Unmittelbare Kontaktaufnahme eines Rechtsanwalts mit dem anwaltlich vertretenen Gegner

Gericht

OLG Nürnberg


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

27. 07. 2004


Aktenzeichen

3 U 2102/04


Leitsatz des Gerichts

Die § 12 BORA missachtende unmittelbare Kontaktaufnahme mit dem anwaltlich vertretenen Gegner löst keinen Unterlassungsanspruch gem. §§ 8, 3, 4 UWG n.F. aus, da § 12 BORA keine wettbewerbsbezogenen Zwecke verfolgt (ebenso OLG Köln NJW-RR 2003, 194 zu § 1 UWG a.F.)

Tenor


Tenor:

  1. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 12.5.2004 (LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 12.5.2004 – 3 O 4075/04) abgeändert wie folgt:

    Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

  2. Der Verfügungskläger hat die Kosten beider Instanzen zu tragen.


    Beschluss:

    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf

    30.000 Euro

    festgesetzt.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. den §§ 313a Abs. 1, 540 ZPO abgesehen und insoweit auf das Ersturteil Bezug genommen.

II. Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig und auch begründet. Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder nach § 8 i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG n.F., das am 8.7.2004 in Kraft getreten ist, noch nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu.

1. Entgegen der Auffassung der Berufung ist – wie das Erstgericht zutreffend feststellte – der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet.

Es mag zwar ein Verstoß gegen Standesrecht vorliegen, für den auch das Berufsgericht zuständig ist. Geltend gemacht wird aber ein Unterlassungsanspruch aus BGB bzw. UWG, für den die Zivilgerichte zuständig sind. Der Antragsteller trägt einen Sachverhalt vor, dessen Richtigkeit unterstellt, den erhobenen Anspruch ergeben könnte. Ob dieser Anspruch zu Recht geltend gemacht wird, ist keine Frage der Zuständigkeit, sondern der Begründetheit.

2. Zutreffend geht das LG weiter davon aus, dass die Antragsgegnerin gegen § 12 BORA verstoßen hat. Auf die Ausführungen des LG wird insoweit Bezug genommen. Dies gilt auch, wenn ein Sachverhalt zugrundegelegt wird, wie ihn die Antragsgegnerin bzw. Frau W. in ihren eidesstattlichen Versicherungen behaupten. § 12 BORA verbietet jeden unmittelbaren Kontakt mit der Gegenpartei. Hierbei kommt es nicht darauf an, von wem die Initiative ausgeht, ob der Kontakt von dem Mandanten selbst gewünscht wird. Solange der andere Anwalt mandatiert ist, verstößt der von der Gegenpartei angesprochene Rechtsanwalt gegen das Umgehungsverbot, wenn er sich auf das Gespräch einlässt (vgl. Kleine/Cosack, BRAO, 4. Aufl., § 12 Rz. 4; Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 12 Rz. 3 f).

3. Ein Verstoß gegen § 12 BORA kann einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch jedoch nicht stützen, da dieser Vorschrift der erforderliche wettbewerbsbezogene Charakter fehlt. Zwar ist § 12 BORA wohl als wertbezogene Norm anzusehen. Sie schützt, worauf das Erstgericht zutreffend hinweist, das besonders wichtige Gemeinschaftsgut der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Sie ist aber als wettbewerbsrechtlich neutrale Norm anzusehen, die keinen Schutz vor anwaltlicher Konkurrenz bietet (vgl. Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., Einl. Rz. 20 bzw. § 12 Rz. 2; Kleine/Cosack, BRAO, 4. Aufl., Vorbem. Rz. 4 und § 12 Rz. 1; Hartung/Roll, Anwaltliche Berufsordnung, 2. Aufl., § 12 Rz. 2). Daher entfällt die Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG n.F., dessen Aufgabe es ist, das Marktverhalten zu regeln. Der Begriff der Marktverhaltensregelung tritt damit an die Stelle der von der Rechtsprechung zu § 1 UWG a.F. geprägten Formel, wonach die Norm eine „zumindest sekundäre Schutzfunktion zugunsten des Wettbewerbs” haben muss. Dagegen wurde die frühere Aussage des BGH, ein Wettbewerbsverstoß durch Rechtsbruch könne auch dann vorliegen, wenn die verletzte Norm selbst keinen unmittelbar wettbewerbsbezogenen Zweck verfolge, sofern sie gewichtige Allgemeininteressen schütze, nicht übernommen. Es kann nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts sein, alle nur denkbaren Gesetzesverstöße im Zusammenhang mit Wettbewerbshandlungen auch wettbewerbsrechtlich zu sanktionieren (vgl. Köhler, Der Rechtsbruchtatbestand im neuen UWG, GRUR 2004, 381 ff.).

Im Übrigen wäre entgegen der Auffassung des LG ein Unterlassungsanspruch auch nicht nach § 1 UWG a.F. gegeben. Die Neufassung des UWG brachte vorliegend keine Veränderung der gesetzlichen Situation mit sich. So hat das OLG Köln für einen gleich liegenden Fall einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG a.F. bei einem Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 12 BORA zutreffend verneint (vgl. OLG Köln, Urt. v. 10.1.2003 – 6 U 181/02, OLGReport Köln 2003, 175 = NJW-RR 2003, 283 f.). Dieses Urteil entsprach entgegen der Meinung des LG der inzwischen gefestigten Rechtssprechung des BGH, die nicht mehr darauf abstellt, ob eine wertbezogene bzw. wertneutrale Norm verletzt ist, sondern prüft, ob der verletzten Norm Wettbewerbsbezug beigemessen werden kann (vgl. BGH GRUR 1999, 1128 – Hormonpräperate; v. 11.5.2000 – I ZR 28/98, MDR 2000, 1206 = GRUR 2000, 1076 – Abgasemissionen; v. 5.10.2000 – I ZR 224/98, MDR 2001, 527 = BGHReport 2001, 254 = GRUR 2001, 354 – Vielfachabmahner; GRUR 2003, 825 – Elektroarbeiten; v. 2.10.2003 – I ZR 117/01, GesR 2004, 151 = BGHReport 2004, 469 = GRUR 2004, 247 – Krankenkassenzulassung).

4. Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB, da der Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 12 BORA durch die Beklagte keinen unmittelbaren Eingriff in die Berufsausübung des Klägers begründet, sondern allenfalls zu einer mittelbaren Beeinträchtigung führen könnte. Eine solche wird jedoch vom Schutzzweck des § 823 Abs. 1 BGB nicht erfasst.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.


Dr. Seidel, VorsRiOLG

Scheib, RiOLG

Junker-Krause, RiOLG

Vorinstanzen

LG Nürnberg-Fürth, 3 O 4075/04, 12.5.2004

Rechtsgebiete

Anwalts-, Notar-, Steuerberater- und anderes Berufsrecht

Normen

UWG n.F. §§ 3, 4 Nr. 11, 8; BORA § 12