Irreführung nur deutscher Verbraucher durch Internetauftritt für den (englischsprachigen) Weltmarkt

Gericht

OLG Köln


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

06. 08. 2004


Aktenzeichen

6 U 36/04


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien sind Wettbewerber bei der Herstellung und dem Vertrieb von Futtermittelzusatzstoffen. Zum Aufbau bestimmter Proteine benötigen Tiere Methionin. Bei Methionin handelt es sich um eine essenzielle Aminosäure, d.h. um eine solche, die von den Tieren nicht selbst hergestellt werden kann, sondern von außen zugeführt werden muss. Dies erfolgt durch Zugabe sog. Methioninquellen im Futter, welche sodann im Tierkörper in verwertbares L-Methionin umgewandelt werden. Bei dem von der Kl. produzierten Futteradditiv „DL-Methionin“ handelt es sich um ein zu 99% (jeweils ca. 50% D-Methionin bzw. L-Methionin) reines Pulver. Die Bekl. stellt unter der Bezeichnung „B.“ ein flüssiges Methionin-Hydroxyanalog her mit einer Reinheit von 88%; restliche 12% sind Wasser.

Die Kl. hält die Produktwerbung der Bekl., u.a. den weltweit abrufbaren, in englischer Sprache abgefassten Internetauftritt, in mehrfacher Hinsicht für irreführend i.S.d. § 3 UWG a.F. und des § 5 UWG n.F., nämlich soweit die Bekl. sich einer „Methionin-Aktivität“ („methionine activity“) ihres Produkts von 88%, der weltweiten Marktführerschaft von „B“ als Methioninquelle, sowie der weltweit größten Produktionsanlage für „Methionin“ berühmt. Das LG hat die Klage mangels Irreführungsgefahr der beanstandeten Werbeaussagen abgewiesen. Hiergegen wendet die Kl. sich mit der Berufung.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... Der Unterlassungsanspruch ... ist schließlich auch dann nicht begründet, wenn deutsche Verbraucher den englischen Begriff „activity“ irrig mit „(relativer) Wirksamkeit“ i.S.d. biologischen Effizienz übersetzen sollten. Der Senat verkennt nicht, dass der Verkehr auch durch das unrichtige Verständnis einer objektiv richtigen Angabe in wettbewerbsrechtlich relevanter Weise getäuscht werden kann. Die Feststellung einer Irreführungsgefahr setzt sodann aber regelmäßig eine weitergehende Interessenabwägung voraus, in welche alle Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Auswirkungen eines Verbots einzubeziehen sind (vgl. Köhler/Piper, a.a.O., § 3 Rdnr. 218 m.w.Nw.). Im Streitfall führt diese Abwägung dazu, dass eine möglicherweise bestehende Täuschungsgefahr der angesprochenen deutschen Verkehrskreise über die konkrete Bedeutung des englischen Begriffs „activity“ hinzunehmen ist.

Rechnung zu tragen ist nämlich der Besonderheit, dass der die beanstandeten Werbeaussagen enthaltende Internetauftritt der Bekl. unter dem Top-Level „.com“ weltweit abrufbar und für den (englischsprachigen) Weltmarkt, nicht aber speziell deutsche Verkehrskreise, konzipiert und deshalb vollständig in englischer Sprache verfasst ist. Die Bedeutungsmöglichkeiten eines fremdsprachigen Begriffs sind regelmäßig zunächst aus der jeweiligen Fremdsprache und ihrem sprachlichen Kontext zu erschließen. Bei der Beurteilung eines i.S.v. § 5 UWG relevanten Irreführungspotenzials einer fremdsprachigen Werbeäußerung ist jedenfalls dann allein auf das i.S.e. Übersetzung „richtige“ Verständnis des deutschen Verbrauchers abzustellen, wenn die werblichen Angaben - wie regelmäßig bei weltweit abrufbaren Internetauftritten - für den internationalen Markt und allenfalls auch für den deutschen bestimmt waren. Wegen der erheblichen Auswirkungen eines i.E. weltweit wirkenden, aber auf einer spezifisch deutschen Fehlleistung beruhenden Verbots müssen auf eine falsche Übersetzung zurückgehende Täuschungen des deutschen Verkehrs hingenommen werden. ...

Vorinstanzen

LG Köln

Rechtsgebiete

Werberecht

Normen

UWG n.F. § 5