Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis

Gericht

VG Gelsenkirchen


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

29. 09. 1998


Aktenzeichen

12 L 2774/98


Tenor

  1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 31. August 1998 gegen die Entlassungsverfügung vom 04. August 1998 wird wiederhergestellt.

    Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

  2. Der Streitwert wird auf 21.046,15 DM festgesetzt.

  3. Der Beschlußtenor soll den Beteiligten vorab fernmündlich bekanntgegeben werden.

Entscheidungsgründe


Gründe:

Der Antrag,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Entlassungsverfügung vom 04. August 1998 wiederherzustellen,

ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO - zulässig und begründet.

Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt wiederherstellen. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung abzuwägen gegen das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung vorläufig verschont zu bleiben. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, weil an der Vollziehung offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakte kein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, während bei einem offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig überwiegt. Nur wenn diese, im Verfahren nach § 80 VwGO notwendig summarische Überprüfung zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, ist aufgrund sonstiger, nicht an den Erfolgsaussichten des Hauptverfahrens orientierter Gesichtspunkte abzuwägen, welches Interesse schwerer wiegt.

Diese Interessenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus.

Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung.

Der Antragsteller ist angehört worden. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß beteiligt worden. Das Mitwirkungsverfahren hat durch die Entscheidung des Arbeitsdirektors vom 25. Mai 1998 gemäß § 29 Abs. 6, § 1 Abs. 8 Postpersonalrechtsgesetz - PostPersRG - i.V.m. § 78 Abs. 1 Nr. 4 Bundespersonalvertretungsgesetz seine Beendigung gefunden. Die C. für Q. und U. ist gemäß § 1 Abs. 7 PostPersRG beteiligt worden und hat gegen die geplante Entlassung keine Einwände erhoben.

Es bestehen jedoch Bedenken gegen die materielle Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Bundesbeamtengesetz - BBG -kann der Beamte auf Probe entlassen werden, wenn er sich in der Probezeit nicht bewährt hat, wobei sich der Begriff der Bewährung auf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung bezieht. Bestandteil der Bewährung in der Probezeit ist auch die Eignung des Beamten in gesundheitlicher Hinsicht. Für die Beurteilung, ob der Beamte sich bewährt hat, steht der Behörde nach der Rechtsprechung eine Beurteilungsermächtigung ( Beurteilungsspielraum ) zu. Dieser Akt wertender Erkenntnis ist vom Gericht nur beschränkt daraufhin zu überprüfen, ob der Dienstherr den Begriff der mangelnden Bewährung verkannt, der Beurteilung einen unrichtigen Sachverhalt zugrundegelegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder die Grenzen des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums überschritten hat. Die gesundheitliche Eignung fehlt, wenn während der Probezeit Umstände gesundheitlicher Art festgestellt werden, die geeignet sind, den Beamten für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit untauglich erscheinen lassen. Hierfür können auch körperliche oder psychische Veranlagungen ausreichen, bei denen die Möglichkeit häufiger Erkrankungen oder der Eintritt dauernder Dienstunfähigkeit vor dem Erreichen der Altersgrenze nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Ob die Zweifel des Dienstherrn an der gesundheitlichen Eignung des Beamten gerechtfertigt sind, lässt sich nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles beurteilen.

Gemessen an diesen Anforderungen ist die von der Antragsgegnerin getroffene Entscheidung fehlerhaft.

Soweit die Antragsgegnerin ihre Entscheidung darauf gestützt hat, der Antragsteller erfülle die in den Eignungsrichtlinien festgelegten gesundheitlichen Anforderungen nicht, weil er ein Übergewicht von mehr als 30% des Normalgewichts aufweise, so kann dem nicht gefolgt werden. Nach Ziffer 3.1.1. der Richtlinie bestehen dauernde gesundheitliche Bedenken, bei Übergewicht von mehr als 30 % des Normalgewichts mit Funktionseinschränkungen (z.B. verminderte Belastbarkeit des Herz-Kreislaufsystems, Hypertonus, Stoffwechselstörungen). Beim Antragsteller ist demgegenüber zwar das Übergewicht festgestellt worden. Irgendwelche anderen Erkrankungen lagen beim Antragsteller aber nach Aussage des Betriebsarztes Dr. G. der Deutschen Q. AG vom 02. Februar 1998 nicht vor. Somit konnte schon nach den Eignungsrichtlinien nicht allein wegen des Übergewichts des Antragstellers von einer Nichtbewährung in gesundheitlicher Hinsicht ausgegangen werden.

Während der Probezeit hat der Antragsteller zwar gewisse krankheitsbedingte Fehlzeiten aufzuweisen. Aus den vorliegenden Unterlagen lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass diese Erkrankungen ihre Ursache im Übergewicht des Antragstellers hatten, so dass zumindest während der Probezeit nicht von einer Manifestierung eines durch das Übergewicht bedingten Gesundheitsrisikos ausgegangen werden kann.

Soweit die Antragsgegnerin ihre Entscheidung darauf stützt, dass aufgrund des Übergewichts des Antragstellers nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden könne, dass er in Zukunft nicht häufiger erkranken werde bzw. bis zum Erreichen der Altersgrenze Dienst tun könne, so ist dies allein auf statistische Erwägungen gestützt. Da bei der Entscheidung über die Entlassung eines Beamten auf Probe schon aufgrund der Fürsorgepflicht des Dienstherrn die jeweiligen besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind, kann dies keinen Bestand haben. Hat sich das Gesundheitsrisiko infolge des Übergewichts - wie hier - während der Probezeit nicht durch eine dadurch hervorgerufene Erkrankung manifes tiert, so kann nicht pauschal oberhalb einer bestimmten Gewichtsgrenze von einer Nichteignung des Beamten ausgegangen werden. Vielmehr wäre dann aufgrund einer Auseinandersetzung mit der gesundheitlichen Konstitution des einzelnen betroffenen Beamten zu untersuchen, ob gerade bei ihm das Risiko der Erkrankung oder der vorzeitigen Dienstunfähigkeit besteht gegenüber anderen Beamten beachtlich gesteigert ist. Eine solche Risikoabschätzung ist im Falle des Antragstellers ersichtlich nicht erfolgt.

Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Entlassungsverfügung offensichtlich rechtmäßig ist.

Es kann dahinstehen, ob die Entlassungsverfügung als offensichtlich rechtswidrig anzusehen ist; denn bereits die die nicht die Erfolgsaussichten berücksichtigende Interessenabwägung geht zugunsten des Antragstellers aus. Sein Interesse an einer Weiterbeschäftigung ist als hoch anzusehen. Demgegenüber drohen der Antragsgegnerin keine gravierende Nachteile. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass in der Person des Antragstellers Gründe vorliegen, die einer vorläufigen Weiterbeschäftigung entgegenstehen. Insbesondere ist er uneingeschränkt dienstfähig und seine fachlichen Leistungen sind nicht zu beanstanden. Die von der Antragsgegnerin geltend gemachten rein fiskalischen Interessen tragen nicht. Die Antragsgegnerin erhält für die von ihr zu zahlende Besoldung die entsprechende Gegenleistung. Es ist ihr also zuzumuten, den Antragsteller bis zum Abschluss des Hauptverfahrens weiterzubeschäftigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3 und § 13 Abs. 4 des Gerichtskostengesetzes. Danach ist bei der Entlassung eines Beamten auf Probe von der Hälfte des 13-fachen Betrages des Endgrundgehaltes zuzüglich ruhegehaltfähiger Zulagen auszugehen ( hier: (3.209,65 + 28,22) x 13 ). Wegen der geringeren Bedeutung des Eilverfahrens gegenüber dem Klageverfahren ist dieser Betrag zu halbieren.


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen den Beschluss zu 1. steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Beschwerde ist nur zuzulassen, wenn

  1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses bestehen,

  2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

  3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

  4. der Beschluss von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

  5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu stellen. In dem Antrag, der den angegriffenen Beschluss bezeichnen muss, sind die Gründe darzulegen, aus denen die Beschwerde zuzulassen ist.

Im Beschwerdeverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Beschwerde. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen. In Angelegenheiten der Beamten sind als Prozessbevollmächtigte auch Mitglieder und Angestellte von Gewerkschaften zugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind.

Gegen den Beschluss zu 2. findet innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes einhundert Deutsche Mark übersteigt.

Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einzulegen. Über sie entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht