Rechtswidrige Werbung mit "controlled circulation" unter der Überschrift "Abonnierte und verkaufte Auflagen im Vergleich"

Gericht

LG Hamburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

25. 01. 2005


Aktenzeichen

416 O 249/04


Leitsatz des Gerichts

  1. Vergleichende Werbung ist jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Dienstleistungen erkennbar macht.

  2. Bei einer vergleichenden Werbung ist es unlauter, wenn der Vergleich sich nicht auf Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder die selbe Zweckbestimmung bezieht und er nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche relevante und nachprüfbare typische Eigenschaften oder den Preis dieser Waren und Dienstleistungen bezogen ist.

  3. Der Begriff „controlled circulation“ (kostenlose Abgabe an namentlich bekannte bzw. klar definierte Empfänger) ist in der Medienwirtschaft Deutschlands nicht gebräuchlich und führt deswegen im Gebrauch unterhalb der Überschrift „Abonnierte und verkaufte Auflagen im Vergleich“ zu der irrigen Annahme, auch hierbei handle es sich um einen Abgabeweg, der abonnierten und verkauften Auflagen entspreche.

Tenor

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 2004 - Az. 416 O 249/04 - wird im Umfang des Teilwiderspruchs,

soweit der Antragsgegnerin verboten wurde, im geschäftlichen Verkehr die als "controlled circulation" bezeichnete verbreitete Auflage der Touristik-Zeitschrift "TravelTalk" mit der IVW-geprüften abonnierten und verkauften Auflage von Zeitschriftentiteln aus der Touristikbranche zu vergleichen,

bestätigt und dieser zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.

Wiedemann

Tatbestand


TATBESTAND

Die Parteien sind Verlage, die Touristik-Zeitschriften verlegen. Die Zeitschrift der Antragstellerin erscheint unter dem Titel ..., die Antragsgegnerin gibt die Zeitschrift ... heraus. In ihrer Preisliste - wie aus Anlage Ast 1 ersichtlich - in der unter der Bezeichnung "abonnierte und verkaufte Auflagen im Vergleich" verschiedene Touristikzeitschriften hinsichtlich der abonnierten und verkauften Auflage gegenübergestellt werden, bezieht die Antragsgegnerin nicht nur diese Zeitschriften der Parteien ein, sondern eine weitere Publikation mit dem Titel ..., bei der unterhalb der Zahlenangabe in Klammern die Bemerkung gesetzt ist "controlled Circulation, Stand 6.7.04".

Die Antragstellerin rügt die Einbeziehung dieser Angabe. Sie verweist darauf, dass es sich bei dem Begriff "controlled Circulation" nicht um einen in Deutschland üblichen Begriff aus dem Bereich der Printmedien handle. Er stamme aus dem angelsächsischen Raum und bezeichne dort eine spezifische Vertriebsform von Fachzeitschriften, bei der die Zeitschrift nach einer vorgegebenen Zielgruppendefinition an eine ganz bestimmte Zielgruppe kostenlos abgegeben werde. Die sogenannte "controlled Circulation" habe dementsprechend mit abonnierten Auflagen und/ oder verkauften Auflagen nichts zu tun. Darüber hinaus sei die angegebene Quelle "IVW ll. Quartal 2004" falsch, denn diese weise eine "controlled Circulation" gerade nicht aus.

Der Vergleich sei wettbewerbswidrig, weil die Antragsgegnerin "Äpfel mit faulen Birnen" vergleiche. Verschwiegen werde, dass die Antragsgegnerin die Zahlen von Auflagen, für die die Käufer einen Kaufpreis oder die Abonnenten einen Abonnementspreis zahlen müssten, mit kostenlos verteilten Exemplaren vergleiche.

Die irreführende Werbung sei relevant. Für die Angabe von verkauften Auflagen oder Reichweiten genüge es bereits, wenn die irreführende Angabe nicht den ausschlaggebenden Grund für etwa den Insertionsentschluss eines Anzeigenkundens bilde. Es sei ausreichend, wenn im Rahmen der vielschichtigen Überlegungen bei der Streuung der Anzeigen der Medienplaner durch die irreführende Angabe angelockt werden könne, sich mit der Zeitschrift, die in irreführender Weise mit den höchsten Reichweiten werbe, näher zu befassen, wie das Landgericht Frankfurt am Main am 25. September 1974, WRP 76, 639, 646 ausgeführt habe.

Mit diesem Vortrag erwirkte die Antragstellerin die einstweilige Verfügung des erkennenden Gerichts vom 7. Dezember 2004, mit der der Antragsgegnerin verboten wurde,

im geschäftlichen Verkehr die als "controlled Circulation" bezeichnete verbreitete Auflage der Touristikzeitschrift ... mit der IVW-geprüften abonnierten und verkauften Auflage von Zeitschriftentitel aus der Touristikbranche zu vergleichen.

Gegen diese einstweilige Verfügung legt die Antragsgegnerin Teilwiderspruch ein. Sie erkennt die einstweilige Verfügung in Bezug auf die konkrete Vertetzungsform der Anlage Ast 1 als endgültige Regelung an, wie sich aus ihrer Abschlusserklärung (Anlage AG 1) ergibt. Es sei mit der einstweiligen Verfügung allerdings, über die konkrete Verletzungsform hinaus generell verboten worden, die als "controlled Circulation" verbreitete Auflage der Touristikzeitschrift ... mit der IVW-geprüften abonnierten und verkauften Auflage von Zeitschriftentiteln aus der Touristikbranche zu vergleichen. Der Vergleich sei ihr selbst dann verboten, wenn sie durch aufklärende Zusätze darauf hinweise, dass es sich bei der als "controlled Circulation" bezeichneten Auflage von ... um eine gezielte und kostenlose Verteilung an namentlich bekannte Empfänger handelt. Für ein so weit reichendes Verbot sei keine Anspruchsgrundlage dargetan. Wenn und soweit die Antragsgegnerin durch aufklärende Zusätze darauf hinweise, dass es sich um eine gezielte und kostenlose Verteilung an namentliche bekannte Empfänger handle, scheide eine Irreführung aus.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 7. Dezember 2004 aufzuheben, soweit der Antragsgegnerin über die konkrete Verletzungsform hinaus verboten wurde, im geschäftlichen Verkehr die als "controlled Circulation" bezeichnete verbreitete Auflage der Touristikzeitschrift ... mit der IVW- geprüften abonnierten und verkauften Auflage von Zeitschriftentiteln aus der Touristikbranche zu vergleichen und den Antrag vom 6. Dezember 2004 insoweit zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen und den Teilwiderspruch zurückzuweisen.

Die Antragstellerin verteidigt die einstweilige Verfügung mit dem Vortrag, der zu ihrem Erlass führte und trägt weiter vor, das Begehren der Antragsgegnerin, die gezielt und kostenlos verteilten Exemplare ihrer Zeitschrift mit abonnierten und verkauften Exemplare anderer Zeitschriften vergleichen zu dürfen, habe keine Rechtsgrundlage. Die Antragsgegnerin irre, wenn sie ihren Teilwiderspruch damit begründe, ihr sei verboten worden, die gezielt und kostenlos verteilten Exemplare ihrer Zeitschrift mit der verbreiteten Auflage anderer Zeitschriften zu vergleichen. Es gehe allein um den Vergleich mit verkauften und abonnierten Auflagen, die IVW-geprüft seien, mit gezielt verschenkten Exemplaren. Mit einem Sternchenzusatz, wie er offenbar der Beklagten der Antragsgegnerin vorschwebe, sei nicht zu erreichen, dass der Leser auf den ersten Blick erkenne, dass hier zwei nicht miteinander vergleichbare Angaben verglichen würden.

Damit ein Vergleich sachlich und objektiv bleibe und keine unsachliche Herabsetzung der Mitbewerber zum Inhalt habe, könne sich die Antragstellerin dann, wenn sie für ihre Zeitschrift mit "controlled Circulation" werben wolle, hinsichtlich ihrer Konkurrenten nicht auf die verkauften und abonnierten und IVW-geprüften Auflagen beschränken. Sie müsse dann auch deren "controlled Circulation"-Exemplare mit aufnehmen.

Für den Parteivortrag im Übrigen wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze und die eingereichten Anlagen.

Entscheidungsgründe


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die einstweilige Verfügung ist im Umfang des Teilwiderspruches nach Verhandlung über diesen zu bestätigen. Der Antragstellerin steht gegenüber der Antragsgegnerin ein Unterlassungsanspruch nach den §§ 3, 6 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 8 Abs. 1 UWG zu.

Im Einzelnen:

Vergleichende Werbung ist jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einem Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht. Dies ist im vorliegenden Fall ohne weiteres festzustellen. Es werden mehrere Touristikzeitschriften gegeneinander gestellt. Unlauter ist es hierbei, wenn der Vergleich sich nicht auf Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder die selbe Zweckbestimmung bezieht und er nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche relevante und nachprüfbare typische Eigenschaften oder den Preis dieser Waren und Dienstleistungen bezogen ist.

Gegen diese Regelungen verstößt die Antragsgegnerin durch Einbeziehung der so genannten "controlled Circulation" bei der Zeitschrift ... . Die Überschrift des Vergleiches lautet "abonnierte und verkaufte Auflagen im Vergleich." Was abonnierte und verkaufte Auflagen im Zeitschriftenwesen sind, ist klar definiert. Die Einbeziehung einer Zeitschrift, die unstreitig weder abonniert noch verkauft wird, sondern lediglich an namentlich bekannte Empfänger kostenlos abgegeben wird, ist in dieser Auflistung ein Fremdkörper. Es handelt sich nicht um eine Zeitschrift, die für den gleichen Zweck, nämlich das Angebot zum Abonnement oder das Angebot zum Kauf bestimmt ist. Darüber hinaus ist eine "controlled Circulation" keine typische Eigenschaft einer Ware, die im Inland angeboten wird. Dieser Begriff ist in der Medienwirtschaft Deutschlands nicht gebräuchlich und führt deswegen im Gebrauch unterhalb der Überschrift "abonnierte und verkaufte Auflagen im Vergleich" zu der irrigen Annahme, auch hierbei handle es sich um einen Abgabeweg, der abonnierten und verkauften Auflagen entspreche.

Durch diese Täuschung, die möglichen Inserenten ein völlig falsches Bild von potentiellen Zielgruppen für ihre Werbung vermittelt, weil eine unentgeltliche Verteilung selbstverständlich nicht so viel Aufmerksamkeit erringen wird, wie eine abonnierte und verkaufte Auflage einer Zeitschrift, gibt die Antragsgegnerin der Zeitschrift einen Stellenwert bei, der den Wettbewerb um Anzeigenkunden durchaus zu beeinflussen in der Lage ist, weil die angesprochenen Empfänger vermuten werden, dass die für ... genannte Zahl von 22.210 - in welcher Weise auch immer - eine Größenordnung darstellt, die das Ergebnis von ... um ein vielfaches übertrifft. Eine solche Vorstellung ist unstreitig fehlerhaft.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es angesichts des Fortwirkens der einstweiligen Verfügung nicht.


Wiedemann

Rechtsgebiete

Werberecht