"Beziehungswrack" keine Schmähkritik, Besonderheit der Boulevardberichterstattung

Gericht

LG Berlin


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

18. 11. 2004


Aktenzeichen

27 O 682/04


Tenor

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Kostenbetrages zzgl. 10 % vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand


Tatbestand:

Der als Schauspieler bekannte Kläger verlangt von der Beklagten eine Entschädigung in Geld wegen einer ihn beeinträchtigenden Presseberichterstattung.

Die Beklagte ist Verlegerin der Zeitschrift ..., in deren Ausgabe Nr. 37/03 vom 3. September 2003 auf Seite 10 der nachfolgend in verkleinerter Kopie wiedergegebene Artikel erschien, der sich mit dem Kläger befasst: ...

Nach Aufforderung durch den Kläger gab die Beklagte mit Schreiben vom 4. September 2003 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung dahingehend ab, es zu unterlassen,

wie in ... Ausgabe-Nr. 37 vom 3. September 2003, S. 10, erneut zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten bzw. veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen:

"Per SMS machte der Mime Schluss." In zwei Stunden heirate ich. Bitte verzeih mir..." ... : "Ich saß gerade im Restaurant. Als ich seine Nachricht bekam, bin ich unter Tränen zusammengebrochen. Ich hatte nichts geahnt."

"Beziehungswrack"

Die Zahlung einer Geldentschädigung lehnte sie mit Schreiben vom 24. Juni 2004 ab.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stünde wegen der massiv in sein Persönlichkeitsrecht einschneidenden, ihn in seiner Ehre und in seinem moralischen Anspruch herabsetzenden Berichterstattung über sein Privat- bzw. Liebesleben eine Geldentschädigung von mindestens 20.000 € zu. Durch die unwahre Behauptung, er habe sich per SMS von seiner ehemaligen Freundin getrennt und ihr gleichzeitig eröffnet, eine andere Frau zu ehelichen, werde er als charakterloser Mann dargestellt. Mit der überdimensional großen und blickfangmäßig im Titel des Artikels gestellten Frage nach seiner Treue werde darüber hinaus der Eindruck erweckt, es sei aufgrund seines - teilweise erfundenen - Vorlebens von vornherein ausgeschlossen, dass er seiner Ehefrau treu bleibe. Er werde als beziehungsunfähiger und seine Gefährtinnen betrügender Mann verächtlich gemacht. Auch die Bezeichnung als "Beziehungswrack" würdige ihn massiv herab.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung in Geld in vom Gericht festzusetzender Höhe, mindestens 20.000 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (7.9.04) zuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, das Persönlichkeitsrecht des Klägers sei durch die zutreffende Berichterstattung nicht schwer verletzt. Wer sich wie der Kläger in der Öffentlichkeit mit seinem durch Beziehungsvielfalt gestalteten Leben auslebt - so zu entnehmen den als Anlagen B 1 - 10 zur Akte gereichten Presseartikeln -, müsse damit rechnen, dass darüber umfassend berichtet werde. Jemand, der wie der Kläger mit seiner nichts ahnenden Partnerin per SMS "breche", könne durch die streitgegenständliche Berichterstattung nicht unzulässig herabgesetzt werden. Der Höhe nach hält sie die Geldentschädigungsforderung für "jenseits von Gut und Böse".

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Geld aus §§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG. Die Beklagte hat mit der beanstandeten Berichterstattung nicht in einer Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen, die eine Geldentschädigung unabweisbar macht.

Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen kommt eine Geldentschädigung zum Ausgleich für erlittene Persönlichkeitsrechtsverletzungen dann in Betracht, wenn es sich um eine schwerwiegende Verletzung handelt und wenn sich die erlittene Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgleichen lässt. Die Gewährung, des Anspruchs auf eine Geldentschädigung findet ihre Rechtfertigung in dem Gedanken, dass der Verletzte andernfalls wegen der erlittenen Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts ohne Rechtsschutz und damit der vom Grundgesetz vorgesehene Schutz der Persönlichkeit lückenhaft bliebe (BGH NJW 1995, 861, 864; BVerfG NJW 1973, 1221, 1224; Kammergericht AfP 1974, 720, 721). Aufgrund der Schwere der Beeinträchtigung und des Fehlens anderweitiger Ausgleichsmöglichkeiten muss dabei ein unabwendbares Bedürfnis für einen finanziellen Ausgleich bestehen (BGH LM BGB § 847 Nr. 51). Ob eine schuldhafte Verletzung des Persönlichkeitsrechts schwer ist, bestimmt sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Art und Schwere der zugefügten Beeinträchtigung, dem Grad des Verschuldens sowie Anlass und Beweggrund des Handelns des Verletzers (BGH NJW 1996, 1131, 1134). Dabei kann schon ein einziger jener Umstände zur Sc hwere des Eingriffs führen (Kammergericht a. a. O.).

Zwar durfte die Beklagte nicht wie in der Zeitschrift "..." vom 3. September 2003 geschehen über die Beendung einer vorangegangenen Beziehung des Klägers per SMS berichten, da sie selbiges - abgesehen davon, dass hierdurch in unzulässiger Weise seine Privatsphäre einer breiten Öffentlichkeit offenbart wird - nicht nachvollziehbar darzulegen vermocht hat. Allerdings stellt die streitgegenständliche Berichterstattung über die vergangenen Liebesbeziehungen des Klägers, seine derzeitige sowie seine Erklärungsversuche zum Sinn der Ehe keine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung dar.

Mag der Kläger im Rahmen der von der Beklagten thematisierten Rückschau in Sachen Beziehung auch nicht gerade sonderlich gut dastehen geht von dem Beitrag als solchem, auch wenn dieser nach der chronologischen Aufzählung der "erloschenen Feuer der Liebe" bezüglich der Person des Klägers die Frage "Schürzenjäger, Träumer oder Beziehungswrack?" aufwirft, keine soziale Prangerwirkung für den Kläger aus. Haben Inhalt und Formulierungen des Artikels auch wenig gemein mit den nunmehr in der Klageerwiderung immer wieder verwandten Goethe-Zitaten, lässt sich weder der Charakterisierung des Klägers als "bei fünf Kindern mit vier Frauen den Überblick verlierender Herzensbrecher" noch der Aufzählung der Partnerinnen Nr. 1-9 des 40-Jährigen noch der aufgeworfene Frage nach der Treue in Zeiten, in denen die wenigsten Beziehungen ein Leben lang halten, diskriminierender Charakter zusprechen. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger selbst, der sich beispielsweise in der ... vom 19. August 2004 (B 10) zu den "typischen ..."-Rollen mit den Worten zitieren lässt: "Das sind halt immer die interessantesten Figuren - diese einsamen Wölfe. Ich wollte auf keinen Fall so einen aalglatten Übermenschen-Oberarzt spielen à la Professor Brinkmann." an seiner abwechslungsreichen Lebensgeschichte keinen Anstoß nimmt und sich selbiger keineswegs schämt.

Der Kläger hat sich durch sein eigenes Verhalten des Schutzes eines Teils seiner Privatsphäre begeben. Der Schutz der Privatsphäre, der ebenso wie das Recht am eigenen Bild im allgemeinen Persönlichkeitsrecht wurzelt, umfasst zum einen Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als "privat" eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als peinlich empfunden wird oder als unschicklich gilt oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa bei Auseinandersetzungen mit sich selbst, bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten, im Bereich der Sexualität, bei sozial abweichendem Verhalten oder bei Krankheiten der Fall ist. Zum anderen erstreckt sich der Schutz auf einen räumlichen Bereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen kann. Ein Schutzbedürfnis besteht dabei auch Personen, die aufgrund ihres Rangs oder Ansehen, ihres Amtes oder Einflusses, ihrer Fähigkeiten, oder Taten besondere öffentliche Beachtung finden. Wer, ob gewollt oder ungewollt, zur Person des öffentlichen Lebens geworden ist, verliert damit nicht sein Anrecht auf eine Privatsphäre, die den Blicken der Öffentlichkeit entzogen bleibt (vgl. BVerfG NJW 2000, 1021, 1022). Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme entfällt aber, wenn sich jemand selbst damit einverstanden zeigt, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden, etwa indem er Exklusivverträge über die Berichterstattung aus seiner Privatsphäre abschließt. Der verfassungsrechtliche Privatsphärenschutz aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ist nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet. Zwar ist niemand an einer solchen Öffnung privater Bereiche gehindert. Er kann sich dann aber nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandeten Privatsphärenschutz berufen. Die Erwartung, dass die Umwelt die Angelegenheiten oder Verhaltensweisen in einem Bereich mit Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht zur Kenntnis nimmt, muss daher situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht werden (BVerfG a.a.O.).

Wie sich aus den als Anlagen B 1 bis B 10 zur Akte gereichten Presseartikeln entnehmen lässt, hat der Kläger aus seiner Privatsphäre, seinem Gefühlsleben und seinen Liebesbeziehungen keinen Hehl gemacht, sondern sein Privatleben der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und damit durch sein eigenes Verhalten manifestiert, dass er ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit für gegeben hielt oder wecken wollte, weil es ihm beispielsweise freigestanden hätte, entsprechend seinem Zitat in der "Abendzeitung" vom 24. Juli 2003 (B 6) "eine riesige Käseglocke" über sich und seine Partnerin "zu stülpen" anstatt die Öffentlichkeit über seine "sehr, sehr tiefen" Gefühle in der privaten Beziehung zu informieren.

Über die effekthaschende Art und Weise der Berichterstattung der Beklagten mag sich trefflich streiten lassen. Der Kläger muss sich jedoch entgegenhalten lassen, dass er an der klischeehaften, ins private Detail gehenden Darstellung seiner Person bisher offensichtlich nichts auszusetzen hatte, solange es nicht - wie im Verfahren 27 O 748/03 - um ins Einzelne gehende Berichte über eine Beziehung bzw. deren Scheitern geht.

Sonstige beeinträchtigende Folgen der Berichterstattung hat der Kläger nicht genannt. Dass seine letztlich gefundene "richtige Partnerin" wegen der streitgegenständlichen Berichterstattung ins Zweifeln gekommen sein könnte, steht nicht ernsthaft zu befürchten.

Die Bezeichnung des Klägers als "Beziehungswrack" birgt keine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung in sich. Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich bei der gewählten Formulierung um keine unzulässige Schmähkritik. Eine Meinungsäußerung wird nicht schon wegen ihrer herabsetzenden Wirkung für Dritte zur Schmähkritik. Auch eine überzogene und selbst ausfällige Kritik macht für sich genommen eine Äußerung noch nicht zur Schmähung. Eine herabsetzende Äußerung nimmt vielmehr erst dann den Charakter der Schmähung an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der Herabsetzung der Person bestehen (vgl. BVerfG AfP 1993, 476, 477).

Die öffentliche Bezeichnung des Klägers als "Beziehungswrack" als zusammenfassende Wertung seiner Lebensweise muss der Kläger dulden, Diese Bezeichnung hat insbesondere nicht die negative Bedeutung, die der Kläger ihr zumisst. Die Äußerung muss in dem Kontext gesehen werden, in dem sie gefallen ist, nämlich im Anschluss an die Aufzählung seiner neun Lebensgefährtinnen. Da sich die Äußerung allein auf das Scheitern von acht Partnerschaften bezieht, hat sie auch keinen weiteren Bedeutungsinhalt, spricht insbesondere dem Kläger nicht jede moralische Werteeinstellung ab, sondern qualifiziert nur seine angeblichen Schwierigkeiten bei der Suche nach einer dauerhaften Beziehung. Eine Diffamierung der Person des Klägers steht dabei nicht im Vordergrund.

Auch die Andichtung einer unwürdigen Beendung einer vorangegangenen Liaison per SMS führt nicht zu einer derart schwerwiegenden, nicht anders ausgleichbaren Diskriminierung des Klägers. Um eine Richtigstellung dieser Falschmeldung hat sich der Kläger offensichtlich gar nicht bemüht.

Indem die Beklagte dem Unterlassungsbegehren des Klägers umgehend nachgekommen ist, hat sie zu erkennen gegeben, dass sie sich über die Grenzen einer zulässigen Berichterstattung grundsätzlich im Klaren ist und es unter dem Gesichtspunkt der Prävention nicht der Zuerkennung einer Entschädigung in Geld bedarf. Speziell in Fällen der Boulevardberichterstattung ist dabei zu berücksichtigen, dass der Star ebenso von überpointierten Personality-Geschichten lebt, wie die Presse von ihm. Der Kläger muss als "in der Unterhaltungsöffentlichkeit" bekannte prominente Person, die leichten Zugang zu den Unterhaltungsmedien hat und auch nutzt, eine mit einer Berichterstattung einhergehende "leichte Beeinträchtigung seines Images" im Hinblick auf die zugleich erzielten Aufmerksamkeitsg ewinne als "Vorteilsausgleich hinnehmen (so Prof. Dr. Ladeur in NJW 2004, 393 ff zur "Anpassung des privaten Medienrechts an die Unterhaltungsöffentlichkeit").

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.


Mauck Gollan Becker

Rechtsgebiete

Presserecht