die vereinbarte Miete einschließlich der Nebenkosten, wie das AG auf Grund eines Sachverständigengutachtens ausgeführt hat, um mehr als 20% über dem ortsüblichen Mietzins liegt.

Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 511 WiStrG ist neben einer überhöhten Miete die "Ausnutzung eines geringen Angebots". Dieses Tatbestandsmerkmal ist nur erfüllt, wenn die Mangellage auf dem Wohnungsmarkt für die Vereinbarung der Miete im Einzelfall ursächlich war (vgl. BGH, NZM 2004, 381 = NJW 2004, 1740). Hierzu fehlt es an einem Vortrag der Bekl. Es ist nämlich nicht darauf abzustellen, ob ein Unterangebot an Wohnmöglichkeiten, wie der Kl. sie mit der von der Bekl. bewohnten Anlage anbietet, vorliegt. Abzustellen ist nach dem Sinn der Bestimmung darauf, ob allgemein kein hinreichender Wohnraum zur Verfügung stand, auf den die Bekl. hätte zurückgreifen können. § 5 WiStrG soll verhindern, dass Wohnungssuchende bei der Deckung eines Grundbedürfnisses menschlichen Lebens, wenn Wohnungsknappheit besteht, also der Markt nicht ohne weiteres die Preise regelt, ausgenutzt werden können. Nicht anwendbar ist die Vorschrift, wenn es nicht allein um die Beschaffung von Wohnraum geht, sondern von dem Wohnungssuchenden zusätzliche Leistungen verlangt werden. Wer eine geforderte Miete ohne weiteres oder aus besonderen persönlichen Gründen, weil ihm etwa Ausstattung und Lage der Wohnung besonders gefallen und das Wohnen in einem bestimmten Haus mit weiteren Annehmlichkeiten verbunden sind, die über das bloße Wohnen hinausgehen, zu zahlen bereit ist und eine objektiv bestehende Ausweichmöglichkeit nicht wahrnimmt, wird nicht ausgenutzt (BGH, NZM 2004, 381 = NJW 2004, 1740 [1741]). Entscheidend kommt es damit im vorliegenden Fall darauf an, ob für die Bekl. zur damaligen Zeit anderer Wohnraum außerhalb des Bereichs der Wohnanlage des Kl. zur Verfügung stand. Dass dies nicht der Fall war, hat die Bekl. nicht vorgetragen. Es fehlt insbesondere an einer Darlegung, welche Bemühungen sie unternommen hatte, bevor sie den Kl. aufsuchte, weshalb diese erfolglos geblieben sind und dass sie mangels einer Ausweichmöglichkeit auf den Abschluss des für sie ungünstigen Mietvertrags angewiesen war. Insoweit trifft sie die Darlegungs- und Beweislast (vergl. BGH, NZM 2004, 381 = NJW 2004, 1740 [1741]).

Auch nach dem Vorbringen der Bekl. hätte jede Wohnung in N. oder im näheren Umkreis den Ansprüchen der Bekl. genügt. Sie selbst war in keiner Weise in ihrer Lebensführung eingeschränkt. Ihr kam es nur darauf an, nicht mehr lange Busfahrten unternehmen zu müssen, um ihren Ehemann im Krankenhaus in N. zu besuchen. Unabdingbar angewiesen auf die Zusatzleistungen des Kl. war sie erkennbar nicht. Wenn ihr Ehemann nach der Entlassung aus dem Krankenhaus pflegebedürftig war, hätte sie auch innerhalb der bei dem Kl. angemieteten Wohnung einen Pflegedienst, falls sie mit der Pflege überfordert gewesen wäre, hinzuziehen müssen. Ein solcher gehört nämlich nicht zu den Leistungen des Kl. in der hier in Rede stehenden Wohnanlage. Die Einschaltung eines solchen Dienstes wäre auch in einer anderen Wohnung in N. oder im näheren Umkreis möglich gewesen.

Die Nichtigkeit des Vertrags ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Wuchers gem. § 138 II BGB.

Abgesehen davon, dass auch unter Zugrundelegung der von dem AG festgestellten "ortsüblichen Miete" zweifelhaft ist, ob von einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ausgegangen werden kann. Als wucherisch wird in der Rechtsprechung die Miete angesehen, welche die angemessene Miete um 50% übersteigt (vergl. BGHZ 135, 269 = NJW 1997, 1845 [1846]). Dies ist vorliegend noch nicht der Fall. Darüber hinaus verlangt § 138 II BGB, dass der Verpflichtete unter Ausbeutung einer Zwangslage, seiner Unerfahrenheit, eines Mangels an Urteilsvermögen oder einer erheblichen Willensschwäche zum Abschluss des Rechtsgeschäfts veranlasst wird. Auch insoweit fehlt es an einer Darlegung seitens der Bekl.

Die Bekl. ist auch verpflichtet, die von dem Kl. für sie verauslagten Telefongebühren für August 1999 in Höhe von 22,70 Euro (44,40 DM) zu erstatten. Unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung ist die Bekl. auch verpflichtet, an den Kl. weitere 133,92 Euro (261,92 DM) zu zahlen. ...

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

BGB §§ 134, 138, 389; WiStrG § 5