Abbremsen vor Hund auf der Fahrbahn

Gericht

LG Landau


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

30. 06. 1988


Aktenzeichen

2 O 59/88


Leitsatz des Gerichts

Fährt ein Autofahrer auf ein anderes Kfz auf, weil dieses wegen eines großen Hundes stark abgebremst wird, so trifft den Auffahrenden die alleinige Haftung.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Wegen eines auf der Straße laufenden, ca. 70 cm hohen, großen Jagdhundes bremste die Kl. ihr Fahrzeug stark bis zum Stehen ab. Der hinter ihr fahrende Bekl. konnte sein Fahrzeug nicht rechtzeitig zum Anhalten bringen und fuhr auf. Die auf vollen Ersatz des am Pkw der Kl. entstandenen Sachschadens gerichtete Klage hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Da der Bekl. auf den Pkw der Kl. auffuhr, spricht der Anscheinsbeweis dafür, daß er die Eigentumsverletzung verschuldet hat. Der Bekl. mußte sich in seiner Fahrweise so verhalten, daß er selbst bei einem plötzlichen Abbremsen des Vordermanns noch rechtzeitig anhalten konnte (OLG Karlsruhe, VersR 1988, 138 = NJW-RR 1988, 28 = StVE § 4 StVO Nr. 41). Sein Abstand von der vorausfahrenden Kl. mußte so groß sein, daß er sein Fahrzeug hinter ihr auch dann noch anhalten konnte, wenn die Kl. plötzlich bremste (§ 4 I 1 StVO). Demnach geht das Gericht davon aus, daß der Bekl. infolge unvorsichtiger Fahrweise auffuhr.

Ein bei der Schadensentstehung zu berücksichtigendes mitwirkendes Verschulden der Kl. i. S. von § 9 StVG i. V. mit § 254 BGB liegt nicht vor. Die Kl. hat mit ihrer Fahrweise nicht gegen die §§ 1 , 4 I 2 StVO verstoßen. Nach der Rechtsprechung (vgl. OLG Karlsruhe, aaO) stellt es zwar keinen zwingenden Grund i. S. des § 4 I 2 StVO zum starken Bremsen des Fahrzeugs dar, wenn eine Wildente die Fahrbahn überquert. Anders ist aber der hier vorliegende Fall zu beurteilen, bei dem nicht ein Kleintier, sondern ein 70 cm hoher, großer Jagdhund auf der Fahrbahn läuft. Hier durfte die Kl. bei gebotener Sorgfalt stark abbremsen und anhalten, da es bei einem Anfahren des Hundes nicht auszuschließen war, daß erhebliche Beschädigungen des Klägerfahrzeugs und eine erhebliche Gefährdung für die Kl. selbst eintreten konnten. Der gleichwertige Schutz der Kl. brauchte dabei nicht hinter dem Schutz des nachfolgenden Verkehrsteilnehmers zurückzutreten.

Dabei konnte es dahinstehen, ob der sich auf der Fahrbahn befindliche Hund letztlich die Fahrbahn auch überquert hat. Es ist allgemein bekannt, daß Reaktionen eines Tieres nicht voraussehbar sind. Es war der Kl. gestattet, ihr Fahrverhalten auf die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens einzustellen und ihr Fahrzeug stark abzubremsen, zumal sie auch mit einem plötzlichen Überqueren der Fahrbahn rechnen mußte. Das Vorhandensein eines großen Jagdhundes auf der Fahrbahn, auf den in diesem Augenblick ein Hundehalter oder Hundeführer sichtlich keinerlei Einfluß hatte, durfte die Kl. zum Anlaß nehmen, ihr Fahrzeug stark abzubremsen, ohne gegen § 4 I 2 StVO zu verstoßen.

Die Kl. muß sich gem. § 9 StVG i. V. mit § 254 I BGB auch nicht die von ihrem Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr anrechnen lassen, selbst wenn das Anhalten wegen des Hundes für sie kein unabwendbares Ereignis gem. § 7 II StVG war. Die Betriebsgefahr tritt hinter das schuldhafte Verhalten des Bekl. zurück.

Rechtsgebiete

Straßenverkehrs- und Straßenrecht

Normen

BGB § 254; StVO § 4