Entlassung aus Probebeamtenverhältnis wegen fortdauernden Übergewichts

Gericht

VG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

02. 02. 2004


Aktenzeichen

9 G 7433/03


Leitsatz des Gerichts

Ein fortdauerndes Übergewicht des Beamten auf Probe kann seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe rechtfertigen, wenn Hinweise zur Gewichtsreduktion nicht befolgt wurden und das erhöhte Risiko besteht, dass der Beamte auf Grund des Übergewichts vor Erreichen der Regelaltersgrenze dienstunfähig werden kann. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer solchen Entlassung ist nicht zu beanstanden.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Das Begehren des Ast., die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Entlassungsverfügung der Ag. vom 5. 11. 2003 wiederherzustellen, blieb ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Entlassungsverfügung begegnet auch sachlich keinen Bedenken, da die Ag. den Ast. im Hinblick auf § 42 I 1 Nr. 2 HessBG wegen mangelnder Bewährung in der Probezeit entlassen durfte. Ihr Entlassungsrecht war nicht verwirkt, da sie durch Verfügung vom 3. 1. 2002 und Verfügung vom 17. 12. 2002 die Probezeit um insgesamt 2 Jahre bis einschließlich 23. 9. 2003 verlängert hatte und den Ast. rechtzeitig vor Ablauf dieser verlängerten Bewährungsprobezeit davon in Kenntnis gesetzt hat, dass sie an seiner Bewährung während der Probezeit durchgreifende Zweifel hegt und eine Entlassung beabsichtigt. Folglich konnte beim Ast. ungeachtet der ihm erst am 6. 11. 2003 übermittelten Entlassungsverfügung zu keinem Zeitpunkt der Eindruck entstehen, die Ag. gehe im Hinblick auf den Ablauf der Bewährungsprobezeit am 23. 9. 2003 zumindest stillschweigend von einer erfolgreichen Bewährung des Ast. in der Probezeit aus. Zwar ist die Verfügung zur Verlängerung der Probezeit um 1 Jahr und 3 Monate erst unter dem 3. 1. 2002 erlassen worden, was möglicherweise im Hinblick auf die am 23. 9. 2001 abgelaufene Regelprobezeit von 2 Jahren verspätet sein könnte. Diese Verfügung war jedoch mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehen. Der Ast. hat gegen die Verfügung vom 3. 1. 2002 keinen Rechtsbehelf eingelegt, so dass die Verlängerung der Probezeit ungeachtet ihres womöglich verspäteten Termins bestandskräftig geworden ist und damit das Dienstverhältnis des Ast. entsprechend umgestaltet hat. Davon ist für das jetzige Entlassungsverfahren auszugehen. Der von der Ag. angeführte Bewährungsmangel, nämlich das angestiegene Übergewicht des Ast. während seiner Beamtendienstzeit rechtfertigt die Annahme, der Ast. habe sich in persönlicher Hinsicht nicht als ausreichend geeignet erwiesen, insbesondere nicht im Hinblick auf die Perspektive, in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit überführt zu werden. Die Probezeit im Beamtenverhältnis dient maßgeblich dazu, die Entscheidungsgrundlagen für eine spätere Lebenszeiternennung zu prüfen und zu schaffen. Folglich darf der Dienstherr die Probezeit gerade auch dazu benutzen, einem Beamten eine Chance zu geben, sich zu bewähren, ohne deshalb bei - fortbestehenden - Zweifeln am Erfolg der Bewährung gehalten zu sein, dass Beamtenverhältnis durch eine Überführung in das Lebenszeitbeamtenverhältnis aufrecht zu erhalten. Dies folgt unmittelbar aus § 20 I Nr. 2 HessBG. Deshalb darf die Ag. wie hier auch geschehen, aufgetretene Mängel in der Bewährungsprobezeit ungeachtet der Verhältnisse bei der ersten Ernennung zum Beamten auf Widerruf oder der Umwandlung des Beamtenverhältnis in ein solches auf Probe zum Anlass nehmen, zum Abschluss der Bewährungsprobezeit eine endgültige Entscheidung darüber zu treffen, ob im Hinblick auf die zu Tage getretenen Eignungsbedenken eine Bewährung verneint wird und folglich auch die Entlassung verfügt wird. Ein dauernder Verbleib im Beamtenverhältnis auf Probe ist nämlich beamtenrechtlich nicht statthaft, da das Beamtenverhältnis auf Probe lediglich der Vorbereitung eines Lebenszeitbeamtenverhältnisses dient. Darf die Ag. aber im Rahmen ihrer Eignungsüberlegungen zu dem Schluss kommen, eine Lebenszeitverbeamtung scheide im Hinblick auf die damit verbundenen Risiken für den Dienstherrn aus, muss eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe erfolgen, eine andere Konsequenz ist rechtlich nicht möglich.

Hier ist dem Ast. bereits 1994 bei der Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf der Hinweis erteilt worden, eine Gewichtsreduktion sei erforderlich. Weiter heißt es in der seinerzeitigen amtsärztlichen Stellungnahme, unter Beachtung dieses Hinweises sei eine Verbeamtung unbedenklich. Dies bedeutet aber nichts anderes, als dass bereits zum damaligen Zeitpunkt vom Ast. erwartet wurde, dass er den Hinweis auf eine notwendige Gewichtsreduktion ernst nimmt und in die Tat umsetzt, da andernfalls eben gerade Bedenken dahin (fort)bestehen werden, ob die erforderliche gesundheitliche Eignung für einen dauernden Verbleib im Beamtenverhältnis ausgeräumt werden können. In der Folgezeit ist der Ast. zudem während seines Beamtenverhältnisses auf Probe mehrfach darauf hingewiesen, dass eine Gewichtsreduktion erforderlich sei, um das Übergewicht so zu verringern, dass die gesundheitlichen Gefährdungen für die Gesundheit des Ast. im Sinne einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit hinreichend zuverlässig ausgeschlossen werden können. Diese Hinweise hatten keinerlei Erfolg. Stattdessen hat sich das Übergewicht sogar erhöht. Daraus durfte die Ag. im Rahmen ihres Personalermessens einerseits den Schluss ziehen, dass ein Fortdauern des Übergewichts beim Ast. ein erhebliches Risiko dafür mitbringt, dass der Ast. vorzeitig aus gesundheitlichen Gründen dienstunfähig wird, was durch die amtsärztliche Stellungnahmen hinsichtlich der damit verbundenen gesundheitlichen Risiken auch hinreichend fachlich belegt ist. Zum anderen durfte die Ag. aus dem Verhalten des Ast. den Schluss ziehen, dass dieser nicht in ausreichender Weise bereit war, Anordnungen seines Dienstherrn zur Erfüllung seiner Beamtenpflichten im Hinblick auf die Lebenszeitverbeamtung und die kontinuierliche Erhaltung seiner Dienstfähigkeit bis zur gesetzlichen Altersgrenze zu entsprechen. Da der Ast. die ihm erteilten Hinweise missachtet hat, durfte die Ag. daraus auch den Schluss ziehen, der Ast. nehme es mit der Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten jedenfalls nicht in jeder Hinsicht in der erforderlichen Weise genau genug. Dies aber berechtigt zu Zweifeln an der persönlichen Eignung eines Beamten auf Probe mit der Konsequenz, eine mangelnde Bewährung im Sinne der §§ 10 I Nr. 2, 42 I 1 Nr. 2 HessBG anzunehmen.

Die Ag. ist in der Beurteilung der persönlichen Eignung von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen und hat aus ihm vertretbare Schlüsse gezogen. Insbesondere stellt die Ag. keine unzulässigen Anforderungen an die Person des Ast. unter Missachtung des Zwecks der Erprobung nach § 10 I Nr. 2 HessBG. Es lag innerhalb des gesetzlichen Spielraums für die Ausübung des Personalermessens der Ag., entsprechende gesundheitliche und verhaltensmäßige Anforderungen an den Ast. zu richten, zumal sie ihm auch in zeitlicher Hinsicht ausreichend Gelegenheit gegeben hatte, die entsprechenden Risiken für die Lebenszeiternennung abzustellen und damit die Voraussetzungen für die Lebenszeitverbeamtung zu schaffen. Folglich ist ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht auch in dieser Hinsicht nicht ersichtlich. Die Verhältnismäßigkeit ist gewahrt, da eine Alternative zur Entlassung nicht ersichtlich ist. Ein dauernder Fortbestand des Beamtenverhältnisses auf Probe ist nicht möglich, die maximale Bewährungsprobezeit wurde ausgeschöpft (§ 3 VI 1 HessLVO). Der Ast. ist über die Höchstdauer einer Probezeitverlängerung auch unterrichtet worden, so dass ein Irrtum insoweit ebenfalls nicht auftreten konnte.

Die nach § 42 III HessVG gebotene Entlassungsfrist ist gewahrt, da sie im vorliegenden Fall 6 Wochen beträgt. Der Ast. war mehr als 1 Jahr aber weniger als 5 Jahre als Beamter auf Probe bei der Ag. tätig, sodass für ihn die Entlassungsfrist von 6 Wochen gilt. Da er die Entlassungsverfügung am 6. 11. 2003 erhalten hat und die Entlassung mit Ablauf des 31. 12. 2003 ausgesprochen wurde, ist die sechswöchige Entlassungsfrist gewahrt.

Die auf dieser Grundlage anzustellende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Ast. aus. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass sein Rechtsbehelf sehr wenig Erfolgsaussicht hat. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Ast. zu einer Verhaltensänderung während der gesamten Probezeit nicht bereit war, im Übrigen bereits Hinweise aus dem Jahre 1994 zur Verhaltensänderung nicht befolgt hat. Damit verfügt die Ag. über einen langen Erfahrungszeitraum, der vom Ast. zu einer Änderung seines persönlichen Verhaltens nicht positiv genutzt wurde. Es ist nicht erkennbar, welche Umstände eintreten können, die nun doch noch zu einer Verhaltensänderung Anlass geben könnten. Zwar ist der Ast. derzeit dienstfähig, dies genügt jedoch nicht, um sein privates Interesse am vorübergehenden Fortbestand eines ohnehin zu beendenden Dienstverhältnisses zu begründen. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die Ag. auf Grund der mangelhaften Erfüllung der von ihr gegebenen Hinweise zur Gewichtsreduktion auch darauf verweisen kann, dass ihr Vertrauen in den Ast. von diesem mehrfach und fortlaufend enttäuscht worden ist. Ferner ist zu Lasten des Ast. im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass er auf Grund seiner Einkommensverhältnisse wenig Gewähr dafür bieten wird, die eingetretenen Besoldungsüberzahlungen vollständig rückabwickeln zu können. Dies gilt um so mehr, als der Ast. offenbar eine Fortsetzung seiner Teilzeitbeschäftigung anstrebt, will er doch ein bereits aufgenommenes Lehramtsstudium fortsetzen. Dies wiederum lässt den Schluss zu, dass der Ast. letztlich gar nicht an einem dauernden Verbleib in dem hier streitigen Beamtenverhältnis interessiert ist, sondern künftig eine andere Tätigkeit aufnehmen will.

Die von der Ag. zu wahrende Fürsorgepflicht, die sich auch über den Zeitpunkt der Entlassung hinaus für die Dauer des Entlassungsverfahrens günstig für den Ast. auswirken kann, steht der Aufrechterhaltung der Sofortvollzugsanordnung hier nicht entgegen. Der Ast. kann zwar vom Grundsatz her für sich verlangen, seinen künftigen Lebensunterhalt wie auch den Rechtsstreit gegen das Entlassungsverfahren nicht unter Inanspruchnahme von Sozialhilfemitteln zu finanzieren. Voraussetzung einer zumindest auf die Fortzahlung der Dienstbezüge beschränkten Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wäre jedoch der Nachweis gewesen, dass der Ast. sich bereits ernsthaft um eine anderweitige vollzeitige Erwerbstätigkeit bemüht hat. Davon ist jedoch in den bei Gericht eingereichten schriftsätzlichen Stellungnahmen seiner Bevollmächtigten keine Rede, will der Ast. danach doch ein bereits aufgenommenes Lehramtsstudium fortsetzen. Die Fürsorgepflicht der Ag. erfasst diesen vom Ast. verfolgten Ausbildungszweck jedoch nicht. Der Ast. kann die Fürsorgepflicht der Ag. nur dann und insoweit in Anspruch nehmen, wie er alles Zumutbare getan hat, um durch eigene Erwerbstätigkeit den Eintritt der Bedürftigkeit zu vermeiden. Die Zahlung von Übergangsgeld soll ihm gerade die Möglichkeit eröffnen, sich auf dem Arbeitsmarkt umzusehen und eine entsprechende Beschäftigung zu finden. So ist auch die Ausführung in der Sofortvollzugsanordnung zu verstehen, wonach der Ast. möglichst rasch die Möglichkeit erhalten soll, sich beruflich neu zu orientieren, da ein Festhalten an dem ohnehin letztlich nicht fortbestehenden Beamtenverhältnis die künftige Arbeitsplatzsuche des Ast. nur weiter erschweren würde.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht; Verwaltungsrecht

Normen

HessBG §§ 10 I Nr. 2, 42 I 1 Nr. 2; VwGO § 80 II