Verwirkung des Maklerlohns durch Reservierungsgebühr

Gericht

LG Berlin


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

23. 12. 1999


Aktenzeichen

5 O 352/99


Leitsatz des Gerichts

  1. Ein Makler verwirkt seinen Maklerlohnanspruch in entsprechender Anwendung des § 654 BGB, wenn er seinen Auftraggeber veranlasst, eine Absichtserklärung zum Erwerb eines konkreten Grundstücks, einen in Aussicht genommenen spätesten Beurkundungstermin für den Kaufvertrag und darüber hinaus eine unwirksame Reservierungsvereinbarung, die die sofortige Zahlung einer erfolgsunabhängigen Reservierungsgebühr von 1000 DM vorsieht, zu unterzeichnen.

  2. Eine Reservierungsgebühr stellt eine erfolgsunabhängige Teilprovision dar, die über Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht wirksam vereinbart werden kann (vgl. auch OLG Hamm, NJW-RR 1989, 1209; OLG Stuttgart, NJW-RR 1996, 822).

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bekl. suchten ein bebaubares Grundstück und betrauten den Kl. mit der Beibringung eines geeigneten Kaufobjekts. Schließlich vermittelte der Kl. ihnen ein Grundstück, welches die Bekl. mit Vertrag vom 10. 3. 1999 erwarben. Zuvor hatten die Bekl. und der Kl. nach einer Besichtigung des Grundstückes am 6. 2. 1999 eine schriftliche „Reservierungsvereinbarung“ geschlossen. In ihr heißt es u.a.:

1. Vorbemerkung: … Der Kaufinteressent beabsichtigt den Erwerb des Objekts zu den genannten Konditionen.

2. Vertragsinhalt: Der Kaufinteressent beauftragt den Makler mit der Reservierung für ihn bis zum Termin der notariellen Beurkundung.

4. Hinweise: Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass durch diese Vereinbarung die Entschließungsfreiheit des Verkaufs, wie auch des Kaufinteressenten nicht berührt wird und somit keinerlei Verpflichtung zum Verkauf bzw. Erwerb des Vertragsobjekts begründet wird.

5. Reservierungsgebühr: Mit Abschluss dieser Vereinbarung entrichtet der Kaufinteressent an den Makler eine Reservierungsgebühr in Höhe von 1000 DM in Worten - eintausend - (max. 10% der Gesamtprovision einschl. MwSt.). Mit dieser Gebühr ist das Risiko des Maklers, durch die Einstellung der Verkaufsbemühungen während des Reservierungszeitraums einen Provisionsverlust zu erleiden, abgegolten.

6. Notarvertrag: Der Käufer wählt den Notar seines Vertrauens, lässt den notariellen Kaufvertrag vorbereiten und legt einen Beurkundungstermin fest. Der Kaufvertrag sollte bis spätestens 5. 3. 1999 beurkundet sein. Danach verliert die Reservierungsvereinbarung ihre Gültigkeit, soweit keine anderweitigen Vereinbarungen getroffen wurden.

Die Klage auf Zahlung des Maklerlohns hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Kl. hat unter Zugrundelegung seines eigenen Vortrags und seiner Angaben im Rahmen seiner persönlichen Anhörung gegen die Bekl. keinen Anspruch auf Zahlung eines Maklerlohns in Höhe von 13224,00 DM aus dem als Anspruchsgrundlage einzig in Betracht kommenden § 652 I 1 BGB, denn er hat seinen Anspruch auf Maklerlohn verwirkt; § 654 BGB in entsprechender Anwendung.

Zwischen den Parteien ist es am 6. 2. 1999 zum Abschluss eines schriftlichen Maklervertrags mit dem Inhalt der „Reservierungsvereinbarung“ gekommen. Entgegen dem Vortrag des Kl. in der Klageschrift wurde der Kl. von den Bekl. nicht zunächst mit der Vermittlung eines unbestimmten, geeigneten Baugrundstücks beauftragt, welches von dem Kl. schließlich mit dem später erworbenen Grundstück in der X-Straße 3 vermittelt worden sei. Nach dem Ergebnis der persönlichen Anhörung des Kl. in der mündlichen Verhandlung vom 23. 12. 1999 steht vielmehr fest, dass der Kl. nach Beauftragung durch die Verkäuferin an dem erworbenen Grundstück ein Verkaufsschild angebracht hatte, und die Bekl. sich auf dieses Schild hin am 25. 1. 1999 bei ihm telefonisch gemeldet und ihr Interesse gerade an diesem Grundstück kundgetan haben. Nach einer ersten Besichtigung am 26. 1. 1999 kam es am 5. 2. 1999 zu einer weiteren Besichtigung des Grundstücks im Beisein eines Beraters der Bekl. Daraufhin unterzeichneten die Parteien am 6. 2. 1999 im Büro des Kl. den mit „Reservierungsvereinbarung“ bezeichneten Vertrag. Erst mit dem Abschluss dieser Vereinbarung kam zwischen den Parteien ein Maklervertrag zu Stande, der über den eigentlichen Maklervertrag hinaus eine Reservierungsvereinbarung enthält.

Der Anspruch des Kl. auf Zahlung eines Maklerlohns auf Grund des Vertrags vom 6. 2. 1999 ist jedoch in entsprechender Anwendung des § 654 BGB ausgeschlossen, da der Kl. die Bekl. veranlasst hat, eine unwirksame Reservierungsvereinbarung zu unterzeichnen, um bei ihnen den Eindruck einer Verpflichtung zum Kauf des Grundstücks und zur Zahlung von erfolgsunabhängigem Maklerlohn zu erwecken und sie hierdurch aus Eigennutz grob pflichtwidrig über die tatsächliche Rechtslage getäuscht hat. Die nach ihrem Wortlaut nur den Fall der Doppeltätigkeit des Maklers betreffende Vorschrift des § 654 BGB drückt einen von der Treue- und Sorgfaltspflicht des Maklers ausgehenden allgemeinen Rechtsgedanken aus und ist auch in anderen Fällen anzuwenden, in denen der Makler unter vorsätzlicher oder grob leichtfertiger Verletzung wesentlicher Vertragspflichten den Interessen seines Auftraggebers in wesentlicher Weise zuwiderhandelt. Die Verwirkung des Anspruchs hat Strafcharakter und setzt demzufolge nicht voraus, dass dem Auftraggeber durch die Pflichtverletzung überhaupt ein Schaden entstanden ist. Sie soll den Makler bei Vermeidung des Verlusts seines Vergütungsanspruchs dazu anhalten, die ihm gegenüber seinem Auftraggeber obliegende Treuepflicht zu wahren (BGHZ 36, 323, 326 = NJW 1962, 734; BGH, NJW 1981, 280 = LM § 654 BGB Nr. 10).

In Anwendung dieses Grundsatzes hat der BGH eine Verwirkung des Maklerlohnanspruchs entsprechend § 654 BGB bejaht, wenn der Makler mit an Vorsatz grenzender Leichtfertigkeit seinen Auftraggeber veranlasst, eine formnichtige „Ankaufsverpflichtung“ zu unterzeichnen, um bei dem Auftraggeber den Eindruck einer Verpflichtung zum Kauf und zur Zahlung von erfolgsunabhängigem Maklerlohn zu erwecken (BGH, NJW 1981, 280 = LM § 654 BGB Nr. 10; NJW-RR 1990, 372 = VersR 1990, 266). Nichts anderes kann dann gelten, wenn der Makler - wie vorliegend - seinen Auftraggeber veranlasst, eine - im Vertragstext fett gedruckte - Absichtserklärung zum Erwerb eines vorgenannten konkreten Grundstücks, eines in Aussicht genommenen späteren Beurkundungstermins für den Kaufvertrag und darüber hinaus eine unwirksame Reservierungsvereinbarung, die die sofortige Zahlung einer erfolgsunabhängigen Reservierungsgebühr von 1000 DM vorsieht zu unterzeichnen. Denn dieses Vorgehen dient allein den Interessen des zunächst den Makler beauftragenden Verkäufers und den eigenen Interessen des Maklers, indem auf den Käufer ein Druck zum Erwerb des Grundstücks ausgeübt wird, der auf Grund der Unwirksamkeit der Vereinbarung tatsächlich unbegründet ist.

Die in Nr. 5 des Vertrages vom 6. 2. 1999 enthaltene Reservierungsvereinbarung ist als Teil des Maklervertrags (vgl. zu diesem Erfordernis: BGHZ 103, 235 [240] = NJW 1988, 1716 = LM § 313 BGB Nr. 87) gem. § 9 I , II Nr. 1 AGBG unwirksam (vgl.: OLG Hamm, NJW-RR 1989, 1209; OLG Stuttgart, NJW-RR 1996, 822). Die Reservierungsvereinbarung ist Teil der vorformulierten Vertragsbedingungen des Kl., die Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. des § 1 AGBG darstellen. Dem steht nicht entgegen, dass die Höhe der Reservierungsgebühr nicht vorformuliert ist, sondern im Einzelfall eingefügt werden muss. Entscheidend ist, dass das Zahlungsversprechen als solches in dem Formular generell geregelt ist (OLG Hamm, NJW-RR 1989, 1209). Die Vereinbarung einer Reservierungsgebühr benachteiligt den Auftraggeber des Maklers unangemessen, weil sie von der in § 652 BGB getroffenen Regelung abweicht und mit wesentlichen Grundgedanken des Maklerrechtes nicht zu vereinbaren ist. Nach dem gesetzlichen Leitbild erhält der Makler eine Provision nur, wenn der nachgewiesene oder vermittelte Vertrag zu Stande kommt. Abweichend davon soll die Reservierungsgebühr auch dann gezahlt werden, wenn es nicht zum Vertragsschluss kommt. Die Reservierungsgebühr stellt deshalb eine erfolgsunabhängige Teilprovision dar, die über Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht vereinbarungsfähig ist (OLG Hamm, NJW-RR 1989, 1209; OLG Stuttgart, NJW-RR 1996, 822; Staudinger/Reuter, BGB, 12. Aufl., § 652 Rdnr. 160; Schwerdtner, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 652 Rdnr. 242).

Durch diese unwirksame Vereinbarung einer Reservierungsgebühr übte der Kl. zunächst einen wirtschaftlichen Druck auf die Bekl. zum Abschluss des Kaufvertrages aus, denn diese mussten davon ausgehen, dem Kl. auch bei Nichtabschluss des Kaufvertrags zur Zahlung eines Betrags von 1000 DM verpflichtet zu sein. Dem Kl. selbst hingegen war entweder die Unwirksamkeit der Vereinbarung bekannt oder in grob leichtfertiger Weise unbekannt, denn von einem Makler ist zu erwarten, dass er sich über die langjährig bestehende Rechtsprechung zur Unwirksamkeit der Festsetzung einer Reservierungsgebühr in Allgemeinen Geschäftsbedingungen informiert. So war dem Kl. ausweislich des Vertragstexts jedenfalls die Rechtsprechung zur Formbedürftigkeit einer Reservierungsvereinbarung gem. § 313 BGB bekannt, wenn die Höhe der Reservierungsgebühr 10% der gesamten Maklerprovision übersteigt. Insoweit enthält Nr. 5 des Vertragstextes eine vorformulierte Einschränkung.

Darüber hinaus übte der Kl. durch die Aufnahme einer Absichtserklärung zum Ankauf des Grundstücks auch moralischen Druck zum Abschluss des Kaufvertrages auf die Bekl.aus. Dies entsprach auch seiner Absicht, denn er hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 23. 12. 1999 - insoweit nicht protokolliert - bekundet, durch die Reservierungsvereinbarung „habe ein kleiner moralischer Druck ausgeübt werden sollen“. Der moralische Druck zum Abschluss des Kaufvertrages ergibt sich aus der in Nr. 1 des Vertrags vom 6. 2. 1999 enthaltenen uneingeschränkten Absichtserklärung der Bekl. zum Erwerb des Grundstücks. Wörtlich heißt es dort durch Fettdruck hervorgehoben: „Der Kaufinteressent beabsichtigt den Erwerb des Objektes zu den genannten Konditionen.“ Darüber hinaus erweckt auch die in Nr. 6 des Vertrags vom 6. 2. 1999 enthaltene zeitliche Vorgabe zum Abschluss des notariellen Kaufvertrages zumindest den Eindruck einer moralischen Verpflichtung. Dort heißt es wörtlich: „Der Kaufvertrag sollte bis spätestens 5. 3. 1999 beurkundet sein.“

Dem steht nicht entgegen, dass in Nr. 4 des Vertrags vom 6. 2. 1999 festgestellt wird, es bestehe zwischen den Parteien Einigkeit, dass durch diese Vereinbarung die Entschließungsfreiheit des „Verkaufs“, wie auch des Kaufinteressenten nicht berührt wird und somit keinerlei Verpflichtung zum Verkauf bzw. Erwerb des Vertragsobjekts begründet wird. Denn dieser Hinweis steht in Widerspruch zu den vorgenannten Formulierungen des Vertrags und dem durch die unwirksame Vereinbarung der Reservierungsgebühr ausgeübten scheinbaren wirtschaftlichen Druck. Wenn die Entschließungsfreiheit der Parteien durch den Vertrag tatsächlich nicht hätte berührt werden sollen, hätte es der Aufnahme der textlich hervorgehobenen Absichtserklärung der Bekl. in Nr. 1 des Vertrags nicht bedurft, denn irgendein sonstiger Zweck zur Abgabe dieser Erklärung ist nicht ersichtlich. Gleiches gilt für den in § 6 des Vertrages genannten spätesten Beurkundungstermin. Beide Formulierungen hätten durch im Hinblick auf den Abschluss des Kaufvertrages neutrale Formulierungen ersetzt werden können. So hätte etwa die Dauer der Reservierungsvereinbarung mit einem Monat angegeben werden können, ohne dass insoweit auf einen in Aussicht genommenen notariellen Beurkundungstermin hätte abgestellt werden müssen. Diese Formulierungen dienen ersichtlich einzig dazu, bei dem Kaufinteressenten den Eindruck einer vertraglichen zumindest aber moralischen Verpflichtung zum Ankauf des in dem Vertragstext genannten Grundstückes zu erwecken. Dieses Verständnis des Vertragstextes steht in Übereinstimmung mit der von dem Kl. im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst bekundeten Absicht, einen kleinen moralischen Druck auf die Bekl. auszuüben.

Durch diese Vorgehensweise hat der Kl. den Anspruch auf den Maklerlohn verwirkt. Die obigen Ausführungen stehen nicht in Widerspruch zu der Rechtsprechung des BGH, die unter dem Gesichtspunkt der Formbedürftigkeit gem. § 313 BGB einen unangemessenen Erwerbsdruck auf den Käufer grundsätzlich erst dann bejaht, wenn die Reservierungsgebühr 10% der gesamten Maklerprovision übersteigt. Denn die Rechtsprechung zur Unwirksamkeit einer Reservierungsvereinbarung gem. § 9 AGBG steht selbstständig neben derjenigen über die Notwendigkeit einer Beurkundung gem. § 313 BGB. Auch dann, wenn die Gebühr, die der Mäklerkunde bei Ablehnung des angebotenen Hauptvertrags zahlen soll, nicht so hoch ist, dass eine Beurkundung erforderlich wäre, kann die Vereinbarung dieser Gebühr dennoch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unzulässig sein (BGHZ 103, 235 [240] = NJW 1988, 1716 = LM § 313 BGB Nr. 87). Insoweit ist zudem zu berücksichtigen, dass die von den Parteien vereinbarte Reservierungsgebühr mit 1000 DM nicht weit unter einem Betrag von 10% der vereinbarten Gesamtprovision liegt, und für einen Bürger mit Einkünften im durchschnittlichen Bereich einen nicht unerheblichen Betrag ausmacht.

Die Entscheidung steht auch nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des BGH vom 18. 3. 1992 - IV ZR 41/91 - (BGH, NJW-RR 1992, 817). Nach dieser Entscheidung erweist sich ein Makler des Maklerlohns jedenfalls dann als unwürdig, wenn er die Unkenntnis eines Kunden dahin ausnutzt, dass er sich vertraglich einen Betrag in voller Provisionshöhe zusichern lässt, auch wenn es nicht zu einem Grundstückserwerb kommen sollte. Denn aus den Gründen der vorgenannten Entscheidung ist lediglich ersichtlich, dass bei der Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Aufwandsentschädigung in Höhe des vollen Maklerlohns von der Verwirkung des Anspruchs auf Zahlung eines Maklerlohns gem. § 654 BGB auszugehen ist. Der BGH hat die Anwendung des § 654 BGB jedoch nicht auf die Vereinbarung eines Betrages in voller Höhe des Maklerlohns beschränkt. Die Vereinbarung eines gewissen Mindestbetrages als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 654 BGB führt der BGH in dieser Entscheidung nicht an.

Rechtsgebiete

Maklerrecht

Normen

BGB §§ 652, 654