Haftung des Wirtschaftsprüfers als Garant aus Prospekthaftung

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

08. 06. 2004


Aktenzeichen

X ZR 283/02


Leitsatz des Gerichts

  1. Ein Wirtschaftsprüfer, der einem Kapitalanleger wegen Prüfung des Werbeprospekts als so genannter Garant aus Prospekthaftung Schadensersatz schuldet, kann auch aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter haften (Anspruchsgrundlagenkonkurrenz).

  2. Haftet ein Wirtschaftsprüfer sowohl als Garant aus Prospekthaftung als auch aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, so verjährt letzterer Anspruch nach den für die vertragliche Haftung des Wirtschaftsprüfers geltenden Regeln (bis zum 31. 12. 2003; § 51a WPO, jetzt § 195 BGB).

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. verlangt von der bekl. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Schadensersatz wegen Prüfung und Bestätigung von Angaben eines Prospekts, mit dem er für die Beteiligung an einer Kapitalanlagegesellschaft geworben wurde. Der Kl. trat am 1. 12. 1994 einer Treuhandgesellschaft bei, die ihrerseits eine Kommanditbeteiligung an der Publikums-Kommanditgesellschaft „A-KG“ hielt. Grundlage seiner Beitrittserklärung war ein von der Initiatorin herausgegebener zweiteiliger Prospekt. In diesem wurde der Fonds als Modell zur Finanzierung eines kompletten Abwasserentsorgungssystems für mehrere Gemeinden vorgestellt und einkommensstarken Anlegern zur Beteiligung empfohlen. Der Entsorgungsvertrag zwischen dem von den beteiligten Gemeinden gebildeten Abwasserzweckverband E. und der Fondsgesellschaft garantiere feste Ausschüttungen über die Laufzeit von 25 Jahren. In dem Prospekt hieß es unter der Überschrift „Prospektprüfung“:

„Wir haben eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Prüfung des vorliegenden Prospekts beauftragt. Sobald der Bericht über diese Prüfung fertig gestellt ist, sind wir bereit, diesen jedem ernsthaften Interessenten auf Anfrage zur Verfügung zu stellen.“

Die beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist die Bekl. In deren Prüfbericht vom 23. 11. 1993 hieß es:

„Als Ergebnis unserer Prüfung können wir zusammenfassend feststellen, dass die Angaben des Prospekts vollständig und richtig sind entsprechend den uns vorgelegten Verträgen und Vertragsentwürfen und den uns erteilten Auskünften. Tatsachen sind zutreffend dargestellt, getroffene Annahmen sind plausibel und glaubhaft und Folgerungen sind aus den Tatsachen oder Annahmen rechnerisch und sachlich richtig entwickelt.“

Mit dem Bau der Anlage war bereits im Dezember 1993 begonnen worden. Die Baukosten sollten teilweise durch den Abwasserzweckverband E. finanziert werden. Die Dimension der Anlage und die Finanzierung waren für 16 Gemeinden in B. konzipiert worden. Tatsächlich schlossen sich dem Abwasserzweckverband jedoch nur sieben Gemeinden an. Die erwarteten Zuwendungen und Darlehen der öffentlichen Hand blieben aus. Der Abwasserzweckverband leistete ab 1996 keine Zahlungen mehr an die Kommanditgesellschaft. Auch Ausschüttungen an die Fondsgesellschafter erfolgten seit 1996 nicht mehr. Mit Urteil des KG (NZG 1999, 1116) wurde auf die Klage eines anderen Anlegers hin die Initiatorin rechtskräftig zum Schadensersatz verurteilt. In den Urteilsgründen wurde ihr hauptsächlich vorgeworfen, die von den Behörden geäußerten Bedenken gegen das Projekt, das frühzeitige Ausscheiden der „Südgemeinden“ und die daraus resultierende Überdimensionierung der Anlage nicht offen gelegt zu haben. Die Anlage könne erst bei einer völlig illusorischen Abwassergebühr von 32 DM/cbm - der Durchschnittspreis betrage in Deutschland weniger als 5 DM/cbm - kostendeckend betrieben werden. Der Kl. vertritt die Auffassung, die Bekl. hätte die geäußerte Erwartung öffentlicher Fördermittel überprüfen und die auf Grund der geringen Zahl teilnehmender Gemeinden gegebene Unschlüssigkeit und Unwirtschaftlichkeit des Gesamtkonzepts erkennen müssen. Er verlangt deshalb die Erstattung der von ihm geleisteten Einlagesumme abzüglich der erhaltenen Ausschüttungen (101545,94 Euro) Zug um Zug gegen die Abtretung seiner Beteiligung an der Treuhandgesellschaft.

Sowohl das LG als auch das OLG Frankfurt a.M. (NJOZ 2003, 19) haben die Klage unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung geprüft und wegen Verjährung abgewiesen. Die - zugelassene - Revision des Kl. führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat einen Schadensersatzanspruch aus Prospekthaftung für denkbar gehalten, die Klage aber gleichwohl ohne nähere Prüfung des Anspruchs abgewiesen, weil dieser jedenfalls verjährt sei. Hierzu hat es ausgeführt:

Nach der Rechtsprechung des BGH trete die Verjährung der Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinne bei einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung, auch an einem geschlossenen Immobilienfonds, auf Grund analoger Anwendung der in den gesetzlich geregelten Fällen der Prospekthaftung bestimmten kurzen Verjährung (§ 20 V KAGG, § 12 V AuslInvestmG) in sechs Monaten ab Kenntnis des Anlegers vom Prospektfehler, spätestens aber in drei Jahren seit dem Erwerb der Kapitalanlage ein. Diese drei Jahre seien schon verstrichen gewesen, als der Kl. das verjährungsunterbrechende Mahnverfahren gegen die Bekl. eingeleitet habe. Zwar habe ein anderer Senat des BGH bei Bauherrenmodellen auf die Prospekthaftung die regelmäßige Verjährungsfrist von damals 30 Jahren angewandt. Diese Rechtsprechung könne aber nicht auf den streitgegenständlichen Immobilienfonds übertragen werden, weil dort die Interessenlage der Anteilserwerber gesellschaftsrechtlich geprägt und somit eine andere sei als bei den auf den Erwerb von Teileigentum gerichteten Bauherrenmodellen.

II. Wenngleich das BerGer. ohne Rechtsfehler Verjährung der Prospekthaftung angenommen hat, hält das Urteil der rechtlichen Nachprüfung doch nicht stand. Das BerGer. hat übersehen, dass als Anspruchsgrundlage neben der Prospekthaftung auch der so genannte Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter in Betracht kommt. Dieser verleiht im Falle eines fehlerhaften Wirtschaftsprüfergutachtens dem geschädigten Dritten einen vertraglichen Schadensersatzanspruch gegen den Wirtschaftsprüfer, der nach § 51a WPO in der bis zum 31. 12. 2003 geltenden Fassung (a.F.) erst in fünf Jahren verjährt.

1. Entgegen der Ansicht der Bekl. kann sich der Kl. auf den Anspruch aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter im Revisionsverfahren berufen, obwohl er sich im Berufungsverfahren, den Gründen des erstinstanzlichen Urteils folgend, nur mit der Prospekthaftung der Bekl. auseinander gesetzt hat.

Im Revisionsverfahren ist das angefochtene Urteil auf Rechtsfehler zu prüfen. Das Recht ist unter anderem verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht angewendet worden ist (§ 546 ZPO). Hat das BerGer. eine Anspruchsgrundlage übersehen und daher nicht angewendet, so hat es auch dann rechtsfehlerhaft entschieden, wenn der Kl. diese Anspruchsgrundlage selbst nicht erkannt und sich deshalb nicht darauf berufen hatte. Die rechtliche Würdigung des tatsächlichen Parteivorbringens ist Aufgabe des Gerichts, das daher von Amts wegen sämtliche Anspruchsgrundlagen zu prüfen hat (BGH, NJW 1997, 2954 = ZIP 1997, 938 [unter II]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., Einl. Rdnr. 70).

Anders als die Bekl. meint, ändert daran auch die Pflicht des Berufungskl. nichts, in seiner Berufungsbegründung die Umstände zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (§ 520 III Nr. 2 ZPO). Der Berufungsführer darf sich darauf beschränken, zu den Gründen Stellung zu nehmen, aus denen die Vorinstanz seine Klage abgewiesen hat (BGH, NJW 1975, 1032 [unter II 2]). Eine derartige zulässige Beschränkung des Berufungsangriffs entbindet das BerGer. jedoch nicht von seiner Pflicht, das vorinstanzliche Urteil auch auf solche Rechtsfehler zu prüfen - wie zum Beispiel eine übergangene Anspruchsgrundlage -, die der Berufungskl. nicht erkannt hat. Die der Konzentration des Streitstoffs in der Berufungsinstanz dienende Anforderung an eine Berufungsbegründung, sich inhaltlich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinander zu setzen (vgl. BGH, NJW 1999, 3784 [unter II]), führt nicht zu einer Einschränkung der umfassenden materiell-rechtlichen Prüfungspflicht des BerGer.

2. Nach den Feststellungen des BerGer. ist von einem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter auszugehen.

a) Neben dem gesetzlich geregelten Vertrag zu Gunsten Dritter (§ 328 BGB), bei dem ein Dritter unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern, hat die Rechtsprechung den Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter herausgebildet, bei dem der Anspruch auf die geschuldete Hauptleistung allein dem Gläubiger zusteht, der Dritte jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten, aber auch Hauptleistungspflichten, einbezogen ist, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH können insbesondere Personen, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügen und in dieser Eigenschaft ein Gutachten oder eine gutachterliche Äußerung abgeben, wie etwa öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater, Dritten haften, denen gegenüber der Auftraggeber von dem Gutachten bestimmungsgemäßen Gebrauch gemacht hat (st. Rspr. des BGH; z.B. Senat, BGHZ 145, 187 [197] = NJW 2001, 360, und BGH, NJW 2004, 3035 [unter II 1a]). Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall vor, in dem eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Auftrag des Initiators den Werbeprospekt für eine Kapitalanlage geprüft und ihm Vollständigkeit und Richtigkeit, Plausibilität und Glaubhaftigkeit bescheinigt hat, wobei ihr bekannt war, dass ihr Prüfbericht den Interessenten vorgelegt werden sollte, um sie zu einer Einlage in die Fondsgesellschaft zu bewegen.

b) Die von der Rechtsprechung geforderte Schutzbedürftigkeit des Dritten ist gegeben. Sie kann fehlen, wenn der geschädigte Dritte eigene vertragliche Ansprüche, auch gegen andere Schuldner, zum Beispiel den Gläubiger, hat, die denselben oder einen gleichwertigen Inhalt haben wie diejenigen, die er auf dem Weg über seine Einbeziehung in den Schutzbereich eines zwischen anderen geschlossenen Vertrags durchsetzen will (BGHZ 70, 327 [330] = NJW 1978, 883; BGHZ 129, 136 [169] = NJW 1995, 1739; BGHZ 133, 168 [173, 176] = NJW 1996, 2927; Senat, NJW 1996, 2927 [unter II 1b]; krit. Schwarze, AcP 203 [2003], 348 [351, 353f., 363], der für eine gesamtschuldnerische Haftung des Auftraggebers und des Sachverständigen eintritt). Hier kommt ein eigener vorvertraglicher Anspruch des Kl. in Betracht, nämlich ein Schadensersatzanspruch aus Prospekthaftung. Dieser richtet sich sowohl gegen die Initiatorin als Auftraggeber des Wirtschaftsprüfungsgutachtens als auch gegen die bekl. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Der Prospekthaftungsanspruch ist jedoch dem Anspruch aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nicht gleichwertig, auch wenn er im vorliegenden Fall hinsichtlich des Inhalts der Leistungspflicht des Schuldners dem Anspruch aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nicht nachstehen mag, weil in beiden Fällen der Schuldner auf Grund der Lebenserfahrung, dass ein wesentlicher Prospektfehler für die Anlageentscheidung ursächlich geworden ist (BGHZ 123, 106 [114], und BGH, NJW 2002, 1711 [unter III 3]), verpflichtet ist, den geschädigten Prospektgläubiger bzw. Dritten so zu stellen, als hätte er die Anlage nie getätigt (Ersatz des negativen Interesses; vgl. für die Prospekthaftung Assmann, in: Assmann/Schütze, Hdb. d. KapitalanlageR, 2. Aufl., § 7 Rdnr. 155).

(1) Die fehlende Gleichwertigkeit ergibt sich schon aus der unterschiedlichen Zielrichtung der beiden Rechtsinstitute. Die Prospekthaftung geht davon aus, dass im Interesse des Kapitalanlegerschutzes auf eine wahrheitsgemäße und vollständige Aufklärung über das Risiko möglicher Anlagen hingewirkt werden muss und dass zu diesem Zweck, weil der Emissionsprospekt in der Regel die einzige Informationsquelle für den Anlageinteressenten darstellt (BGHZ 77, 172 [176] = NJW 1980, 1840; BGHZ 111, 314 [317] = NJW 1990, 2461), die Prospektverantwortlichen haftbar gemacht werden müssen (BGHZ 79, 337 [341] = NJW 1981, 1449). Die Prospekthaftung ist somit eine Haftung für die Vollständigkeit und Richtigkeit von Werbeaussagen. Demgegenüber ist die Haftung wegen eines fehlerhaften Gutachtens oder Prüfberichts aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter eine Berufshaftung der Experten gegenüber Dritten, die auf dem besonderen Vertrauen beruht, das Experten auf Grund der von ihnen erwarteten beruflichen Sachkunde und persönlichen Zuverlässigkeit in Anspruch nehmen (vgl. Canaris, ZHR 163 (1999), 206 [220ff., 232ff., 243]; Schwab, JuS 2002, 872 [876]; Schwarze, AcP 203 [2003], 349 [357]; Gottwald, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 328 Rdnrn. 105, 138). Bei fehlerhafter Prüfung von Prospektangaben haftet der Wirtschaftsprüfer aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter also weniger für die Richtigkeit dieser Angaben als dafür, dass er ihnen durch seinen Prüfbericht Unbedenklichkeit bescheinigt bzw. Glaubwürdigkeit verliehen und dadurch die von dem fehlerhaften Prospekt ausgehende Gefahr für die Anlageinteressenten erhöht hat.

(2) Ferner kommt in Betracht, dass der Prospekthaftungsanspruch dem Anspruch aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter auch deshalb nicht gleichwertig ist, weil er in erheblich kürzerer Frist verjährt. Die Prospekthaftung verjährt nach der Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH, der der erkennende Senat sich anschließt, weil das Privileg der kurzen Verjährungsfrist mit der im Vergleich zur Deliktshaftung sehr weit reichenden Prospekthaftung korrespondiert (v. Morgen, NJW 1987, 474; Schießl, NJW 1987, 1684 [1685]), ohne Rücksicht auf Kenntnis des Geschädigten in drei Jahren seit dessen Beitritt zu der Fonds- oder zu der zwischengeschalteten Treuhandgesellschaft. Dies gilt jedenfalls bei solchen Anlageprojekten, die nicht, wie Bauherrenmodelle, auf den Erwerb von Teileigentum an Grundstücken abzielen (BGHZ 83, 222 [224ff.] = NJW 1982, 1514; BGH, NJW 2001, 1203 [unter I]). Es gilt auch für geschlossene Immobilienfonds (BGH, NJW 2002, 1711 [unter I 1]). Die Berechtigung der Annahme des BerGer., das streitgegenständliche Abwasserentsorgungssystem könne zu den geschlossenen Immobilienfonds gezählt werden, mag dahinstehen. Jedenfalls handelt es sich nicht um ein auf den Erwerb von Teileigentum abzielendes Bauherrenmodell, auf das der VIII. Zivilsenat des BGH die damals dreißigjährige Regelverjährung angewandt hat (BGHZ 126, 166 [171f.] = NJW 1994, 2226). Für den Prospekthaftungsanspruch des Kl. beträgt die Verjährungsfrist daher höchstens drei Jahre. Der Schadensersatzanspruch aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter hingegen verjährt nach § 51a WPO a.F. grundsätzlich in fünf Jahren ab Entstehung des Anspruchs.

Diese berufsspezifische Verjährungsvorschrift greift ein, weil sich bei der Expertenhaftung Beginn und Dauer der Verjährung nach dem zwischen dem Auftraggeber und dem Experten zu Stande gekommenen Werkvertrag richten (Gottwald, in: MünchKomm, § 328 Rdnr. 132; Zugehör, NJW 2000, 1601 [1604]). § 51a WPO a.F. ist zwar mit Wirkung ab 1. 1. 2004 durch die regelmäßige Verjährung nach § 195 BGB ersetzt worden. Für vor diesem Tag abgeschlossene Verjährungstatbestände gilt aber weiterhin § 51a WPO a.F. (§ 139b II WPO).

3. Der Anspruch aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter tritt auch nicht hinter der Prospekthaftung zurück.

Auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des BGH spricht alles dafür, dass Prospekt- und Expertenhaftung zwei verschiedene Formen der Ersatzhaftung darstellen, die eine unterschiedliche Zielsetzung aufweisen, verschiedene Gegenstände haben und auf unterschiedlichen Grundlagen beruhen, so dass für einen wechselseitigen Ausschluss kein Grund erkennbar ist.

(a) Sinn und Zweck der Prospekthaftung sind der Schutz der Kapitalanleger, in deren Interesse auf eine wahrheitsgemäße und vollständige Aufklärung über das Risiko möglicher Anlagen hingewirkt werden muss. Zu diesem Zweck müssen für unzutreffende oder irreführende Angaben im Emissionsprospekt nicht nur die am Vertragsschluss Beteiligten oder diejenigen haften, die einen auf ihre Person bezogenen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen hätten, sondern auch die Initiatoren, Gestalter und Gründer der Anlagegesellschaft und die sogenannten Hintermänner. Dogmatisch hat der BGH dabei die Grundsätze der Vertrauenshaftung des Vertreters oder Sachwalters für Verschulden bei den Vertragsverhandlungen dahin weiterentwickeln wollen, dass Grundlage dieser Haftung kein persönliches Vertrauen sein muss, sondern dass das Vertrauen auch auf einer besonderen Fachkunde oder auf einer hervorgehobenen wirtschaftlichen Stellung beruhen kann (sog. typisiertes Vertrauen, vgl. BGHZ 79, 337 [341] = NJW 1981, 1449; BGHZ 83, 222 [223f.] = NJW 1982, 1514). Diese Haftung ist dann auf die so genannten Garanten des Prospekts (Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer) erstreckt worden, auch soweit sie die Prospektangaben lediglich geprüft haben (BGHZ 77, 172 [177] = NJW 1980, 1840). Ziel der Prospekthaftung ist also der Schutz der Kapitalanleger vor unrichtigen Prospektangaben, und dogmatischer Ausgangspunkt ist, auch bei Garanten, die - typisierte - Vertrauenshaftung.

(b) Demgegenüber soll der Schadensersatzanspruch aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter Personen schützen, die durch die Leistung des Schuldners gefährdet werden. Dogmatisch wird der Ausgangsvertrag wegen seiner notwendigen Drittbeziehung dahin verstanden, dass die Vertragspartner den Dritten in den Schutzbereich der vertraglichen Neben- oder Hauptpflichten einbezogen haben (BGHZ 56, 269 [273] = NJW 1971, 1931; BGH, NJW 1984, 355 [unter 11]). Grundlage dieser Haftung ist danach die Erweiterung der die Vertragspartner treffenden vertraglichen Schutzpflichten zu Gunsten des Dritten, dem gegenüber die Parteien die gleichen Schutz- und Sorgfaltspflichten beachten müssen wie untereinander.

4. Der Schadensersatzanspruch des Kl. aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter ist nicht verjährt.

a) Der Anspruch ist frühestens entstanden, als der Kl. am 1. 12. 1994 der Treuhandgesellschaft beitrat, so dass die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 51a WPO a.F. nicht vor dem 30. 11. 1999 ablaufen konnte. Der Kl. hat aber schon am 20. 11. 1998 die Verjährung durch Einreichung seines Antrags auf Erlass eines Mahnbescheids unterbrochen. Der Mahnbescheid wurde, wenngleich erst am 21. 12. 1998, so doch „demnächst“ im Sinne des Gesetzes zugestellt, weil die Verzögerung durch die gerichtliche Bearbeitung verursacht wurde (§ 209 I, II Nr. 1 BGB, § 270 III ZPO, jew. in der bis zum 31. 12. 2000 geltenden Fassung).

b) Die kurze Verjährung der Prospekthaftung hat auch nicht etwa Vorrang vor der längeren beim Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter.

(1) Grundsätzlich verjährt jeder Anspruch selbstständig nach seiner eigenen Verjährungsregelung. Die kurze Verjährung hat nur dann Vorrang, wenn sie nach ihrem Schutzzweck auch die konkurrierenden Ansprüche erfassen will (BGHZ 116, 297 [300] = NJW 1992, 1679). Das ist der Fall, wenn die Befugnis des Gläubigers, nach Verjährung des einen Anspruchs auf die aus demselben Sachverhalt hergeleiteten anderen Ansprüche mit längerer Verjährung ausweichen zu können, den Zweck der besonders kurz bemessenen Verjährungsfrist vereiteln und die gesetzliche Regelung im Ergebnis aushöhlen würde (BGHZ 66, 315 [319] = NJW 1976, 1505). So liegt es hier nicht. Die berufsspezifische längere Verjährung der Ansprüche gegen Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwälte betrifft nur einige der in Frage kommenden Prospekthaftenden, nämlich die so genannten Garanten. Die kurze dreijährige Verjährung der Gründer, Initiatoren, Gestalter und Hintermänner der Gesellschaft bleibt bestehen.

(2) Entgegen der Auffassung der Bekl. gebietet auch der Umstand, dass bei Anwendung der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 51a WPO a.F. der Garant schärfer haftet als der Initiator, nicht den Vorrang der kurzen Verjährung. Zwar ist für die Falschangaben im Prospekt primär der Initiator verantwortlich. Die Expertenhaftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter hat jedoch, wie bereits dargelegt, einen anderen Grund als die Prospekthaftung, nämlich die Inanspruchnahme eines besonderen, auf der Annahme von Fachkunde und persönlicher Zuverlässigkeit beruhenden Vertrauens, kraft dessen der Experte die Überzeugungswirkung des Prospekts auf die Anlageinteressenten gesteigert und somit einen selbstständigen, über den reinen Inhalt der Prospektaussagen hinausgehenden Beitrag zur Beeinflussung der Interessenten geleistet hat. Hat er aber das ihm entgegengebrachte berufsspezifische Vertrauen ausgenutzt, so muss ihn auch seine berufliche Haftung einschließlich einer etwaigen berufsspezifischen Verjährungsregelung treffen. Deshalb ist keine Notwendigkeit für eine Angleichung der Haftung des Wirtschaftsprüfers, der seine Berufspflichten bei der Prüfung eines Prospekts verletzt hat, an die mildere Prospekthaftung des Initiators ersichtlich. Gegen eine Angleichung spricht auch, dass der BGH es bereits abgelehnt hat, die kurze Verjährung der Prospekthaftung auf konkurrierende Ersatzansprüche gegen solche Prospektverantwortlichen auszudehnen, die mit dem Anlageinteressenten unter Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens verhandelt haben (BGHZ, 83, 222 [227] = NJW 1982, 1514; BGH, NJW 1984, 2524 [unter III], und NJW 1985, 380 [unter II 5]). Das muss auch für Experten gelten, die zwar keine persönlichen Verhandlungen geführt, aber kraft ihres überlegenen Fachwissens ebenfalls besonderes Vertrauen in Anspruch genommen haben.

(3) Schließlich besteht auch kein Grund, den Sachverständigen, der einen Anlageprospekt prüft, im Vergleich zu demjenigen, der unmittelbar den Geschäftsgegenstand, beispielsweise ein Grundstück, bewertet, haftungsmäßig durch eine kürzere Verjährung zu privilegieren. Insbesondere wird dies nicht durch den Umstand gerechtfertigt, dass bei der Prospektprüfung in der Regel eine Vielzahl von Geschädigten in Betracht kommt. Denn der Sachverständige haftet immer nur bis zum Wert des im Vertrauen auf seine Expertise getätigten Geschäfts. Wird dieses nicht von einem einzigen Dritten, sondern von mehreren oder auch einer Vielzahl von Anlegern getätigt, so erhöht dieser Umstand nur die Zahl der Schadensersatzgläubiger des Sachverständigen, nicht aber den Umfang des von ihm geschuldeten Schadensersatzes und damit nicht sein Risiko (Senat, NJW 2004, 3035 [unter II 1c], in Abgrenzung von BGHZ 138, 257 [262] = NJW 1998, 1948).

III. Das angefochtene Urteil kann somit keinen Bestand haben; es ist aufzuheben. Da noch tatrichterliche Feststellungen zu Grund und Höhe des Anspruchs erforderlich sind, kann der Senat nicht selbst entscheiden, sondern muss die Sache an das BerGer. zurückverweisen. Dieses wird gegebenenfalls zum einen noch die streitige Frage zu klären haben, ob der Prüfbericht der Bekl. objektiv fehlerhaft war. Das BerGer. hat zwar ein Prüfungsverschulden der Bekl. bejaht, jedoch mit dem Vorbehalt, dass die vom KG im Prozess gegen die Initiatorin festgestellten Fehler zutreffen. Bisher hat das BerGer. also weder eine eigene Fehlerfeststellung getroffen, noch sich die des KG zu Eigen gemacht. Das BerGer. muss ferner prüfen, ob die Prospektprüfung der Bekl. für den Anlageentschluss des Kl. ursächlich war. Falls das BerGer. zu dem Ergebnis gelangt, dass die Bekl. dem Kl. dem Grunde nach aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter Schadensersatz schuldet, wird es weiter feststellen müssen, ob und in welcher Höhe dem Kl. ein Schaden entstanden ist.

Vorinstanzen

OLG Frankfurt a.M.

Rechtsgebiete

Schadensersatzrecht

Normen

BGB §§ 276, 328, 195; WPO a.F. § 51a