Ausnahmsweise keine Erstattung von Kosten zweier Abschlussschreiben

Gericht

AG Charlottenburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

22. 03. 2005


Aktenzeichen

208 C 10/05


Tenor

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich 10% abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

  4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Erstattung rechtsanwaltlicher Kosten, die ihr im Zusammenhang mit der Erstellung zweier Abschlussschreiben entstanden sind.

Die Klägerin ist ... . Die Beklagte verlegt die Zeitschrift... . In der Ausgabe der ... veröffentlichte die Beklagte unter dem Artikel ... ein Foto des ... und der ... (Bl. 10 d.A.) und kommentierte dies wie folgt: ...

Die Klägerin erwirkte eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin vom 27.11.2003 (Bl. 13 d.A.), mit der der Beklagten antragsgemäß die Veröffentlichung und/oder Verbreitung folgender Äußerungen untersagt wurde:

"1. a) ...
b) zu behaupten, Frau ... sei ... Jahre alt.
3. 'Heiratet er sie bald, wie in Berlin gemunkelt wird ...'"

Mit an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin adressiertem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 16.12.2003 (Bl. 15 d.A.) erklärte die Beklagte, dass sie

"die einstweilige Verfügung ... hinsichtlich der Ziffern 1. a) und b) des Tenors als endgültige Regelung hinnimmt und auf Ihre Rechte aus §§ 924, 926 und 927 ZPO verzichtet. ... Diese Erklärung gilt ausdrücklich nicht für die Ziffer 1.3 des Beschlusses. ... Insoweit haben wir gegen die einstweilige Verfügung mit Schriftsatz vom heutigen Tage Widerspruch eingelegt."

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 15 d.A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 06.01.2004 (Bl. 17 d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte auf, bis zum 20.01.2004 die einstweilige Verfügung auch hinsichtlich der Ziffer 1.3. des Beschlusses als endgültige Regelung anzuerkennen und die entstandenen Kosten für dieses Schreiben zu ersetzen. Mit - der Klägerin am 12.01.2004 zugestellten - Schriftsatz vom 17.12.2003 (Bl. 45 d.A.) legte die Beklagte Teilwiderspruch gegen die einstweilige Verfügung, Ziffer 1.3. des Beschlusses, ein. Das Landgericht Berlin bestätigte mit Urteil vom 17.02.2004 die einstweilige Verfügung (Bl. 20 d.A.). Die Beklagte legte hiergegen am 08.03.2004 Berufung ein. Das Kammergericht wies die Beklagte mit am 09.07.2004 zugestellter Verfügung vom 02.07.2004 (Bl. 51 d.A.) unter näherer Begründung und unter Gewährung einer 4-wöchigen Stellungnahmefrist auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung hin. Mit Schreiben vom 03.08.2004 (Bl. 26 d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte erneut zur Abgabe einer Abschlusserklärung und zur Kostenerstattung auf. Die Beklagte nahm am 06.08.2004 die Berufung zurück. Mit Schreiben vom selben Tage (Bl. 28 d.A.) erkannte die Beklagte gegenüber der Klägerin die einstweilige Verfügung auch hinsichtlich der Ziffer 1.3. des Beschlusses als endgültige Regelung an, verweigerte jedoch die Erstattung der anwaltlichen Kosten der Klägerin.

Die Klägerin macht mit der vorliegenden Klage rechtsanwaltliche Kosten über € 285,07 für die Abschlussschreiben vom 06.01.2004 und 03.08.2004 geltend. Sie ist der Auffassung, die Beklagte sei zur Kostenerstattung im Wege des Schadenersatzes verpflichtet, weil die Beklagte ihre Persönlichkeitsrechte verletzt habe. Die Abschlussschreiben seien notwendig gewesen, um der Beklagten die Möglichkeit zu geben, die einstweilige Verfügung mit einer Abschlusserklärung anzuerkennen und die Kosten eines Hauptprozesses zu vermeiden. Zum Zeitpunkt des ersten Abschlussschreibens sei nicht eindeutig abzusehen gewesen, ob die Beklagte gegen die einstweilige Verfügung vorgehen werde. Über die entsprechende Klarheit habe sie, die Klägerin, erst mit Zustellung des Widerspruchsschriftsatzes verfügt. Jedenfalls sei das zweite Abschlussschreiben erforderlich gewesen, so dass die hierfür entstandenen Kosten erstattungsfähig seien.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 285,07 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 21.01.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die anwaltlichen Kosten seien nicht erstattungsfähig. Sie habe weder die Persönlichkeitsrechte der Klägerin verletzt, noch seien die Abschlussschreiben erforderlich gewesen seien. Das erste Abschlussschreiben vom 06.01.2004 sei nicht notwendig gewesen, weil aufgrund ihrer teilweisen Abschlusserklärung vom 16.12.2003 eindeutig erkennbar gewesen sei, dass sie die einstweilige Verfügung in Ziffer 1.3. des Beschlusses nicht habe anerkennen wollen. Das Schreiben der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 03.08.2004 stelle kein Abschlussschreiben dar, weil lediglich auf das erste Abschlussschreiben Bezug genommen worden sei. Im Übrigen sei ihr keine ausreichende Gelegenheit zur alleinigen Abgabe einer Abschlusserklärung nach dem Hinweis des Kammergerichts gegeben worden.

Mit Schriftsätzen vom 10.03. und 18.03.2005 haben die Parteien weiter zur Notwendigkeit der Abschlussschreiben vorgetragen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und Aktenteile Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte unter keinem erdenklich rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von € 285,07.

1.
Der Klägerin steht ein solcher Zahlungsanspruch gegen die Beklagte nicht aus §§ 823 Abs. 1, 249 BGB zu.

Denn rechtsanwaltliche Kosten für Abschlussschreiben sind lediglich dann im Wege des Schadenersatzes erstattungsfähig, wenn ein solches Abschlussschreiben und damit die dadurch verursachten Kosten gemäß § 249 BGB objektiv notwendig sind (OLG Celle, WRP 1996, 757; Templitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., § 43 Rn. 30; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 12 UWG Rn. 3.73; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 12 Rn. 663 f.). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt; angesichts dessen kann auch offen bleiben, ob die Beklagte die Klägerin in ihren Persönlichkeitsrechten im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB (i.V.m. Artt. 1 und 2 GG) verletzt hat.

Nach einhelliger Auffassung der Rechtsprechung und Kommentarliteratur ist der verletzte Kläger nach Erlass einer wettbewerbsrechtlichen bzw. urheberrechtlichen einstweiligen Verfügung in der Regel gezwungen, den Verletzer mit oder nach Zustellung der einstweiligen Verfügung durch ein sogenanntes Abschlussschreiben aufzufordern, den Verfügungstitel durch eine sogenannte Abschlusserklärung als endgültig anzuerkennen, will er nicht im Falle einer späteren Unterwerfung oder eines Anerkenntnisses seines Unterlassungsanspruches das Kostenrisiko einer Hauptsacheklage gemäß § 93 ZPO tragen (vgl. nur KG, WRP 1984, 545; OLG Köln, WRP 1987, 188 jeweils m.w.N.). Die durch Übersendung eines Abschlussschreibens bedingten Kosten sind jedoch nicht in jedem Fall erstattungsfähig, sondern nur wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Zusammenhang mit dem Abschlussschreiben erforderlich gewesen ist (vgl. nur OLG Celle, a.a.O.). Ein Abschlussschreiben ist entbehrlich, wenn der Schuldner nach Erlass der einstweiligen Verfügung unzweideutig zu erkennen gibt, dass er zur Abgabe einer Abschlusserklärung nicht bereit ist, etwa durch Einlegung eines Widerspruchs oder durch Fristsetzung zur Erhebung der Hauptsacheklage (Templitzky, a.a.O., § 43 Rn. 28).

Nach diesen Maßstäben war weder das erste Abschlussschreiben der Klägerin vom 06.01.2004, noch das zweite Abschlussschreiben vom 03.08.2004 erforderlich. Das erste Abschlussschreiben war nicht erforderlich. Die Notwendigkeit eines Abschlussschreibens ist nach dessen oben geschilderten Sinn und Zweck zu beurteilen: Kann der Verletzte aus seiner Sicht unzweifelhaft Hauptsacheklage gegen den Verletzer ohne das Kostenrisiko nach § 93 ZPO einlegen, mag ein dennoch gefertigtes Abschlussschreiben zweckmäßig, aber nicht mehr objektiv notwendig sein. Dies war hier der Fall. Denn die Beklagte hatte mit der teilweisen Abschlusserklärung vom 16.12.2003 eindeutig zu erkennen ergeben, dass sie die einstweilige Verfügung vom 27.11.2003 lediglich in Ziffer 1. a) und b) als endgültige Regelung anerkennt und im Übrigen gegen Ziffer 1.3. der einstweiligen Verfügung Teilwiderspruch einlegt. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelte es sich hierbei nicht lediglich um die Ankündigung eines erst künftig einzulegenden Widerspruches, sondern nach dem eindeutigen Wortlaut war dieser Teilwiderspruch gleichzeitig mit Abgabe der ersten Abschlusserklärung beim Landgericht Berlin eingereicht worden. Hätte die Klägerin zu diesem Zeitpunkt Hauptsacheklage erhoben, hätte die Beklagte bei sofortigem Anerkenntnis angesichts des eindeutigen Schreibens vom 16.12.2003 nicht mit dem Einwand, sie habe durch ihr Verhalten keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben, die Kostenlast der Klägerin über § 93 ZPO erreichen können. Mithin hätte die Klägerin zu diesem Zeitpunkt ohne Kostenrisiko nach § 93 ZPO klagen können. Dass der Klägerin zum Zeitpunkt des ersten Abschlussschreibens vom 06.01.2004 mangels Zustellung des Widerspruchs dessen Einlegung noch nicht bekannt war, kann die Übersendung des Abschlussschreibens vorliegend nicht als erforderlich rechtfertigen. Denn aus Sicht der Klägerin war nach der Abschlusserklärung der Beklagten vom 16.12.2003 ersichtlich, dass nur eine Hauptsacheklage den Rechtsstreit endgültig beenden werde. Ob der Widerspruch zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich eingelegt worden ist, war hinsichtlich des Kostenrisikos nach § 93 ZPO unerheblich.

Das zweite Abschlussschreiben vom 03.08.2004 war ebenfalls nicht erforderlich. Nach umstrittener Rechtsprechung ist ein zweites Abschlussschreiben erforderlich, wenn das erste Abschlussschreiben erfolglos geblieben ist, der Schuldner Widerspruch gegen die Beschlussverfügung einlegt und die Beschlussverfügung durch Urteil bestätigt wird (OLG Köln, a.a.O., OLG Celle, a.a.O., Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 12 UWG Rn. 3.70; Templitzky, a.a.O., § 43 Rn. 28; a.A. KG WRP 1984, 545). Unabhängig davon, welcher Rechtsauffassung zu folgen ist, sind die Kosten für das Abschlussschreiben vom 03.08.2004 nicht erstattungsfähig. Zum einen handelt es sich bei diesem Schreiben nicht um ein "technisches" zweites Abschlussschreiben im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung und Literatur, weil das erste Abschlussschreiben vom 06.01.2004 entsprechend den obigen Ausführungen nicht erforderlich war. Zum anderen sind die durch das Abschlussschreiben vom 03.08.2004 verursachten Kosten nicht notwendig, weil dieses zur Unzeit erfolgte. Denn für ein Abschlussschreiben besteht keine Veranlassung - so dass die hierdurch verursachten Kosten nicht notwendig und daher nicht erstattungsfähig sind -, wenn dem Schuldner nicht binnen angemessener Frist Gelegenheit gegeben wird, die erlassene einstweilige Verfügung von sich aus durch Abgabe einer Abschlusserklärung bestandskräftig zu machen, wobei in der Regel eine 2-wöchige Bedenkzeit die im Einzelfall verlängert oder verkürzt sein kann - für den Schuldner als angemessen angesehen wird (OLG Celle, a.a.O., OLG Köln, a.a.O., Templitzky, a.a.O., § 43 Rn. 31; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, a.a.O., § 12 Rn. 664; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 12 UWG Rn. 3.73). Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, die Beklagte habe nach dem gerichtlichen Hinweis des Kammergerichts vom 02.07.2004 genügend Bedenkzeit zur Anerkennung der einstweiligen Verfügung gehabt. Das Gericht schließt sich zwar der Auffassung an, wonach grundsätzlich eine 2-wöchige Bedenkzeit für den Schuldner ausreichen muss, um sich über die Abgabe einer Abschlusserklärung klar zu werden. Vorliegend besteht aber die Besonderheit, dass für die Beklagte mit dem Hinweis des Kammergerichts eine neue prozessuale Situation eingetreten ist, und ihr durch das Kammergericht eine 4-wöchige Stellungnahmefrist eingeräumt worden ist. Mithin konnte und durfte die Beklagte darauf vertrauen, den Ablauf der vom Kammergericht gesetzten Stellungnahmefrist abzuwarten, bevor sie sich über ihr weiteres, künftiges Vorgehen gegen die einstweilige Verfügung entscheiden musste. Ebenso wenig wie die Beklagte erwarten musste, eine Entscheidung über ihre Berufung vor Ablauf dieser Stellungnahmefrist zu verlautbaren, musste sie davon ausgehen, zuvor zur Abgabe einer Abschlusserklärung aufgefordert zu werden. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Unterlassungsansprüche und streitgegenständlichen Erstattungsansprüche nur zwischen den Parteien entstehen konnten und daher prozessuale Verfügungen auf die materiellen Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander grundsätzlich keine Auswirkungen haben können. Gleichwohl wurde durch die gerichtliche Stellungnahmefrist für die Beklagten ein derartiger Vertrauenstatbestand geschaffen, der es rechtfertigt, die grundsätzlich 2-wöchige Bedenkzeit zur Abgabe einer Abschlusserklärung entsprechend zu verlängern. Die Klägerin hat die Beklagte vor Ablauf dieser Stellungnahmefrist am 06.08.2004 mit Abschlussschreiben vom 03.08.2004 - und damit verfrüht - zur Abgabe einer Abschlusserklärung aufgefordert.

2.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch über € 285,07 ferner nicht aus §§ 677 ff. BGB zu.

Die durch Abschlussschreiben verursachten Kosten können nach herrschender Meinung neben Ansprüchen auf Schadenersatz auch aus den Grundsätzen der GoA erstattungsfähig sein (vgl. nur LG Wiesbaden, WRP 1991, 342; OLG Celle, a.a.O.; Templitzky, a.a.O., § 43 Rn. 30; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, a.a.O., § 12 Rn. 662; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 12 UWG Rn. 3.73; a.A. Einsiedler, WRP 2003, 354). Hierfür ist jedoch jedenfalls Voraussetzung, dass das entsprechende Abschlussschreiben notwendig war. Dies war hier indes nicht der Fall. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

3.
Die Kostenentscheidung beruht auf 91 Abs. 1 ZPO; der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen.

Die Schriftsätze der Parteien vom 10.03. und 18.03.2005 waren zu berücksichtigen, obwohl sie gemäß § 296a ZPO nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingingen. Denn hiermit haben sie lediglich die Notwendigkeit der streitgegenständlichen Abschlussschreiben nochmals rechtlich erörtert, hingegen keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen vorgebracht.


Hübner

Rechtsgebiete

Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht