ARD verliert gegen FOCUS wegen Schwierigkeiten mit Unterschriften bei Gegendarstellungsforderungen

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

13. 10. 2004


Aktenzeichen

9 O 17631/04


Leitsatz des Gerichts

Bei der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) handelt es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bei der die Vertretungsverhältnisse, anders als im Falle der organschaftlichen Vertretung, keinem öffentlichen Register entnommen werden können. Das Verlangen nach Abdruck einer Gegendarstellung kann daher als einseitiges Rechtsgeschäft eines Bevollmächtigten wirksam gemäß § 174 Satz 1 BGB zurückgewiesen werden, wenn keine Vollmachtsurkunde vorgelegt wird.

Tenor

  1. Die einstweilige Verfügung vom 20.09.04 wird aufgehoben.

  2. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

  3. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagte auf Abdruck einer Gegendarstellung in Anspruch. ...

Die Verfügungsklägerin hat die Verfügungsbeklagte mit Schreiben ihrer Rechtsanwälte vom 07.09.2004, welchem eine Vollmacht - unterzeichnet durch den Intendanten des Norddeutschen Rundfunks - beigefügt war, zum Abdruck einer Gegendarstellung aufgefordert. Nachdem die Verfügungsbeklagte das Gegendarstellungsverlangen unter Hinweis auf § 174 S. 1 BGB zurückwies, hat die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte erneut mit Schreiben ihrer Rechtsanwälte vom 14.09.2004 zum Abdruck einer Gegendarstellung aufgefordert, wobei sie nunmehr eine Vollmacht beifügte, die sowohl durch den stellvertretenden Intendanten des Norddeutschen Rundfunks als auch dessen Justitiar unterzeichnet war. Auch dieses Gegendarstellungsverlangen hat die Verfügungsbeklagte unter Hinweis auf § 174 S. 1 BGB abgelehnt. ...

Mit Beschluss vom 20.09.2004 erließ das Gericht eine einstweilige Verfügung mit folgendem Wortlaut: ...

Am 27.09.2004 legte die Verfügungsbeklagte gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch ein. Die Verfügungsbeklagte trägt vor, sie habe das Gegendarstellungsverlangen der Verfügungsklägerin zu Recht zurückgewiesen, da die Verfügungsklägerin keinen Nachweis über die Vertretungsverhältnisse der ARD vorgelegt habe. Lediglich hilfsweise werde in der Sache vorgetragen, dass schon deshalb kein Gegendarstellungsanspruch bestehe, weil der beanstandete Eindruck nicht erweckt worden sei.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Verfügungsklägerin kann von der Verfügungsbeklagten nicht den Abdruck der Gegendarstellung gemäß Art. 10 BayPrG verlangen, da es bereits an einem wirksamen vorprozessualen Abdruckverlangen der Verfügungsklägerin gegenüber der Verfügungsbeklagten fehlt.

Die Verfügungsbeklagte hat sowohl das Abdruckverlangen der Verfügungsklägerin vom 07.09.2004 als auch das Abdruckverlangen vom 14.09.2004 als einseitiges Rechtsgeschäft eines Bevollmächtigten wirksam gemäß § 174 S. 1 BGB zurückgewiesen. Während beim ersten Abdruckverlangen vom 07.09.2004 bereits die erforderliche zweite Unterschrift des Justitiars des Norddeutschen Rundfunks fehlte, wurde beim zweiten Abdruckverlangen vom 14.09.2004 kein Nachweis dafür vorgelegt, dass der Norddeutsche Rundfunk zum Zeitpunkt des Abdruckverlangens bevollmächtigter Vertreter der ARD war. Gerade aus diesem Grunde wurde auch das zweite Abdruckverlangen unverzüglich durch die Verfügungsbeklagte zurückgewiesen. Die Verfügungsbeklagte hat in ihrem Zurückweisungsschreiben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es an einem Nachweis der Bevollmächtigung durch die ARD nach wie vor fehle. Da es sich bei der ARD um eine Gesellschaft Bürgerlichen Rechts handelt, greift vorliegend auch nicht die Ausnahme ein, dass das Recht zur Zurückweisung im Falle einer organschaftlichen Vertretung grundsätzlich nicht besteht. Bei der ARD als Gesellschaft Bürgerlichen Rechts können die Vertretungsverhältnisse anders als im Falle der organschaftlichen Vertretung keinem öffentlichen Register entnommen werden. Dass der NDR zum Zeitpunkt des Abdruckverlangens die turnusmäßig wechselnde geschäftsführende Rundfunkanstalt war, ergibt sich letztlich lediglich aus dem Protokoll über die Abstimmung auf der Hauptversammlung der ARD vom 25. November 2003. Dem Sinn und Zweck der Regelung des § 174 BGB entsprechend, unverzüglich klare Verhältnisse über die Bevollmächtigung bei einseitigen Rechtsgeschäften zu erlangen, war die Verfügungsbeklagte vorliegend auch nicht gehalten, sich selbst durch entsprechende Recherchen darüber kundig zu machen, wie die Vertretungsverhältnisse der ARD zum Zeitpunkt des Abdruckverlangens gestaltet waren. Ein wirksames vorprozessuales Abdruckverlangen als Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung liegt damit nicht vor.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.


Dr. Steiner
Vorsitzender Richter am Landgericht

Hammer
Richterin

Dr. Schwarz
Richterin am Landgericht

Rechtsgebiete

Presserecht