Eingeschränkte Räum- und Streupflicht für Überwege

Gericht

Thüringer OLG


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

12. 02. 2002


Aktenzeichen

3 U 716/01


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Räum- und Streupflicht gilt innerhalb geschlossener Ortschaften nur bei markierten Überwegen sowie an Stellen, an denen eine Fußgängerüberquerung aufgrund von andauernd hohem Fußgängerverkehr unentbehrlich ist.

  2. Unentbehrlich sind Kreuzungs- und Einmündungsbereiche sowie andere Abschnitte, an denen keine Kreuzung in der Nähe ist und der Fußgängerverkehr unter bestimmten topographischen Voraussetzungen beidseitig an diese Stelle geleitet wird.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die gestürzte Fußgängerin machte geltend, die bekl. Stadt habe innerorts auch den - außerhalb eines Kreuzungsbereichs liegenden - Teil der Straße streuen müssen, an denen sie glättebedingt gestürzt sei. Darauf blieb die Kl. in beiden Instanzen erfolglos.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Kl. hat nicht nachgewiesen, dass an der Unfallstelle eine Streupflicht bestanden hat. Denn sie hat nicht den ihr obliegenden Beweis geführt, dass dort eine Straßenüberquerung durch Fußgänger unentbehrlich war und ständig erheblicher Fußgängerverkehr herrschte.

Die auf der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht beruhende, durch § 49 III , IV ThStrG nicht modizifierte, sondern durch § 10 I ThStrG lediglich hoheitlich ausgestaltete Räum- und Streupflicht für öffentliche Straßen und Wege besteht nur im Rahmen des der öffentlichen Hand Zumutbaren. Da es nicht möglich ist, sämtliche Straßen und Wege ständig schnee- und eisfrei zu halten, besteht nur eine eingeschränkte Räum- und Streupflicht für Fußgängerüberwege. Diese beschränkt sich innerhalb geschlossener Ortschaften auf markierte Überwege sowie auf solche Straßenabschnitte, auf denen eine Fußgängerüberquerung unentbehrlich ist und ständig erheblicher Fußgängerverkehr herrscht (vgl. BGH, NJW 1992, 1044). Letzteres ist hier maßgeblich, weil die Kl. nicht auf einem markierten Überweg gestürzt ist. Beide Voraussetzungen nachzuweisen, ist der Kl. nicht gelungen.

Erfahrungsgemäß werden Straßen verstärkt in Kreuzungs- und Einmündungsbereichen von Fußgängern überquert. Dort sammelt sich der querende Fußgängerverkehr, dort sind die Gehwege durch die Straßen unterbrochen und kann die auf dem Gehweg eingeschlagene Richtung nur unter Überquerung der Straße fortgesetzt werden. Dem trägt im Übrigen auch § 9 III 3 StVO Rechnung, indem er an diesen Stellen die Straße überquerenden Fußgängern Vorrang, zumindest vor den abbiegenden Fahrzeugen, einräumt. Demzufolge sind die ganz überwiegende Zahl von markierten Fußgängerüberwegen an solchen Bereichen eingerichtet. Um in anderen Abschnitten der Straße die Unentbehrlichkeit einer Überquerung für Fußgänger zu begründen, bedarf es danach konkreter örtlicher Voraussetzungen. Insbesondere setzt dies voraus, dass kein die dortige Überquerung nahelegender Kreuzungsbereich in der Nähe liegt und dass der Fußgängerverkehr durch topographisch bestimmte Voraussetzungen beidseitig an eine konkrete Stelle der Straße gelenkt und ihm daher nahe gelegt wird, diese genau hier und nicht anderswo zu überqueren.

Unter Beachtung dieser Vorgaben ergibt sich weder aus dem Klägervortrag noch aus dem vorgelegten Stadtplanausschnitt sowie der Skizze der Kl. eine Notwendigkeit, gerade an der- Unfallstelle die Straße zu queren. Dies schon deshalb nicht, weil die nächste Straßenkreuzung (mit der Straße) nur unweit entfernt liegt und es daher ohne weiteres zumutbar ist, die Straße „Am St“ an dieser Stelle zu überqueren (wird ausgeführt).

Selbst wenn dem Klägervortrag zu folgen wäre, dass eine Überquerung der Straße gerade an der Stelle, an welcher die Kl. verunglückt ist, nahe liegt, so bedeutet dies noch nicht, dass die Überquerung dort unentbehrlich ist. Dieses Kriterium ist vielmehr wiederum auf der Grundlage der eingeschränkten Leistungsfähigkeit und damit der Zumutbarkeit für die öffentliche Hand zu beurteilen. Danach muss für ein erhebliches Aufkommen an Fußgängern eine Straßenquerung an anderer Stelle ausscheiden. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn es sich lediglich um die kürzeste Verbindung zwischen zwei stark frequentierten Punkten handelt. Vielmehr ist auch einer größeren Zahl von Wegebenutzern ein Umweg zuzumuten und die Straßenüberquerung im Zuge der kürzesten Verbindung damit nicht unentbehrlich. Damit, dass die Unfallstelle für einen Teil der Bewohner auf dem kürzesten Weg zwischen dem Wohngebiet und dem Geschäftszentrum gelegen haben mag, ist daher noch nicht dargelegt, dass die Überquerung an dieser Stelle unentbehrlich gewesen wäre.

Im Übrigen hat die Kl. den Nachweis nicht geführt, dass ein ständiger erheblicher die Fahrbahn querender Fußgängerverkehr an der Unfallstelle vorhanden war, was auch eine Unentbehrlichkeit der dortigen Fahrbahnüberquerung zu indizieren vermöchte. Wie viele Personen in welcher Zeit gerade dort, wo die Kl. verunglückt ist, die Straße zu überqueren pflegen, ist auch nach der Beweisaufnahme nicht erkennbar.

Rechtsgebiete

Allgemeines Zivilrecht; Schadensersatzrecht

Normen

BGB § 823; StVO § 9 III 3; ThStrG §§ 10 I, 49 III, IV