Kein neuer Streitgegenstand im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

31. 08. 2004


Aktenzeichen

9HK O 10062/04


Leitsatz des Gerichts

  1. Der Streitgegenstand in einstweiligen Verfügungsverfahren ergibt sich ausschließlich aus der Begründung des Verfügungsantrages.

  2. Eine Ausdehnung des Vortrages auf weitere Inhalte der Werbung ist im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht möglich. Insoweit würde es sich um einen anderen Streitgegenstand handeln.

  3. Ein Verfügungsantrag ist dann unbegründet, wenn sich herausstellt, dass der Beklagte nicht in der im Verfügungsantrag behaupteten eingeschränkten Weise geworben hat. Hier: Die als fehlend gerügten Informationen fehlen nicht, wenn sie von informierten Durchschnittsinteressenten einer beigefügten Informationsmappe entnommen werden können.

Tenor

  1. Die einstweilige Verfügung vom 28.5.2004 wird aufgehoben.

  2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

  3. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 5.000,-- abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Verfügungsklägerin (im folgenden: Klägerin) macht gegen die Verfügungsbeklagte (im folgenden: Beklagte) im Wege eines Eilverfahrens gem. §§ 935, 937, 922 ZPO einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.

Die Klägerin ist mit dem Vertrieb geschlossener Immobilienfonds, die von der ... Gruppe, München, aufgelegt werden, befasst. Zwischen der Klägerin und den jeweiligen Anbietern der Fonds bestehen Vertriebsvereinbarungen, mit denen die Klägerin mit dem Vertrieb der Anteile an den jeweiligen Fondgesellschaften beauftragt wird.

Die Beklagte ihrerseits bietet die Vermittlung von Investments, u.a. von Beteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds an. U.a. bietet sie auch Beteiligungen an dem Fond ... an.

Die Klägerin trug dabei vor, dass diese Anbietung durch die Beklagte in mehrfacher Hinsicht in irreführender Weise erfolgt sei. Die Beklagte täusche die potentiellen Anleger darüber, dass eine Lieferbeziehung zwischen dem Fondanbieter und der Beklagten vorhanden sei, der Fondanbieter Beitrittsvereinbarungen mit Anlegern, die erkennbar zu dem von der Beklagten angebotenen Bedingungen geworben werden, nicht schließe und dass völlig ungewiss sei, ob der Fondanbieter mit dem Anleger eine Beitrittsvereinbarung eingehen werde. Insbesondere werde auch darüber getäuscht, dass die Beklagte in keiner Weise zum Vertrieb der Fondanteile von dem Anbieter autorisiert sei.

Wegen der Einzelheiten der Begründung der Klägerin, wobei diese sich auf die von ihr vorgelegten Anlagen EV 3 a und 3 b bezog, wird auf die Antragsschrift vom 28.5.2004 nebst Anlagen hingewiesen.

Auf Antrag der Klägerin erließ das Landgericht München I daraufhin gegen die Beklagte am 28.5.2004 folgende einstweilige Verfügung:

  1. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung

    • eines Ordnungsgeldes von EUR 5,-- bis zu EUR 250.000,--, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder

    • einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,

    zu vollziehen am Geschäftsführer

    für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gemäß §§ 935 ff, 890 ZPO

    verboten,

    im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs,

    Beteiligungen an dem Fonds ... wie mit dem in Kopie als ANLAGE beigefügten Schreiben mit dem Betreff "Geschlossene Fonds mit FLAT-Agio" nebst der Anlage "Verzicht auf Beratung und Haftungsfreistellung" anzubieten.

  2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

  3. Der Streitwert wird auf EUR 250.000,-- festgesetzt.

Gegen diese einstweilige Verfügung ließ die Beklagte durch Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 16.7.2004 Widerspruch einlegen.

Zur Begründung trug sie vor, dass der Anspruch der Klägerin nicht gegeben sei, weil die Beklagte sowohl auf ihre Unabhängigkeit, sowie auf eventuell nicht bestehende Verfügbarkeiten der angebotenen Fonds hinweise.

Die Beklagte versende an alle Interessenten eine Fondsmappe, aus der sich die von der Klägerin gerügten Hinweise ergäben.

Im übrigen habe die Beklagte in der Vergangenheit auch bereits Beteiligungen an ... vermittelt.

Entgegen der Meinung der Klägerin liege keinerlei Täuschung der Interessenten vor. Außerdem hätten die von der Klägerin gerügten, jedoch gar nicht bestehenden Täuschungshandlungen keinerlei wettbewerbsrechtliche Relevanz.

Im Widerspruchsschriftsatz vom 16.7.2004 meinte die Beklagte, auch das Fehlen eines Verfügungsgrundes vortragen zu müssen, blieb hierfür aber jegliche Begründung schuldig. Auch auf die diesbezügliche gerichtliche Verfügung vom 20.7.2004 erfolgte kein substantieller Vortrag mit der notwendigen Glaubhaftmachung hinsichtlich dieses Vortrages.

Wegen der Einzelheiten der Begründung der Beklagten wird auf deren Schriftsätze vom 16.7.2004 nebst Anlagen hingewiesen.

Die Beklagte beantragte deshalb,

die einstweilige Verfügung vom 28.5.2004 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Dagegen beantragte die Klägerin,

die einstweilige Verfügung vom 28.5.2004 zu bestätigen, wobei sie in ihrem Schriftsatz vom 30.8.2004 nebst Anlagen ihren Vortrag vertiefte und dabei versuchte, ihren geltend gemachten Anspruch auf die gesamte Werbung der Beklagten auszudehnen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erwies sich in vollem Umfang als unbegründet, weshalb die einstweilige Verfügung vom 28.5.2004 aufzuheben und der Verfügungsantrag zurückzuweisen war. Im einzelnen ist hierzu auszuführen:

1. Streitgegenstand im hiesigen Verfügungsverfahren ist ausschließlich das Schreiben der Beklagten vom 3.5.2004 (Anlage EV 3 a) und die Vezichtserklärung auf Beratung und Haftungsfreistellung gem. Anlage EV 3 b. Nur diese beiden Schriftstücke wurden seitens der Klägerin dem Gericht zur Begründung des Verfügungsantrages vorgelegt und nur auf diese beiden Schriftstücke ist der Verfügungsantrag und auch der Tenor der einstweiligen Verfügung konzentriert.

Eine jetzige Ausdehnung des Vortrages der Klägerin auf weitere Inhalte der Werbung der Beklagten, die die Klägerin bei Stellung ihres Verfügungsantrages dem Gericht nicht vorlegte, war nicht möglich. Insoweit würde es sich um einen anderen Streitgegenstand handeln.

2. Der gestellte Verfügungsantrag, wie ihm auch durch das Gericht am 28.5.2004 stattgegeben wurde, erwies sich jedoch als unbegründet.

Die Unbegründetheit ergibt sich schon daraus, weil die Beklagte entgegen dem Vortrag der Klägerin überhaupt nicht in der eingeschränkten Weise gemäß den Anlagen EV 3 a und 3 b wirbt, sondern durch Übersendung einer kompletten Informationsmappe.

Hierzu wurde vom Geschäftsführer der Beklagten, Herrn Malte Hartwig, eine eidesstattliche Versicherung vom 13.7.2004 abgegeben, wonach jeder Interessent diese Informationsmappe mit dem Anschreiben, das der Klägerin Anlass zu ihren gerichtlichen Schritten gab, erhält.

Aus dieser Informationsmappe (vgl. Anlage AG 3) i.V.m. den Anlagen EV 3 a und 3 b geht aber eindeutig und für den informierten Durchschnittsinteressenten auch erkennbar hervor, dass die Beklagte nur Abwicklerin, bzw. Vermittlerin ist, dass sie ein unabhängiger Fondsanbieter ist, dass die Verfügbarkeit über die Beteiligungsangebote unsicher ist und dass "viele Emissionshäuser die Veröffentlichung und Bewerbung ihrer Fonds mit dem Preismodell der Beklagten untersagen".

Damit werden aber für den Interessenten sämtliche Umstände aufgezeigt, die von der Klägerin im streitgegenständlichen Verfahren durch Vorlage nur der Anlagen EV 3 a und 3 b als fehlend gerügt und damit als irreführend bezeichnet wurden. Unter Berücksichtigung der von der Beklagten vorgelegten gesamten Werbung besteht eine solche behauptete Irreführung nicht, so dass die einstweilige Verfügung vom 28.5.2004 aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen waren.

3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.


Schott
Vors. Richter am LG

Hauck
HandeIsrichter

Kapfelsberger
Handelsrichter

Rechtsgebiete

Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht