Illustration eines kritischen Berichts mit Fotos angelockter Möchtgern-Models

Gericht

LG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

10. 02. 2005


Aktenzeichen

2/03 O 444/04


Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand


I. Tatbestand:

Die Klägerin ist Doktorandin der Pharmazie bei der Firma ... in ... .

Die Klägerin ließ sich vor einiger Zeit bei der Firma ..., einer Internetagentur zur Vermittlung von Models, registrieren, um sich als Fotomodel anzubieten. Bestimmungsgemäß wurden von der Klägerin gefertigte Fotos auf der Homepage der Firma ... veröffentlicht.

Die Beklagte hat in der Ausgabe Nr. 17/2004 der Zeitschrift ... einen Artikel mit den Überschriften:

"NEPP / Die Schaumfabrik / Zwei Berliner Briefkastenverlage zocken mit einer Verkaufsmasche bundesweit Tausende von Möchtegem-Stars ab"

einen Artikel veröffentlicht, wegen dessen Inhalts auf Bl. 9/10 d.A. verwiesen wird. Diesem Bericht ist eine Bilderleiste vorangestellt, der u.a. auch eine Abbildung der Klägerin enthält. Die Beklagte hat insoweit unwidersprochen vorgetragen, sie habe das in ihrem Printmedium veröffentlichte Bildnis der Klägerin aus der Internetseite der Firma ... heruntergeladen.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Beklagte habe mit der beanstandeten Verbreitung ihres Fotos gegen ihr Recht am eigenen Bild verstoßen und die Vorschrift des § 22 KUG verletzt. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt ihre Einwilligung zur Veröffentlichung ihres Fotos im Zusammenhang mit einem Artikel erteilt, der den Inhalt habe, einer Modelagentur, bei der die Klägerin registriert sei, unseriöse Machenschaften nachzusagen. Sie habe sich nur zu dem Zweck fotografieren lassen, um eventuelle Interessenten auf sich aufmerksam zu machen, die Models suchten.

Eine Ausnahme nach § 23 KUG, der eine Einwilligung des Abgebildeten entbehrlich mache, liege nicht vor. So sei die Klägerin keine Person der Zeitgeschichte. Sie habe durch die Veröffentlichung ihres Bildes durch die Beklagte erheblichen Schaden erlitten. Zum einen sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, daß kein möglicher Interessent, der den Artikel der Beklagten gelesen habe, einen Modelauftrag an eines der bei der Firma ... registrierten Models erteilen werde. Die Klägerin könne sich als Doktorandin eines großen Pharmazie-Unternehmens den Vorwurf der Unseriösität sowohl beruflich als auch privat nicht leisten. Hinzu komme auch noch der Spott, dem die Klägerin angesichts der angegriffenen Berichterstattung ausgesetzt sei. Einige Menschen in ihrem privaten Leben hätten - so behauptet die Klägerin - von dem Artikel der Beklagten Kenntnis erlangt und gingen nun davon aus, daß die Klägerin auf eine unseriöse Firma reingefallen sei und dafür auch noch bezahlt habe. Auf diesem Hintergrund verlangt die Klägerin immateriellen Schadenersatz sowie Vernichtung aller im Besitz der Beklagten befindlichen Bilder der Klägerin.

Die Klägerin beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin (immateriellen) Schadensersatz in angemessener Höhe, jedoch nicht unter € 5 000,00, zu zahlen;

  2. die Beklagte zu verurteilen, alle in ihrem Besitz befindlichen Bildnisse der Klägerin zu vernichten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Abbildung der Fotos sei jedenfalls nach § 23 Abs. 1 KUG gerechtfertigt gewesen. Denn der bebilderte Artikel habe sich mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis befasst. Dieses bestehe in den Machenschaften einer Modelagentur, die gutgläubigen Bürgern vorspiegele, gegen Entrichtung einer erheblichen Insertionsgebühr mit hoher Wahrscheinlichkeit Modelaufträge zu vermitteln, obwohl in Wahrheit ihr Geschäftsbetrieb nicht so eingerichtet sei, daß Fotografen und Agenturen in nennenswertem Maße auf ihre Dienste zugreifen würden. In diesem Zusammenhang sei die Klägerin als relative Person der Zeitgeschichte anzusehen, da sie eben zu den Menschen gehöre, die dieses Unternehmen beauftragt hätten. Die Dienstleistungen, die diese Firma erbringe, hätten in dem Artikel nur dadurch adäquat dargestellt werden können, daß beispielhaft einige Fotos gezeigt worden seien. Im übrigen seien ohnehin die Voraussetzungen eines Geldentschädigungsanspruchs nicht erfüllt, da es an der erforderlichen schweren Rechtsverletzung fehle. Der Vernichtungsanspruch gehe ins Leere, da das Foto der Klägerin seinerzeit dem Internet entnommen worden sei, so daß es keine Negative, Abzüge u.ä. gebe.

Entscheidungsgründe


II. Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Offen bleiben kann, ob die in der Ausgabe ... erfolgte Bildveröffentlichung von der Einwilligung der Klägerin gedeckt war oder ob die Klägerin nur in die Einstellung ihres Bildnisses auf die Homepage ... eingewilligt hatte.

Denn die Verbreitung der von der Klägerin zu anderen Zwecken gefertigten Fotografie war gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auch ohne deren Einwilligung zulässig. Es handelte sich um ein Bildnis aus dem "Bereich der Zeitgeschichte". Dieser Begriff ist weit zu fassen (vgl. OLG-Frankfurt, NJW 1995, 878, 879 m.w.Nw.). Er umfasst nicht nur Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung, sondern wird vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestimmt. Ihm unterfallen alle Angelegenheiten von öffentlichem Interesse (vgl. die Nachweise von Strobl-Albeg in: Wenzel, a.a.O., Kapitel 8, Rn. 6, S. 465).

Mit ihrer Berichterstattung verfolgt die Beklagte keine eigennützigen Ziele, sie behandelt vielmehr ein Thema, das gerade in der derzeitigen rezessiven Wirtschaftslage besondere Brisanz besitzt: Die Verkaufsmasche zweier Berliner Briefkastenverlage, darunter der ... GmbH, für die die Firma ... bundesweit "Modelscout-Termine" veranstaltet. Das Geschäft mit Träumen, Wünschen und Hoffnungen zahlreicher Menschen, hier insbesondere mit dem Traum, durch Fernseh- oder Werbeproduktionen bekannt zu werden und Geld zu verdienen, ist eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage. Sie wird derzeit in zahlreichen Fernsehsendungen (z.B. "Deutschland sucht den Superstar") aufgenommen. Bei der Firma ... erfolgt die Vermarktung der Fotomodels via Internet gegen ein nicht unerhebliches Entgelt.

Dies begründet ein öffentliches Interesse an der kritischen Berichterstattung über die realen Vermarktungschancen.

Die Klägerin ist als von der Firma ... angeworbenes Model absichtlich in Verbindung zu vorgenanntem öffentlichkeitsrelevantem Themenbereich getreten und damit zu einer "relativen Person der Zeitgeschichte" geworden (vgl. OLG Frankfurt NJW 1995, 879).

Die Abbildung der Klägerin war auch nicht gemäß § 23 Abs. 2 KUG wegen Verletzung eines berechtigten Interesses der Klägerin unzulässig. Die zwischen der Meinungs- und Pressefreiheit der Beklagten und dem tangierten allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin vorzunehmende Güterabwägung fällt zugunsten der erstgenannten aus.

Der streitgegenständliche Beitrag: "NEPP / Die Schaumfabrik" stellt sich als Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit interessierenden Frage dar und wird von den Schutzwirkungen des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst. Der Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit erstreckt sich ebenso wie derjenige der Pressefreiheit auch auf den Abdruck des Portraits der Klägerin. Denn das Bild soll in Verbindung mit den anderen Fotografien der dem Artikel vorangestellten Leiste die Wirkung des Textes verstärken, indem es die angelockten Personen, die der Firma ... einen Auftrag erteilt haben, beispielhaft und plakativ darstellt (vgl. dazu BGH, NJW 1994, 124, 126 li.Sp. - Greenpeace").

Für die Bildveröffentlichung spricht die Vermutung der rechtlichen Zulässigkeit (vgl. BGH NJW 1994, 124, 126 r.Sp. -"Greenpeace"). Diese Vermutung ist vorliegend nicht widerlegt. Die Klägerin hat weder dargelegt noch bewiesen, daß die Verbreitung ihres Portraits eine Prangerwirkung entfaltet habe. Ihr Vorbringen, sie sei angesichts der angegriffenen Berichterstattung im privaten Bereich dem Spott einiger Mitmenschen ausgesetzt gewesen, ist ebenso wenig hinreichend konkretisiert wie ihre Behauptungen zu möglichen beruflichen Einbußen. Der zugegebenermaßen von dem angegriffenen Artikel vermittelte Eindruck, die Klägerin sei auf unseriöse Machenschaften hereingefallen, ist als solcher zwar negativ und für die Klägerin belastend. Er ist jedoch nicht geeignet, dem klägerischen Diskretionsinteresse gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit zum Durchbruch zu verhelfen. Denn der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme ist vorliegend bereits dadurch eingeschränkt, daß die Klägerin selbst in die Öffentlichkeit getreten ist und ihr Bildnis unter der Homepage der Firma ... hat öffentlich zur Schau stellen und werbend anpreisen lassen. In Anbetracht dieses klägerischen Verhaltens erscheint es hinnehmbar, daß die Klägerin sich den Folgen einer kritischen Berichterstattung unter Verwendung des in keiner Weise entstellenden, sondern vielmehr werbewirksam aufgemachten Fotos ausgesetzt sieht.

Betreffend des Klageantrags zu 1.), der auf immateriellen Schadensersatz gerichtet ist, kam es unter Zugrundelegung vorstehender Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der Bildveröffentlichung nicht mehr streitentscheidend darauf an, daß dessen Erfolg zudem am Fehlen einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrechts scheiterte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, S. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Dr. Schartl Bonkas Zöller-Mirbach

Rechtsgebiete

Presserecht