Sondereigentumszutritt statt teuere Gerüstaufstellung und Eigenarbeitspflicht bei Instandsetzung

Gericht

BayObLG


Art der Entscheidung

Beschluss über weitere Beschwerde


Datum

12. 10. 1995


Aktenzeichen

2Z BR 66/95


Leitsatz des Gerichts

  1. Ein Wohnungseigentümer muß zwar das Betreten und die Benutzung der in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteile gestatten, soweit dies zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist. Er ist aber nicht verpflichtet, hierzu Arbeiten mit erheblichem Zeitaufwand auf seine Kosten vorzunehmen (hier: Versetzen von Blumentrögen).

  2. Es ist eine Frage des Einzelfalls, ob ein Wohnungseigentümer das Betreten seiner Wohnung zur Sanierung von Gemeinschaftseigentum gestatten muß, um der Gemeinschaft die Kosten für die Aufstellung eines Gerüstes zu ersparen.

  3. Ein Wohnungseigentümer kann die Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens zur Feststellung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum von den Wohnungseigentümern nicht nach § 21 II WEG erstattet verlangen. Das selbständige Beweisverfahren dient nämlich nicht der Abwendung eines unmittelbar drohenden Schadens.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Ast. und die Ag. sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Baumängel am Gemeinschaftseigentum führten zu Wasserschäden in der Wohnung der Ag. und auf den Terrassen, die zu dieser Wohnung gehören. Die Ast. haben beantragt, die Ag. zur Zahlung von insgesamt 7037,19 DM nebst Zinsen zu verpflichten, da die insoweit von ihnen verauslagten Beträge u.a. für die Terrassensanierung und den Gerüstaufbau das Sondereigentum der Ag. betrafen. Die Ag. haben beantragt, die Ast. zur Zahlung von 19508,02 DM und zur Instandsetzung der Balkontüren in ihrer Wohnung zu verpflichten. Ihre eigene Forderung haben die Ag. wie folgt begründet: Am 21. 8. 1991 hätten sie ein gerichtliches Beweissicherungsverfahren über den baulichen Zustand des Flachdachs der Wohnanlage im Bereich über ihren Dachterrassenwohnungen, der Außenwände der Wohnanlage im Bereich ihrer Wohneinheit sowie der Terrassen, die von der Wohnung der Ag. aus begehbar sind, beantragt. Aufgrund des Beschlusses des AG vom 14. 10. 1991 sei ein Sachverständigengutachten erholt worden. Diese Kosten, die Kosten für Malerarbeiten und Parkettarbeiten und für die Auswechslung eines angerosteten Rohres sowie für die Sanierung der völlig verfaulten Balkonhebetüre müßten von den Ast. getragen werden.

Das AG hat die Ag. als Gesamtschuldner verpflichtet, an die Ast. 4572,23 DM nebst Zinsen zu bezahlen (Nr. 1). Die Ast. hat es verpflichtet, an die Ag. als Gesamtgläubiger 13467,69 DM nebst Zinsen zu bezahlen (Nr. 2). Außerdem hat es die Ast. verpflichtet, in der Wohnung der Ag. die Balkonhebetüre instandsetzen zu lassen (Nr. 3). Im übrigen hat das AG die Anträge der Ast. und die Gegenanträge der Ag. abgewiesen (Nr. 4). Gegen diesen Beschluß haben die Ast. und die Ag. sofortige Beschwerde eingelegt. Das LG hat den Beschluß des AG in Nr. 1 aufgehoben. Außerdem hat es den Beschluß des AG in Nr. 2 aufgehoben und dahingehend neu gefaßt, daß die Ast. verpflichtet sind, an die Ag. als Gesamtgläubiger einen Betrag von 13367,69 DM nebst Zinsen zu bezahlen. Im übrigen hat das LG die sofortigen Beschwerden der Ast. und der Ag. zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß richtete sich die sofortige weitere Beschwerde der Ast. teilweise mit Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Über den Anteil hinaus, den sich die Ag. von vornherein abziehen lassen müssen (vgl. BayObLGZ 1986, 322 (326) = NJW-RR 1986, 1463), besteht auch kein Anspruch der Ast. auf Erstattung der Kosten, die durch das Ab- und Zurücktransportieren der Blumentröge entstanden sind. Nach § 14 Nr. 4 WEG müssen zwar die Wohnungseigentümer das Betreten und die Benutzung der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile gestatten, soweit dies zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist. Entgegen der Auffassung der Ast. läßt sich dem Gesetz aber nicht entnehmen, daß ein Wohnungseigentümer verpflichtet ist, alle Gegenstände in seinem Sondereigentum, die die Sanierung von Gemeinschaftseigentum behindern, auf seine Kosten zu entfernen. Dies gilt jedenfalls für die hier notwendig gewordenen Arbeiten, für die in der Rechnung vom 26. 11. 1992 jeweils zwölf Stunden Arbeitszeit für einen Facharbeiter und einen Helfer angesetzt worden sind. In § 14 Nr. 4 WEG wird nur eine Duldungspflicht, nicht aber eine Handlungspflicht normiert.

c) Schließlich sind über den vom LG zuerkannten Betrag hinaus die Kosten für das Aufstellen des Gerüstes nicht erstattungsfähig. ... Angesichts der Aussage des Zeugen S, zur Sanierung der Terrasse seien drei bis vier Arbeitstage erforderlich gewesen und etwa 20 Schubkarrenladungen Schutt hätten transportiert werden müssen, hat das LG offensichtlich nicht gegen seine Pflicht zur ordnungsmäßigen Ausübung des Ermessens verstoßen, wenn es davon abgesehen hat, ein Sachverständigengutachten darüber zu erholen, ob die Terrassensanierung auch ohne Gerüst sinnvoll und zumutbar gewesen wäre.

Wann ein Wohnungseigentümer nach § 14 Nr. 4 WEG verpflichtet ist, das Betreten und die Benutzung seines Sondereigentums zu gestatten, um Instandsetzungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum zu ermöglichen, und wann es der Gemeinschaft zumutbar ist, ein Gerüst zur Durchführung solcher Arbeiten zu benutzen, ist eine Frage des Einzelfalls. So wird ein Wohnungseigentümer, um der Gemeinschaft aufwendige Gerüstaufbauten an der Außenseite zu ersparen, das Betreten seiner Wohnung gestatten müssen, wenn z.B. Malerarbeiten am Balkon durchzuführen sind (vgl. Deckert, Wohnungseigentum, Gruppe 4, S. 38w). In einem Fall wie hier steht es aber außer Frage, daß es den Ag. nicht zumutbar war, für die Sanierungsarbeiten auf der Terrasse das Betreten ihrer Wohnung zu gestatten.

d) Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen steht den Ag. kein Anspruch auf Ersatz der Kosten des Beweissicherungsverfahrens zu. Ein Fall des § 21 II WEG (Notgeschäftsführung zur Abwendung eines dem gemeinschaftlichen Eigentum unmittelbar drohenden Schadens) liegt schon deshalb nicht vor, weil ein selbständiges Beweisverfahren der vorsorglichen Beweiserhebung vor Beginn eines möglichen Prozesses dient (vgl. Thomas/Putzo,ZPO, 19. Aufl., Vorb. § 485 Rdnr. 2), nicht aber der Abwendung eines unmittelbar drohenden Schadens. Auch ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 670 , 677 , 679 , 683 , 684 BGB oder aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812ff.) steht den Ag. nicht zu. Das Wohnungseigentumsgesetz geht davon aus, daß ein einzelner Wohnungseigentümer ohne die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer nur im Fall des § 21 II WEG Maßnahmen der Verwaltung treffen darf. Dies schließt zwar Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht aus (BayObLGZ 1986, 322 (326) = NJW-RR 1986, 1463). Die Voraussetzungen der genannten Vorschriften liegen hier aber nicht vor. Ein Beweissicherungsverfahren entsprach weder dem Interesse noch dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Wohnungseigentümer. Unstreitig waren sie Willens und in der Lage, Baumängel am Gemeinschaftseigentum beseitigen zu lassen. So wurde bereits am 9. 5. 1989 von den Wohnungseigentümern beschlossen, die Terrasse der Ag. sanieren zu lassen. Für eine vorsorgliche Beweiserhebung bestand keine Veranlassung...

An diesem Ergebnis ändert auch nichts die Entscheidung des BGH (LM § 633 BGB Nr. 36 = MDR 1980, 222 = Rpfleger 1980, 14 L), nach der jeder Wohnungseigentümer auch ohne besondere Ermächtigung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer befugt ist, zur Feststellung am gemeinschaftlichen Eigentum aufgetretener Mängel ein Beweissicherungsverfahren zu beantragen. Dieser Entscheidung lag zugrunde, daß die Gewährleistungsansprüche gegenüber einem am Bau beteiligten Dritten gesichert werden sollten; im vorliegenden Fall geht es nicht um die Sicherung von Ansprüchen gegen Dritte.

e) Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die Ast. verpflichtet sind, die Mängel an der Balkonhebetüre zu beseitigen.

Nach § 3 Nr. 1 Gemeinschaftsordnung haben die Wohnungseigentümer Gebäudeteile, Anlagen und Teile von diesen, die entweder zum Sondereigentum gehören oder sich als Gemeinschaftseigentum im Bereich des Sondereigentums befinden, pfleglich zu behandeln. Sie haben insoweit die erforderlichen Reparaturen z.B. am Fußbodenbelag, an Innentüren, Innenseiten der Eingangstüre, Balkontüren, jeweils mit Rahmen und Innenseite der Fenster, Fensterscheiben und Balkoninnenseiten, an den Strom-, Gas-, Wasser- und Abwasserleitungen auf eigene Rechnung vornehmen zu lassen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Vorschrift ergibt sich, daß jedenfalls die Außenseite der Balkontüren nicht auf eigene Rechnung des Wohnungseigentümers zu reparieren ist. Geht man davon aus, daß im vorliegenden Fall die Türholme auch auf der Innenseite durchgefault sind, so ergibt sich gleichwohl insoweit keine Kostentragungspflicht der Ag. Sind die Türholme völlig verfault, so ist eine Aufteilung der Reparaturkosten für die Innenseite und für die Außenseite nicht möglich.

Sachgerecht hat das LG die Gesamtkosten den Ast. auferlegt, weil das Durchfaulen der Türholme auf die Baumängel am Gemeinschaftseigentum (Fassaden, Flachdach und Terrassen) zurückzuführen ist.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

WEG §§ 14 Nr. 4, 21 II; BGB § 677