Kein Erschleichen der Beförderungsleistung bei Vergessen der Monatskarte

Gericht

OLG Koblenz


Art der Entscheidung

Revisionsbeschluss


Datum

11. 10. 1999


Aktenzeichen

2 Ss 250/99


Leitsatz des Gerichts

Wer eine Monatskarte zur Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels erworben hat, diese auf einer Fahrt innerhalb ihres zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs anlässlich einer Kontrolle jedoch nicht vorzeigen kann, erfüllt nicht den Tatbestand des § 265a StGB.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Angekl. benutzte am 19. 10. 1998 gegen 9.30 Uhr die Stadtbuslinie 34 der Verkehrsbetriebe M, um von seiner Arbeitsstelle nach Hause zu fahren. Während einer dabei durchgeführten Fahrscheinkontrolle war er nicht im Besitz eines gültigen Fahrausweises. Der vom AG hingenommenen Einlassung des Angekl. zufolge stellte dieser bei der Kontrolle fest, dass er seine Geldbörse, in der sich die von ihm am 1. 10. 1998 für 90 DM erworbene und ab dem 2. 10. 1998 gültige übertragbare Monatskarte befand, vergessen hatte. Er zeigte die Karte zwar nach der Kontrolle bei dem Verkehrsbüro der Stadtwerke vor und war auch bereit, einen Betrag von 7 DM zu bezahlen. Dort bestand man indes auf einem erhöhten Beförderungsentgelt von 70 DM, woraufhin der Angekl. nichts zahlte. Die besagte Monatskarte wurde später von dem Verteidiger zu den Akten gereicht.

Das AG hat den Angekl. wegen Erschleichens von Leistungen nach § 265a StGB zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Revision des Angekl. hatte Erfolg und führte zum Freispruch.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Nach der vom AG nicht in Zweifel gezogenen und damit der Entscheidung zugrunde gelegten Einlassung des Angekl. war bereits der objektive Tatbestand des Erschleichens von Leistungen nicht erfüllt. Bei dem Vergehen nach § 265a StGB handelt es sich nach der herrschenden Auffassung um ein Vermögensdelikt (vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 25. Aufl., § 265a Rdnr. 1 m.w. Nachw.). Die Strafbarkeit setzt demzufolge einen Vermögensschaden voraus, der darin liegt, dass der Täter die Leistung eines Transportunternehmens in Anspruch nimmt, ohne diese bezahlt zu haben. Wenn es ein Verkehrsbetrieb aber - wie hier - einem Kunden ermöglicht, nach Bezahlen einer Monatskarte innerhalb ihres zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs beliebige Fahrten zu unternehmen, erleidet er nicht dadurch einen Vermögensschaden, dass der Fahrgast, der die Karte zuvor tatsächlich bezahlt hat, sie bei einer Kontrolle lediglich nicht bei sich führt und es - gegebenenfalls vertragswidrig - unterlässt, erneut eine Fahrkarte zu kaufen (vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, § 265a Rdnr. 2; Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl., § 265a Rdnr. 3). Der hierin möglicherweise liegende Verstoß gegen die Beförderungsbedingungen mit der Folge einer nach diesen nicht ordnungsgemäß durchgeführten Fahrt ist von den Voraussetzungen der Strafbarkeit nach § 265a StGB zu trennen. Sinn der Pflicht zum Beisichführen des Fahrausweises ist die Beweiserleichterung, die darin liegt, dass nicht der Verkehrsbetrieb die Nichtzahlung, sondern der Fahrgast durch Mitführen des Fahrscheins die Zahlung des Entgelts nachzuweisen hat. Hingegen kann die bloße Nichteinhaltung einer derartigen Regelung eine Vermögensstraftat nicht begründen (vgl. BayObLG, NJW 1986, 1504). Anders als die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 27. 9. 1999 sieht der Senat keinen überzeugenden Grund, bei der Beurteilung der objektiven Rechtslage zwischen der Übertragbarkeit und der Nichtübertragbarkeit eines bezahlten und lediglich nicht mitgeführten Fahrscheins zu differenzieren. Mithin kam es auf die von der Generalstaatsanwaltschaft vermissten „Feststellungen zu der Frage, welche Regelungen die allgemeinen Beförderungsbedingungen bezüglich der übertragbaren Monatskarte treffen, insbesondere das Beisichführen einer Monatskarte Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Beförderungsleistung ist“, nicht an.

Eine Verurteilung des Angekl. durfte aber auch aus subjektiven Gründen nicht erfolgen. Den Urteilsfeststellungen zufolge bemerkte der Angekl. nämlich erst bei der Kontrolle, dass er die Monatskarte vergessen hatte. Mithin handelte er bei Inanspruchnahme der Transportleistung - ungeachtet der objektiven Rechtslage - jedenfalls nicht in der in § 265a StGB geforderten Absicht, das Entgelt nicht zu entrichten.

Rechtsgebiete

Strafrecht

Normen

StGB § 265a