Pkw-Reparaturabrechnung auf Gutachtenbasis

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

20. 06. 1989


Aktenzeichen

VI ZR 334/88


Leitsatz des Gerichts

Zur Abrechnung der Reparaturkosten für seinen Unfallwagen durch den Geschädigten auf Gutachtenbasis trotz durchgeführter Reparatur.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die bekl. Haftpflichtversicherung schuldet unstreitig dem Kl. vollen Ersatz der Kosten für die Reparatur seines unfallbeschädigten Pkw. Die Parteien streiten, ob der Kl. auf Gutachtenbasis abrechnen darf, obgleich die Werkstattkosten niedriger lagen. Der Kl. behauptet, Schäden selbst ausgebessert zu haben. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Der BGH hat auf die Revision des Kl. das Urteil des OLG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Das BerGer., dessen Urteil in ZfS 1989, 123 veröffentlicht ist, ist der Auffassung, daß der Kl. seinen Fahrzeugschaden nicht hinreichend dargetan habe. Nachdem die Bekl. behauptet habe, das Kraftfahrzeug sei in einer Reparaturwerkstatt mit einem erheblich unter den vom Sachverständigen geschätzten Kosten liegenden Aufwand repariert worden, könne er nicht mehr ohne weiteres auf Gutachtenbasis abrechnen. Im einzelnen hat es ausgeführt:

Zwar habe der Geschädigte im Regelfall die Wahl, den von ihm nach § 249 S. 2 BGB als Schadensersatz geforderten Geldbetrag abstrakt aufgrund der Kostenschätzung des Sachverständigen zu berechnen oder aber sein Fahrzeug tatsächlich reparieren zu lassen. Im letztgenannten Fall stehe der erforderliche Geldbetrag dann jedoch aufgrund der Reparaturkostenrechnung fest, so daß für eine Abrechnung auf Gutachtenbasis kein Raum mehr sei. Entsprechendes gelte für die nur teilweise durchgeführte Reparatur eines Kraftfahrzeugs. Hier sei, soweit Reparaturarbeiten in einer Werkstatt durchgeführt worden seien, nach den angefallenen Reparaturkosten, im übrigen weiterhin auf der Basis der Kostenschätzung des Sachverständigen abzurechnen. Im Streitfall sei unstreitig eine Reparatur durchgeführt worden. Dann aber treffe den Kl., wenn er sich gleichwohl die Möglichkeit erhalten wolle, auf Gutachtenbasis abzurechnen, die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß, soweit das Fahrzeug repariert worden sei, die Reparatur von ihm selbst und nicht in einer Fachwerkstatt zu den dort üblichen Preisen durchgeführt worden sei. Hierfür reiche sein Vortrag, das Fahrzeug teilweise in eigener Regie repariert zu haben, nicht aus.

II. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Ist ein Kraftfahrzeug bei einem Unfall beschädigt worden, so kann der Geschädigte von dem ersatzpflichtigen Schädiger statt der Herstellung durch diesen (§ 249 S. 1 BGB) den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag für eine von ihm selbst veranlaßte Reparatur verlangen (§ 249 S. 2 BGB). Dieser Geldbetrag bemißt sich danach, was vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Eigentümers in der Lage des Geschädigten für die Instandsetzung des Fahrzeugs zweckmäßig und angemessen erscheint (so der Senat in st. Rspr., vgl. etwa BGHZ 54, 82 (84 ff.) = NJW 1970, 1454 = LM § 249 (Gb) BGB Nr. 8; BGHZ 61, 346 (349 f.) = NJW 1974, 34 = LM § 249 (Gb) BGB Nr. 11; BGHZ 63, 182 (184 ff.) = NJW 1975, 160 = LM § 249 (Ha) BGB Nr. 35; NJW 1972, 1800 = LM § 249 (Gb) BGB Nr. 10; Senat, VersR 1972, 1024 (1025)). Diese Ersetzungsbefugnis des § 249 S. 2 BGB soll dem Geschädigten die Auseinandersetzung mit dem Schädiger darüber ersparen, ob die Herstellung durch den Schädiger nach § 249 S. 1 BGB gelungen ist und vom Geschädigten als Ersatzleistung angenommen werden muß. Damit sie dieses Ziel voll erreichen kann, ist der Ersatz in Grenzen losgelöst von im Einzelfall von dem Geschädigten für die Schadensbeseitigung tatsächlich aufgewendeten Beträgen. Für das, was zur Schadensbeseitigung nach § 249 S. 2 BGB erforderlich ist, ist ein objektivierender, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten typisierender Maßstab anzulegen. Dafür kann das Schätzungsgutachten eines anerkannten Kfz-Sachverständigen über die Höhe der voraussichtlichen Reparaturkosten für das Gericht eine sachgerechte Grundlage sein, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen läßt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden.

Selbstverständlich gilt auch für die Ersetzungsbefugnis des § 249 S. 2 BGB der schadensrechtliche Grundsatz, daß der Geschädigte zwar volle Herstellung verlangen kann, daß er aber an dem Schadensfall nicht „verdienen“ soll. Deshalb ist, wenn die Bemessung der zu ersetzenden Reparaturkosten allein auf die Basis eines Schätzungsgutachtens gestellt wird, der Umstand mit zu berücksichtigen, daß der von dem Gutachter prognostizierte Aufwand nach Arbeitszeit, Material und Leistungsumfang in Wirklichkeit höher oder geringer sein kann, etwa weil sich erst während der Reparatur zunächst verborgene Schäden offenbaren, ein Mängelverdacht sich als unbegründet herausstellt oder Einzelschäden sich im Zusammenhang weniger aufwendig beseitigen lassen. In manchen Fällen mögen sich allerdings solche Prognosefehler gegeneinander aufheben, so daß das Schätzungsgutachten in der Summe auch unter diesem Gesichtspunkt zu einem angemessenen Ergebnis kommen kann. Insbesondere bei umfangreicheren Reparaturen wird sich der Tatrichter in Ausübung des ihm insoweit durch § 287 ZPO eingeräumten Ermessens jedoch der begrenzten Aussagekraft eines solchen Gutachtens bewußt sein müssen. Unter Umständen kann es vertretbar sein, dem durch pauschale Abschläge in den kritisch erscheinenden Posten Rechnung zu tragen.

Keineswegs legt das Schätzungsgutachten den zu beanspruchenden Schadensersatz für die Reparatur des beschädigten Kraftfahrzeugs bindend fest. Insbesondere ist es dem Schädiger unbenommen, durch substantiierte Einwände die Annahmen des Sachverständigen in Einzelpunkten in Zweifel zu ziehen. Vor allem für umfangreichere Schäden wird häufig erst die Reparaturrechnung der Werkstatt zureichende Auskunft über den nach § 249 S. 2 BGB erforderlichen Reparaturkostenaufwand geben. Die so belegten tatsächlichen Aufwendungen sind im allgemeinen ein aussagekräftigeres Indiz für die Erforderlichkeit. Zwar kann der Tatrichter den geschuldeten Ersatzbetrag im Schätzweg nach § 287 ZPO auch in derartigen Fällen ohne Reparaturrechnung feststellen, insbesondere wenn die bekl. Haftpflichtversicherung keine substantiierten Einwände gegen das Schätzgutachten des Sachverständigen vorbringt. Indes erlaubt die Reparaturrechnung eine genauere Bemessung des nach § 249 S. 2 BGB geschuldeten Ersatzbetrags.

Andererseits muß sich das Gericht bewußt sein, daß auch die so belegten tatsächlichen Aufwendungen nicht stets mit dem nach § 249 S. 2 BGB zu ersetzenden erforderlichen Aufwand gleichzusetzen sind. So können die tatsächlichen Herstellungskosten aus Gründen überhöht sein, die sich der Schädiger nicht zurechnen lassen muß. Sie können aber auch das Ergebnis überobligationsmäßiger Verzichte des Geschädigten sein, die den Schädiger nicht entlasten. So kann der Geschädigte, der den Unfallwagen selbst repariert, dem Schädiger die Kosten einer Fremdreparatur einschließlich Unternehmergewinn und Mehrwertsteuer in Rechnung stellen (BGHZ 61, 56 = NJW 1973, 1647 = LM 3 249 (Fb) BGB Nr. 6). Ganz allgemein steht es dem Geschädigten sogar frei, den für die Reparatur erforderlichen Geldbetrag nach § 249 S. 2 BGB überhaupt nicht für die Reparatur seines Fahrzeugs zu verwenden. Der Zahlungsanspruch besteht auch, wenn der Geschädigte von vornherein nicht die Absicht hat, die Herstellung des Fahrzeugs zu veranlassen, vielmehr sich anderweit behelfen und den Schadensbetrag einem anderen Zweck zuführen will (BGHZ 54, 82 (85) = NJW 1970, 1454 = LM § 249 (Gb) BGB Nr. 2 = VersR 1970, 832 (833); BGHZ 61, 56 (58) = NJW 1973, 1647 = LM § 249 (Fb) BGB Nr. 6; BGHZ 61, 346 (347) = NJW 1974, 34 = LM § 249 (Gb) BGB Nr. 11 = VersR 1974, 90 (91); BGHZ 63, 182 (184) = NJW 1975, 160 = LM § 249 (Ha) BGB Nr. 35; BGHZ 66, 239 (241) = NJW 1976, 1396 = LM § 249 (Gb) Nr. 16).

2. Aus dem Gesagten ergibt sich für den Streitfall: Entgegen der Auffassung des BerGer. ist von dem Kl. weder nachzuweisen, daß er seinen Unfallwagen hat reparieren lassen, noch der Nachweis zu führen, auf welche Weise und in welchem Umfang die Reparatur durchgeführt worden ist. Vielmehr kann er sich mit der Vorlage des Schätzgutachtens eines Kfz-Sachverständigen begnügen. Dieses ist, solange nicht Anhaltspunkte für gravierende Mängel bestehen, ungeachtet des Bestreitens der Bekl. für den Tatrichter eine ausreichende Grundlage, den Schaden nach § 287 ZPO zu schätzen. Diese Vorschrift stellt zwar die Schadensermittlung weithin in das Ermessen des Tatrichters; er muß es aber pflichtgemäß und unter Beachtung der materiellrechtlichen Vorgaben des § 249 S. 2 BGB ausüben. Wenn die bekl. Haftpflichtversicherung die Angemessenheit des vom Sachverständigen ermittelten Betrages substantiiert bestreitet und er diese Einwände nicht überzeugend ausräumen kann, läuft der Kl. allerdings u. U. Gefahr, sich in den zweifelhaften Einzelpositionen Abschläge gefallen lassen zu müssen. Die Sachgründe für solche Schätzung hat der Tatrichter darzulegen. Dem Kl. mangels Vorlage einer Reparaturkostenrechnung jeden Schadensersatz zu versagen, geht indes nicht an.

Rechtsgebiete

Schadensersatzrecht; Versicherungsrecht

Normen

BGB § 249; ZPO § 287