„Rädelsführer” als Bezeichnung der Rolle eines Mitarbeiters bei den Opel-Arbeitsniederlegungen

Gericht

LG Bochum


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

10. 03. 2005


Aktenzeichen

8 O 7/05


Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand


Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Zusammenhang mit der Berichterstattung des Nachrichtenmagazins "FOCUS" über Arbeitsniederlegungen in den Bochumer Opel-Werken im Oktober 2004 die Unterlassung der Bezeichnung als "Rädelsführer".

Der Kläger ist seit 1983 in den Bochumer Werken der Adam Opel AG beschäftigt. Dort kam es zwischen dem 14. und dem 20.10.2004 zu einer Arbeitsniederlegung von Beschäftigten aus Protest gegen geplante Entlassungen und Standortschließungen. An der Arbeitsniederlegung nahmen mehrere hundert Beschäftigte teil - unter ihnen auch der Kläger.

Das bundesweit erscheinende Nachrichtenmagazin "FOCUS", dessen Verlegerin die Beklagte ist, berichtete in der Ausgabe ... unter der Überschrift "Klassenkampf am Band" über die Arbeitsniederlegung. In diesem Artikel wird an zwei Stellen auch der Kläger erwähnt. So heißt es im Text des Artikels:

"Etwas gemäßigter formuliert ... seine Forderungen. Der ...-Jährige muß mit 3.200 Euro brutto zwei Kinder und eine Ex-Frau finanzieren. Auch er gilt als Rädelsführer, aber aus anderen Motiven. Seit 15 Jahren mache der Konzern Standortsicherungsversprechen, empört sich ... . In dieser Zeit hätte GM die Zahl der Arbeitsplätze in Bochum von 21.800 auf 9.600 heruntergefahren. 'Noch einmal 4.000, wie jetzt gefordert, sind keine Lebensversicherung, sondern das Todesurteil für den Standort.' ..., seit Jahren Opel-Mann, will lieber ,mit fliegenden Fahnen untergehen, als dieses Siechtum fortsetzen'. Da ist er sich mit ... einig. Beide enttäuschte sehr, daß mehr als 70 Prozent der Belegschaft sich Mitte vergangener Woche für ein Ende der wilden Streiks aussprachen."

Darüber hinaus befindet sich neben einem Bild des Klägers die Unterschrift:

"RÄDELSFÜHRER
Alt-Opelaner ... hätte den Arbeitskampf lieber weiter in die Länge gezogen".

Der Kläger trägt vor, er habe zwar an der Arbeitsniederlegung teilgenommen und in Redebeiträgen Kritik an der Opel-Geschäftsleitung geübt. Dies erlaube es jedoch nicht, ihn als "Rädelsführer" zu bezeichnen. Zum einen sei es nicht gerechtfertigt, ihn als Führungsfigur darzustellen. Zwar habe er sich für eine Fortsetzung des Streiks ausgesprochen. Dies hätten aber auch Hunderte von Kollegen getan; Beginn und Fortsetzung des Ausstandes seien von der Belegschaft demokratisch durch Abstimmungen beschlossen worden. Zum anderen stelle die Bezeichnung als "Rädelsführer" eine üble Nachrede und Verleumdung im Sinne der §§ 186, 187 StGB dar. Der Begriff sei Tatbestandsmerkmal verschiedener gegen die öffentliche Ordnung und den demokratischen Rechtsstaat gerichteter Delikte des Strafgesetzbuchs. Durch den Artikel werde die gesamte Opel-Belegschaft mit einer kriminellen Vereinigung gleichgesetzt und er selbst als deren Anführer hingestellt. Schließlich trägt der Kläger die Befürchtung vor, ihm könnten in etwaigen arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen mit seinem Arbeitgeber aus der angegriffenen Berichterstattung Nachteile erwachsen. Die Geschäftsleitung wolle gegen Personen vorgehen, die eine aktive Rolle bei dem Arbeitskampf gespielt hätten.

Der Kläger beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ihn in dem Nachrichtenmagazin "FOCUS" wörtlich oder sinngemäß als "Rädelsführer" der Arbeitsniederlegung bei Opel Bochum zu bezeichnen, und

  2. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00 und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft gegen ihre gesetzlichen Vertreter bis zu 6 Monaten anzudrohen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, zur Unterlassung der Bezeichnung des Klägers als "Rädelsführer" nicht verpflichtet zu sein und hat deshalb bereits vorprozessual die Abgabe einer entsprechenden Unterlassungserklärung abgelehnt. Soweit der Begriff einen tatsächlichen Gehalt aufweise, sei er angesichts des Verhaltens des Klägers während der Arbeitsniederlegung gerechtfertigt. Insoweit trägt die Beklagte vor, ihr Redakteur van Zütphen, der Verfasser des Artikels, habe unter anderem anderthalb Tage vor dem bestreikten Werk zugebracht und eine große Betriebsversammlung besucht. Er habe dabei beobachtet, daß der Kläger jede Gelegenheit genutzt habe, sich vor Journalisten zu äußern. Auch er selbst habe mit dem Kläger gesprochen. Der Kläger habe sich in den Vordergrund gedrängt. Zudem legt die Beklagte Artikel aus der Zeitung "Junge Welt" vom 21.10.2004 und aus dem Internetauftritt des "internationalen Komitees der Vierten Internationale" ("World Socialist Web Site") vom 21.10.2004 zu dem Arbeitskampf vor, in denen über den Kläger ebenfalls namentlich und mit Zitaten berichtet wird. Soweit in der Bezeichnung "Rädelsführer" eine Meinungsäußerung enthalten sei, steht sie nach Ansicht der Beklagten unter dem Schutz der Meinungsfreiheit.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung der Bezeichnung als "Rädelsführer". Durch diese Bezeichnung in dem Artikel "Klassenkampf am Band" der "FOCUS"-Ausgabe ... wird der Kläger nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

Die Frage, ob eine Presseberichterstattung das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen verletzt und deshalb ein Unterlassungsanspruch aus § 823 BGB, §§ 12 Satz 2, 862 Abs. 1 Satz 2, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog gegeben ist, kann nur mittels einer Abwägung der betroffenen Grundrechte, also der hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht stehenden Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG einerseits und der Meinungs-/Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) andererseits, entschieden werden.

Dabei unterfallen zwar nicht nur Werturteile, sondern auch meinungsbezogene Tatsachenbehauptungen dem Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 GG (BVerfG, NJW 2000, 199 (200)). Für den Umfang des Schutzes ist aber gleichwohl danach zu differenzieren, ob es sich bei der angegriffenen Äußerung um eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil handelt.

a) Tatsachenbehauptungen werden durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert; gerade unabhängig von den subjektiven Auffassungen des sich Äußernden soll etwas als objektiv gegeben hingestellt werden (BVerfG, NJW 1996, 1529 f.). Tatsachenbehauptungen können daher wahr oder unwahr sein und sind grundsätzlich dem Beweis zugänglich (BVerfG, a.a.O.). Insoweit gilt: Unwahre Tatsachenbehauptungen sind generell zu unterlassen, da an der Verbreitung unwahrer Behauptungen kein schutzwürdiges Interesse bestehen kann (BGH, NJW 1997, 2513). Wahre Behauptungen sind jedoch grundsätzlich zulässig; ihre Verbreitung ist rechtswidrig nur, wenn die Aussage entweder die Privat-, Intim- oder eine vertrauliche Sphäre betrifft und sich nicht durch eine berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit rechtfertigen läßt, oder wenn die Aussage einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht (Palandt-Sprau, 63. Aufl., § 823 BGB, Rn. 101 m. Nachw.).

b) Werturteile sind dagegen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage, durch Elemente der Stellungnahme, des Meinens und Dafürhaltens gekennzeichnet (BVerfG, NJW 1996, 1529 f.); sie können nicht auf ihren Wahrheitsgehalt im Beweisweg objektiv überprüft werden, sondern nur - gemäß dem jeweils eigenen Standpunkt - als falsch abgelehnt oder als richtig akzeptiert werden (BGH, NJW 1982, 2246; Palandt-Sprau, 63. Aufl., § 824 BGB, Rn. 2). Insoweit gilt: Bei Werturteilen streitet jedenfalls in Fragen von öffentlichem Interesse eine Vermutung für die Freiheit der Rede (BVerfG, NJW 1995, 3303 (3305)). Es spielt keine Rolle, ob die Kritik berechtigt oder das Werturteil "richtig" ist (BVerfG, a.a.O., S. 3304). Die abwertende Kritik darf, solange sie sachbezogen ist, scharf, schonungslos, ausfällig, polemisch sein; der Schutz der Persönlichkeit hat erst dann Vorrang, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde, als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellt (BVerfG, a.a.O., S. 3304; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl., Kapitel 42, Rn. 30 ff.).

c) Bei gemischten Äußerungen, in denen tatsächliche und wertende Elemente einander untrennbar durchdringen (Werturteil mit Tatsachenkern), ist bei der Grundrechtsabwägung die Frage der Richtigkeit des tatsächlichen Äußerungsgehalts, der dem Werturteil zugrunde liegt, zu berücksichtigen (BVerfG, NJW 1996, 1529 (1530)). Ein an sich zulässiges Werturteil ist deshalb als unzulässig anzusehen, wenn sich der darin enthaltene maßgebende Tatsachenkern als unwahr erweist und der Wertung so die Grundlage entzieht. Eine unwahre und damit nicht geschützte Tatsachenbehauptung kann dem berechtigten Begehren auf Unterlassung nicht dadurch entzogen werden, daß sie in das Gewand eines Werturteils gekleidet wird.

2. Die Bezeichnung als "Rädelsführer" stellt äußerlich ein Werturteil dar (ebenso OLG Braunschweig, MMR 2001, 163).

Wenn der Kläger meint, es sei dem Beweise zugänglich, ob jemand Rädelsführer sei oder nicht, weil dieser Begriff im Strafgesetzbuch Verwendung finde, verkennt er die Funktion des Merkmals "Rädelsführer" in den entsprechenden Tatbeständen des Strafgesetzbuchs. Dort geht es nämlich um die Bestimmung des Grades der Beteiligung an dem jeweiligen Delikt und damit - am Beispiel des § 84 StGB - um die Abgrenzung von dem unter geringerer Strafandrohung stehenden tätigen Parteimitglied und dem gänzlich straflosen einfachen Parteimitglied. Die Einstufung als Rädelsführer ist daher das Ergebnis einer rechtlichen Bewertung der Intensität der vom Betroffenen vorgenommen Handlungen. Ebenso wie beispielsweise bei der Frage, ob ein Delikt in einem "besonders schweren Fall" verwirklicht ist, kann die Antwort nicht unmittelbar durch die Beweisaufnahme gefunden werden. Unmittelbar dem Beweis zugänglich sind vielmehr nur die Handlungen selbst, deren Bewertung dann zu der Feststellung führen mag, daß ein "besonders schwerer Fall" oder Täterschaft in der Form des "Rädelsführers" vorliegt.

Zuzugeben ist dem Kläger allerdings, daß die Bezeichnung "Rädelsführer" einen Tatsachenkern enthält. Dies sieht im übrigen auch die Beklagte nicht anders. Dabei muß allerdings unterschieden werden. Der Begriff kann zunächst um den gewissermaßen politischen Teil der Bewertung bereinigt und auf die politisch neutrale Aussage zurückgeführt werden, der Kläger sei ein Anführer der Arbeitsniederlegung gewesen. Dies ist aber noch nicht der Tatsachenkern, auch die Bezeichnung "Anführer" stellt ein Werturteil dar. Denn es ist letztlich eine Frage des individuellen Meinens und Dafürhaltens, ob das gruppenbezogene Verhalten einer Person geeignet ist, sie als (einen) Anführer der Gruppe anzusehen. Reduziert man den Begriff aber auch um diese letzte Wertung, bleibt als Kern die Aussage, der Kläger habe bei dem Ausstand eine gegenüber der Masse der mehreren Hundert Teilnehmer herausgehobene, aktive Rolle gespielt. Dabei handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung. Sie ist dem Beweise zugänglich. Dieser Tatsachenkern ist auch nicht so unwesentlich oder substanzarm, daß er gegenüber der subjektiven Wertung vollständig in den Hintergrund träte. Vielmehr geht es dem Kläger ausdrücklich gerade auch um die Aussage, er habe bei dem Arbeitskampf eine aktive Rolle gespielt. Denn er befürchtet, sein Arbeitgeber könne aufgrund einer solchen Annahme arbeitsrechtliche Schritte gegen ihn einleiten.

a)
Liegt damit ein die Äußerung prägender Tatsachenkern vor, so kommt es insoweit für die Frage eines Unterlassungsanspruchs zunächst darauf an, ob diese Tatsache wahr oder unwahr ist. Die der Bezeichnung "Rädelsführer" zugrundeliegende behauptete Tatsache, der Kläger habe bei der Arbeitsniederlegung im Oktober 2004 eine herausgehobene, aktive Rolle gespielt, ist wahr. Dies ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen des Klägers, der auf seine mehrfachen Redebeiträge während des Arbeitskampfes verweist. Unstreitig haben zwar nicht nur der Kläger, aber auch bei weitem nicht alle oder auch nur die Mehrheit der an dem Ausstand Beteiligten sich in derartiger Weise engagiert. Auf den weiteren Vortrag der Beklagten zu der bei der Recherche hinsichtlich der Rolle des Klägers entfalteten Sorgfalt kommt es daher nicht mehr an.

Im übrigen stellt der Kläger auch nicht etwa darauf ab, es liege eine Verwechslung vor, weil nicht er selbst, sondern sonstige Dritte die besonders aktiven Teilnehmer der Auseinandersetzung gewesen seien. Vielmehr begibt er sich auf den Standpunkt, es habe besonders herausgehobene Teilnehmer überhaupt nicht gegeben, sondern die mehreren Hundert streikenden Beschäftigten seien alle in gleicher Weise aktiv geworden. Dies ist angesichts der schieren Zahl der Teilnehmer aber schlicht nicht denkbar. Auch der Umstand, daß über Beginn und Fortsetzung der Arbeitsniederlegung jeweils von der gesamten Belegschaft abgestimmt wurde, besagt nichts anderes. Denn über das Geschehen außerhalb der Abstimmungen ergibt sich daraus nichts.

Gründe für eine Unzulässigkeit der Verbreitung des Tatsachenkerns trotz seiner feststehenden Wahrheit sind hier nicht gegeben. Der Kläger ist weder in seiner Privat-, noch sonst einer vertraulichen Sphäre betroffen. Auch droht dem Kläger durch eine etwaige weitere Verbreitung kein unverhältnismäßiger Nachteil. Insbesondere sind nach eigenem Bekunden gegen ihn bis heute keinerlei arbeitsrechtliche Schritte wegen seines Verhaltens im Oktober 2004 eingeleitet worden und schon allein deswegen nun auch nicht mehr möglich.

b)
Ist mithin die Verbreitung des zugrundeliegende Tatsachenkerns zulässig, so wäre nicht nur die bloß neutrale Bewertung des Klägers als "Anführer", sondern ist auch die negative, abwertende Beurteilung als "Rädelsführer" von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Daß der Kläger durch diese Bezeichnung nicht in seiner Menschenwürde betroffen, seiner Würde als Mensch entkleidet wird (vgl. BVerfG, NJW 1987, 2661 (2662)), steht außer Frage und wird auch von ihm selbst nicht gerügt.

Es handelt sich aber auch nicht um eine Formalbeleidigung oder Schmähung. Merkmal der Schmähung ist die das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung (BVerfG, NJW 1995, 3303 (3307)). Die Bezeichnung ist in ihrer konkreten Verwendung in dem angegriffenen Artikel aber sachbezogen. Anders als in dem vom OLG Braunschweig entschiedenen Fall, in welchem die Bezeichnung als "Rädelsführer" ohne jede Mitteilung eines dieser Bewertung zugrundeliegenden Verhaltens des Betroffenen erfolgte (vgl. OLG Braunschweig, MMR 2001, 163 (164)), liegt hier noch nicht einmal ein Grenzfall vor. Denn hier steht die Bezeichnung im klaren Zusammenhang zu der recht ausführlichen Schilderung von - unstreitig zutreffend wiedergegebenen - Ansichten und Meinungsäußerungen des Klägers. Dem Leser des Artikels wird also offengelegt, weshalb der Verfasser den Kläger als "Rädelsführer" ansieht. Damit wiederum wird der Leser in die Lage versetzt, sich ein eigenes Urteil über den Kläger und auch über die den Kläger betreffende Berichterstattung zu bilden, nämlich selbst zu entscheiden, ob die Bewertungen des Artikelverfassers zutreffend, mindestens nachvollziehbar, oder aber fragwürdig, überzogen, polemisch, womöglich abwegig sind.

Der Kläger wird durch die Bezeichnung als "Rädelsführer" auch nicht kriminalisiert. Ein gegenteiliges Verständnis wird von dem Begriff jedenfalls angesichts seiner konkreten Verwendung im Kontext des hier in Rede stehenden Artikels nicht getragen. Es ist bereits zweifelhaft, ob juristisch nicht vorgebildeten Lesern überhaupt bekannt ist, daß der Begriff in einigen Straftatbeständen des Strafgesetzbuchs auftaucht. Jedenfalls aber dient der Begriff im Rahmen dieser Tatbestände - wie bereits ausgeführt - nur zur Bestimmung des Grades der Beteiligung am jeweiligen Delikt. Anders als durch Bezeichnungen wie "Dieb", "Betrüger" oder "Mörder" wird deshalb beim Leser schon nicht unmittelbar die Vorstellung einer bestimmten Straftat hervorgerufen. Hinzu kommt, daß eine Anwendung derjenigen Deliktstatbestände, bei denen das Merkmal "Rädelsführer" Verwendung findet, auf die in dem "FOCUS"-Artikel beschriebenen Ereignisse in den Bochumer Opel-Werken offensichtlich unter keinerlei Gesichtspunkt auch nur ansatzweise in Betracht kommt.


II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO. Da es sich nicht um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handelt, war wegen der vorläufigen Vollstreckbarkeit nicht auf § 708 Nr. 11 Alt. 2 ZPO abzustellen.


Landgericht, 8. Zivilkammer


Brünger
Vorsitzender Richter am Landgericht

Richterin am Landgericht Steinbach ist urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert
Brünger

Holtgrewe
Richter

Rechtsgebiete

Presserecht