Deutsche Übersetzung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Beschwerde der Prinzessin Caroline von Monaco

Gericht

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

24. 06. 2004


Aktenzeichen

59320/00


Tatbestand

SACHVERHALT

I. DIE UMSTÄNDE DES FALLES

8. Die Beschwerdeführerin ist 1957 geboren und die älteste Tochter von Fürst Rainier III von Monaco. Sie ist in Monaco wohnhaft, hält sich aber überwiegend in der Gegend von Paris auf.

Als Mitglied der Fürstenfamilie übt die Beschwerdeführerin den Vorsitz bei einigen Stiftungen mit humanitärer oder kultureller Prägung aus, wie bei der Stiftung ,,Prinzessin-Grazia" oder der ,,Prinz-Pierre von Monaco" - Stiftung, und nimmt Repräsentationsaufgaben bei Veranstaltungen wie dem Ball des Roten Kreuzes oder der Eröffnung des Internationalen Zirkusfestivals wahr. Sie übt aber keine Funktion innerhalb oder im Auftrag des monegassischen Staats oder seiner Einrichtungen aus.


A. Die Entstehung der Sache

9. Seit Anfang der 90er Jahre bemüht sich die Beschwerdeführerin in verschiedenen europäischen Ländern und häufig auf dem Rechtsweg, die Veröffentlichung von Fotos aus ihrem Privatleben in der Boulevardpresse untersagen zu lassen.

10. Die Fotos, die Gegenstand der weiter unten dargelegten Verfahren sind, wurden durch das Verlagshaus Burda in den deutschen Zeitschriften Bunte und Freizeit Revue sowie durch das Verlagshaus Heinrich Bauer in der deutschen Zeitschrift Neue Post veröffentlicht.


1. Die erste Fotoserie

a) Die in der Freizeit Revue Nr. 30 vom 22. Juli 1993 veröffentlichten fünf Fotos der Beschwerdeführerin

11. Sie zeigen die Beschwerdeführerin in Begleitung des Schauspielers Vincent Lindon auf der Terrasse eines Restaurants in Saint-Rémy-de-Provence. Auf der ersten Seite der Zeitschrift werden die ,,zärtlichsten Fotos ihrer Romanze mit Vincent" angekündigt und die Fotos selbst werden kommentiert mit: ,,diese Fotos sind der Beweis für die zärtlichste Romanze unserer Zeit".

b) Die beiden in der Zeitschrift Bunte Nr. 32 vom 5. August 1993 veröffentlichten Fotos der Beschwerdeführerin

12. Das erste Foto zeigt die Beschwerdeführerin beim Reiten mit dem Kommentar ,,Caroline und die Melancholie. Ihr Leben ist ein Roman mit unzähligen Unglücken, sagt Autor Roig."

Das zweite Foto zeigt sie in Begleitung ihrer beiden Kinder Pierre und Andrea.

Diese Fotos sind Teil des Artikels mit dem Titel: ,,Ich glaube nicht, dass ich die ideale Frau für einen Mann sein kann".

c) Die in der Zeitschrift Bunte Nr. 34 vom 19. August 1993 veröffentlichten sieben Fotos der Beschwerdeführerin

13. Das erste Foto zeigt sie mit ihrer Tochter Charlotte beim Kanufahren, das zweite zeigt ihren Sohn Andrea mit einem Blumenstrauß in der Hand.

Das dritte Foto zeigt sie allein mit umgehängter Korbtasche beim Einkaufen, das vierte zeigt sie mit Vincent Lindon in einem Restaurant und das fünfte allein auf einem Fahrrad.

Das sechste Foto zeigt sie zusammen mit Vincent Lindon und ihrem Sohn Pierre.

Das siebte Foto zeigt sie mit ihrem Leibwächter beim Einkaufen auf dem Markt.

Der Artikel trägt den Titel ,,vom einfachen Glück".


2. Die zweite Fotoserie

a) Die in der Zeitschrift Bunte Nr. 10 vom 27. Februar 1997 veröffentlichten zehn Fotos der Beschwerdeführerin

14. Diese Fotos zeigen die Beschwerdeführerin bei einem Skiurlaub in Zürs/Arlberg. Die Fotos werden von einem Artikel begleitet mit dem Titel ,,Caroline...eine Frau kehrt ins Leben zurück".

b) Die in der Zeitschrift Bunte Nr. 12 vom 13. März 1997 veröffentlichten elf Fotos der Beschwerdeführerin

15. Sieben Fotos zeigen sie in Begleitung von Prinz Ernst August von Hannover beim Besuch eines Reitturniers in Saint-Rémy-de-Provence. Die Fotos werden von einem Artikel mit dem Titel ,,Der Kuss. Oder : jetzt verstecken sie sich nicht mehr" begleitet. Vier weitere Fotos zeigen sie beim Verlassen ihrer Wohnung in Paris mit dem Kommentar ,,Mit Prinzessin Caroline unterwegs in Paris".

c) Die in der Zeitschrift Bunte Nr. 16 vom 10. April 1997 veröffentlichten sieben Fotos der Beschwerdeführerin

16. Diese Fotos zeigen die Beschwerdeführerin auf Seite 1 mit dem Prinzen Ernst August von Hannover und auf den Innenseiten der Zeitschrift, wie sie mit ihm Tennis spielt oder wie die beiden ihre Fahrräder abstellen.


3. Die dritte Fotoserie

17. Die Fotoserie in der Zeitschrift Neue Post Nr. 35/97 zeigt die Beschwerdeführerin im ,,Beach Club" von Monte-Carlo, bekleidet mit einem Badeanzug und einem um den Oberkörper geschlungen Badelaken, wie sie über ein Hindernis stolpert und zu Boden stürzt. Die recht unscharfen Fotos werden von einem Artikel mit dem Titel ,,Prinz Ernst August haute auf den Putz und Prinzessin Caroline fiel auf die Nase" begleitet.


B. Die Verfahren vor den deutschen Gerichten

1. Die erste Verfahrensserie

a) Das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 4. Februar 1993

18. Mit Klage vom 13. August 1993 vor dem Landgericht Hamburg nahm die Beschwerdeführerin das Verlagshaus Burda auf Unterlassung jeder neuen Veröffentlichung der ersten Fotoserie in Anspruch, mit der Begründung, dass die Fotos ihr in den Artikeln 2 Absatz 1 und 1 Absatz 1 Grundgesetz (GG) garantiertes Persönlichkeitsrecht sowie ihr Recht auf Schutz ihrer Privatsphäre und ihr Recht am eigenen Bild, das in §§ 22 ff Kunsturhebergesetz (siehe unten die Randnummern 43 - 44) garantiert ist, verletzen.

19. Mit Urteil vom 4. Februar 1993 gab das Landgericht der Klage der Beschwerdeführerin gemäß den Bestimmungen des Internationalen Privatrechts (Artikel 38 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch) in Verbindung mit Artikel 9 des französischen Code civil nur insoweit statt, als es um die Verbreitung der Zeitschriften in Frankreich ging.

Hinsichtlich der Verbreitung der Zeitschriften in Deutschland sei dagegen deutsches Recht anzuwenden. Aufgrund von § 23 Absatz 1 Nr. 1 Kunsturhebergesetz (KUG) müsse die Beschwerdeführerin als ,,absolute Person der Zeitgeschichte" solche Veröffentlichungen hinnehmen.

Nach Auffassung des Landgerichts habe sie auch kein berechtigtes Interesse dargelegt, welches das Verbot der weiteren Veröffentlichung rechtfertige, da das Recht auf Schutz des Privatlebens für ,,absolute Personen der Zeitgeschichte" an deren Haustür ende. Alle Fotos der Beschwerdeführerin seien jedoch ausschließlich an öffentlichen Orten aufgenommen worden.

b) Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom 8. Dezember 1994

20. Die Beschwerdeführerin legte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein.

21. Mit Urteil vom 8. Dezember 1994 wies das Oberlandesgericht Hamburg die Berufung der Beschwerdeführerin zurück und hob das Urteil in Bezug auf das Verbot der weiteren Veröffentlichungen in Frankreich auf.

Ebenso wie das Landgericht vertrat das Oberlandesgericht die Auffassung, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Abstammung eine absolute Person der Zeitgeschichte sei und somit die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotos, die alle an öffentlichen Orten aufgenommen worden waren, hinnehmen müsse. Selbst wenn ihr Alltagsleben durch die ständige Belästigung durch Fotografen erschwert würde, wäre dies das Ergebnis eines berechtigten Informationsinteresses der Allgemeinheit.

c) Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 1995

22. Gegen dieses Urteil legte die Beschwerdeführerin Revision ein.

23. Mit Urteil vom 19. Dezember 1995 gab der Bundesgerichtshof der Revision der Beschwerdeführerin teilweise statt und untersagte jede neue Veröffentlichung der Fotos, die in der Zeitschrift Freizeit Revue Nr. 30 vom 22. Juli 1993 erschienen waren und die Beschwerdeführerin in Begleitung von Vincent Lindon auf der Terrasse eines Restaurants zeigten, da diese Fotos ihr Recht auf Achtung ihres Privatlebens beeinträchtigten.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs habe auch eine absolute Person der Zeitgeschichte Anspruch auf Achtung der Privatsphäre, wobei der Schutz der Privatsphäre sich nicht nur auf den häuslichen Bereich erstrecke, sondern ebenfalls die Veröffentlichung von Fotos umfasse. Außerhalb des eigenen Hauses könne jedoch diese Person einen Schutz ihrer Privatsphäre nur geltend machen, wenn sie sich in eine örtliche Abgeschiedenheit zurückgezogen habe und für alle objektiv erkennbar sei, dass sie allein sein wolle und in der sie sich im Vertrauen auf die Abgeschiedenheit so verhalte, wie sie es in der breiten Öffentlichkeit nicht tun würde. In diesen Schutzbereich werde unzulässigerweise eingegriffen, wenn Bilder veröffentlicht werden, die heimlich und/oder durch Ausnutzung der Überrumpelung einer Person aufgenommen worden sind, die sich in eine solche örtliche Abgeschiedenheit zurückgezogen hat. Dies treffe hier zu, weil die Beschwerdeführerin sich mit ihrem Freund auf die Terrasse eines Restaurants zurückgezogen habe und sich erkennbar nicht den Blicken einer breiteren Öffentlichkeit habe darbieten wollen.

Dagegen wies der Bundesgerichtshof die weitere Revision mit der Begründung zurück, dass die Beschwerdeführerin als absolute Person der Zeitgeschichte die Veröffentlichung von Fotos, die sie an einem öffentlichen Ort zeigen, dulden müsse, selbst wenn es sich um Fotos aus ihrem Alltagsleben und nicht um Fotos handele, die sie in Ausübung ihrer offiziellen Funktion zeigen. In der Tat habe die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse zu erfahren, wo sich die Beschwerdeführerin aufhalte und wie sie sich in der Öffentlichkeit verhalte.

d) Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1999

24. Die Beschwerdeführerin erhob sodann Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht und machte eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz) geltend. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sind die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Kriterien zum Schutz der Privatsphäre bei Fotoaufnahmen an öffentlichen Orten ungeeignet, die freie Entfaltung der Persönlichkeit im privaten oder familiären Bereich wirksam zu schützen. Die Kriterien seien so eng gefasst, dass die Beschwerdeführerin praktisch jederzeit außerhalb ihrer Wohnung fotografiert werden könne und diese Fotos danach in den Medien veröffentlicht werden könnten.

Da derartige Fotos nicht dazu dienten, die Öffentlichkeit ernsthaft zu informieren, sondern nur dazu, sie zu unterhalten, sei das in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts anerkannte Recht am eigenen Bild, soweit es sich um Situationen aus dem Privatleben handelt, vorrangig gegenüber der - ebenfalls durch das Grundgesetz garantierten - Pressefreiheit.

25. Im Grundsatzurteil vom 15. Dezember 1999 gab das Bundesverfassungsgericht der Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin nach mündlicher Verhandlung teilweise statt und vertrat die Auffassung, dass die drei in der Zeitschrift Bunte Nr. 32 vom 5. August 1993 und Nr. 34 vom 19. August 1993 erschienenen Fotos, welche die Beschwerdeführerin in Begleitung ihrer Kinder zeigten, ihr durch die Artikel 2 Absatz 1 und 1 Absatz 1 Grundgesetz garantiertes Recht auf Persönlichkeitsschutz, verstärkt durch ihr in Artikel 6 Grundgesetz garantiertes Recht auf Schutz der Familie, verletzten. Insoweit verwies das Bundesverfassungsgericht die Sache an den Bundesgerichtshof zurück. Hingegen wies es die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin in Bezug auf die übrigen Fotos zurück.

Der einschlägige Auszug dieses Urteils lautet:

,,Die Verfassungsbeschwerde ist zum Teil begründet.
(...)

II.

Die angegriffenen Urteile werden den Anforderungen von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG nicht in vollem Umfang gerecht.

1. Die Vorschriften der §§ 22 und 23 KUG, auf die die Zivilgerichte ihre Entscheidungen gestützt haben, sind allerdings mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gemäß Art. 2 Abs. 1 GG ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet. Dazu zählen auch die Vorschriften über die Veröffentlichung fotografischer Abbildungen von Personen in §§ 22 und 23 KUG. Die Regelung geht auf einen anstoßerregenden Vorfall (Aufnahmen Bismarcks auf dem Totenbett (...) und die daran anschließende rechtspolitische Diskussion (...) zurück und sucht einen angemessenen Ausgleich zwischen der Achtung der Persönlichkeit und den Informationsinteressen der Allgemeinheit herzustellen (...).

Nach § 22 Satz 1 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Von diesem Grundsatz nimmt § 23 Abs. 1 KUG unter anderem Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte aus (...). Dies gilt gemäß § 23 Abs. 2 KUG jedoch nicht für eine Verbreitung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Mit diesem abgestuften Schutzkonzept trägt die Regelung sowohl dem Schutzbedürfnis der abgebildeten Person als auch den Informationswünschen der Öffentlichkeit und den Interessen der Medien, die diese Wünsche befriedigen, ausreichend Rechnung. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits früher festgestellt (...).
(...)

b) Im vorliegenden Fall ist bei der Auslegung und Anwendung von §§ 22 und 23 KUG nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht, sondern auch die in Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG garantierte Pressefreiheit zu berücksichtigen, die ebenfalls von diesen Vorschriften berührt wird.
(...)

Dass die Presse eine meinungsbildende Funktion zu erfüllen hat, schließt die Unterhaltung nicht aus der verfassungsrechtlichen Funktionsgewährleistung aus. Meinungsbildung und Unterhaltung sind keine Gegensätze. Auch in unterhaltenden Beiträgen findet Meinungsbildung statt. Sie können die Meinungsbildung unter Umständen sogar nachhaltiger anregen oder beeinflussen als ausschließlich sachbezogene Informationen. Zudem lässt sich im Medienwesen eine wachsende Tendenz beobachten, die Trennung von Information und Unterhaltung sowohl hinsichtlich eines Presseerzeugnisses insgesamt als auch in den einzelnen Beiträgen aufzuheben und Information in unterhaltender Form zu verbreiten oder mit Unterhaltung zu vermengen (,,Infotainment") Viele Leser beziehen folglich die ihnen wichtig oder interessant erscheinenden Informationen gerade aus unterhaltenden Beiträgen (...).

Aber auch der bloßen Unterhaltung kann der Bezug zur Meinungsbildung nicht von vornherein abgesprochen werden. Es wäre einseitig anzunehmen, Unterhaltung befriedige lediglich Wünsche nach Zerstreuung und Entspannung, nach Wirklichkeitsflucht und Ablenkung. Sie kann auch Realitätsbilder vermitteln und stellt Gesprächsgegenstände zur Verfügung, an die sich Diskussionsprozesse und Integrationsvorgänge anschließen können, die sich auf Lebenseinstellungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster beziehen, und erfüllt insofern wichtige gesellschaftliche Funktionen (...). Unterhaltung in der Presse ist aus diesem Grund, gemessen an dem Schutzziel der Pressefreiheit, nicht unbeachtlich oder gar wertlos und deswegen ebenfalls in den Grundrechtsschutz einbezogen.

Dies gilt auch für die Berichterstattung über Personen. Personalisierung bildet ein wichtiges publizistisches Mittel zur Erregung von Aufmerksamkeit. Sie weckt vielfach erst das Interesse an Problemen und begründet den Wunsch nach Sachinformationen. Auch Anteilnahme an Ereignissen und Zuständen wird meist durch Personalisierung vermittelt. Prominente Personen stehen überdies für bestimmte Wertvorstellungen und Lebenshaltungen. Vielen bieten sie deshalb Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen. Sie werden zu Kristallisationspunkten für Zustimmung oder Ablehnung und erfüllen Leitbild- oder Kontrastfunktionen. Darin hat das öffentliche Interesse an den verschiedensten Lebensbezügen solcher Personen seinen Grund.

Für Personen des politischen Lebens ist ein derartiges Interesse des Publikums unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle stets als legitim anerkannt worden. Es lässt sich aber auch für andere Personen des öffentlichen Lebens nicht grundsätzlich bestreiten. Insofern entspricht die nicht auf bestimmte Funktionen oder Ereignisse begrenzte Darstellung von Personen den Aufgaben der Presse und fällt daher ebenfalls in den Schutzbereich der Pressefreiheit. Erst bei der Abwägung mit kollidierenden Persönlichkeitsrechten kann es darauf ankommen, ob Fragen, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen, ernsthaft und sachbezogen erörtert oder lediglich private Angelegenheiten, die nur die Neugier befriedigen, ausgebreitet werden... .

c) Das Urteil des Bundesgerichtshofs hält der verfassungsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis überwiegend stand.

aa) Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, dass der Bundesgerichtshof die Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 Abs. 1 KUG nach dem Maßstab des Informationsinteresses der Allgemeinheit bestimmt und aufgrund dessen Veröffentlichungen von Abbildungen der Beschwerdeführerin auch außerhalb ihrer repräsentativen Funktion im Fürstentum Monaco als zulässig angesehen hat.

§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG stellt die Veröffentlichung von Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG frei. Die Vorschrift nimmt nach der gesetzgeberischen Intention (...) und nach Sinn und Zweck der Regelung auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit Rücksicht. Die Belange der Öffentlichkeit sind daher gerade bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals zu beachten. Denn Abbildungen von Personen, denen die zeitgeschichtliche Bedeutung abgesprochen wird, dürfen der Öffentlichkeit nicht frei, sondern nur mit Einwilligung der Betroffenen, zugänglich gemacht werden. Das weitere dem Grundrechtseinfluss offen stehende Tatbestandsmerkmal des ,,berechtigten Interesses" in § 23 Abs. 2 KUG bezieht sich von vornherein nur auf Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung und kann folglich die Belange der Pressefreiheit nicht mehr ausreichend aufnehmen, wenn diese zuvor bei der Abgrenzung des Personenkreises außer acht gelassen worden sind.

Es trägt der Bedeutung und Tragweite der Pressefreiheit Rechnung, ohne den Persönlichkeitsschutz unverhältnismäßig zu beschneiden, dass der Begriff der Zeitgeschichte in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG nicht nach Maßgabe einer richterlichen Inhaltsbestimmung etwa allein Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung erfasst, sondern vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her bestimmt wird (...). Zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist. Unterhaltende Beiträge sind davon, wie dargelegt, nicht ausgenommen. Nicht zu beanstanden ist ferner, dass der Bundesgerichtshof dem ,,Bereich der Zeitgeschichte" gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auch Bildnisse von Personen zuordnet, die das öffentliche Interesse nicht punktuell durch ein bestimmtes zeitgeschichtliches Ereignis auf sich gezogen haben, sondern unabhängig von einzelnen Ereignissen aufgrund ihres Status und ihrer Bedeutung allgemeine öffentliche Aufmerksamkeit finden. Dabei fällt auch die gesteigerte Bedeutung ins Gewicht, die der Bildberichterstattung im Vergleich zur Entstehungszeit des Kunsturhebergesetzes heute zukommt. Der in diesem Zusammenhang in Judikatur und Literatur regelmäßig verwandte Begriff einer ,,absoluten Person der Zeitgeschichte" ergibt sich zwar weder zwingend aus dem Gesetz noch aus der Verfassung. Mit dem Oberlandesgericht und dem Bundesgerichtshof als abgekürzte Ausdrucksweise für Personen verstanden, deren Bild die Öffentlichkeit um der dargestellten Person willen der Beachtung wert findet, ist es aber verfassungsrechtlich unbedenklich, solange die einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den berechtigten Interessen des Abgebildeten nicht unterbleibt.

Eine Beschränkung der einwilligungsfreien Veröffentlichung auf Bilder, die Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung bei der Ausübung der Funktion zeigen, die sie in der Gesellschaft wahrnehmen, verlangt das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht. Es kennzeichnet häufig gerade das öffentliche Interesse, welches solche Personen beanspruchen, dass es nicht nur der Funktionsausübung im engeren Sinn gilt. Vielmehr kann es sich wegen der herausgehobenen Funktion und der damit verbundenen Wirkung auf die Informationen darüber erstrecken, wie sich diese Personen generell, also außerhalb ihrer jeweiligen Funktion, in der Öffentlichkeit bewegen. Diese hat ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, ob solche Personen, die oft als Idol oder Vorbild gelten, funktionales und persönliches Verhalten überzeugend in Übereinstimmung bringen.

Eine Begrenzung der Bildveröffentlichungen auf die Funktion einer Person von zeitgeschichtlicher Bedeutung würde demgegenüber das öffentliche Interesse, welches solche Personen berechtigterweise wecken, unzureichend berücksichtigen und zudem eine selektive Darstellung begünstigen, die dem Publikum Beurteilungsmöglichkeiten vorenthielte, die es für Personen des gesellschaftlich-politischen Lebens wegen ihrer Leitbildfunktion und ihres Einflusses benötigt. Ein schrankenloser Zugriff auf Bilder von Personen der Zeitgeschichte wird der Presse dadurch nicht eröffnet. Vielmehr gibt § 23 Abs. 2 KUG den Gerichten ausreichend Möglichkeit, die Schutzanforderungen von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG zur Geltung zu bringen (...).

bb) Im Grundsatz sind auch die Kriterien, die der Bundesgerichtshof in Auslegung des Tatbestandsmerkmals des ,,berechtigte Interesses" in § 23 Abs. 2 KUG entwickelt hat, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Nach dem angegriffenen Urteil setzt die schützenswerte Privatsphäre, die auch den so genannten ,,absoluten Personen der Zeitgeschichte" zusteht, eine örtliche Abgeschiedenheit voraus, in die sich jemand zurückgezogen hat, um dort objektiv erkennbar für sich allein zu sein, und in der er sich im Vertrauen auf die Abgeschiedenheit so verhält, wie er es in der breiten Öffentlichkeit nicht tun würde. Einen Verstoß gegen §§ 22 und 23 KUG nimmt der Bundesgerichtshof an, wenn Bilder veröffentlicht werden, die von dem Betroffenen in einer solchen Situation heimlich oder unter Ausnutzung einer Überrumpelung aufgenommen worden sind.

Das Kriterium der örtlichen Abgeschiedenheit trägt einerseits dem Sinn des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Rechnung, dem Einzelnen auch eine Sphäre außerhalb seiner eigenen Häuslichkeit zu sichern, in der er sich nicht unter ständiger öffentlicher Beobachtung weiß und sein Verhalten deswegen nicht im Hinblick auf diese Beobachtung kontrollieren muss, sondern die Möglichkeit der Entspannung und des Zu-sich-selbst-Kommens findet. Andererseits engt es die Pressefreiheit nicht übermäßig ein, weil es das Alltags- und Privatleben von Personen der Zeitgeschichte der Bildberichterstattung nicht völlig entzieht, sondern dort, wo es sich in der Öffentlichkeit abspielt, auch der Abbildung zugänglich macht. Bei überragendem öffentlichen Informationsinteresse kann die Pressefreiheit nach dieser Rechtsprechung sogar dem Schutz der Privatsphäre vorgehen (...).

Der Bundesgerichtshof durfte auch dem Verhalten des Einzelnen in einer bestimmten Situation Indizwirkung dafür beimessen, dass er sich erkennbar in einer Sphäre der Abgeschiedenheit befindet. Allerdings setzt der Schutz vor Abbildungen in dieser Sphäre nicht erst dann ein, wenn der Betroffene dort ein Verhalten an den Tag legt, das er unter den Augen der Öffentlichkeit vermeiden würde. Die örtliche Abgeschiedenheit vermag ihre Schutzfunktion für die Persönlichkeitsentfaltung vielmehr nur dann zu erfüllen, wenn sie dem Einzelnen ohne Rücksicht auf sein jeweiliges Verhalten einen Raum der Entspannung sichert, in dem er nicht ständig die Anwesenheit von Fotografen oder Kameraleuten zu gewärtigen hat. Doch kommt es darauf im vorliegenden Fall nicht an, weil es nach den Feststellungen, von denen der Bundesgerichtshof ausgegangen ist, schon an der ersten Bedingung für den Privatsphärenschutz fehlt.

Schließlich lässt es sich verfassungsrechtlich nicht beanstanden, dass bei der Abwägung zwischen öffentlichem Informationsinteresse und Privatsphärenschutz der Methode der Informationsgewinnung Bedeutung beigemessen wird (...). Ob allein durch heimliche oder überrumpelnde Aufnahmen die außerhäusliche Privatsphäre verletzt werden kann, begegnet indes Zweifeln. Angesichts der Funktion, die diese Sphäre von Verfassungswegen erfüllen soll, und angesichts des Umstands, dass einem Bild oft nicht angesehen werden kann, ob es heimlich oder überrumpelnd aufgenommen worden ist, kann ein unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre jedenfalls nicht nur beim Vorliegen dieser Merkmale angenommen werden. Da der Bundesgerichtshof für die umstrittenen Fotografien aber bereits das Vorhandensein einer Sphäre der Abgeschiedenheit verneint hat, berühren die Zweifel das Ergebnis seiner Entscheidung insoweit nicht.

cc) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen sind dagegen nicht erfüllt, soweit die angegriffenen Entscheidungen dem Umstand keine Beachtung geschenkt haben, dass die persönlichkeitsrechtliche Schutzposition der Beschwerdeführerin im Fall des familiären Umgangs mit ihren Kindern durch Art. 6 GG verstärkt wird.

dd) Im Einzelnen ergibt sich daraus für die verschiedenen Abbildungen folgendes: Keinen Anlass zur verfassungsrechtlichen Beanstandung gibt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich derjenigen Abbildungen, die die Beschwerdeführerin beim Gang zum Markt, mit einer Leibwächterin auf dem Markt und mit einem Begleiter in einem gut besuchten Lokal zeigen. In den ersten beiden Fällen handelt es sich um unabgeschlossene, von der breiten Öffentlichkeit aufgesuchte Plätze. Im dritten Fall handelt es sich zwar um einen räumlich umgrenzten Bereich, in dem die Beschwerdeführerin aber unter den Augen der anwesenden Öffentlichkeit steht. Aus diesem Grund setzt sich der Bundesgerichtshof auch nicht in Widerspruch zu der Untersagung der Verbreitung von Fotos aus dem Gartenlokal, die zwar Gegenstand der angegriffenen Entscheidungen, nicht aber der Verfassungsbeschwerde ist. Der Platz, den die Beschwerdeführerin dort mit ihrem Begleiter einnahm, wies alle Merkmale der Abgeschiedenheit auf. Der Umstand, dass die Fotografien offensichtlich aus weiter Ferne aufgenommen worden sind, deutet zusätzlich darauf hin, dass die Beschwerdeführerin davon ausgehen durfte, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein.

Die Entscheidung ist auch nicht zu beanstanden, soweit es um die Fotos geht, auf denen die Beschwerdeführerin allein gezeigt wird, wie sie reitet und Fahrrad fährt. Der Bundesgerichtshof hat sie ebenfalls auf der Grundlage seiner Anschauung nicht der Sphäre örtlicher Abgeschiedenheit, sondern der Öffentlichkeitssphäre zugerechnet. Das ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch die Beschwerdeführerin selbst zählt die Bilder nur deswegen zur abgeschiedenen Privatsphäre, weil sie ihren Wunsch erkennen ließen, allein zu bleiben. Auf den bloßen Willen kommt es aber nach den dargelegten Kriterien nicht an.

Die drei Fotos, auf denen die Beschwerdeführerin zusammen mit ihren Kindern abgebildet ist, verlangen dagegen eine erneute Prüfung unter den verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, die oben aufgezeigt worden sind. Es lässt sich nicht ausschließen, dass die Überprüfung anhand dieser Maßgaben bezüglich einzelner oder aller Bilder zu einem anderen Ergebnis führt. Insoweit ist das Urteil des Bundesgerichtshofs daher aufzuheben und der Fall zur erneuten Entscheidung an ihn zurückzuverweisen.

d) Für die angegriffenen Urteile des Landgerichts und des Oberlandesgerichts folgt der Grundrechtsverstoß bereits daraus, dass diese die von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Privatsphäre - allerdings in Einklang mit der seinerzeitigen Rechtsprechung - auf den häuslichen Bereich beschränkt haben. Einer Aufhebung der Entscheidungen bedarf es gleichwohl nicht, weil der Verstoß insoweit vom Bundesgerichtshof geheilt worden ist und die Sache im Übrigen an ihn zurückverwiesen wird. (...) »

e) Das weitere Verfahren

26. Im Nachgang zu der Zurückverweisung der Sache an den Bundesgerichtshof in Bezug auf die drei in der Zeitschrift Bunte Nr. 32 vom 5. August 1993 und Nr. 34 vom 19. August 1993 erschienenen Fotos, welche die Beschwerdeführerin in Begleitung ihrer Kinder zeigen, gab das Verlagshaus Burda eine Unterlassungserklärung ab.


2. Die zweite Verfahrensserie

a) Das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 26. September 1997

27. Am 14. Mai 1997 klagte die Beschwerdeführerin erneut vor dem Landgericht Hamburg gegen das Verlagshaus Burda auf Unterlassung jeder Neuveröffentlichung der zweiten Fotoserie, mit der Begründung, dass diese ihr in den Artikeln 2 Absatz 1 und 1 Absatz 1 Grundgesetz garantiertes Recht auf Schutz ihrer Persönlichkeit sowie ihre Rechte auf Schutz der Privatsphäre und am eigenen Bild, das in den §§ 22 ff Kunsturhebergesetz garantiert ist, verletzen.

28. Mit Urteil vom 26. September 1997 wies das Landgericht Hamburg die Klage ab und bezog sich insbesondere auf die Begründung des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 1995.

b) Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom 10. März 1998

29. Die Beschwerdeführerin legte gegen dieses Urteil Berufung ein.

30. Mit Urteil vom 10. März 1998 wies das Oberlandesgericht Hamburg die Berufung der Beschwerdeführerin mit der gleichen Begründung ebenfalls zurück.

c) Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. April 2000

31. Da das Oberlandesgericht eine Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen hatte, erhob die Beschwerdeführerin unmittelbar vor dem Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde und trug ihre früheren Argumente erneut vor.

32. Am 4. April 2000 entschied das Bundesverfassungsgericht durch eine mit drei Richtern besetzte Kammer, die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen und berief sich insbesondere auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 1995 sowie auf sein eigenes Grundsatzurteil vom 15. Dezember 1999.


3. Die dritte Verfahrensserie

a) Das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 24. April 1998

33. Am 5. November 1997 klagte die Beschwerdeführerin erneut vor dem Landgericht Hamburg gegen das Verlagshaus Burda auf Unterlassung jeder neuen Veröffentlichung der dritten Fotoserie, mit der Begründung, dass diese ihr in den Artikeln 2 Absatz 1 und 1 Absatz 1 Grundgesetz garantiertes Recht auf Schutz ihrer Persönlichkeit sowie ihr Rechte auf Schutz der Privatsphäre und am eigenen Bild, das in den §§ 22 ff Kunsturhebergesetz garantiert ist, verletzen.

Die Beschwerdeführerin legte insbesondere eine eidesstattliche Versicherung des Direktors des ,,Beach Club" Monte-Carlo vor, aus der sich ergab, dass es sich hierbei um eine private Badeanstalt handelt, deren Zutritt die Zahlung eines hohen Eintrittspreises voraussetzte und streng kontrolliert war, und die Journalisten und Fotografen nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Betreibers der Anlage betreten dürften. Die Tatsache aber, dass die Aufnahmen sehr unscharf seien, würde beweisen, dass diese heimlich aus einigen hundert Metern Entfernung von einem Fenster oder Dach eines Nachbargebäudes aufgenommen worden seien.

34. Mit Urteil vom 24. April 1998 wies das Landgericht Hamburg die Klage ab und bezog sich insbesondere auf die Begründung des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 1995. Das Landgericht legte dar, dass der ,,Beach-Club" in Monte-Carlo als ein öffentliches Freibad anzusehen sei, selbst wenn der Einritt kostenpflichtig und beschränkt sei.

b) Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom 13. Oktober 1998

35. Die Beschwerdeführerin legte gegen dieses Urteil Berufung ein.

36. Mit Urteil vom 13. Oktober 1998 wies das Oberlandesgericht Hamburg die Berufung der Beschwerdeführerin mit der gleichen Begründung ebenfalls zurück. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts handelt es sich bei einem Schwimmbad oder einem Strand nicht um einen abgeschiedenen Ort, und die Fotos, auf denen die Beschwerdeführerin zu sehen ist, wie sie über ein Hindernis stolpert und fällt, seien weder ehrenrührig, noch geeignet, sie in der öffentlichen Meinung herabzusetzen.

c) Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. April 2000

37. Da das Oberlandesgericht eine Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen hatte, erhob die Beschwerdeführerin unmittelbar vor dem Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde und trug ihre früheren Argumente erneut vor.

38. Am 13. April 2000 entschied das Bundesverfassungsgericht durch eine mit drei Richtern besetzte Kammer, die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen und berief sich insbesondere auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 1995 sowie auf sein eigenes Grundsatzurteil vom 15. Dezember 1999. Das Bundesverfassungsgericht vertrat die Auffassung, dass die ordentlichen Gerichte rechtsgültig festgestellt hatten, dass der ,,Beach Club" in Monte-Carlo kein abgeschiedener Ort sei und die Fotos, auf denen die Beschwerdeführerin in Badekleidung und bei einem Sturz zu sehen sei, nicht zu der Feststellung Anlass gäben, dass ihr Recht auf Achtung ihrer Privatsphäre verletzt worden sei.


II. DAS EINSCHLÄGIGE INNERSTAATLICHE UND EUROPÄISCHE RECHT

A. Das Grundgesetz

39. Die einschlägigen Bestimmungen des Grundgesetzes lauten wie folgt:

Artikel 1 Absatz 1
,,Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt."

Artikel 2 Absatz 1
,,Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt."

Artikel 5 Absatz 1
,,(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre."

Artikel 6 Absätze 1 und 2
"(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft."


B. Das Kunsturhebergesetz

40. § 22 Satz 1 des Kunsturhebergesetzes bestimmt, dass Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen.

41. § 23 Absatz 1 Ziffer 1 dieses Gesetzes sieht Ausnahmen zu dieser Regel vor, insbesondere, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, unter der Voraussetzung, dass diese Veröffentlichung kein berechtigtes Interesse der betroffenen Person verletzt (§ 23 Satz 2).


C. Die Entschließung 1165 (1998) der Parlamentarischen Versammlung des Europarats über das Recht auf Achtung des Privatlebens

42. Die von der Parlamentarischen Versammlung am 26. Juni 1998 angenommene Entschließung lautet insgesamt wie folgt:

1. Die Versammlung verweist auf ihre während der Septembersitzung 1997 veranstaltete Dringlichkeitsdebatte über das Recht auf Privatsphäre wenige Wochen nach dem Unfalltod der Prinzessin von Wales.

2. Bei dieser Debatte forderten einige Redner den Schutz der Privatsphäre und insbesondere den von Personen, die im öffentlichen Interesse stehen, auf europäischer Ebene durch ein Übereinkommen zu verstärken, während andere die Ansicht vertraten, dass die Privatsphäre durch nationale Gesetze und die Europäische Menschenrechtskonvention ausreichend geschützt werde und dass die freie Meinungsäußerung nicht gefährdet werden dürfe.

3. Um diese Frage weiter zu untersuchen, hat der Ausschuss für Recht und Menschenrechte am 16. Dezember 1997 in Paris eine Anhörung unter Beteiligung von Personen des öffentlichen Interesses oder ihrer Vertreter und der Medien veranstaltet.

4. Das in Artikel acht der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Recht auf Privatsphäre wurde von der Versammlung bereits in der in der Entschließung 428 (1970) enthaltenen Erklärung über die Massenmedien und Menschenrechte definiert als ,,das Recht, sein Leben nach eigenen Vorstellungen zu leben bei einem Mindestmaß an Eingriffen".

5. Angesichts der neuen Kommunikationstechnologien, die es ermöglichen, persönliche Daten zu speichern und zu verwenden, sollte das Recht auf Kontrolle der eigenen persönlichen Daten in diese Definition mit aufgenommen werden.

6. Die Versammlung ist sich dessen bewusst, dass es oft zu Eingriffen in die persönliche Privatsphäre kommt, selbst in Ländern mit speziellen Gesetzen zum Schutz dieser Privatsphäre, da das Privatleben von Menschen zu einer höchst lukrativen Angelegenheit für einige Mediensparten geworden ist. Die Opfer sind im wesentlichen Personen des öffentlichen Interesses, da Einzelheiten über ihr Privatleben als verkaufsfördernde Anreize dienen. Gleichzeitig müssen Personen, die im öffentlichen Interesse stehen, sich dessen bewusst sein, dass ihr Privatleben aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung - die sie oft infolge ihrer eigenen Entscheidung einnehmen - automatisch stärkeren Belastungen ausgesetzt ist.

7. Personen, die im öffentlichen Interesse stehen, sind Personen, die ein öffentliches Amt bekleiden und/oder öffentliche Mittel in Anspruch nehmen und - noch genereller gesehen - alle diejenigen, die eine Rolle im öffentlichen Leben spielen, sei es in der Politik, der Wirtschaft, der Kunst, im Sozialbereich, im Sport oder in anderen Bereichen.

8. Eingriffe in die Privatsphäre von Menschen durch die Medien geschehen oft unter Inanspruchnahme einer einseitigen Auslegung des in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten Rechts der freien Meinungsäußerung, wobei die Medien beanspruchen, dass ihre Leser das Recht haben, alles über diese Personen des öffentlichen Interesses zu erfahren.

9. Bestimmte Fakten in bezug auf das Privatleben von Personen des öffentlichen Interesses, insbesondere von Politikern, können in der Tat für die Bürger von Interesse sein, und es kann daher für Leser, die ebenfalls Wähler sind, ein berechtigtes Anliegen sein, über diese Fakten informiert zu werden.

10. Es ist daher notwendig, einen Weg zu finden, um die Ausübung von zwei grundlegenden Rechten, die beide in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert werden, nämlich das Recht auf Wahrung der Privatsphäre und das Recht der freien Meinungsäußerung, miteinander in Einklang zu bringen.

11. Die Versammlung bekräftigt, dass das Recht auf Privatsphäre und das Recht der freien Meinungsäußerung von grundlegender Bedeutung für eine demokratische Gesellschaft sind. Diese Rechte sind weder absolute Rechte noch stehen sie in einer bestimmten Rangordnung, denn sie besitzen alle den gleichen Stellenwert.

12. Die Versammlung weist jedoch darauf hin, dass das Recht auf Privatsphäre, wie in Artikel acht der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert, nicht nur den einzelnen vor Eingriffen durch öffentliche Behörden, sondern auch vor Eingriffen durch Privatpersonen oder Institutionen, einschließlich der Massenmedien, schützen sollte.

13. Die Versammlung ist der Ansicht, dass nachdem alle Mitgliedstaaten mittlerweile die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert haben und nachdem viele nationale Gesetzgebungen Regelungen vorsehen, die diesen Schutz gewährleisten, keine Notwendigkeit besteht vorzuschlagen, ein neues Übereinkommen, welches das Recht auf Privatsphäre garantiert, zu verabschieden.

14. Die Versammlung fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, soweit derartige Gesetze noch nicht bestehen, Gesetze zu verabschieden, mit denen das Recht auf Privatsphäre garantiert wird und welche folgende Richtlinien enthalten oder, falls derartige Gesetze bereits bestehen, diese durch folgende Richtlinien zu ergänzen:

i. die Möglichkeit, eine zivilrechtliche Klage anzustrengen, um bei einem Eingriff in die Privatsphäre Schadensersatz beanspruchen zu können, sollte gewährleistet sein;

ii. Verleger und Journalisten sollten bei Veröffentlichungen, die einen Eingriff in die Privatsphäre darstellen, ebenso haftbar gemacht werden wie bei Verleumdungen;

iii. wenn Verleger Informationen veröffentlicht haben, die sich als falsch herausstellen, sollten sie ebenfalls verpflichtet werden, auf Verlangen der Betroffenen, eine Gegendarstellung an nicht zu übersehender Stelle zu veröffentlichen;

iv. Wirtschaftssanktionen sollten in Betracht gezogen werden für Verlagsanstalten, die systematisch die Privatsphäre von Menschen durch Eingriffe verletzen;

v. die Verfolgung oder Jagd von Personen, um sie zu fotografieren, filmen oder Aufnahmen von ihnen zu machen in einer Art und Weise, die dazu führt, dass sie daran gehindert werden, ein normales, ruhiges und ungestörtes Privatleben zu genießen oder sogar dazu, dass sie körperliche Schäden erleiden, sollte verboten werden;

vi. eine Zivilklage des Opfers gegen den Fotografen oder eine direkt betroffene Person sollte in solchen Fällen erlaubt sein, in denen ,,Paparazzi" sich unerlaubten Zugang verschafft oder ,,Teleobjektive oder Mikrofone" verwendet haben, um Aufzeichnungen zu erlangen, die sie anderenfalls nicht ohne widerrechtlichen Zutritt erlangt hätten;

vii. für Personen, die davon Kenntnis haben, dass über ihr Privatleben Informationen oder Bilder verbreitet werden sollen, sollte die Möglichkeit eines eiligen Rechtsschutzes gegeben sein, wie eine einstweilige Verfügung oder eine vorläufige Beschlagnahme mit dem Ziel, die Verbreitung des Materials auszusetzen, vorbehaltlich einer richterlichen Entscheidung über die Berechtigung der Klage wegen Eingriff in die Privatsphäre;

viii. die Medien sollten ermutigt werden, eigene Richtlinien für Veröffentlichungen einzuführen und ein Organ einzurichten, an welches sich jeder Bürger wenden kann, um sich wegen Beeinträchtigung seiner Privatsphäre zu beschweren und die Veröffentlichung einer Richtigstellung zu beantragen.

15. Die Versammlung fordert jene Regierungen auf, die dies noch nicht getan haben, unverzüglich das Übereinkommen des Europarates zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten zu ratifizieren.

16. Die Versammlung fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten ebenfalls auf:

i. die Berufsverbände von Journalisten zu ermutigen, spezielle Kriterien für die Berufszulassung sowie Normen der Selbstkontrolle und einen journalistischen Verhaltenskodex zu erarbeiten;

ii. als Teil der journalistischen Ausbildung einen Rechtskurs vorzusehen, in dem die Bedeutung des Rechts auf Privatsphäre gegenüber der Gesellschaft als solcher herausgestellt wird;

iii. die Entwicklung einer Medienkultur auf breiter Ebene verstärkt zu fördern als Teil der Menschenrechtserziehung, um das Bewusstsein der Mediennutzer für die mit dem Recht auf Wahrung der Privatsphäre verbundenen Erfordernisse zu sensibilisieren;

iv. bei Verstößen durch die Presse den Zugang zu Gerichten und Rechtsverfahren zu erleichtern, um sicherzustellen, dass die Rechte von Opfern besser geschützt werden."

Entscheidungsgründe

RECHTLICHE WÜRDIGUNG

I. DIE BEHAUPTETE VERLETZUNG DES ARTIKELS 8 DER KONVENTION

43. Die Beschwerdeführerin behauptet, dass die Entscheidungen der deutschen Gerichte ihr Recht auf Achtung ihres in Artikel 8 der Konvention garantierten Privat- und Familienlebens verletzt hätten. Dieser Artikel lautet wie folgt:

"(1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
(2) Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer."


A. Argumente der Parteien und der Drittbeteiligten

1. Die Beschwerdeführerin

44. Die Beschwerdeführerin führt aus, seit zehn Jahren erfolglos zu versuchen, ihr Recht auf Schutz des Privatlebens vor den deutschen Gerichten geltend zu machen. Sofort nach Verlassen ihres Hauses werde sie ständig von Paparazzi bedrängt, die sämtliche Bewegungen in ihrem täglichen Leben verfolgten, ob sie die Straße überquere, ihre Kinder von der Schule abhole, Einkäufe tätige, spazieren gehe, Sport treibe oder in Ferien fahre. Der Beschwerdeführerin zufolge ist der Schutz des Privatlebens einer der Öffentlichkeit bekannten Person, wie sie es sei, im deutschen Recht gering; in dieser Hinsicht sei der vom Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht definierte Begriff der Abgeschiedenheit viel zu eng gefasst. Zudem müsse sie jedes Mal nachweisen, dass sie sich in örtlicher Abgeschieden befinde, um in den Genuss dieses Schutzes zu gelangen. Daher habe sie überhaupt keine Privatsphäre und könne sich nicht frei bewegen, ohne eine Zielscheibe für Paparazzi zu sein. Die Beschwerdeführerin führt aus, dass für die Veröffentlichung von Fotos, die sie nicht bei offiziellen Anlässen zeigen, in Frankreich ihre vorherige Zustimmung erforderlich sei. Nun würden derartige Fotos regelmäßig in Frankreich aufgenommen und dann nach Deutschland weiterverkauft und dort veröffentlicht. Aufgrund der deutschen Rechtsprechung werde somit der Schutz ihres Privatlebens, in dessen Genuss sie in Frankreich komme, regelmäßig umgangen. Hinsichtlich der Pressefreiheit gibt die Beschwerdeführerin an, deren wesentliche Rolle in einer demokratischen Gesellschaft in Bezug auf Informations- und Meinungsbildung nicht zu verkennen; gleichwohl handele es sich in ihrem Fall um die einfache Unterhaltungspresse, welche die voyeuristischen Tendenzen ihrer Leserschaft zu befriedigen suche und mit generell banalen Fotos aus ihrem Alltagsleben große Erlöse erzielen wolle. Schließlich führt die Beschwerdeführerin erneut an, dass es ihr sachlich unmöglich sei, für jedes Foto den Nachweis zu führen, dass sie sich tatsächlich in örtlicher Abgeschiedenheit aufgehalten habe oder nicht. Denn die Gerichtsverfahren fänden im Allgemeinen mehrere Monate nach der Veröffentlichung der Fotos statt und dies bedeute konkret, dass die Beschwerdeführerin ständig einen Terminplan führen müsste, in dem ihre sämtlichen Bewegungen aufgeführt sind, um sich gegen Paparazzi zu schützen, die sie fotografieren könnten. Bei zahlreichen Fotos, die dieser Beschwerde zugrunde liegen, sei es unmöglich nachzuvollziehen, wann und wo die Fotos genau aufgenommen wurden.


2. Die Regierung 45. Die Regierung behauptet, dass das deutsche Recht auch unter Berücksichtigung der bedeutenden Rolle der Pressefreiheit in einer demokratischen Gesellschaft über einen hinlänglichen Schutz verfüge, um Missbräuche zu verhindern und einen wirksamen Schutz der Privatsphäre, auch von Personen des öffentlichen Interesses, zu gewährleisten. Im Übrigen hätten die deutschen Gerichte der Regierung zufolge im vorliegenden Fall einen gerechten Ausgleich zwischen den in Artikel 8 garantierten Rechten der Beschwerdeführerin auf Achtung ihres Privatlebens und der in Artikel 10 garantierten Pressefreiheit im Hinblick auf den diesbezüglichen Ermessensspielraum des Staates geschaffen. In der ersten Instanz hätten die Gerichte zunächst festgestellt, dass die Fotos nicht in örtlicher Abgeschiedenheit aufgenommen worden waren; und hätten, in der zweiten Instanz, die Beschränkungen des Schutzes der Privatsphäre insbesondere im Licht der Pressefreiheit geprüft, auch wenn es sich um Veröffentlichungen von Fotos durch die Unterhaltungspresse gehandelt habe. Der Persönlichkeitsschutz einer ,,absoluten Person der Zeitgeschichte" erfordere nicht, dass die Fotos, die ohne ihre Zustimmung veröffentlicht werden können, sich auf solche beschränken, welche die betroffene Person in Ausübung ihrer offiziellen Funktionen zeigen, denn die Allgemeinheit habe ein berechtigtes Interesse zu erfahren, wie sich diese Person allgemein in der Öffentlichkeit verhält. Nach Auffassung der Regierung steht diese Definition der Pressefreiheit durch das Bundesverfassungsgericht in Einklang mit Artikel 10 der Konvention und der diesbezüglichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Zudem stelle der Begriff der örtlichen Abgeschiedenheit nur einen wenngleich wichtigen Gesichtspunkt dar, der von den innerstaatlichen Gerichten bei der Abwägung des Schutzes der Privatsphäre und der Pressefreiheit berücksichtigt werde. Somit könnten, wenn der Schutz der Privatsphäre geringer sei, weil eine der Allgemeinheit bekannte Person an einem öffentlichen Ort abgelichtet werde, andere Gesichtspunkte ebenfalls eine Rolle spielen, wie beispielsweise die Art der Fotos, welche die Allgemeinheit nicht schockieren dürfen. Schließlich erinnert die Regierung daran, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs - der die Veröffentlichung der Fotos, auf denen die Beschwerdeführerin in Begleitung des Schauspielers Vincent Lindon auf der Terrasse eines Restaurants in Saint-Rémy-de-Provence abgebildet ist, für rechtswidrig erachtet hatte - beweise, dass die Beschwerdeführerin über einen Schutz der Privatsphäre auch außerhalb des häuslichen Bereichs verfüge.


3. Die Drittbeteiligten

46. Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger vertritt die Auffassung, dass das deutsche Recht, welches in der Mitte zwischen den Vorschriften in Frankreich und dem Vereinigten Königreich liege, einen angemessenen Ausgleich zwischen Privatsphäre und Pressefreiheit gewährleistet. Es würde ebenfalls die in der Entschließung des Europarats Nr. 1165 aufgeführten Grundsätze zum Schutz des Privatlebens sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs achten, der stets die herausragende Bedeutung der Presse in einer demokratischen Gesellschaft betont habe. Ein legitimes Informationsinteresse der Allgemeinheit bestehe nicht nur gegenüber Politikern, sondern auch gegenüber Personen von öffentlichem Interesse, die aus anderen Gründen in der Öffentlichkeit stünden. Die Rolle der Presse als ,,öffentlicher Wachhund" dürfe insoweit nicht eingeschränkt interpretiert werden. Hier müsse auch die Tatsache berücksichtigt werden, dass die Grenzen zwischen politischer Berichterstattung und Unterhaltung allmählich aufgelöst würden. Da ferner kein europäischer Standard zum Schutz der Privatsphäre bestehe, habe der Staat einen weiten Beurteilungsspielraum in diesem Bereich.

47. Die Burda-Gesellschaft schließt sich den Ausführungen des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger an und betont, dass das deutsche Recht stets in jedem Einzelfall von den Gerichten eine genaue Abwägung des öffentlichen Informationsinteresses einerseits und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte andererseits verlange. Dabei würden die ,,absoluten" Personen der Zeitgeschichte alles andere als schutzlos sein, wobei die Tendenz der Rechtsprechung in den letzten Jahren sogar in Richtung einer stärkeren Betonung des Persönlichkeitsrechtsschutzes ginge. Außerdem sei die Beschwerdeführerin offiziell seit dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1982 ,,First Lady" der konstitutionellen Erbmonarchie Monaco, womit ihr eine Vorbildfunktion zukomme. Ferner habe die Familie Grimaldi stets die Aufmerksamkeit der Medien gesucht und sei demnach für das öffentliche Interesse an ihr selbst verantwortlich. Die Beschwerdeführerin könne infolgedessen - vor allem wenn man ihre offiziellen Funktionen betrachte - nicht als ein Opfer der Presse angesehen werden; sie würde durch die angegriffenen Publikationen nicht in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt, weil die beanstandeten Bilder aufgenommen worden seien, als sie Teil der Öffentlichkeit gewesen sei, und keineswegs unwürdig seien.


B. Beurteilung des Gerichtshofs

1. Bezüglich des Beschwerdegegenstands

48. Der Gerichtshof hebt zunächst hervor, dass die Fotos, auf denen die Beschwerdeführerin mit ihren Kindern abgebildet ist, nicht mehr Gegenstand dieser Beschwerde sind, wie der Gerichtshof in seiner Zulässigkeitsentscheidung vom 8. Juli 2003 festgestellt hat. Gleiches gilt für die in der Zeitschrift Freizeit Revue Nr. 30 vom 22. Juli 1993 veröffentlichten Fotos, auf denen die Beschwerdeführerin in Begleitung des Schauspielers Vincent Lindon auf der Terrasse eines Gartenlokals in Saint-Rémy-de-Provence abgebildet ist (s. Rdnr. 11). Mit Urteil vom 19. Dezember 1995 hat der Bundesgerichtshof in der Tat jede neue Veröffentlichung dieser Fotos mit der Begründung untersagt, dass diese das Recht der Beschwerdeführerin auf Achtung ihres Privatlebens beeinträchtigten (s. Rdnr. 23).

49. Demnach erachtet es der Gerichtshof für nützlich, darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Beschwerde die folgenden Fotos betrifft, die Teil einer Serie von Artikeln bilden, die über die Beschwerdeführerin erschienen sind:

das in der Zeitschrift Bunte Nr.32 vom 5. August 1993 veröffentlichte Foto, das die Beschwerdeführerin auf einem Pferd zeigt (s. Rdnr. 12);

- die in der Zeitschrift Bunte Nr. 34 vom 19. August 1993 veröffentlichten Fotos, die die Beschwerdeführerin allein beim Einkaufen, mit Herrn Vincent Lindon in einem Restaurant, allein radfahrend und mit einer Leibwächterin auf dem Markt zeigen (s. Rdnr. 13);
- die in der Zeitschrift Bunte Nr. 10 vom 27. Februar 1997 veröffentlichten Fotos, auf denen die Beschwerdeführerin bei ihrem Skiurlaub in Österreich abgebildet ist (s. Rdnr. 14);
- die in der Zeitschrift Bunte Nr. 12 vom 13. März 1997 veröffentlichten Fotos, die die Beschwerdeführerin in Begleitung des Prinzen Ernst August von Hannover oder allein beim Verlassen ihrer Pariser Wohnung zeigen (s. Rdnr. 15);
- die in der Zeitschrift Bunte Nr. 16 vom 10. April 1997 veröffentlichten Fotos, auf denen die Beschwerdeführerin beim Tennisspielen mit dem Prinzen Ernst August von Hannover abgebildet ist oder wie beide ihre Fahrräder abstellen (s. Rdnr. 16);
- die in der Zeitschrift Neue Post Nr. 35/97 veröffentlichten Fotos, die die Beschwerdeführerin beim Sturz über ein Hindernis im ,,Beach Club" von Monte-Carlo zeigen (s. Rdnr. 17).

2. Bezüglich der Anwendbarkeit des Artikels 8

50. Der Gerichtshof erinnert daran, dass die Begriffsbestimmung Privatleben eine Reihe von Aspekten beinhaltet, die sich auf die Identität einer Person beziehen, wie den Namen der Person (Rechtssache Burghartz ./, Schweiz, Urteil vom 22. Februar 1994, Serie A, Bd. 280-B, S. 28, Rdnr. 24) oder das Recht am eigenen Bild (Rechtssache Schüssel ./. Österreich, (Entsch.), Nr. 42409/98, 21. Februar 2002).

Außerdem erstreckt sich der Bereich des Privatlebens nach dem Verständnis des Gerichtshofs auf die physische und sittliche Integrität einer Person; die Garantie aus Artikel 8 der Konvention dient hauptsächlich dazu, die Entwicklung der Persönlichkeit jedes Einzelnen im Rahmen der Beziehungen zu anderen Menschen unter Ausschluss äußerer Eingriffe zu gewährleisten (siehe sinngemäß Niemietz ./. Deutschland. Urteil vom 16. Dezember 1992, Serie A, Bd. 251-B, S. 33, Rdnr. 29, und Botta ./. Italien, Urteil vom 24. Februar 1998, Sammlung der Urteile und Entscheidungen 1998-I, S. 422, Rdnr. 32). Demnach gibt es zwischen dem Einzelnen und Dritten eine interaktive Zone, die auch in einem öffentlichen Zusammenhang dem ,,Privatleben" zugerechnet werden kann (siehe sinngemäß die Rechtssachen P.G. und J.H. ./. Vereinigtes Königreich, Nr. 44787/98, Rdnr. 56, EuGHMR 2000-IX, und Peck ./. Vereinigtes Königreich, Nr. 4464/98, Rdnr. 57, EuGHMR 2003-I).

51. Der Gerichtshof hat ebenfalls darauf hingewiesen, dass eine Person unter bestimmten Voraussetzungen eine ,,berechtigte Hoffnung" auf Schutz und Achtung ihres Privatlebens hat. So hat er in einer Rechtssache, in der es um die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs in Geschäftsräumen ging, die Meinung vertreten, dass die Beschwerdeführerin ,,zu Recht den privaten Charakter solcher Anrufe erwarten durfte" (Halford ./. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 25. Juni 1997, Sammlung 1997-III, S. 1016, Rdnr. 46).

52. Im Falle von Fotos hat die Kommission zwecks Begrenzung der Tragweite des Schutzes aus Artikel 8 gegen einen willkürlichen behördlichen Eingriff geprüft, ob die Fotos sich auf private oder öffentliche Angelegenheiten bezögen und ob das so gewonnene Material einer eingeschränkten Nutzung dienen oder der Öffentlichkeit insgesamt zur Verfügung gestellt werden sollte (siehe sinngemäß Friedl ./. Österreich, Urteil vom 31. Januar 1995, Serie A, Bd. 305-B, gütliche Einigung, Stellungnahme der Kommission, S. 21, Rdnr. 49-52, o.a. Rechtssache P.G. und J.H., Rdnr. 58 und o.a. Rechtssache Peck, Rdnr. 61).

53. In der vorliegenden Sache steht außer Zweifel, dass die von verschiedenen deutschen Zeitschriften veröffentlichten Fotos, auf denen die Beschwerdeführerin allein oder mit anderen Personen im Rahmen ihres Alltagslebens zu sehen ist, ihr Privatleben berühren.


3. Bezüglich der Beachtung des Artikels 8

a. Die Wertung durch die innerstaatlichen Gerichte

54. Der Gerichtshof stellt fest, dass das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 15. Dezember 1999 die §§ 22 und 23 des Kunsturhebergesetzes ausgelegt hat (s. Rdnr. 40-41), indem es die Anforderungen der Pressefreiheit und diejenigen des Privatsphärenschutzes , d.h. das Informationsinteresse der Allgemeinheit und die berechtigten Interessen der Beschwerdeführerin gegeneinander abgewogen hat. Auf diese Weise hat das Bundesverfassungsgericht zwei Kriterien nach deutschem Recht in Betracht gezogen, wobei eines funktionaler und das andere räumlicher Natur ist. So war das Gericht der Auffassung, dass die Beschwerdeführerin als ,,absolute" Person der Zeitgeschichte über einen Schutz ihrer Privatsphäre auch außerhalb des häuslichen Bereichs verfüge, jedoch nur dann, wenn sie sich in räumlicher Abgeschiedenheit unter Ausschluss der Öffentlichkeit befände, ,,in die sich die betroffene Person zurückzieht, um dort objektiv erkennbar für sich allein zu sein und in der sie sich im Vertrauen auf die Abgeschiedenheit so verhält, wie sie es in der breiten Öffentlichkeit nicht tun würde". Im Licht dieser Kriterien kam das Bundesverfassungsgericht zu dem Schluss, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 1995 bezüglich der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotos in Einklang mit dem Grundgesetz stehe; bei seiner Würdigung hat es der Pressefreiheit entscheidende Bedeutung beigemessen, selbst wenn es sich um die Unterhaltungspresse handele, wie auch dem Interesse der Allgemeinheit zu erfahren, wie sich die Beschwerdeführerin außerhalb ihrer Repräsentationspflichten verhalte (s. Rdnr. 25).

55. In den nachfolgenden von der Beschwerdeführerin angestrengten Verfahren hat das Bundesverfassungsgericht ihre Beschwerden unter Berufung auf sein Grundsatzurteil nicht zur Entscheidung angenommen (s. Rdnr. 32 und 38).


b. Die allgemeinen Grundsätze in Bezug auf den Schutz des Privatlebens und die freie Meinungsäußerung

56. In der vorliegenden Sache beklagt die Beschwerdeführerin nicht eine staatliche Handlung, sondern den mangelnden Schutz ihres Privatlebens und ihres Rechts am eigenen Bild seitens des Staats.

57. Der Gerichtshof macht wiederholt deutlich, dass Artikel 8, auch wenn es sein grundsätzliches Ziel ist, den Einzelnen vor willkürlichen behördlichen Eingriffen zu schützen, sich nicht darauf beschränkt, dem Staat aufzuerlegen, sich solcher Eingriffe zu enthalten: zu diesen negativen können positive Verpflichtungen hinzukommen, die Bestandteil einer wirksamen Achtung des Privat- und Familienlebens sind. Diese Verpflichtungen können Maßnahmen erforderlich machen, die der Achtung der Privatsphäre dienen und bis in die Beziehungen zwischen den Einzelnen untereinander hineinreichen (siehe sinngemäß die Rechtssachen X. und Y. ./. Niederlande, Urteil vom 26. März 1985, Serie A, Bd. 91, S. 11, Rdnr. 23, und Stjerna ./. Finnland, Urteil vom 25. November 1994, Serie A, Bd. 299-B, S. 61, Rdnr. 38, und Verliere ./. Schweiz (Entsch.), Nr. 41953/98, 28. Juni 2001).

Dies gilt auch für den Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem Missbrauch durch Dritte (siehe die s. Rechtssache Schüssel). Die Abgrenzung der positiven von den negativen Verpflichtungen des Staates aus Artikel 8 eignet sich zwar nicht für eine präzise Bestimmung, doch sind die anwendbaren Grundsätze durchaus vergleichbar. In beiden Fällen ist insbesondere ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den konkurrierenden Interessen des Einzelnen und der Allgemeinheit insgesamt herzustellen und zu beachten, wobei der Staat in beiden Fällen über einen Ermessensspielraum verfügt (siehe unter zahlreichen Präzedenzfällen die Rechtssachen Keegan ./. Irland, Urteil vom 26. Mai 1994, Serie A Bd. 290, S. 19, Rdnr. 49, und die o.a. Sache Botta, S. 427, Rdnr. 33).

58. Dieser Schutz des Privatlebens ist mit der nach Artikel 10 der Konvention garantierten freien Meinungsäußerung zu einem Ausgleich zu bringen.

In diesem Zusammenhang erinnert der Gerichtshof daran, dass die Freiheit der Meinungsäußerung eine der Grundfesten einer demokratischen Gesellschaft darstellt. Vorbehaltlich von Artikel 10 Absatz 2 gilt diese nicht nur für die ,,Informationen" oder ,,Ideen", die Zustimmung finden oder als harmlos oder unerheblich betrachtet werden, sondern auch für solche, die verletzend, schockierend oder beunruhigend wirken. Dies gebieten nämlich der Pluralismus, die Toleranz und die Aufgeschlossenheit, ohne die es eine ,,demokratische Gesellschaft" nicht geben kann (Rechtssache Handyside ./. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 7. Dezember 1976, Serie A, Bd. 24, S. 23, Rdnr. 49).

In diesem Rahmen kommt der Presse eine wesentliche Rolle in einer demokratischen Gesellschaft zu: Wenn sie auch bestimmte Grenzen nicht überschreiten darf, so insbesondere beim Schutz des guten Rufs und der Rechte anderer, obliegt es ihr gleichwohl, unter Achtung ihrer Pflichten und Verantwortlichkeiten Informationen und Ideen zu allen Fragen von Allgemeininteresse weiterzugeben (siehe unter zahlreichen Präzedenzfällen die Rechtssachen Observer und Guardian ./. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 26. November 1991, Serie A, Bd. 216, S. 29-30, Rdnr. 59, und Blådet Tromsø und Steensaas ./. Norwegen [GC], Nr. 21980/93, Rdnr. 59, EuGHMR 1999-III). Die journalistische Freiheit beinhaltet auch den etwaigen Rückgriff auf einen gewissen Grad an Übertreibung oder sogar Provokation (Rechtssachen Prager und Oberschlick ./. Österreich, Urteil vom 26. April 1995, Serie A, Bd. 313, S. 19, Rdnr. 38, und Tammer ./. Estland, 6. Februar 2001, Nr. 41205/98, Rdnr. 59-63, und Prisma Presse ./. Frankreich (Entsch.), Nr. 66910/01 u. 71612/01, 1. Juli 2003).

59. Obwohl die Freiheit der Meinungsäußerung auch für die Veröffentlichung von Fotos gilt, so handelt es sich hier aber um einen Bereich, in dem der Schutz des guten Rufs und der Rechte anderer eine besondere Bedeutung einnimmt. Es handelt sich hier nicht um die Verbreitung von ,,Ideen", sondern von Bildern, die sehr persönliche oder sogar intime ,,Informationen" über einen Menschen enthalten. Außerdem entstehen die in der Boulevardpresse veröffentlichten Fotos oftmals unter Bedingungen, die einer Dauerbelästigung gleichkommen und von der betroffenen Person als besonders heftiges Eindringen in ihr Privatleben, wenn nicht sogar als Verfolgung empfunden werden.

60. In den Sachen, in denen es um den Ausgleich zwischen dem Schutz der Privatsphäre und der freien Meinungsäußerung ging und über die der Gerichtshof zu entscheiden hatte, hat er stets auf den Beitrag abgestellt, den Fotos oder Artikel in der Presse zu einer Debatte von allgemeinem Interesse leisten (siehe unlängst die o.a. Rechtssache Tammer, Rdnr. 59 ff., News Verlags GmbH & Co KG ./. Österreich, Nr. 31457/96, Rdnr. 52 u.ff., EGMR 2000-I, und Krone Verlags GmbH & Co KG ./. Österreich, Nr. 34315/96, Rdnr. 33 ff., 26. Februar 2002). So hat der Gerichtshof in einer Rechtssache die Auffassung vertreten, dass die Verwendung bestimmter Begriffe zwecks Charakterisierung des Privatlebens eines Einzelnen nicht ,,durch das Interesse der Öffentlichkeit gerechtfertigt" sei und dass diese Ausdrücke ,,sich nicht auf eine Frage von allgemeinem Interesse bezogen hätten" (s. Rechtssache Tammer, Rdnr. 68); daraufhin kam er zu dem Schluss, dass eine Verletzung des Artikels 10 nicht vorläge. In einem anderen Fall hat der Gerichtshof hingegen die Tatsache unterstrichen, dass die anhängige Sache von besonderer Aktualität und ,,von großem Interesse für die Öffentlichkeit" sei und dass die veröffentlichten Fotos ,,sich nicht auf Details aus dem Privatleben" der betroffenen Person bezögen (s. Rechtssache Krone Verlag, Rdnr. 37); daraufhin kam er zu dem Schluss, dass eine Verletzung des Artikels 10 vorläge. So war der Gerichtshof auch in einer jüngsten Rechtssache, bei der es um die Veröffentlichung eines Buchs des früheren Leibarztes des Präsidenten Mitterand mit Enthüllungen über dessen Gesundheitszustand ging, der Meinung, dass ,,je weiter die Zeit fortgeschritten sei, umso mehr gewinne das öffentliche Interesse an den beiden siebenjährigen Amtszeiten des Präsidenten Mitterand gegenüber den Anforderungen des Schutzes seiner Rechte in Bezug auf die ärztliche Verschwiegenheit die Oberhand" (Plon (Société) ./. Frankreich, Nr. 58148/00, Rdnr. 53, 18. Mai 2004); daraufhin kam er zu dem Schluss, dass eine Verletzung des Artikels 10 vorläge.


c. Die Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze durch den Gerichtshof

61. Der Gerichtshof hebt zunächst hervor, dass die in verschiedenen deutschen Zeitschriften abgedruckten Fotos der Beschwerdeführerin diese im Alltagsleben zeigen, also bei rein privaten Tätigkeiten: beim Sport, Spazieren gehen, Verlassen eines Restaurants oder im Urlaub. Diese Fotos, auf denen die Beschwerdeführerin entweder allein oder in Begleitung anderer Personen abgebildet ist, sind Teil einer Serie von Artikeln mit harmlose Überschriften wie ,,Vom einfachen Glück", ,,Caroline ... eine Frau kehrt ins Leben zurück", ,,Mit Prinzessin Caroline unterwegs in Paris" oder ,,Der Kuss". Oder: jetzt verstecken sie sich nicht mehr" (s. Rdnr. 11-17).

62. Der Gerichtshof stellt danach fest, dass die Beschwerdeführerin als Mitglied des monegassischen Fürstenhauses Repräsentationsaufgaben bei bestimmten kulturellen Ereignissen oder Wohltätigkeitsveranstaltungen wahrnimmt. Sie übt aber keine Funktion innerhalb oder im Auftrag des monegassischen Staates oder seiner Einrichtungen aus (s. Rdnr. 8).

63. Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass ein grundsätzlicher Unterschied gemacht werden muss zwischen einer Berichterstattung über Fakten, die - selbst wenn sie kontrovers behandelt werden - geeignet sind, zu einer Debatte in einer demokratischen Gesellschaft beizutragen, wenn sie sich auf Politiker beispielsweise in Ausübung ihrer Ämter bezieht, und einer Berichterstattung über Einzelheiten aus dem Privatleben einer Person, die überdies solche Funktionen wie im vorliegenden Fall nicht ausübt. Wenn die Presse im ersten Fall auch ihre wesentliche Rolle als ,,Wachhund" in einer demokratischen Gesellschaft spielt und dazu beiträgt ,,Ideen und Informationen zu Fragen von öffentlichem Interesse weiterzugeben" (s. Rechtssache Observer und Guardian, ibidem), so trifft dies auf den zweiten Fall nicht zu.

64. Selbst wenn es ein Informationsrecht der Öffentlichkeit gibt, das in einer demokratischen Gesellschaft als wesentlich gilt und sich unter bestimmten Umständen auch auf Aspekte des Privatlebens von Personen des öffentlichen Lebens erstrecken kann, insbesondere im Fall von Politikern (s. Rechtssache Plon (Société), ibidem), so trifft dies auf die vorliegende Sache nicht zu: Diese ist in der Tat außerhalb jeglicher politischen oder öffentlichen Debatte angesiedelt, weil die veröffentlichten Fotos nebst Kommentaren sich ausschließlich auf Details aus dem Privatleben der Beschwerdeführerin beziehen.

65. Der Gerichtshof ist demnach wie in ähnlichen von ihm gewürdigten Rechtssachen der Auffassung, dass im vorliegenden Fall die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotos und Artikel, die nur dem Zweck dienten, die Neugier eines bestimmten Publikums im Hinblick auf Einzelheiten aus dem Privatleben der Beschwerdeführerin zu befriedigen, trotz des Bekanntheitsgrads der Beschwerdeführerin nicht als ein Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse angesehen werden kann (siehe sinngemäß die Rechtssachen Jaime Campmany y Diez de Revenga und Juan Luís Lopez-Galiacho Perona ./. Spanien, (Entsch.), Nr. 54224/00, 12. Dezember 2000, Julio Bou Gibert und El Hogar Y La Moda J.A. ./. Spanien, (Entsch.), Nr. 14929/02, 13. Mai 2003, und die s. Sache Prisma Presse).

66. Unter diesen Voraussetzungen gebietet die freie Meinungsäußerung eine weniger weite Auslegung (siehe die o.a. Rechtssache Prisma Presse und zum Beweis des Gegenteils die o.a. Sache Krone Verlag, Rdnr. 37).

67. In diesem Zusammenhang berücksichtigt der Gerichtshof auch die Entschließung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zum Schutz des Rechts auf Privatleben, in der ,,die einseitige Auslegung des Rechts der freien Meinungsäußerung" durch bestimmte Medien unterstrichen wird, insoweit als diese die Verletzungen des Rechts aus Artikel 8 der Konvention damit zu rechtfertigen versuchen, dass ,,ihre Leser ein Anrecht darauf hätten, alles über Personen des öffentlichen Lebens zu erfahren" (s. Rdnr. 42 und die o.a. Rechtssache Prisma Presse).

68. Außerdem erscheint dem Gerichtshof ein anderer Aspekt von Bedeutung: Selbst wenn diese Beschwerde sich im engeren Sinn nur auf die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotos und Artikel in verschiedenen deutschen Zeitschriften bezieht, so kann der Zusammenhang, in dem diese Fotos gemacht wurden - ohne Wissen und Zustimmung der Beschwerdeführerin - und angesichts der Belästigung, der zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens in ihrem Alltag ausgesetzt sind, nicht gänzlich außer Acht gelassen werden (s. Rdnr. 59).

Dieser Aspekt wird besonders deutlich durch die im ,,Beach-Club" von Monte-Carlo aufgenommenen Bilder veranschaulicht, als die Beschwerdeführerin über ein Hindernis stolperte und hinfiel (s. Rdnr. 17). Ganz offensichtlich sind diese Fotos heimlich aus einigen Hundert Metern Entfernung vermutlich von einem Haus in der Nähe aus aufgenommen worden, weil der Zugang von Journalisten und Fotografen zu dieser Anlage strikt geregelt war (s. Rdnr. 33).

69. Der Gerichtshof erinnert an die grundsätzliche Bedeutung des Schutzes des Privatlebens bei der Entfaltung der Persönlichkeit jedes Einzelnen, wobei dieser Schutz - wie oben bereits dargelegt - über den intimen Familienkreis hinausgeht und auch eine soziale Komponente beinhaltet. Ihm zufolge muss jeder, auch eine der breiten Öffentlichkeit bekannte Person, eine ,,berechtigten Hoffnung" auf Schutz und Achtung seiner Privatsphäre haben (s. Rdnr. 51 und sinngemäß die o.a. Rechtssache Halford, Rdnr. 45).

70. Außerdem ist angesichts des technischen Fortschritts bei der Aufzeichnung und Wiedergabe personenbezogener Daten eine verstärkte Wachsamkeit beim Schutz des Privatlebens geboten (siehe Ziffer 5 der Entschließung der Parlamentarischen Versammlung zum Schutz des Rechts auf Privatleben - o.a. Rdnr. 42 - und sinngemäß die Rechtssachen Amann ./. Schweiz [GC], Nr. 27798/95, Rdnr. 65-67, EGMR 2000-II, Rotaru ./. Rumänien [GC], Nr. 28341/95, Rdnr. 43-44, EGMR 2000-V, o.a. P.G. und J.H, Rdnr. 57-60, und o.a. Peck, Rdnr. 59-63 u. 78). Dies gilt ebenso für die systematische Aufnahme bestimmter Lichtbilder und ihre großflächige Verbreitung in der Öffentlichkeit.

71. Schließlich erinnert der Gerichtshof daran, dass die Konvention darauf abzielt, nicht nur theoretische oder illusorische, sondern konkrete und effektive Rechte zu schützen (siehe sinngemäß Artico ./. Italien, Urteil vom 13. Mai 1980, Serie A, Bd. 37, S. 15-16, Rdnr. 33).

72. Dem Gerichtshof bereitet es allerdings Schwierigkeiten, der Auslegung der innerstaatlichen Gerichte zu § 23 Abs.1 des Kunsturhebergesetzes zu folgen, derzufolge eine Person als solche als ,,absolute" Person der Zeitgeschichte eingestuft wird. Eine solche Definition kann, da sie einen sehr begrenzten Schutz des Privatlebens und des Rechts am eigenen Bild bietet, für Persönlichkeiten aus dem Bereich der Politik gelten, die öffentliche Ämter bekleiden. Sie kann aber nicht für eine ,,Privatperson" wie die Beschwerdeführerin gelten, bei der das Interesse der breiten Öffentlichkeit und der Presse ausschließlich auf ihre Zugehörigkeit zu einer Herrscherfamilie gestützt ist, während sie selbst keine offiziellen Funktionen ausübt. Unter diesen Voraussetzungen dürfte jedenfalls nach Auffassung des Gerichtshofs eine restriktive Auslegung dieses Gesetzes geboten sein, damit der Staat seine positive Verpflichtung im Sinne des Schutzes des Privatlebens und des Rechts am eigenen Bild nach Maßgabe der Konvention erfüllen kann.

73. Schließlich muss die Unterscheidung zwischen ,,absoluten" und ,,relativen" Personen der Zeitgeschichte eindeutig und offensichtlich sein, damit der Einzelne in einem Rechtsstaat über präzise Angaben bezüglich seines künftigen Verhaltens verfügt. Er muss insbesondere ganz genau wissen, wann und wo er sich in einem Schutzbereich befindet oder im Gegenteil in einem Bereich, in dem ein Eingriff seitens eines anderen und vorwiegend der Boulevardpresse zu erwarten ist.

74. Der Gerichtshof vertritt demnach die Auffassung, dass die von den innerstaatlichen Gerichten in der Sache herangezogenen Kriterien unzureichend waren, um einen wirksamen Schutz der Privatsphäre der Beschwerdeführerin zu gewährleisten: Als ,,absolute" Person der Zeitgeschichte kann diese - im Namen der Pressefreiheit und des Allgemeininteresses - in der Tat nur dann einen Schutz ihres Privatlebens geltend machen, wenn sie sich in einer örtlichen Abgeschiedenheit unter Ausschluss der Öffentlichkeit befindet und sie dies außerdem nachzuweisen vermag, was sich als schwierig herausstellen kann. Ist dies nicht der Fall, muss sie akzeptieren, fast jederzeit und systematisch fotografiert zu werden, und hinnehmen, dass diese Abbildungen danach sehr weitgehend verbreitet werden, selbst wenn diese Fotos und die sie begleitenden Artikel, was hier zutrifft, sich ausschließlich auf Einzelheiten ihres Privatlebens beziehen.

75. Nach Ansicht des Gerichtshofs dürfte das Kriterium der örtlichen Abgeschiedenheit, selbst wenn es in der Theorie eindeutig erscheinen mag, in der Praxis als zu vage erscheinen und schwerlich im Voraus für die betroffene Person zu bestimmen sein: In der vorliegenden Sache reicht die alleinige Tatsache, die Beschwerdeführerin als ,,absolute" Person der Zeitgeschichte einzustufen, nicht aus, um einen solchen Eingriff in ihre Privatsphäre zu rechtfertigen.


d. Schlussfolgerung

76. Wie zuvor dargelegt, ist der Gerichtshof der Meinung, dass bei der Gewichtung des Schutzes der Privatsphäre und der Freiheit der Meinungsäußerung als bestimmender Faktor der Beitrag zu gelten hat, den die veröffentlichten Fotos und Artikel zur Debatte mit Allgemeininteresse erbringen. In der vorliegenden Sache ist aber festzustellen, dass ein solcher Beitrag fehlt, weil die Beschwerdeführerin keine offiziellen Funktionen erfüllt und die streitgegenständlichen Fotos und Artikel sich ausschließlich auf Einzelheiten aus ihrem Privatleben beziehen.

77. Außerdem hat die Öffentlichkeit dem Gerichtshof zufolge kein legitimes Interesse daran zu erfahren, wo die Beschwerdeführerin sich aufhält und wie sie sich allgemein in ihrem Privatleben verhält, selbst wenn sie sich an Orte begibt, die nicht immer als abgeschieden bezeichnet werden können, auch wenn sie eine bekannte Persönlichkeit ist. Und selbst wenn ein solches Interesse der Öffentlichkeit bestünde, ebenso wie ein kommerzielles Interesse der Zeitschriften an der Veröffentlichung von Fotos und Artikeln, so haben diese Interessen nach Auffassung des Gerichtshofs im vorliegenden Fall hinter dem Recht der Beschwerdeführerin auf wirksamen Schutz ihres Privatlebens zurückzutreten.

78. Schließlich seien nach Ansicht des Gerichtshofs die Kriterien der innerstaatlichen Gerichte nicht ausreichend, um einen wirksamen Schutz des Privatlebens der Beschwerdeführerin zu gewährleisten, wobei die Letztgenannte unter den gegebenen Umständen eine ,,berechtigte Hoffnung" auf Schutz ihres Privatlebens hätte haben müssen.

79. Angesichts all dieser Aspekte und trotz des Ermessensspielraums, über den der Staat verfügt, ist der Gerichtshof der Meinung, dass die deutschen Gerichte keinen gerechten Ausgleich zwischen den konkurrierenden Interessen bewirkt haben.

80. Daher ist Artikel 8 der Konvention verletzt worden.

81. Angesichts dieser Feststellung erachtet der Gerichtshof es für nicht erforderlich, über die Rüge der Beschwerdeführerin betreffend ihr Recht auf Achtung ihres Familienlebens zu entscheiden.


II. DIE ANWENDUNG DES ARTIKELS 41 DER KONVENTION

82. Artikel 41 der Konvention lautet wie folgt:

"Stellt der Gerichtshof fest, dass diese Konvention oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, und gestattet das innerstaatliche Recht der Hohen Vertragspartei nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen dieser Verletzung, so spricht der Gerichtshof der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung zu, wenn dies notwendig ist."

83. Die Beschwerdeführerein verlangt als Ersatz des Nichtvermögensschadens den Betrag in Höhe von 50.000 Euro (EUR), weil ihres Erachtens die deutsche Rechtsprechung sie daran hindere, mit ihren Kindern ein normales Leben geschützt vor der Medienbelästigung zu führen. Außerdem fordert sie die Rückerstattung ihrer Kosten und Auslagen in Höhe von 142.851,31 EUR für die zahllosen Verfahren, die sie vor den deutschen Instanzen führen musste.

84. Die Regierung bestreitet die geforderten Beträge. In Bezug auf den Nichtvermögensschaden erinnert sie daran, dass die Beschwerdeführerin nach deutschem Recht auch außerhalb des häuslichen Bereichs Privatsphärenschutz genieße, was in besonderem Maße für die Kinder gelte. Was die Kosten und Auslagen anbelangt, so ist die Regierung der Meinung, dass die genannten Verfahren nicht berücksichtigt werden können, dass die Höhe bestimmter Streitwerte unter dem angegebenen Wert lägen und dass die geforderten Anwaltshonorare angesichts ihrer Höhe nicht erstattungsfähig sind.

85. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die Frage der Anwendung des Artikels 41 noch nicht spruchreif ist. Infolgedessen behält er sich die Beurteilung dieser Frage vor und wird das weitere Verfahren unter Berücksichtigung der Möglichkeit bestimmen, dass die Regierung und die Beschwerdeführer eine Einigung erzielen.


AUS DIESEN GRÜNDEN ENTSCHEIDET DER GERICHTSHOF EINSTIMMIG,

1. dass Artikel 8 der Konvention verletzt ist;

2. dass die Frage der Anwendung von Artikel 41 der Konvention noch nicht spruchreif ist; infolgedessen

a) behält er sich die Beurteilung dieser Frage ganz vor;
b) fordert er die Regierung und die Beschwerdeführerin auf, ihm schriftlich innerhalb von sechs Monaten, nachdem das Urteil gemäß Artikel 44 Abs. 2 der Konvention endgültig geworden ist, ihre Stellungnahme zu der Frage zu unterbreiten und insbesondere, ihn von jeder Einigung, die sie möglicherweise erzielen, zu unterrichten;
c) behält er sich die Bestimmung des weiteren Verfahrens vor und beauftragt den Kammerpräsidenten, das weitere Verfahren erforderlichenfalls zu bestimmen.

Ausgefertigt in französischer Sprache und anschließend am 24. Juni 2004 verkündet im Menschenrechtspalast zu Straßburg.


Vincent Berger Ireneu Cabral Barreto

Kanzler Präsident


Diesem Urteil sind gemäß Artikel 45 Abs. 2 der Konvention und Artikel 74 Abs. 2 der Verfahrensordnung die folgenden gesonderten Meinungen beigefügt.

- übereinstimmende Meinung von Herrn Cabral Barreto;

- übereinstimmende Meinung von Herrn Zupancic


I.C.B.

V.B.


TEILWEISE ÜBEREINSTIMMENDE UND TEILWEISE ABWEICHENDE MEINUNG DES RICHTERS CABRAL BARRETO

Ich bin der Auffassung, dass eine Verletzung des Artikels 8 der Konvention vorliegt, bin aber nicht in der Lage, der Argumentation der Mehrheit zu folgen.

1. In ihren Schlussfolgerungen haben meine Kollegen ausgeführt, dass ,,bei der Gewichtung des Schutzes der Privatsphäre und der Freiheit der Meinungsäußerung als bestimmender Faktor der Beitrag zu gelten hat, den die veröffentlichten Fotos und Artikel zu einer Debatte von allgemeinem Interesse erbringen" und dass ,,die Öffentlichkeit kein legitimes Interesse daran hat zu erfahren, wo die Beschwerdeführerin sich aufhält und wie sie sich allgemein in ihrem Privatleben verhält, selbst wenn sie sich an Orte begibt, die nicht immer als abgeschieden bezeichnet werden können, auch wenn sie eine bekannte Persönlichkeit ist".

Für die Mehrheit galt die Veröffentlichung der umstrittenen Fotos und Artikel nicht als Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse, weil die Beschwerdeführerin keine offiziellen Funktionen ausübe und die umstrittenen Fotos und Artikel sich ausschließlich auf Einzelheiten aus ihrem Privatleben bezögen.

Meines Erachtens ist die Beschwerdeführerin aber eine Person des öffentlichen Lebens und die Öffentlichkeit hat ein Anrecht auf Informationen zu ihrem Leben.

Demnach müsste die Lösung in einem gerechten Ausgleich zwischen dem Recht der Beschwerdeführerin auf Schutz ihres Privatlebens und dem Informationsrecht der Öffentlichkeit gefunden werden.

2. Die Beschwerdeführerin ist eine Person des öffentlichen Lebens, selbst wenn sie keine Funktion innerhalb oder im Auftrag des monegassischen Staats oder einer seiner Einrichtungen ausübt.

Personen des öffentlichen Lebens sind solche, die offizielle Funktionen wahrnehmen und/oder auf öffentliche Ressourcen zurückgreifen und generell alle diejenigen, die im öffentlichen Leben eine Rolle spielen, ob in Politik, Wirtschaft, Kunst, Gesellschaft, Sport oder in anderen Bereichen - Artikel 7 der Entschließung 1165 (1998) der Parlamentarischen Versammlung des Europarats über das Recht auf Schutz des Privatlebens (Randnummer 42 des Urteils).

Es ist bekannt, dass die Beschwerdeführerin seit Jahren eine Rolle im öffentlichen Leben Europas spielt, auch wenn sie keine offiziellen Funktionen in ihrem Land wahrnimmt.

Um das öffentliche Interesse an ihrer Person zu ermessen, braucht man nur den Umfang der Berichterstattung über ihr öffentliches und privates Leben zu betrachten.

Unlängst hat die Presse herausgestellt, dass die Beschwerdeführerin bei der Ankunft zur Hochzeitsfeier des spanischen Prinzen Felipe eine der von der Öffentlichkeit am meisten umjubelten Persönlichkeiten der ,,high society" in Europa und der Welt war. Die Beschwerdeführerin ist meines Erachtens eine Person des öffentlichen Interesses und die Informationen über ihr Leben tragen zur Debatte von allgemeinem Interesse bei.

Das allgemeine Interesse muss nicht unbedingt auf politische Debatten beschränkt bleiben. Wie die Parlamentarische Versammlung festgestellt hat, können ,,eine Reihe von Fakten aus der Privatsphäre von Personen des öffentlichen Interesses, insbesondere von Politikern, für die Mitbürger von Interesse sein".

Wenn dies auf die Politiker zutrifft, gilt dies auch für alle anderen Personen des öffentlichen Lebens, für die sich ein bestimmtes Publikum interessiert.

Es ist demnach erforderlich, einen Ausgleich zwischen zwei Grundrechten zu finden: dem Recht der Person des öffentlichen Lebens auf Schutz der Privatsphäre und dem Recht des Einzelnen auf freie Meinungsäußerung, was das Informationsrecht der Allgemeinheit umfasst.

Ich pflichte der Mehrheit bei, dass das Privatleben einer Person des öffentlichen Interesses nicht an ihrer Haustür aufhört. Man muss aber zugeben, dass das Leben einer Person des öffentlichen Interesses außerhalb ihres häuslichen Bereichs und insbesondere an öffentlichen Orten wegen des Bekanntheitsgrads des Betroffenen gewissen Zwängen unterworfen ist. Der Bekanntheitsgrad und das allgemeine Interesse erfordern hier eine unterschiedliche Behandlung des Privatlebens eines gewöhnlichen Menschens und desjenigen einer Person des öffentlichen Lebens.

Wie das Bundesverfassungsgericht darlegte, ,,hat die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, ob solche Personen, die oft als Idol oder Vorbild gelten, funktionales und persönliches Verhalten überzeugend in Übereinstimmung bringen". Ich gestehe ein, dass die Festlegung der Grenze bei der Privatsphäre einer Person des öffentlichen Lebens keine sehr einfache Aufgabe ist.

Außerdem könnte ein starres Kriterium zu Lösungen führen, die mit der ,,Natur der Sache" nicht übereinstimmten. Es ist offensichtlich, dass im Fall der Abgeschiedenheit alle dort stattfindenden Ereignisse vom Privatsphärenschutz abgedeckt werden müssten.

Wie es scheint, ist aber das Kriterium der deutschen Gerichte - die örtliche Abgeschiedenheit - sehr restriktiv. Meines Erachtens hat in allen Situationen, in denen die Person des öffentlichen Interesses die ,,berechtigte Hoffnung" auf Schutz vor den Medien haben könnte, das Recht auf Schutz ihres Privatlebens Vorrang gegenüber dem Recht auf freie Meinungsäußerung oder auf Information.

Es wird nie einfach sein, die Situationen zu konkretisieren, die möglicherweise diese ,,berechtigten Hoffnung" kennzeichnen, weshalb sich eine einzelfallbezogene Regelung anbietet.

Und auch bei diesem kasuistischen Ansatz sind daher Meinungsverschiedenheiten verständlich. Die Mehrheit misst z.B. der Tatsache Bedeutung zu, dass die Fotos im ,,Beach-Club" von Monte-Carlo heimlich aufgenommen worden sind.

Ich stelle das Erfordernis nicht in Abrede, die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Bilder aus weiter Entfernung gemacht wurden, insbesondere wenn die Person sich in einer Lage befand, in der sie in zu Recht annehmen konnte, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein.

Aber die Badeanstalt ,,Beach-Club" war keine abgeschlossene Räumlichkeit mit allgemeinem Publikumsverkehr und überdies von den Nachbargebäuden einsehbar.

Kann man an einem solchen Ort vernünftigerweise hoffen, den Blicken der Öffentlichkeit oder der Medien nicht ausgesetzt zu sein? Das glaube ich nicht.

Dasselbe Kriterium scheint mir in Bezug auf die Fotos zu gelten, auf denen die Beschwerdeführerin in anderen Situationen ihres Alltagslebens abgebildet ist und aus denen nicht ersichtlich wird, dass sie einen Schutz ihres Privatlebens erwarten konnte. Ich denke hier an die Abbildungen, die sie beim Einkaufen zeigen.

Hingegen sind andere Fotos - z.B. die Aufnahmen der Beschwerdeführerin beim Reiten oder Tennisspielen - an Orten und unter Umständen gemacht worden, die eine gegenteilige Sichtweise zulassen.

In dem Bewusstsein der Grenzen bei der Anwendung (ich möchte hier auf die Stellungnahme des Richters Zupancic verweisen) schließe ich auf eine Verletzung des Artikels 8 der Konvention.


TEILWEISE ÜBEREINSTIMMENDE UND TEILWEISE ABWEICHENDE MEINUNG DES RICHTERS ZUPANCIC

Ich teile die von meinem Kollegen, dem Richter Cabral Barreto, vorgebrachten Bedenken. Zwar bin ich der Meinung, dass die Unterscheidungen in der deutschen Rechtsordnung zwischen den verschiedenen Ebenen zulässiger Veröffentlichung allzu sehr der Begriffsjurisprudenz zuzuordnen sind. Gleichwohl ist meines Erachtens das Kriterium des Ausgleichs zwischen dem Informationsrecht der Öffentlichkeit einerseits und dem Recht auf Schutz der Privatsphäre der betroffenen Person andererseits in angemessener Weise anzuwenden. Wer freiwillig die öffentliche Bühne betritt, kann nicht behaupten, eine Privatperson mit einem Anrecht auf Anonymität zu sein. Die Mitglieder der Königsfamilien, Schauspieler, Akademiker, Politiker usw. erfüllen ihre Pflichten in der Öffentlichkeit. Sie können die Öffentlichkeit zwar scheuen, ihr Bild ist aber per definitionem in gewisser Weise Allgemeingut.

Ich möchte mich hier nicht so sehr auf das Informationsrecht der Allgemeinheit konzentrieren - dieses Recht gilt zunächst und vor allen Dingen bei der Frage der Pressefreiheit und der jeweiligen Verfassungsdoktrin - , sondern vielmehr auf die einfache Tatsache, dass es nicht möglich ist, das Privatleben und die Ausübung öffentlicher Ämter durch einen eisernen Vorhang zu trennen. Völlig incognito zu leben ist nur Robinson vergönnt; was die gewöhnlichen Sterblichen anbelangt, so ruft jeder von ihnen mehr oder weniger das Interesse des anderen hervor.

Der Schutz der Privatsphäre hingegen ist das Recht, nicht belästigt zu werden. Jeder kann erwarten, nicht belästigt zu werden, sofern jedenfalls sein Privatleben sich nicht mit demjenigen eines anderen überschneidet. Juristische Begriffe wie Verleumdung, Beleidigung usw. bestätigen auf ihre Weise dieses Recht und die Grenzen, die es anderen untersagen, es zu verletzen. Die Doktrin des Persönlichkeitsrechts nach dem deutschen Privatrecht verleiht dem Schutz der Privatsphäre einen größeren konzentrischen Kreis. Überdies habe ich den Eindruck, dass die Gerichte in gewisser Weise und unter amerikanischem Einfluss aus der Pressefreiheit einen Fetisch gemacht haben. Die Doktrin des Persönlichkeitsrechts verankert ein höheres zivilisiertes Niveau in den zwischenmenschlichen Beziehungen.

Es ist an der Zeit, dass das Pendel zu einem anderen Ausgleich zwischen Privatem und Geschütztem sowie Öffentlichem und Nichtgeschütztem zurückschwingt. Es stellt sich hier die Frage, wie ein solcher Ausgleich sichergestellt und festgelegt werden kann. Ich pflichte der Schlussfolgerung des Gerichtshof im vorliegenden Fall bei. Ich meine jedoch, er hätte ein anderes Kriterium anwenden können: nämlich das Kriterium aus seinem Urteil in der Rechtssache Halford ./. Vereinigtes Königreich vom 25. Juni 1995 (Sammlung 1997-III), wo er sich die Frage stellte, ob die betroffene Person ,,vernünftigerweise an den privaten Charakter glauben konnte" [und zwar der fraglichen Anrufe].

Der Rahmen des Strafverfahrens und die Nutzung von Beweismaterial, das unter Verletzung des Schutzes von Elementen erlangt wurde, die in der Rechtssache Halford mit Recht als privat gelten konnten, hindern den Gerichtshof nicht daran, dasselbe Kriterium in Fällen wie diesem zu benutzen. Die Frage nämlich, ob die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens war oder nicht, stellt sich demnach nicht mehr; das vorgeschlagene Kriterium, das darauf abzielt festzulegen, ob die Person, die sich als Opfer einer Verletzung ihrer Privatsphäre sieht und mit Recht an den privaten Charakter der strittigen Situation glauben konnte, gestattet in jedem neuen Fall einen nuancierten Ansatz. Vielleicht will Richter Cabral Barreto dies zum Ausdruck bringen, wenn er von der sich allmählich entwickelnden Rechtsprechung in Bezug auf die Gewichtung zwischen dem Informationsrecht der Öffentlichkeit und dem Privatsphärenschutz spricht.

Natürlich sollte eine umständliche Argumentation vermieden werden. Der Umstand, dass jemand ,,mit Recht" an den Privatcharakter einer Situation glaubt, könnte sich auf die vorgenannte Gewichtung reduzieren. Wenn aber geltend gemacht wird, dass jemand ,,mit Recht" glaubt, bedeutet dies, sich auch auf den gesunden Menschenverstand zu berufen, der uns sagt, dass jemand, der im Glashaus sitzt, nicht mit Steinen werfen sollte.

Rechtsgebiete

Presserecht