Gsell: Erwähnung der Vorstrafen
Tenor
I. Die einstweilige Verfügung vom 4.11.2004 wird aufgehoben.
II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
III. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstre
ckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages ab.
wenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor Vollstreckung Sicherheit in
derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
In der von ihr herausgegebenen Zeitschrift vom berich
tete die Beklagte über die Beziehung der Verfügungsklägerin mit Ferfried Prinz von
Hohenzollern. Es heißt dort u. a. "Bund fürs Leben? Prinz Ferfried will die vorbe
strafte Tatjana heiraten "... er ist ein Spross des Hochadels. Sie ist vorbe
straft ... die 33 jährige Witwe saß wegen Versicherungsbetrugs in Untersuchungshaft, wurde auf 16 Monate verurteilt Weiter wurde ein Ausriss aus der Bild Zeitung eingespiegelt, in welchem die Klägerin ebenfalls als yorbestrafte Wit we Gsell" bezeichnet worden war.
Die Verfügungsklägerin ist wegen Versicherungsbetruges zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt worden. Nach Anrechnung der Untersuchungshaft wurde die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt.
Der angegriffene Artikel greift im übrigen ein Interview auf, weiches die Klägerin mit Ferfried von Hohenzollern zusammen der Zeitschrift "Bunte" gegeben hatte. Er zitiert Äußerungen des Herrn Ferfried von Hohenzollern aus diesem Interview und berichtet von weiteren Abschnitten aus der Vergangenheit der Klägerin.
Die Klägerin sieht ihr Rehabilitationsinteresse gefährdet und wendet sich deshalb gegen die Bezeichnung als vorbestraft, wenn dies nicht in Zusammenhang mit einer Berichterstattung über das abgeschlossene Verfahren steht. Auf ihren Antrag hin erließ die Kammer am 4.11.2004 eine einstweilige Verfügung mit folgendem Inhalt .
Der Antragsgegnerin wird ... verboten, ... über die Antragstellerin von einer vorbestraften Frau Gsell/vorbestraften Witwe o. ä. zu berichten und/oder berichten zu lassen, soweit eine solche Text und Bildberichterstattung in keinem Zusammenhang mit dem abgeschlossenen Strafverfahren gegen die Antragstellerin steht.
Mit Schriftsatz vom 9.12.2004 hat die Beklagte gegen diese einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt und stglit nunmehr folgenden Antrag:
Der Antrag wird unter Aufhebung des Beschlusses des angerufener. Geriv s vom 4.11.2004 kostenpflichtig abgewiesen.
Sie hält die Berichterstattung aus Rechtsgründen für zulässig. Insoweit wird auf den Schriftsatz vom 9.12.2004, dort Seiten 3 ff (Bl. 13 ff d. A.) verwiesen.
Die Verfügungsklägerin beantragt:
Die einstweilige Verfügung vom 4.11.2004 wird bestätigt.
Entscheidungsgründe
Entscheidungsgründe:
Die einstweilige Verfügung vom 4.11.2004 war aufzuheben, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch analog §§ 823, 1004 BGB zu, da die Beklagte sie nicht durch eine unzulässige Berichterstattung in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt hat.
1 Die Klägerin ist aufgrund ihrer Vorstrafe, die wegen einer Straftat verhängt wurde, weiche im Zusammenhang mit dem Tod ihres Mannes begangen wur
de, eine Person der relative~Zeitgeschichte.
2. Die Klägerin hat sich nach ihrer Verurteilung nicht ins Privatleben zurückgezo
gen, um dieses ungestört von der Öffentlichkeit führen zu können, sondern
drängt im Gegenteil, u. a. dadurch, dass sie sich der "Bunte" für ein bezahltes Interview zur Verfügung stellte,geradezu in die Öffentlichkeit, wie der Kammer aufgrund einer Reihe von Verfügungsverfahren bekannt geworden ist.
3. Dennoch ist die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht insoweit schutzwürdig, als sie nicht hinzunehmen braucht, dass über sie nur noch mit dem "Stempel" der vorbestraften Frau Gseli oder Witwe berichtet wird. Es ist kein Grund zu erkennen, der Presse o rgaine berechtigen könnte, vorbestrafte
Personen in dieser Art zu "etikettieren".
4. Anders verhält es sich jedoch, wenn über die Vorstrafe der Klägerin im Zu sammenhang mit der Straftat selbst, mit dem Ableben ihres Mannes berichtet
wird oder die Erwähnung eingebettet ist in eine/ Auseinandersetzung mit der
Selbstdarstellung und Lebensführung der Klägerin. Um einen solchen Fall
handelt es sich hier. Der angegriffene Artikel hat zum Gegenstand, dass ein
"Spross des Hochadels", "Enkel des letzten sächsischen Königs" eine "Skan
dalfrau" liebt. In diesem Zusammenhang wird über das Vorleben sowohl des
Prinz Ferfried von Hohenzollern als auch der Klägerin berichtet und in Hinblick
auf diese werden einige Episoden aus ihrer Vergangenheit plakativ angeführt.
Die Erwähnung der Vorstrafe dient insoweit eben gerade nicht der bloßen
"Abstempelung", sondern ist Teil der journalistischen Auseinandersetzung mit
dem Thema (über deren Niveau die Kammer nicht zu urteilen hatte).
5. Anderes gilt auch nicht in Hinblick auf die Überschrift bzw. Bild Überschriften.
Hier wird eben der Inhalt des Artikels knapp zusammengefasst angekündigt
und als typischer Blickfänger formuliert. Insoweit sind Überschriften äuße
rungsrechtlich stets privilegiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §,709 ZPO.
Dr. Steiner |
Mai |
Memmer |
Vorsitzender Richter am Landgericht |
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Richterin am LG |
Rechtsgebiete
Presserecht