Firmen-PKW nach Kündigung des Arbeitsvertrags

Gericht

LAG Hessen


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

20. 07. 2004


Aktenzeichen

13 Sa 1992/03


Entscheidungsgründe


Aus den Gründen:

... Es ist anerkannt, dass ein Arbeitgeber zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn er dem Arbeitnehmer einen Firmen-Pkw unberechtigterweise entzieht. Wurde das Kraftfahrzeug zur privaten Nutzung überlassen, stellt sich seine Überlassung als Vergütungsbestandteil dar, der im Synallagma zur Arbeitspflicht des Arbeitnehmers steht. Im vorliegenden Fall steht einem Schadensersatzanspruch jedoch die im Tatbestand zitierte Klausel § 4 Ziff. 4 des Anstellungsvertrages entgegen. Danach war die Beklagte zu 1) berechtigt, das Firmenfahrzeug noch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Kläger herauszuverlangen. Diese Klausel ist wirksam, selbst wenn es sich, wie der Kläger behauptet, um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Rechtssinne handeln sollte.

Nach der Rechtsprechung des BAG war die Wirksamkeit von Änderungs- oder Widerrufsvorbehalten bisher an § 138 bzw. § 134 BGB zu messen. Ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot i.S.v. § 134 BGB lag insbesondere vor, wenn der Vorbehalt darauf abzielte, den gesetzlichen Inhaltsschutz des Arbeitsverhältnisses - speziell den Kündigungsschutz nach § 2 KSchG - objektiv zu umgehen (BAG v. 7.10.1982, AP Nr. 5 zu § 620 BGB Teilkündigung; v. 21.4.1993 - 5 AZR 399/92, MDR 1993, 1090 = NZA 1993, 1091). Eine solche Umgehung des zwingenden Kündigungsschutzes hat die Rechtsprechung nur bejaht, wenn wesentliche Elemente des Arbeitsvertrages einer einseitigen Änderung unterliegen sollten, durch die das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung grundlegend gestört würde. Daran fehlte es beispielsweise, wenn der Widerruf einer übertariflichen Zulage vorbehalten war, die nur einen Anteil von etwa 15 % an der Gesamtvergütung ausmachte (BAG v. 7.10.1982, AP Nr. 5 zu § 620 BGB Teilkündigung; v. 21.4.1993 - 5 AZR 399/92, MDR 1993, 1090 = NZA 1993, 1091). Auch ein freier Widerruf durfte jedoch nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden. Für die Ausübungskontrolle nach §§ 315 BGB/106 GewO stellte das BAG auf die Zumutbarkeit des Widerrufs für den Betroffenen ab (BAG v. 15.11.1995 - 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603). Insbesondere bedurfte es für die Ausübung des Widerrufs eines sachlichen Grundes (vgl. auch BAG EzA Nr. 34 zu § 315 BGB). Zutreffend hat das ArbG auf der Basis dieser Rechtsprechung festgestellt, dass die Beklagte zu 1) auf Grund der vertraglichen Vereinbarungen in § 4 Abs. 4 i.V.m. § 11 Ziff. 4 des Anstellungsvertrages berechtigt war, den Firmenwagen nach Ausspruch der Kündigung entschädigungslos zurückzufordern. Weder ist das zitierte Synallagma zwischen Arbeitsleistung und Vergütung dadurch erheblich gestört, noch ist es zu beanstanden, dass die Beklagte zu 1) nach einer Kündigung und Freistellung unter Fortzahlung der sonstigen Bezüge dem Kläger die private Nutzung des Firmenfahrzeugs entzogen hat (BAG v. 17.9.1998, AuR 1999, 111; v. 5.9.2002, AP Nr. 1 zu § 280 BGB n.F. ... ).

An dieser Rechtslage änderte sich auch nichts, wenn die zitierte Klausel des Anstellungsvertrages der Parteien tatsächlich, wie der Kläger behauptet, eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Rechtssinne wäre. Dann müsste sie sich an § 308 Nr. 4 BGB messen lassen, wonach die Vereinbarung eines Rechts, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, unwirksam ist, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. ... Über die Wirkung dieser Gesetzesänderung speziell auf Widerrufsklauseln der vorliegenden Art herrscht in Rechtsprechung und Literatur noch keine endgültige Klarheit. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, eine weiter gehende materielle Kontrolle wie bisher sei auch durch die Neuregelung nicht zu rechtfertigen (Lingemann, NZA 2002, 181; Schnitker/Grau, BB 2002, 2120; Singer, RdA 2003, 194), zum Teil werden statt bisher "sachliche" Gründe nun "triftige" Gründe (Däubler, NZA 2001, 1331) oder "schwerwiegende" Gründe (Dorndorf in Däubler/Dorndorf, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2004, § 308 BGB Rz. 39) für den Widerruf verlangt (unentschieden Reinecke, DB 2002, 583; Annuß, BB 2002, 458). Der Streit mag im vorliegenden Fall dahinstehen. Auch dann, wenn hier nur "schwer wiegende" Gründe für den Widerruf der Pkw-Überlassung infrage kämen, bliebe das Herausgabeverlangen der Beklagten zu 1) gerechtfertigt. Dies folgt aus dem deutlichen Missverhältnis zwischen dem durchschnittlichen Monatsverdienst des Klägers von 11.320,92 EUR und dem steuerlichen Wertvorteil von 297 EUR pro Monat für die private Nutzung des Pkw. Prozentual macht dies nur 2,62 % der monatlichen Vergütung aus und ist damit für das synallagmatische Gefüge von Leistung und Gegenleistung unbedeutend. An der konkreten Berechtigung der Beklagten, nach Ausspruch einer Kündigung und Freistellung unter Fortzahlung der sonstigen Bezüge die private Nutzung des Firmenfahrzeugs zu untersagen, änderte sich durch die Schuldrechtsmodernisierung ebenfalls nichts. Hierfür wären die Gründe allemal auch schwer wiegend. ...

Vorinstanzen

ArbG Wiesbaden, 5 Ca 43/03

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Normen

BGB §§ 134, 308 Nr. 4, 315; KSchG § 2