"Schlitzohr" und "Flunkerfürst"

Gericht

LG Hamburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

30. 07. 2004


Aktenzeichen

324 O 819/03


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Antragsteller führte vor dem LG Hamburg einen Prozess um den von dem Mandanten ... des Antragsgegners angemeldeten Domainnamen "www. ... .de" (LG Hamburg v. 22.12.2003 - 315 O 377/03). In der dortigen Klagschrift vertrat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers die Ansicht, dass eine "Second-Level-Domain" nur zwanzig alphabetische Zeichen umfassen könne; der Antragsgegner vertritt, dass tatsächlich 63 Zeichen möglich seien. Der Antragsgegner verwendete danach in Schriftsätzen in jenem Verfahren v. 12.9. und v. 15.10.2003 im Zusammenhang mit dem Antragsteller die Bezeichnungen "Flunkerfürst", "flunker-fuerst.de" und "Schlitzohr". Diese Schreiben veröffentlichte der Antragsgegner auch auf seiner Website "www. ... .de" ...

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Entscheidungsgründen:

Nach dem Ergebnis der Widerspruchsverhandlung ist die einstweilige Verfügung v. 1.12.2003 zu bestätigen. Der Antragsteller kann vom Antragsgegner gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB (analog) in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verlangen, dass dieser es unterlässt, sich außerhalb des zwischen dem Antragsteller und dem Mandanten ... des Antragsgegners geführten Rechtsstreits in der angegriffenen Weise zu äußern.

1. ...

2. Durch das Einstellen der angegriffenen Passagen auf seiner Website hat der Antragsgegner das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers verletzt.

In den angegriffenen Passagen aus dem Schriftsatz des Antragsgegners v. 12.9.2003 wird der Antragsteller in Bezug zu den Bezeichnungen "Flunkerfürst", "flunkerfuerst.de" und "Schlitzohr" gesetzt. So warnt der Antragsgegner den Antragsteller in ersichtlicher vorgegebener Sorge davor, nicht noch als "Flunkerfürst" zu ... Geschichte zu machen. Damit bringt der Antragsgegner in direkt zum Ausdruck, dass es Anlass gebe, den Antragsteller mit dieser Bezeichnung zu belegen. Auch durch den ebenfalls unernsten Hinweis an den Antragsteller, dass die Domain "flunkerfuerst.de" für diesen noch zu haben sei, vermittelt der Antragsgegner, dass dies ein zu dem Antragsteller passender Domainname sei. Die Bezeichnung "Schlitzohr" schreibt der Antragsgegner dem Antragsteller direkt zu, indem er aus den Registrierungsrichtlinien der DENIC schließt, dass diese den Antragsteller als ebensolches "auswiesen". Dass es die persönliche Ehre des Antragstellers in durchaus erheblichem Maße verletzt, wenn ihm nachgesagt wird, dass der Spitzname "Flunkerfürst" zu ihm passe und dass er sich als "Schlitzohr" erwiesen habe, liegt auf der Hand und bedarf keiner näheren Begründung.

Allerdings stellen die angegriffenen Bezeichnungen Meinungsäußerungen dar, da sie eine Bewertung des Verhältnisses des Antragstellers zur Wahrheit und seines Charakters enthalten. Als Werturteile genießen die angegriffenen Äußerungen damit zwar grundsätzlich den Schutz der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1, S. 1 GG. Die Meinungsfreiheit tritt aber im Rahmen der erforderlichen Abwägung regelmäßig hinter den grundrechtlich geschützten Achtungsanspruch des Einzelnen zurück, wenn es sich bei der fraglichen Äußerung um Schmähkritik handelt. Eine Schmähkritik liegt dann vor, wenn in einer herabsetzenden Äußerung nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, wenn also die Kritik auch aus Sicht des Kritikers keine vertretbare Grundlage mehr haben kann, sondern auf eine vorsätzliche Ehrkränkung abzielt (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., Rz. 5.83 ff., Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rz. 20.9; Prinz/Peters, Medienrecht, Rz. 9 1; BGH v. 20.5.19 8 6 - VI ZR 242/8 5, NJW 19 8 7, 1398). Ausschlaggebend ist insofern insb., ob die streitige Äußerung Sachnähe zu einem ihr zu Grunde liegenden Tatbestand hat; fehlt es an jeglichen tatsächlichen Anknüpfungspunkten, auf die die geäußerte Meinung gestützt werden könnte, ist die Grenze von der zulässigen Meinungsäußerung zur unzulässigen Schmähkritik überschritten (OLG Hamburg NJW 2000, 1292 f.).

Das ist hier der Fall: Durch die Bezeichnungen "Flunkerfürst" und "Schlitzohr" wird dem Antragsteller vorgeworfen, regelmäßig bzw. wenigstens in gewichtigem Umfang die Unwahrheit zu sagen. Das geht weit über eine inhaltliche Auseinandersetzung über das Verhalten der Parteien im Rahmen der zwischen ihnen ausgetragenen Streitigkeiten hinaus, vielmehr wird der Antragsteller damit umfassend in seiner Persönlichkeit herabgewürdigt. Vor allem aber hat der Antragsgegner diese Abqualifizierungen in den angegriffenen Passagen aus einem Vorwurf abgeleitet, der derart umfassende Unwerturteile nicht rechtfertigt. Denn dem Antragsteller werden im konkreten Zusammenhang diese Bezeichnungen mit der Begründung zugeschrieben, dass er im Verfahren gegen den Mandanten ... des Antragsgegners unwahr vorgetragen habe, als er - über seine Prozessbevollmächtigten - hatte vortragen lassen, dass eine deutsche Second-Level-Domain nur zwanzig alphabetische Zeichen umfassen könne. Unstreitig ist zwar, dass dies unzutreffend ist, dies rechtfertigt jedoch nicht die Verwendung der Unwerturteile "Flunkerfürst" und "Schlitzohr" in Bezug auf den Antragsteller. Beide Bezeichnungen enthalten nämlich den Vorwurf einer bewusst verzerrten oder unwahren Darstellung der tatsächlichen Lage mit dem Ziel, sich eigene Vorteile - in der Regel auf Kosten anderer - zu verschaffen. Dass dies der Fall gewesen sei, ist aber weder dargetan noch ersichtlich. Vielmehr ist der Antragsgegner dem Vortrag des Antragstellers, dass sich sein Prozessbevollmächtigter insoweit im Rechtsirrtum befunden habe, nicht substantiiert entgegengetreten. Hinzu kommt, dass es näher lag, dass diesem Vortrag aus dem Verfahren des Antragstellers gegen den Mandanten des Antragsgegners ein schlichter Irrtum und keine böse Absicht zu Grunde lag. Denn eine Falschbehauptung, die sich - wie der Antragsgegner selbst im in Rede stehenden Schriftsatz aufgezeigt hat - durch einen einfachen Blick in die Registrierungsrichtlinien der DENIC widerlegen lässt, würde auf derart geringes Geschick bei einem - unterstellten - Täuschungsvorsatz hinweisen, dass das Vorliegen eines solchen als wenig wahrscheinlich erscheint. Nicht gestützt wird die Verwendung der inkriminierten Bezeichnungen nach dem Kontext auf den ebenfalls in der angegriffenen Passage aus dem Schriftsatz v. 12.9.2003 enthaltenen Vorwurf, dass der Antragsteller in jenem Verfahren erklärt habe, im Verkehr sei die Kurzform seines Namens als ... gebräuchlich. Vielmehr wird dieser Vorwurf ausdrücklich als Nebenpunkt abgehandelt; es heißt nämlich in der angegriffenen Passage, dass der Antragsteller "abseits" dieser als "grotesk anmutend" bezeichneten Behauptung aufpassen müsse, nicht noch als "Flunkerfürst" Geschichte zu machen.

Dahinstehen kann daher, ob diese Behauptung aus dem vorangegangenen Verfahren unzutreffend gewesen ist. Nach dem Kontext hat der Antragsgegner also die abwertenden Bezeichnungen des Antragstellers alleine auf einen Vorwurf gestützt, der diese Unwerturteile nicht trägt; diese erweisen sich damit als unzulässige Schmähkritik. ...

Der Antragsgegner kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt habe. Zwar handelt es sich bei den angegriffenen Passagen um Teile von schriftsätzlichem Vortrag des Antragsgegners als Prozessbevollmächtigtem in einem anderen Verfahren; in der Tat werden Äußerungen, die der Rechtswahrnehmung dienen, in aller Regel nicht dazu führen, dass eine Unterlassung geschuldet wird. Hier aber hat der Antragsgegner seine Schriftsätze im Internet veröffentlicht, was nicht zur Wahrung der Rechte seiner Mandantschaft erforderlich war; derartige Veröffentlichungen unterliegen vielmehr den allgemeinen äußerungsrechtlichen Beschränkungen. Dementsprechend war das Verbot indes - wie es der Antragsteller auch beantragt hatte - darauf beschränkt worden, die angegriffenen herabsetzenden Bezeichnungen des Antragstellers nicht außerhalb des Verfahrens LG Hamburg v. 22.12.2003 - 315 O 377/03, zu wiederholen.

Der Antragsgegner kann schließlich auch nicht mit Erfolg einwenden, dass es sich bei der Verwendung der schmähenden Bezeichnungen um einen zulässigen Gegenschlag gehandelt habe. Die vom Antragsgegner angeführten kritischen und herabsetzenden Äußerungen, die der Antragsteller im Internet und ggü. der Presse über den Antragsgegner verbreitet hat, können einen "Gegenschlag" schon deshalb nicht darstellen, weil die vom Antragsgegner vorgelegten Veröffentlichungen des Antragstellers alle aus der Zeit nach der Veröffentlichung der angegriffenen Passagen im Internet stammen. Denn der Antragsteller hat - unstreitig und von ihm an Eides statt versichert - Anfang Oktober 2003 Kenntnis von der Veröffentlichung der angegriffenen Schriftsätze im Internet Kenntnis erlangt, die vom Antragsgegner angeführten Äußerungen des Antragstellers gegenüber oder in Massenmedien datieren indes v. 26.11.2003 sowie aus dem Dezember 2003. ...

Rechtsgebiete

Äußerungsrecht