Keine Geldentschädigung für Bezeichnung als "Casanova"
Gericht
LG Hamburg
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
18. 03. 2005
Aktenzeichen
324 O 838/04
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar;
und beschließt:
Der Streitwert wird festgesetzt auf € 20.000,-.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Veröffentlichung in einem Presseorgan.
Der Kläger ist Schauspieler. Die Beklagte verlegt u.a. die Wochenzeitschrift ...
In der Ausgabe Nr. 39/2004 berichtete die Beklagte in der Zeitschrift ... unter der Überschrift "Baby vom Casanova" über die Beziehung des Beklagten und seiner Lebensgefährtin, der Schauspielerin ..., die von ihm ein Kind erwartet. In der Unterschlagzeile heißt es unter anderem: "Der hat schon drei Kinder von drei Frauen. Oha... ". Im Fließtext wird u.a. berichtet:
"Von der Mutter seiner elfjährigen Tochter ... hat er sich getrennt, und noch während er mit seiner letzten Frau ..., die Mutter von ..., 5, zusammen war, stürzte er sich in eine neue Affäre und wurde zum dritten Mal Vater. Im August 2003 gab er seiner Frau dann endgültig den Laufpass (...)."
Wegen der weiteren Einzelheiten der Berichterstattung wird Bezug genommen auf die als Anlage K 1 eingereichte Kopie des Artikels.
Unstreitig ist, daß sich die damalige Ehefrau des Klägers von diesem bereits vor vier Jahren getrennt hat, aber die Scheidung erst im August 2003 erfolgte. Die Mutter seines driften Kindes hatte der Kläger erst eineinhalb Jahre nach der Trennung von seiner damaligen Ehefrau kennengelernt.
Nach Abmahnung mit Schreiben vom 23.9.2004 (Anlage K 2) ließ die Beklagte bezüglich der genannten Textpassage am 24.9.2004 eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgeben (Anlage K 3). In der Ausgabe 43/2004 der Zeitschrift ... veröffentlichte die Beklagte zudem auf Seite 45 eine Gegendarstellung zu dieser Berichterstattung (Anlage K 4), in der es u.a. heißt: ...
Diese Gegendarstellung war von der Beklagten mit dem Zusatz versehen worden:
"Herr ... hat Recht. ... hat Trennungs- und Scheidungsjahr verwechselt.
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung zu. Die Berichterstattung habe schwerwiegend in sein Persönlichkeitsrecht eingegriffen. Dies ergebe sich zum einen daraus, daß die Veröffentlichung in seine Intimsphäre eingegriffen habe. Zum anderen beinhalte die Berichterstattung unwahre Tatsachenbehauptungen von erheblichem Gewicht. Zu der Mutter seiner Tochter habe er nie eine Beziehung unterhatten. Auch habe er - was unstreitig ist - keine Affäre gehabt, als er noch eine Beziehung mit seiner damaligen Ehefrau geführt habe. Weiter handele es sich bei der Bezeichnung "Casanova" um eine Schmähkritik. Durch die gesamte Art der Berichterstattung werde er als treulos, beziehungsunfähig und verantwortungslos dargestellt, worin eine erhebliche Herabwürdigung seiner Person zu erblicken sei. Es werde auch der ehrverletzende Eindruck hervorgerufen, er habe sich ehebrecherisch verhalten. Durch die Gegendarstellung sei keine hinreichende anderweitige Genugtuung erreicht.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen immateriellen Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, mindestens jedoch E 20.000,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, es fehle schon an einer schweren Rechtverletzung. Die Verwechslung von Trennungs- und Scheidungsdatum begründe jedenfalls keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung. Ohnehin sei dies durch die Richtigstellung im Anschluß an die Gegendarstellung vollständig kompensiert worden. Ob der Kläger sich hingegen von der Mutter seines ersten Kindes getrennt habe, sei reine Interpretation des Begriffs "Beziehung". Die Einordnung als "Casanova" sei als Meinungsäußerung legitim, denn sie knüpfe an die Tatsache an, daß der Kläger bereits Vater dreier Kinder von drei Frauen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes aus § 823 Abs.1 BGB i.V.m. Art.1 Abs.1, Art.2 Abs.1 GG zu. Ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Veröffentlichung besteht nur, wenn ein schwerwiegender und schuldhafter Eingriff gegeben ist, und die Beeinträchtigung nicht in befriedigender Weise auf anderem Wege kompensiert werden kann. Zudem muß eine Gesamtabwägung ergeben, daß für die Zahlung einer Geldentschädigung ein unabwendbares Bedürfnis besteht. Hierfür ist auf die Schwere der Beeinträchtigung, deren Anlaß und Beweggrund, das Maß des Verschuldens und die Nachhaltigkeit einer Rufschädigung abzustellen (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Rz. 14.101; Soehring, Presserecht, 3.Aufl., Rz.32.20). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt:
Allerdings enthält die Berichterstattung unstreitig eine Reihe von unwahren Tatsachenbehauptungen. Zwar ist die Beantwortung der Frage, ob man mit einer anderen Person eine "Beziehung" unterhält oder "zusammen ist" durchaus maßgeblich vom eigenen Bewertungsmaßstab des sich Äußernden bestimmt, denn es kann von der individuellen Anschauung abhängen, ab welchem Maß an Intensität und Dauer man eine zwischenmenschliche Begegnung mit diesen Bezeichnungen belegen will; diese Begriffe sind demnach einem Beweise grundsätzlich nicht zugänglich und daher im erster Linie als Meinungsäußerungen anzusehen. Auch wenn die angegriffene Passage "... und noch während er mit seiner letzten Frau ..., der Mutter von ..., 5, zusammen war, stürzte er sich in eine neue Affäre und wurde zum dritten Mal Vater" demnach auch wertende Anteile enthält, überwiegt doch der Tatsachenkern dieser Aussage. Denn die Beklagte hat hierdurch zumindest den Eindruck erweckt, daß die Ehefrau des Klägers sich zur Zeit der Liebesbeziehung des Klägers mit der Mutter seines dritten Kindes noch mit dem Kläger in einer Beziehung verbunden gefühlt habe. Unbestritten hat der Kläger hierzu aber vorgetragen, daß sich seine Ehefrau bereits eineinhalb Jahre von ihm getrennt hatte, als er die Mutter seines Sohnes ... kennenlernte. Auch die unstreitige Tatsache, daß der Kläger zu dieser Zeit noch mit seiner damaligen Ehefrau verheiratet war, ändert nichts daran, daß die Berichterstattung insoweit unwahr ist. Durch diese Berichterstattung wird auch in erheblicher Weise in die Persönlichkeitsrechte des Klägers eingegriffen, denn es wird zum Ausdruck gebracht, daß er seine Frau betrogen habe.
Unwahr ist in diesem Zusammenhang unstreitig auch die Behauptung, daß der Kläger im August 2003 seiner Frau "endgültig den Laufpaß gegeben" habe, und zwar gleich in zweifacher Hinsicht: Die Trennung erfolgte nämlich schon vor vier Jahren und ging nicht vom Kläger, sondern von seiner früheren Ehefrau aus. Diese Unwahrheiten stellen aber jedenfalls keine Verletzungen des Persönlichkeitsrechts des Klägers dar, die aus sich heraus auch nur annähernd ein hinreichendes Gewicht für die Zuerkennung einer Geldentschädigung haben.
Nicht unwahr ist entgegen der Ansicht des Klägers hingegen die Aussage, daß er sich von der Mutter seiner ... Tochter ... "getrennt" habe. Wie bereits ausgeführt, ist es eine Frage der individuellen Bewertungsmaßstäbe, ob man eine zwischenmenschliche Begegnung als etwas ansieht, das bereits ein hinreichendes Maß an Intensität erlangt hatte, so daß man überhaupt von einer "Trennung" sprechen kann. Selbst wenn der Kläger behaupten wollte, daß er mit der Mutter seiner Tochter ... lediglich einen einmaligen sexuellen Kontakt gehabt habe, so erscheint es jedenfalls als eine denkbare Sichtweise, daß man auch einen solchen Kontakt als eine - wenn auch äußerst kurze - Beziehung ansieht; immerhin wird man vermuten dürfen, daß mit der Zeugung des Kindes eine wenigstens kurzfristige gegenseitige Attraktion einhergegangen ist. Zumindest hat also vorübergehend eine Verbundenheit - welcher Art und Dauer auch immer - bestanden, die wieder gelöst wurde. Dann ist es aber nicht "unwahr", wenn man es als "trennen" bezeichnet, wenn der Kläger diesen Kontakt nicht hat weiter verfolgen wollen.
Die von der Beklagten im Artikel daneben veröffentlichten herabsetzenden Bewertungen und geäußerten Zweifel an der Charakterfestigkeit des Klägers sind allenfalls zum Teil rechtswidrig, jedenfalls aber im Lichte des unstreitigen Sachverhaltes nicht von hinreichendem Gewicht, um die Zuerkennung einer Geldentschädigung zu rechtfertigen. Die Bezeichnung des Klägers als "Casanova" ist eine zulässige Meinungsäußerung und stellt keine Schmähkritik dar. Als "Casanova" wird jemand bezeichnet, der "es versteht, auf verführerische Weise die Liebe der Frauen zu gewinnen" (Duden - Fremdwörterbuch, 5. Auff.). Dies stellt allerdings ein durchaus zweischneidiges Kompliment dar, weil dem so Bezeichneten zwar beträchtliche Verführungskunst zugesprochen wird, aber auch erhebliche Zweifel an seiner Fähigkeit zu einer dauerhaften Beziehung geäußert werden. In die gleiche Richtung weist die im Wörtchen "oha" steckende Kommentierung der Tatsache, daß der Kläger bereits Vater dreier Kinder jeweils verschiedener Frauen ist und nun zum vierten Mal Vater wird. Auch durch den Konditionalhalbsatz "... wenn sie ... gezähmt hätte" werden Zweifel an der Dauerhaftigkeit der Gefühle und der Verläßlichkeit des Klägers in Beziehungsfragen aufgeworfen und dem Leser wird die Frage nahegebracht, daß man nicht wissen könne, ob "das gut geht". Alle diese Äußerungen stellen jedoch Bewertungen dar, die von den jeweiligen individuellen Moralvorstellungen und Ansichten zum zwischenmenschlichen Zusammenleben geprägt sind. Hierbei ist es der Beklagten grundsätzlich ebenso zuzugestehen, engere Moralbegriffe zu vertreten, wie es dem Kläger freisteht, dies anders zu sehen. Die von der Beklagten geäußerten Bewertungen und implizierten Zweifel könnten demnach nur dann unzulässig sein, wenn sie als Schmähkritik anzusehen wären, die alleine der Herabwürdigung des Klägers diente. Schon die unstreitigen Tatsachen bieten aber zumindest genügend tatsächliche Anhaltspunkte für die von der Beklagten geäußerten Bewertungen und Zweifel, so daß diese jedenfalls keine Persönlichkeitsrechtsverletzung von dem für die Zuerkennung einer Geldentschädigung erforderlichen Gewicht darstellen, denn es entspricht zumindest nicht dem ganz üblichen Verlauf der Dinge, wenn man bereits das vierte Kind mit der vierten Frau gezeugt hat. Das bedeutet nicht, daß die Bewertung der Beklagten, daß dies auf eine Unzuverlässigkeit des Klägers in Beziehungsfragen schließen lassen könne, zwingend als "richtig" anzusehen ist, es ist aber eben auch nicht gänzlich unvertretbar, die bisherige Bilanz des Beziehungslebens des Klägers als Indiz für eine Tendenz des Klägers zu wechselnden Partnerinnen anzusehen, auch wenn die Tatsachen bei Lichte betrachtet eher auf Defizite des Klägers in Fragen der Familienplanung schließen lassen mögen. Hinzu kommt, daß der Artikel in der Gesamtschau keineswegs eindeutig die Prognose abgibt, daß der Kläger als verantwortungslos, sittlich unwürdig und deshalb gerade auch für die Zukunft als beziehungsunfähig anzusehen sei; vielmehr wird immerhin auch die Möglichkeit genannt, daß der Kläger nunmehr "gezähmt" sei.
Schließlich greift die angegriffene Berichterstattung in die Privatsphäre des Klägers ein. Zwar handelt es sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht um Eingriffe in seine Intimsphäre, da nicht über intime Vorgänge an sich berichtet wird (vgl. BGH NJW 1999, 2893, 2894; HansOLG AfP 1991, 533), sondern alleine über die schlichte Tatsache, wieviele "Beziehungen" oder "Affären" der Kläger bereits hatte, aus denen Kinder hervorgegangen sind. Dies ist aber grundsätzlich jedermanns Privatsache. Auch dieser Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers hat aber jedenfalls nicht das für die Zuerkennung einer Geldentschädigung erforderliche Gewicht, denn der Kläger als bundesweit bekannter Schauspieler wird jedenfalls weit eher als ein "Normalbürger" eine Berichterstattung darüber hinzunehmen haben, wann er Beziehungen (oder Affären) geführt hat, aus denen Kinder hervorgegangen sind. Hier kommt hinzu, daß der Kläger auch im nachgelassenen Schriftsatz vom 17.2.2005 nicht bestritten hat, daß sich seine Partnerin, die Schauspielerin ..., auf einer Pressekonferenz anläßlich eines Filmes zu ihrer Beziehung zum Kläger geäußert hat. Auch die Tatsache, daß seine Partnerin, die ebenfalls eine bekannte Schauspielerin ist, schwanger ist, ist von keineswegs ganz geringem öffentlichem Interesse. Damit bestand aber zumindest Anlaß für die Beklagte, sich des Themas der früheren Vaterschaften des Klägers anzunehmen. Der Umstand, daß die beanstandete Veröffentlichung in dem soeben dargestellten Umfang eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers enthält, rechtfertigt die Zuerkennung eines Anspruchs auf eine Geldentschädigung nicht. Die gebotene Gesamtabwägung aller Umstände ergibt nämlich nicht, daß die Zubilligung einer Geldentschädigung unabweisbar ist. Zu der unstreitig unwahren Berichterstattung zum Zeitpunkt der Beziehung zur Mutter seines dritten Kindes - nämlich erst nach der Trennung von seiner Ehefrau - hat die Beklagte nicht nur umgehend eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben, sondern auch zeitnah die vom Kläger geforderte Gegendarstellung abgedruckt und diese mit einem redaktionellen Zusatz versehen, der gerade diesen Punkt geraderückt. Damit mag die Beeinträchtigung durch diese Falschbehauptung nicht gänzlich entfallen sein, jedenfalls ist aber deren Gewicht ganz erheblich verringert, denn dem Leser, der die richtigstellende Ergänzung gelesen hat, wird unmißverständlich klar, daß dem Kläger eben nicht der Vorwurf zu machen ist, daß er seine Ehefrau "hintergangen" habe. Zu berücksichtigen ist hier auch, daß die Beklagte zwar die Trennung unzutreffend datiert hat, daß aber andererseits unstreitig der Kläger zur Zeit der Beziehung mit der Mutter seines dritten Kindes noch nicht von seiner Ehefrau geschieden war. Es macht zwar einen erheblichen Unterschied, ob eine Beziehung tatsächlich oder nur noch "auf dem Papier" besteht, jedoch entspricht es immerhin der Wahrheit, daß eine neue Beziehung begonnen wurde, bevor die Ehe auch "offiziell" getrennt wurde. Zudem sei angemerkt, daß ein Großteil der vom Kläger befürchteten Beeinträchtigung seines Rufes aus der unstreitig zutreffenden Tatsache resultieren dürfte, daß er bereits Vater dreier Kinder von drei verschiedenen Frauen ist; dieser Umstand alleine wird von nicht wenigen Lesern als Indiz für eine nicht ganz zweifelsfreie Grundeinstellung des Klägers zu Liebesbeziehungen erscheinen. Hinsichtlich der Verletzung der Privatsphäre des Klägers durch die angegriffene Berichterstattung, die - wie ausgeführt - angesichts der herausgehobenen Stellung des Klägers ohnehin als weniger intensiv einzustufen ist, ist jedenfalls das Ausmaß des Verschuldens der Beklagten wegen des tatsächlich vorhandenen öffentlichen Interesses an diesen Informationen und vor allem wegen der öffentlichen Stellungnahme der Partnerin des Klägers zu ihrer Beziehung als deutlich geringer anzusetzen.
Unter Berücksichtigung aller Umstände kommt daher die Zubilligung einer Geldentschädigung nicht in Betracht.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Buske Zink Meier-Göring
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen