Gsell: Folgen des eigenen Verhaltens von Personen für Medienberichterstattung, „Busenmacher-Witwe”

Gericht

OLG München


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

05. 04. 2005


Aktenzeichen

18 U 1835/05


Tenor

  1. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 15.12.2004 wird verworfen, soweit die Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts von Dr. Franz Gsell von der Verfügungsklägerin geltend gemacht wird. Im Übrigen wird die Berufung der Verfügungsklägerin zurückgewiesen.

  2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Entscheidungsgründe


Gründe:

(abgekürzt gemäß § 540 Abs. 2, § 313 a Abs. 1 ZPO)

1. Bereits im erstinstanziellen Verfahren beinhaltete der Antrag der Verfügungsklägerin zwei Streitgegenstände, die von ihr im Berufungsverfahren unverändert weiter verfolgt werden. Zum einen macht sie als wahrnehmungsbefugte Alleinerbin und Witwe von einen Unterlassungsanspruch wegen Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts von ... geltend, zum anderen verfolgt sie einen Unterlassungsanspruch wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 05.04.2005 wurde dies vom Klägervertreter klargestellt.

2. Die Berufung der Verfügungsklägerin war als unzulässig zu verwerfen, soweit die Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts von ... betroffen ist. Insoweit wurden von der Verfügungsklägerin in der Berufungsbegründung die Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt, nicht bezeichnet (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO). Die Verfügungsklägerin legte lediglich ihre Rechtsansicht zum Unterlassungsanspruch wegen Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts von ... dar, eine Auseinandersetzung mit dem klageabweisenden Ersturteil fehlte.

3. Soweit die Verfügungsklägerin von der Verfügungsbeklagten Unterlassung wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts verlangt, ist die Berufung zulässig, jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs gem. § 823 Abs. 1, § 1004 BGB analog liegen nicht vor.

Die Verfügungsklägerin ist zwar individuell betroffen, da sie in der streitgegenständlichen Veröffentlichung namentlich genannt wird. Es liegt jedoch keine widerrechtliche Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts gem. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 GG vor.

Die Bezeichnung der Verfügungsklägerin als "Busenmacher-Witwe" stellte sowohl zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Artikels als auch noch zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung eine zulässige Meinungsäußerung dar.

a) Bei der Bezeichnung "Busenmacher-Witwe" handelt es sich um eine Meinungsäußerung und keine Tatsachenbehauptung, da der wertende Charakter der Äußerung überwiegt. Aus der Sicht des durchschnittlichen Lesers ist die Bezeichnung ganz überwiegend durch Elemente des Meinens und Dafürhaltens, als Ausdruck einer subjektiven Ansicht geprägt (Soehring, Presserecht 3. Aufl. 14.8). Nicht im Vordergrund der Äußerung steht für den Durchschnittsleser dagegen ein dem Beweis zugänglicher Sachverhalt, wie etwa die Kenntniserlangung vom Beruf des verstorbenen Ehemannes der Verfügungsklägerin.

b) Die Bezeichnung "Busenmacher-Witwe" bewertet die Verfügungsklägerin in zweifacher Hinsicht: Sie wird als Witwe eines Mannes dargestellt, dessen Tätigkeit mit "Busenmacher" charakterisiert wird. Sie wird außerdem als eine der Frauen dargestellt, die sich von ... "einen Busen machen" ließ.

c) Wertende Äußerungen genießen grundsätzlich den Schutz von Art. 5 Abs. 1 GG. Nur soweit die Grenze zur Schmähkritik überschritten wird, sich eine Äußerung als Formalbeleidigung darstellt oder in geschützte Sphären eingegriffen wird, können auch Meinungsäußerungen Unterlassungsansprüche begründen (vgl. Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 4. Kap. Rn. 41). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Ob die Diffamierung der Verfügungsklägerin im Vordergrund steht, die jenseits polemischer oder überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen soll, ob die Geringachtung, Nichtachtung oder Missachtung ihrer Ehre zum Ausdruck gebracht wird und ob in ihre Intimsphäre oder Privatsphäre eingegriffen wird, kann nicht losgelöst von der derzeitigen Selbstdarstellung der Verfügungsklägerin in der Öffentlichkeit beurteilt werden. Berücksichtigt man, wie sich die Verfügungsklägerin derzeit präsentiert, so wird sie durch die streitgegenständliche Äußerung in dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitraum weder unzulässig auf Teilaspekte ihrer Persönlichkeit reduziert noch wird widerrechtlich in geschützte Persönlichkeitssphären eingegriffen. Derjenige, der sich mit einem bestimmten Aspekt seiner Persönlichkeit in die Öffentlichkeit bringt, kann sich nicht dagegen wenden, dass ihn die Öffentlichkeit so sieht. Die Verfügungsklägerin unterzog sich einer Schönheits-Brustoperation durch ihren Ehemann ... und machte dies der Öffentlichkeit bekannt. Gerichtsbekannt präsentierte sie sich im Jahre 2004 in der Zeitschrift "Bunte" mit ihrem Lebensgefährten in sexuell freizügiger Weise, bekleidet mit Unterwäsche. Auch das am unteren Bildrand der streitgegenständlichen Veröffentlichung abgedruckte Foto zeigt die Verfügungsklägerin freizügig auf einer Couch posierend. Das Foto wurde vor etwa einem Jahr zu Werbezwecken aufgenommen und mit Einverständnis der Verfügungsklägerin zur Veröffentlichung freigegeben. Die Verfügungsklägerin hat sich somit derzeit entschieden, ihren Körper zur Schau zu stellen. Die streitgegenständliche Äußerung knüpft daher an wahre Tatsachen an. Dass es der Verfügungsbeklagten allein um die Herabwürdigung der Verfügungsklägerin ging, ist nicht ersichtlich.

Soweit mit der Äußerung die familiäre Beziehung der Verfügungsklägerin zu bewertet wird und sie als Witwe "bloß eines Busenmachers" bezeichnet wird, liegt ebenfalls keine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor. Zwar umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch die Beziehung zum Ehegatten. Niemand muss es hinnehmen, dass er durch eine schmähende oder beleidigende Wertung seiner Beziehung zum Ehegatten charakterisiert wird. So ist es hier nicht. ... war ein bekannter Schönheitschirurg, u.a. war er mehrere Jahre Präsident der Ärztevereinigung der Deutschen Schönheitschirurgen. Als Schönheitschirurg führte er auch Brustoperationen durch, die ausschließlich ästhetisch veranlasst war. Die Bezeichnung "Busenmacher" ist zwar plakativ und überspitzt, überschreitet jedoch noch nicht die Grenze zur Diffamierung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.


Weidenkaff
Vorsitzender Richter

Lemmers
Richter am Oberlandesgericht

Dr. Spangler
Richterin

Rechtsgebiete

Äußerungsrecht