Willenserklärung durch „Auto-Reply“

Gericht

LG Köln


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

16. 04. 2003


Aktenzeichen

9 S 289/02


Leitsatz des Gerichts

  1. Es handelt sich um eine rechtlich verbindliche Willenserklärung, wenn der Kunde bei einem Online-Kauf eine automatische Nachricht erhält, in der die Bearbeitung des Auftrags bestätigt wird.

  2. Eine Anfechtung wegen Irrtums scheidet aus, da der Irrtum nicht bei Abgabe der Willenserklärung vorgelegen hat.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... II. ... Die Kl. hat gegen die Bekl. auf Grund wirksamen Kaufvertrags einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung eines Projektors, wie ihn die Bekl. im Internet angeboten hat, und zu dem dort angegebenen Preis von EUR 3.001,55, § 433 Abs. 2 BGB.

1. Ein entsprechender Kaufvertrag ist - insoweit ist dem AG zu folgen - durch die am 18.1.2002 um 16.34 Uhr übersandte Erklärung der Bekl., der erteilte Auftrag werde bald ausgeführt, zu Stande gekommen. Diese Erklärung ist, obgleich automatisiert auf Grund vorheriger Programmierung (also mittels „Auto-Reply“) abgegeben, der Bekl. als eigene Willenserklärung zuzurechnen, weil der eingesetzte Rechner nur Befehle ausführt, die zuvor mittels Programmierung von Menschenhand festgelegt wurden, und die Erklärung deshalb ihren Ursprung in einer von der Bekl. veranlassten und auf ihren Willen zurückgehenden Handlung hat (vgl. OLG Frankfurt/M. [MMR 2003, 405]). Die Erklärung ist deshalb so zu behandeln, als sei sie ohne Einsatz der Auto-Reply-Programmierung zu Stande gekommen. Die Frage, welche Zeitspanne zwischen der Abgabe des Angebots und der elektronisch erklärten Annahme verstreicht, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, weil sich der Erklärende auch bei für den Erklärungsempfänger erkennbar automatisch generierter Erklärung am Inhalt derselben festhalten lassen muss.

Aus der maßgeblichen Sicht des Empfängers ist dieser Erklärung zweifelsfrei zu entnehmen, dass das elektronisch übermittelte Vertragsangebot der Kl. angenommen wird. Insb. liegt in dieser Erklärung nicht nur die Bestätigung des Eingangs der Bestellung auf elektronischem Wege, wie sie die am 1.1.2002 in Kraft getretene Vorschrift des § 312e Abs. 1 Nr. 3 BGB erfordert. Der Hinweis auf die baldige Ausführung kann nur als Annahme des von der Kl. unterbreiteten Angebots verstanden werden. Wenn der Lieferant lediglich den Zugang bestätigen möchte, sich die Annahme des Angebots aber noch offen halten will, muss er dieses eindeutig klarstellen (so auch OLG Frankfurt/M., a.a.O.). Der Fall weicht entscheidend ab von demjenigen, den das AG Butzbach (VuR 2003, 34 [= MMR 2002, 765 (Ls.)]) zu entscheiden hatte. Die in dem dortigen Fall verwandte Formulierung „Wir werden Ihren Auftrag umgehend bearbeiten“ mag, wie dort entschieden, einer Auslegung dahingehend zugänglich sein, dass lediglich die Entgegennahme des Auftrags bestätigt, nicht aber bereits dessen Annahme erklärt werden soll. Die in dem vorliegenden Fall gewählte Formulierung, wonach der Auftrag bald ausgeführt wird, lässt dagegen eine solche Auslegung nicht zu. Die „Ausführung“ eines Auftrags liegt nach dem maßgeblichen allgemeinen Sprachverständnis nämlich in seiner Erledigung bzw. Erfüllung, während unter „Bearbeitung“ eines Auftrags auch z.B. dessen Weitergabe zwecks Prüfung eines Auftrags auch z.B. dessen Weitergabe zwecks Prüfung verstanden werden kann.

2. Die Annahmeerklärung der Bekl. wurde auch nicht wirksam angefochten. Zwar liegt, wie das AG zutreffend entschieden hat, in der am selben Tag um 17.00 Uhr übersandten Erklärung der Bekl. eine Anfechtungserklärung, indes war ein Anfechtungsgrund nicht gegeben. Dabei folgt die Kammer der amtsgerichtlichen Entscheidung auch insoweit, als der klägerseits vorgetragene Irrtum nicht als Kalkulations-, sondern als Erklärungsirrtum und damit nach § 119 Abs. 1 Fall 2 BGB grds. beachtlich einzustufen ist. Eine auf diesen Irrtum gestützte Anfechtung kommt gleichwohl nicht in Betracht, weil der Irrtum nach dem klägerischen Sachvortrag allenfalls bei der Einstellung der Preisangaben ins Internet, nicht aber zum maßgeblichen Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung vorgelegen hat. Dieser Zeitpunkt ist zunächst derjenige der Versendung der Erklärung, also der 18.1.2002, 16.34 Uhr. Wegen der Besonderheiten des Falls ist zudem auf den Zeitpunkt der Programmierung der Auto-Reply-Funktion abzustellen, indes liegt ein relevanter Irrtum auch bezogen auf diesen Zeitpunkt nicht vor. In keinem Fall ist indes der Zeitpunkt der Einstellung der Preisangaben in das Internet relevant, sodass die Kammer über die entsprechenden Behauptungen der Bekl., die die Kl. bestreitet, nicht Beweis zu erheben hat. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Kl. vor Zugang der Anfechtungserklärung Kenntnis von der nur 26 Minuten zuvor übersandten Annahmeerklärung hatte.

Bei Abgabe der die Annahme des klägerischen Vertragsangebots enthaltenden Willenserklärung der Bekl., also am 18.1.2002 um 16.34 Uhr, lag ein Irrtum der Bekl. schon deswegen nicht vor, weil diese Willenserklärung auf Grund vorheriger Programmierung automatisch erstellt wurde und eine Willensbildung zu diesem Zeitpunkt nicht stattfand. Was die Bekl. unter Zuhilfenahme der sog. Auto-Reply-Funktion erklären wollte, ist daher unter Rückgriff auf die Situation zum Zeitpunkt der Programmierung zu ermitteln. Diese erfolgte so, dass das eingesetzte Computerprogramm die in der späteren Erklärung enthaltenen Daten, also auch die Angabe des Preises, automatisch übernommen, und zwar entweder direkt aus der von der Bekl. programmierten Internetseite oder aus dem von der Kl. übersandten elektronischen Angebot, welches seinerseits elektronisch aus den in die Internetseite eingestellten Daten generiert worden ist. Diese - direkte oder indirekte - Übernahme der entsprechenden Daten aus dem Internetangebot der Bekl. funktionierte aber einwandfrei. Es wurden, wie bei der Programmierung vorgesehen, diejenigen Daten in die Erklärung übernommen, die die Bekl. zuvor ins Internet eingestellt hatte. Dass diese Daten - wie geschehen - unzutreffend waren, weil bei der Eingabe (wie von der Bekl. vorgetragen) möglicherweise der DM- mit dem EUR-Betrag verwechselt worden war, führt allenfalls zur Annahme seines (unbeachtlichen) Motivirrtums des Inhalts, dass die in die Internetseite eingegebenen Preise auch die zutreffenden seien. Die Situation ist vergleichbar mit derjenigen, in der ein Verkäufer den Preis in einer Liste nachsieht und seiner Willenserklärung den dort verzeichneten Preis zu Grunde legt in der Vorstellung, es handele sich um den richtigen Preis. Ein i.S.v. §§ 119 ff. BGB beachtlicher Irrtum liegt in dieser Situation nicht vor, wenn der in der Liste verzeichnete Preis unzutreffend ist (etwa auf Grund „Währungsversehens“, also Verwechslung von DM- und EUR-Beträgen, vgl. LG Flensburg, Urt. v. 3.9.2002 - 1 S 38/02).

Auf einen Irrtum bei der Einstellung der Preisangaben in das Internet kann sich die Bekl. dagegen nicht berufen. Abweichend von der Auffassung des OLG Frankfurt/M. (a.a.O.) ist die Kammer der Meinung, dass ein nach §§ 119 ff. BGB relevanter Irrtum, der einer den Vertragserklärungen vorangegangenen invitatio ad offerendum anhaftet, nicht in rechtlich relevanter Weise auf die Annahmeerklärung „fortwirkt“. Das OLG Frankfurt/M. begründet seine Auffassung damit, auf Grund der automatischen Erstellung der Annahmeerklärung habe der Erklärende keine Möglichkeit, den der invitatio ad offerendum anhaftenden Fehler (im dortigen Fall: ein Übermittlungsirrtum gem. § 120 BGB) zu bemerken oder zu korrigieren. Die invitatio ad offerendum sei ein zum Schutz des Anbieters entwickeltes Rechtsinstitut, das diesem nicht i.E. zum Nachteil gereichen dürfe. Dem folgt die Kammer nicht. Übersehen wird dabei nämlich, dass auch in vielen anderen Fällen die der invitatio ad offerendum zu Grunde liegenden Angaben bei Abgabe der bindenden, inhaltlich auf der invitatio fußenden Willenserklärung nicht mehr überprüfbar und damit auch nicht mehr korrigierbar sind. Ist etwa im Schaufenster ausgestellte Ware auf Grund eines Erklärungsirrtums falsch ausgezeichnet und erklärt der im Geschäft anwesende Verkäufer, der keine weiteren Preisinformationen hat, entsprechend dieser Falschauszeichnung die Annahme des Vertragsangebots des Kunden, so liegt dieser Erklärung unzweifelhaft kein i.S.v. §§ 119 ff. BGB relevanter Irrtum zu Grunde, sondern lediglich der - unbeachtliche - Irrtum, die Preisangabe sei die zutreffende (vgl. ferner den vom LG Flensburg, a.a.O., entschiedenen Fall). Durch die Einschaltung eines programmierten Rechners ergeben sich nach Auffassung der Kammer keine relevanten Unterschiede. Das Ergebnis ist dasselbe, wie wenn die Bekl. eine Hilfsperson beauftragt hätte, etwa die ersten 100 Angebote zu den Bedingungen der Internetseite anzunehmen, ohne dass dieser Hilfsperson irgendein Entscheidungsspielraum verbleiben sollte.

Die Kammer vermag auch die vom OLG Frankfurt/M. angenommene Schutzwürdigkeit des Verkäufers nicht zu erkennen. Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ist nämlich derjenige, der Waren über das Internet anbietet, gehalten, auf Grund automatischer Programmierung vorgefertigte rechtsverbindliche Annahmeerklärungen zu versenden und sich der Möglichkeit einer nochmaligen Kontrolle seiner Preisangaben auf diese Weise vollständig zu begeben. Es steht ihm frei, die gem. § 312e Abs. 1 Nr. 3 BGB erforderliche Bestätigung so zu formulieren, dass eine anschließende Ablehnung des Vertragsangebots möglich bleibt (hierzu Winter, Anm. zu AG Butzbach, VuR 2003, 36 f.). Ein Bedürfnis, den Verkäufer so zu stellen, wie wenn er statt der invitatio ad offerendum bereits ein verbindliches Angebot abgegeben hätte, ist daher nicht gegeben.

3. Schließlich ist die Kl. auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht gehindert, die Bekl. auf Erfüllung des geschlossenen Vertrags in Anspruch zu nehmen. Selbst wenn der Kl. die Abweichung von rd. 50% von einem gedachten durchschnittlichen Verkaufswert des streitgegenständlichen Projektors bekannt gewesen sein sollte, musste sich für die Kl. hieraus nicht mit der gebotenen Zwangsläufigkeit ein Versehen der Bekl. aufdrängen. Dass Waren, zumal über das Internet, von einem Anbieter teilweise deutlich günstiger als von anderen angeboten werden, ist keine eltenheit. Der vom OLG Frankfurt/M. (a.a.O.) entschiedene Fall weicht hiervon erheblich ab, weil dort auf Grund eines Übermittlungsirrtums die invitatio ad offerendum auf nur 1% des richtigen Preises lautete. ...

Vorinstanzen

AG Wipperfürth

Rechtsgebiete

Kaufrecht; Internetrecht; Verbraucherschutzrecht

Normen

BGB §§ 312e Abs. 1, 119 Abs. 1