Auffahrunfall wegen Abbremsens vor einem Pudel

Gericht

LG Köln


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

12. 02. 1986


Aktenzeichen

19 S 248/85


Leitsatz des Gerichts

Ein Auffahrunfall auf einen Pkw, der im Ortsbereich wegen eines die Fahrbahn überquerenden Hundes abgebremst wird, ist für den voranfahrenden Pkw-Fahrer ein unabwendbares Ereignis. Der Auffahrende und der Hundehalter, haften im Verhältnis 2/3 zu 1/3.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. fuhr mit ihrem Kraftfahrzeug im Ortsbereich bei Dunkelheit auf den Mercedes-Pkw des Bekl. zu 2 auf, der wegen eines Pudels abbremste, der plötzlich auf die Straße lief. Den Pudel ließ die Bekl. zu 1 unangeleint laufen. Das AG hat dem Schadensersatzanspruch der Kl. nur gegen die Bekl. zu 1 zu 1/3 stattgegeben. Gegen den Bekl. zu 2 und die Bekl. zu 3 Haftpflichtversicherer des Bekl. zu 2, hat es die Klage abgewiesen. Die Berufungen der Kl. und der Bekl. zu 1 hatten keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... Ein Anspruch der Kl. gegen den Bekl. zu 2 aus § 7 I StVG scheidet deswegen aus, weil der Unfall für den Bekl. zu 2 ein unabwendbares Ereignis i. S. des § 7 II StVG war. Der Bekl. zu 2 hat sich verkehrsgerecht verhalten, als er seinen Wagen wegen des Pudels abbremste. Außerdem hat er auch mit der über die gewöhnliche Sorgfalt hinausgehenden Aufmerksamkeit reagiert. Das folgt aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die die Kammer Bezug nimmt.

Ein Verstoß des Bekl. zu 2 gegen Verkehrsvorschriften ist nicht bewiesen; insbesondere hat er nicht gegen § 4 I 2 StVO verstoßen. Gem. § 4 I 2 StVO darf der Vorausfahrende nicht ohne zwingenden Grund bremsen. Der Pudel, der plötzlich vor den Mercedes auf die Straße lief, war aber für den Bekl. zu 2 ein zwingender Grund. Denn bei plötzlich auftauchenden Hindernissen - wie hier - reagiert ein erfahrener Autofahrer automatisch mit Bremsen ohne Zeit mit der Entscheidung zu vergeuden, ob es sich bei dem Hindernis um etwa ein Kind oder um einen Hund handelt und, falls er einen Hund erkennt, ob es sich um einen kleinen Hund handelt, den er gegebenenfalls überfahren dürfte, oder um einen großen, nicht überfahrbaren. Da mithin der Bekl. zu 2 nicht gegen § 4 I 2 StVO verstoßen hat, hat er außerdem auch mit äußerster Sorgfalt und Umsicht reagiert, die trotzdem nicht ausreichte, den Auffahrunfall zu verhindern. Die Kl. hat keine andere Verhaltensweise des Bekl. zu 2 vorgetragen oder gar nachgewiesen, durch die beides vermieden worden wäre: entweder das Überfahren des Hundes oder das Auffahren der Kl. Der Bekl. zu 2 durfte also gem. § 4 I 2 StVO wegen des Hundes bremsen, weil es sich dabei um einen zwingenden Grund handelt ...

Ein Anspruch der Kl. gegen die Bekl. zu 1 auf Zahlung von 1296,62 DM ist nach § 823 BGB gerechtfertigt. Das folgt daraus, daß die Bekl. zu 1 den Schaden an dem Wagen der Kl. fahrlässig verursacht hat. Die Kl. trifft allerdings der Vorwurf, den Schaden erheblich mitverursacht und mitverschuldet zu haben.

Der Bekl. zu 1 ist i. S. des § 823 I BGB vorzuwerfen, daß sie es unterlassen hat, den Pudel bei dem Spaziergang an die Leine zu nehmen und dadurch die Schäden am Wagen der Kl. schuldhaft mit verursacht hat. Ein Unterlassen kann im Rechtssinne dann einen Schaden rechtswidrig verursachen, wenn eine Pflicht zum Handeln bestand und die Vornahme der gebotenen Handlung den Schaden verhindert hätte. Das ist hier der Fall. Gem. § 28 I 1 StVO bestand für die Bekl. zu 1 die Pflicht, den Hund an die Leine zu nehmen. Nach dieser Vorschrift sind Hunde als Haustiere, die den Verkehr gefährden können, von der Straße fern zu halten. Unter den Umständen, die am 15. 11. 1985 gegen 17.00 Uhr am E-Platz herrschten, konnte der Pudel, selbst wenn er sonst aufs Wort gehorcht haben sollte, unangeleint den Verkehr gefährden. Die Bekl. zu 1 mußte bei dem Hund damit rechnen, daß er, durch den Großstadtverkehr irritiert, unberechenbar reagieren würde. Angesichts der Vielzahl von Reizen, die mitten in einer Großstadt bei Berufsverkehr zwangsläufig auf einen Hund einwirken, ist es auch bei einem gehorsamen Hund nicht ausgeschlossen, daß er plötzlich zum Beispiel durch unbekannte Geräusche und Lichtreflexe aufgeschreckt wird und auf die Straße läuft. Auch ergibt sich aus der Ermittlungsakte, daß es zur Unfallzeit bereits dunkel war. Ein schwarzer Pudel war deshalb nur schlecht zu erkennen. Bei Erfüllung ihrer Pflicht hätte die Bekl. zu 1 den Unfall auch verhindern können, weil es den Umständen nach ausgeschlossen war, daß sich der Pudel von der Leine losgerissen hätte. Die Kammer geht von der Deliktsfähigkeit der zur Unfallzeit bereits 17jährigen Bekl. zu 1 gem. § 828 BGB aus. ...

Auch wenn die Bekl. zu 1 grundsätzlich den Schaden der Kl. aus dem Unfall zu tragen hat, so vermindert sich ihre Haftung aber gem. § 254 BGB, weil die Kl. in überwiegendem Maß den Unfall mitverursacht und verschuldet hat. Auch bezieht sich die Kammer auf das angefochtene Urteil. Nach der gem. § 254 BGB vorzunehmenden Abwägung ist eine Haftungsaufteilung von 1/3 zu 2/3 zugunsten der Bekl. zu 1 angemessen. Diese Anteile schätzt die Kammer in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil nach § 287 ZPO aufgrund der folgenden Erwägungen:

Das Verschulden der Bekl. zu 1 stellt sich im Verhältnis zu demjenigen der Kl. als geringer dar. Außerdem tritt auf Seiten der Kl. die hohe Betriebsgefahr ihres Wagens hinzu. Die Abwägung erfolgt in erster Linie nach dem Maß der beiderseitigen Verursachung. Daneben ist das Maß des beiderseitigen Verschuldens gegenüberzustellen. Dafür ist zunächst entscheidend, daß der Unfall für die Kl. kein unabwendbares Ereignis gem. § 7 II StVG war. Die Annahme eines unabwendbaren Ereignisses ist deswegen ausgeschlossen, weil die Kl. in fahrlässiger Weise gegen § 4 I 1 StVO verstoßen hat, als sie mit ihrem Wagen gegen den Mercedes prallte. Die Kl. durfte zwar ohne den sonst erforderlichen Sicherheitsabstand unmittelbar hinter dem Mercedes der Bekl. zu 1 anfahren. Das hätte sie aber durch erhöhte Bremsbereitschaft ausgleichen und ihren Wagen trotzdem noch hinter dem Wagen des Bekl. zu 2 zum Stehen bringen müssen, als dieser plötzlich abbremste. Wegen der geringen Geschwindigkeit ihres Fahrzeugs ist die Kammer davon überzeugt, daß es der Kl. möglich gewesen sein mußte, den Wagen bei erhöhter Bremsbereitschaft hinter dem Mercedes anzuhalten. Für die Schadensaufteilung ist ferner die Betriebsgefahr des Wagens ausschlaggebend, die sich durch den fahrlässigen Verstoß der Kl. gegen § 4 I 1 StVO erhöht hat.

Rechtsgebiete

Straßenverkehrs- und Straßenrecht

Normen

BGB § 823 I; StVG §§ 7 I, II; StVO § 4 I