Überwuchs von naturgeschützten Bäumen
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
26. 11. 2004
Aktenzeichen
V ZR 83/04
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 18, vom 31. März 2004 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 7. Mai 2002 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Verurteilung in der Sache unter dem Vorbehalt der Erteilung einer erforderlichen behördlichen Genehmigung steht.
Die Beklagten tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind seit März 1998 Grundstücksnachbarn. Auf dem Grundstück der Beklagten stehen in einem Abstand von 40 cm von der Grenze entfernt entlang der Grundstücksauffahrt der Kläger 13 Linden, welche vor über 100 bzw. über 70 Jahren gepflanzt wurden. Zwischen den Klägern und der Voreigentümerin des Grundstücks der Beklagten war vereinbart, daß die Linden alle fünf Jahre geschnitten werden sollten, so daß sie als sogenannte Kopflinden ausgebildet wurden. Der letzte Rückschnitt erfolgte 1987 oder 1990. Seitdem haben sich an den Bäumen zahlreiche über die Grundstücksgrenze gewachsene und in den Luftraum über dem Grundstück der Kläger hineinragende Stämmlinge gebildet, deren Laub auf die Grundstücksauffahrt der Kläger fällt und dort, insbesondere bei Nässe, zur Rutschgefahr führt. Außerdem tropft bei Regen Wasser von den überhängenden Lindenzweigen auf die Auffahrt und gefriert dort im Winter.
Weiter steht auf dem Grundstück der Beklagten eine Buche, deren Zweige ebenfalls über die Grundstücksgrenze gewachsen sind.
Die Linden und die Buche stehen unter Bestandsschutz nach Maßgabe der Vorschriften der Verordnung zum Schutz des Baumbestandes und der Hecken in der Freien und Hansestadt Hamburg (Baumschutzverordnung) vom 17. September 1948 (HmbBL I 791-i).
Die Kläger haben von den Beklagten in erster Linie die Vornahme geeigneter Maßnahmen verlangt, durch welche die von den Bäumen ausgehenden Beeinträchtigungen beseitigt und spätere Beeinträchtigungen verhindert werden, insbesondere die Gefahr des Ausrutschens auf nassem Laub und gefrorenem Wasser sowie des Auseinanderbrechens der Bäume, die Störung des Satellitenfernsehempfangs und die Unbefahrbarkeit der Grundstücksauffahrt mit größeren Fahrzeugen. Hilfsweise haben die Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Vornahme eines Beschnitts der Bäume dergestalt beantragt, daß die Linden eine Hand breit oberhalb des letzten Schnitts gekappt und die Äste der Buche fachgerecht eingekürzt werden.
Das Amtsgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Linden geeignete Maßnahmen vorzunehmen, durch die verhindert wird, daß Laub und Tropfwasser auf die Grundstücksauffahrt der Kläger fallen, und die das Wohnhaus der Kläger berührenden Äste der Buche fachgerecht einzukürzen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger die Durchsetzung ihrer Klage weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält den von den Klägern gestellten Hauptantrag wegen fehlender Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit für unzulässig. Zwar könne der Störer selbst entscheiden, in welcher Weise er die Beseitigung und Unterlassung der Störung herbeiführen wolle; aber der Klageantrag müsse die zu beseitigenden Beeinträchtigungen so konkret beschreiben, daß ein darauf beruhender Titel vollstreckungsfähig sei. Diesen Anforderungen genüge der Hauptantrag nicht.
Weiter meint das Berufungsgericht, der Hauptantrag sei auch unbegründet. Eine Verpflichtung der Beklagten, die von den Klägern geforderten Maßnahmen zu ergreifen, lasse sich nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis herleiten; denn die Vereinbarung zwischen den Klägern und der Voreigentümerin des Grundstücks der Beklagten über den Beschnitt der Linden binde die Beklagten nicht. Auch aus § 1004 Abs. 1 BGB ergebe sich für die Kläger kein Anspruch. Die Beklagten seien zwar Störer im Sinne der Vorschrift. Aber eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Eigentums der Kläger durch Tropfwasser lasse sich nicht feststellen, weil es sich dabei nicht um eine Immission der Linden handele. Etwas anderes gelte für den Laubfall von den überhängenden Ästen und Zweigen; die dadurch hervorgerufenen Beeinträchtigungen müßten die Kläger nicht hinnehmen. Ihrem Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch stehe jedoch die Duldungspflicht nach § 1004 Abs. 2 BGB entgegen. Die Beklagten seien durch die Vorschriften der Baumschutzverordnung gehindert, an den Linden die mit der Klage verlangten Maßnahmen durchzuführen, weil diese nicht genehmigungsfähig seien.
Den Hilfsantrag sieht das Berufungsgericht als zulässig an. Es hält ihn jedoch aus denselben Gründen wie den Hauptantrag für unbegründet.
Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
II.
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den von den Klägern gestellten Hauptantrag abgewiesen, soweit er überhaupt Gegenstand des Berufungsverfahrens war.
1. Die Beklagten sind durch das Urteil des Amtsgerichts nur insoweit beschwert, als sie zur Vornahme geeigneter Maßnahmen, durch die das Abfallen von Laub und Tropfwasser auf die Grundstücksauffahrt der Kläger verhindert wird, und zum fachgerechten Einkürzen der das Wohnhaus der Kläger berührenden Buchenzweige, verurteilt worden sind. Nur das konnten sie mit ihrer Berufung auch angreifen. Die von den Klägern darüber hinausgehend verlangten Maßnahmen zur Verhinderung der Gefahr des Auseinanderbrechens der an der Grenze stehenden Bäume, der Störung des Satellitenempfangs, der Unbefahrbarkeit ihrer Grundstücksauffahrt mit größeren Fahrzeugen und das Kappen der Linden sind mangels einer Anschlußberufung der Kläger nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Weiter folgt aus den erstinstanzlichen Feststellungen, daß das auf die Auffahrt fallende Laub und Tropfwasser von den herüberhängenden Zweigen der Linden herrührt. Von anderen Baumbestandteilen ausgehende Beeinträchtigungen durch Laubund Tropfwasserfall haben die Kläger nicht vorgetragen. Damit war Streitgegenstand des Berufungsverfahrens nur das Verlangen der Kläger, den Laubund Tropfenfall von den über die Grundstücksgrenze gewachsenen Zweigen der Linden und das Berühren ihres Wohnhauses durch die Zweige der Buche zu verhindern.
2. Der Hauptantrag ist zulässig, denn er entspricht den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
a) Zwar muß die Leistungsklage mit Rücksicht auf die Rechtskraftwirkung und die Zwangsvollstreckung ein genaues tatsächliches Vorbringen darüber enthalten, welche konkrete Leistung von dem Beklagten gefordert wird. Der Klageantrag muß so bestimmt sein, daß der Beklagte sein Prozeßrisiko erkennen und sich demgemäß verteidigen kann. Nur ein in diesem Sinn konkretisiertes Klageziel ist für den Beklagten eine ausreichende Grundlage der Prüfung, ob der Klageanspruch anerkannt werden soll (Senat, Urt. v. 24. Februar 1978, V ZR 95/75, NJW 1978, 1584 - Abschachtung).
b) Bei der Abwehr von Immissionen ist aber eine andere Beurteilung erforderlich. Der Senat hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß in diesem Bereich Anträge mit dem Gebot, allgemein Störungen bestimmter Art zu unterlassen, zulässig sind (siehe nur BGHZ 67, 252, 253 - Schweinemästerei; 121, 248, 251 - Jugendzeltplatz; 140, 1, 3 - Schweinemästerei). Aus der Natur des Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 906 BGB folgt, daß es dem Beklagten überlassen ist, wie er die Störung beseitigen will; der Kläger hat keinen Anspruch auf die Vornahme einer bestimmten Maßnahme (Senat, BGHZ 67, aaO.; Urt. v. 24. Februar 1978, V ZR 95/75, aaO.; Urt. v. 17. Dezember 1982, V ZR 55/82, WM 1983, 176, 177 - Tennisplatzlärm). § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfordert dementsprechend nicht die Angabe, welche konkreten Maßnahmen der Beklagte zur Beseitigung einer Beeinträchtigung ergreifen soll, sondern nur die bestimmte Bezeichnung der Beeinträchtigung.
c) Gemessen an diesen Grundsätzen ist der von den Klägern gestellte Hauptantrag hinreichend bestimmt. Mit ihm verlangen sie von den Beklagten die Vornahme geeigneter Maßnahmen, durch welche im einzelnen benannte Beeinträchtigungen des Grundstücks beseitigt und verhindert werden sollen.
3. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß ein Anspruch der Kläger aus dem Gesichtspunkt der gegenseitigen Rücksichtnahme im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ausscheidet.
a) Die Vereinbarung der Kläger mit der Voreigentümerin des Grundstücks der Beklagten hinsichtlich des regelmäßigen Beschnitts der Linden ist - im Gegensatz zu der Auffassung des Berufungsgerichts - in diesem Zusammenhang ohne Belang.
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (siehe nur Urt. v. 14. November 2003, V ZR 102/03, WM 2004, 1350, 1351 m.w.N. [zur Veröffentlichung in BGHZ 157, 33 vorgesehen] - Kiefernnadeln) haben die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Daneben kommt eine allgemeine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses nur dann zum Tragen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint. Ist das der Fall, kann die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werden.
c) Die Folgen des unterbliebenen Beschnitts der Bäume rechtfertigen keine Abweichung von den hier anwendbaren nachbarrechtlichen Sonderregelungen der §§ 906, 910 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach können die Kläger von den Beklagten sowohl die Beseitigung von Beeinträchtigungen durch die über die Grundstücksgrenze herüberragenden Zweige als auch das Abschneiden dieser Zweige verlangen. Daß die Kläger darüber hinaus durch das nicht grenzüberschreitende Wachstum der Bäume in erheblicher Weise Beeinträchtigungen ausgesetzt wären, haben sie nicht vorgetragen.
4. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht einen Abwehranspruch der Kläger nach § 1004 Abs. 1 BGB verneint; es hat zu Unrecht eine Duldungspflicht der Beklagten nach Abs. 2 der Vorschrift angenommen.
a) Die Beklagten sind Störer i.S.v. § 1004 Abs. 1 BGB, weil sie es zugelassen haben, daß Zweige der Linden und der Buche über die Grundstücksgrenze hinüberwachsen konnten und zu den benannten Beeinträchtigungen geführt haben. Denn nach § 910 Abs. 1 und 2 BGB hat der Eigentümer dafür zu sorgen, daß überhängende Zweige von Bäumen den Nachbarn nicht beeinträchtigen.
b) Die Störereigenschaft der Beklagten entfällt nicht deshalb, weil sie durch die Vorschriften der Baumschutzverordnung rechtlich gehindert sind, die von den Klägern erstrebten Maßnahmen zu ergreifen.
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 120, 239, 254 - Froschlärm) stellen naturschutzrechtliche Verbote die Störereigenschaft eines Grundstückseigentümers jedenfalls solange nicht in Frage, wie er mit Erfolg eine Ausnahmegenehmigung für die Beseitigung der Störungsquelle beantragen kann. Ob das der Fall ist, müssen die Zivilgerichte selbständig prüfen. Ergibt die Prüfung, daß eine Befreiungsmöglichkeit von dem Verbot, bestimmte Maßnahmen durchzuführen, nicht besteht, scheidet eine Verurteilung zur Beseitigung und Unterlassung aus. Wird die Befreiungsmöglichkeit dagegen bejaht, muß in den Tenor einer eventuellen Verurteilung der Vorbehalt einer Ausnahmegenehmigung aufgenommen werden, auch wenn das nicht in dem Klageantrag enthalten ist (Senat, BGHZ 120, 239, 246 ff.). Somit muß hier geprüft werden, ob für die von den Klägern beanspruchten Maßnahmen, die nach § 2 der Baumschutzverordnung grundsätzlich verboten sind, eine Ausnahme nach § 4 zugelassen werden kann.
bb) Die Feststellung des Berufungsgerichts, es stehe fest, daß der von den Klägern beanspruchte Eingriff nicht genehmigungsfähig sei, ist von dem Revisionsgericht nach §§ 545 Abs. 1, 560 ZPO nur eingeschränkt überprüfbar. Da der Geltungsbereich der Baumschutzverordnung sich nicht über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt, ist ihre Auslegung durch das Berufungsgericht einer Prüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Jedoch rügt die Revision mit Erfolg, daß das Berufungsgericht die Auslegungstatsachen verfahrensfehlerhaft festgestellt hat. Zum einen nimmt es an, daß dem Hauptantrag der Kläger auch unter Einbeziehung ihres Sachvortrags nicht entnommen werden könne, welche Maßnahmen sie zur Beseitigung der Störungen für erforderlich hielten. Zum anderen geht es davon aus, daß ein genehmigungsfähiger Rückschnitt der Linden nicht dem entspreche, was die Kläger mit ihrem Hauptantrag durchsetzen wollten. Auch hat das Berufungsgericht den erstinstanzlichen Vortrag der Kläger zu den Maßnahmen, die nach ihrer Auffassung genehmigungsfähig sind, und ihren zweitinstanzlichen Vortrag zu solchen genehmigungsfähigen Maßnahmen, die sie von den Beklagten im Rahmen von Vergleichsverhandlungen verlangt haben, nicht berücksichtigt. Schließlich hat es die Feststellung der fehlenden Genehmigungsfähigkeit des Kürzens der Buchenäste ausschließlich mit dem verbotenen Kappen von Bäumen begründet. Dabei hat es übersehen, daß die Kläger das Kappen der Buche nicht verlangt haben. Damit fehlt der Feststellung, die von den Klägern verlangten Maßnahmen seien nicht genehmigungsfähig, jede Grundlage. Das läßt die Bindung des Revisionsgerichts an die Feststellung des Berufungsgerichts entfallen (vgl. BGHZ 118, 151, 162). Damit ist die Frage der Zulässigkeit der von den Klägern beanspruchten Maßnahmen offen.
cc) Der Senat kann die Prüfung, ob die Maßnahmen zulässig sind, selbst vornehmen, weil weitere Feststellungen nicht zu erwarten und auch nicht notwendig sind. Sie führt zu dem Ergebnis, daß wenigstens die auf das Grundstück der Kläger herüberragenden Zweige der Linden und der Buche beseitigt werden dürfen.
(1) Die Bäume stehen unter Bestandsschutz. Nach § 1 der Baumschutzverordnung, die nunmehr gemäß § 56 Abs. 4 des Hamburgischen Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (HmbNatSchG) vom 7. August 2001 (GVBl. 281) als aufgrund der §§ 15 und 20 dieses Gesetzes erlassen gilt, sind zur Pflege und zum Wiederaufbau des Stadt- und Landschaftsbildes im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg alle Bäume und Hecken dem Schutz des Naturschutzgesetzes unterstellt. Nach § 2 ist es verboten, Bäume oder Teile von ihnen zu entfernen, zu beschädigen oder sonstwie in ihrer Wirkung als Zierde und Belebung des Landschaftsbildes zu beeinträchtigen. Die Naturschutzbehörde kann allerdings Ausnahmen davon zulassen, soweit sie nicht dem Zweck der Baumschutzverordnung widersprechen (§ 4). Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme liegen hier vor.
(2) Der Zweck der Baumschutzverordnung ergibt sich zum einen aus § 1. Dabei steht heute - anders als wohl noch im Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung - die Pflege des Stadt- und Landschaftsbildes im Vordergrund. Diesem Zweck widerspricht das Beschneiden der Bäume dergestalt, daß die auf das Grundstück der Kläger herüberragenden Zweige beseitigt werden, nicht. Denn sogar ein darüber hinausgehendes regelmäßiges Beschneiden der sich auf dem Grundstück der Beklagten haltenden Zweige und der Baumkronen ist nach dem von den Beklagten in den Prozeß eingeführten Privatgutachten eine notwendige Pflegemaßnahmen. Demgemäß hat auch ein Vertreter der Naturschutzbehörde bei der erstinstanzlichen Augenscheineinnahme zu erkennen gegeben, daß ein Beschneiden der Bäume entsprechend den in dem Gutachten enthaltenen Vorschlägen genehmigungsfähig sei. Zum anderen erschließt sich der Zweck der Baumschutzverordnung auch aus den §§ 15 und 20 HmbNatSchG. Danach sind die Bäume zum geschützten Landschaftsbestandteil erklärt, weil ihr besonderer Schutz zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, zur Belebung, Gliederung oder Pflege des Orts- und Landschaftsbildes, zur Abwehr schädlicher Einwirkungen oder wegen ihrer Bedeutung als Lebensstätten bestimmter wildlebender Tier- und Pflanzenarten, insbesondere wegen ihrer Bedeutung für die Schaffung, Erhaltung oder Entwicklung von Biotopverbundsystemen, erforderlich ist. Diese Schutzzwecke werden durch die Beseitigung der über die Grundstücksgrenze gewachsenen Zweige nicht beeinträchtigt, weil die Bäume als solche erhalten bleiben und ihre vielfältigen Funktionen als natürlicher Bestandteil der Umwelt innerhalb eines großstädtischen Wohngebiets nicht verlieren. Insbesondere dient das Beschneiden der Bäume auch der Pflege des Orts- und Landschaftsbildes, wie die von den Klägern zu den Gerichtsakten gereichten Fotografien, die den Zustand der Bäume zeigen, anschaulich verdeutlichen.
c) Der geltend gemachte Anspruch ist nicht nach § 910 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, wonach dem Grundstückseigentümer das Selbsthilferecht nach Abs. 1 nicht zusteht, wenn die herüberragenden Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen. Diese Vorschrift gilt auch für den Anspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB (Senat, Urt. v. 14. November 2003, V ZR 102/03, WM 2004, 1350, 1352 [zur Veröffentlichung in BGHZ 157, 33 vorgesehen] - Kiefernnadeln). Hier ist jedoch verfahrensrechtlich davon auszugehen, daß die Zweige der Linden die Benutzung des Grundstücks der Kläger beeinträchtigen, weil sie dort zu einer erhöhten Rutschgefahr führen und damit die Sicherheit der Benutzer der Grundstücksauffahrt gefährden. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, diese Behauptung der Kläger zu bestreiten und zu beweisen, daß keine Beeinträchtigung vorliegt. Denn wenn - wie hier - der durch herüberragende Zweige eines Baumes oder Strauches beeinträchtigte Grundstückseigentümer nicht nach § 910 Abs. 1 Satz 2 BGB vorgeht, sondern den selbständig danebenstehenden Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB (Senat, BGHZ 60, 235, 241 f.; Urteil v. 8. Juni 1979, V ZR 46/78, LM BGB § 1004 Nr. 156) geltend macht, trägt der Nachbar - wie im Anwendungsbereich des § 910 Abs. 1 Satz 2 BGB - die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß von den herüberragenden Zweigen keine Beeinträchtigung ausgeht (Senat, Urt. v. 14. November 2003, V ZR 102/03, aaO). Die Beklagten haben jedoch keinen Beweis angetreten.
Ebenfalls ist verfahrensrechtlich davon auszugehen, daß auch die Buchenzweige, welche über die Grundstücksgrenze hinübergewachsen sind, die Benutzung des Grundstücks der Kläger beeinträchtigen, weil sie ihr Wohnhaus berühren. Nachdem das Amtsgericht die Beklagten zum Kürzen solcher Zweige verurteilt hatte und die Kläger in der Berufungsinstanz als einzige von der Buche ausgehende Beeinträchtigung das Berühren des Wohnhauses behauptet haben, hätten die Beklagten darlegen und beweisen müssen, daß diese Beeinträchtigung nicht vorliegt. Sie haben sich jedoch - ohne Beweis anzutreten - auf das einfache Bestreiten des Vortrags der Klägerin beschränkt. Das reichte nicht aus.
d) Nach alledem sind die Voraussetzungen des § 1004 Abs. 1 BGB erfüllt; eine Duldungspflicht der Kläger nach Absatz 2 der Vorschrift besteht nicht. Da jedoch nicht die Zivilgerichte, sondern nur die zuständige Behörde Ausnahmen von dem generellen Verbot des Beschneidens der Bäume zulassen kann, ist es notwendig, die Erteilung der Ausnahmegenehmigung dem Zwangsvollstreckungsverfahren vorzubehalten und zur Klarstellung den Vorbehalt der Erteilung der Ausnahmegenehmigung in das Urteil aufzunehmen. Daß die Kläger ihn nicht in ihren Klageantrag aufgenommen haben, ist unschädlich, denn die Einschränkung stellt sich nur als ein formell notwendiges Weniger gegenüber dem Klageantrag dar, sie gibt den Klägern aber nicht etwas anderes, als sie beantragt haben, § 308 ZPO (Senat, BGHZ 120, 239, 247 f.).
5. Für den Fall, daß eine Ausnahmegenehmigung nicht erteilt wird, kommt ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch der Kläger gegen die Beklagten in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in Betracht, weil sie aus öffentlich-rechtlichen Gründen an der Durchsetzung ihres an sich bestehenden Anspruchs nach § 1004 Abs. 1 BGB gehindert wären (vgl. Senat, Urt. v. 17. September 2004, V ZR 230/03, Umdruck S. 9 [zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen] - Teilrodung). Dem stünde nicht in jedem Fall entgegen, daß es den Beklagten nicht erlaubt wäre, die Störungen zu beseitigen. Denn wenn die Erteilung der Ausnahmegenehmigung daran scheiterte, daß die mit der Klage verlangten Maßnahmen jetzt dem Zweck der Baumschutzverordnung widersprechen, weil die Beklagten bisher pflichtwidrig das ungehinderte Wachstum der Bäume hingenommen haben, wäre das ein Fall des unzulässigen Betreibens von Naturschutz auf Kosten des Nachbarn.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Stresemann
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