Beweisanforderungen für Kaskoschutz bei Messerstichen am Wohnwagen
Gericht
OLG Koblenz
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
31. 10. 2003
Aktenzeichen
10 U 38/03
Wird die Außenhaut eines Wohnwagens durch Messerstiche mehrmals mutwillig beschädigt, liegen ohne weiteres die Voraussetzungen des Versicherungsfalles vor. Der Versicherungsnehmer muss - entgegen der teilweise in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 408 = VersR 1996, 880 = r+s 1995, 404; OLG Hamm, NJW-RR 1996, 542 = VersR 1996, 880) - nicht den Nachweis erbringen, dass dieses äußere Bild von betriebsfremden Personen verursacht worden ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Versicherer Umstände dargetan hat, aus denen sich die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung von Vandalismus betriebsfremder Personen bzw. der Vortäuschung einer Entwendung herleiten lässt.
Im Rahmen der Auslegung des § 12 Abs. 1 II lit. g AKB 2000 gilt für den Versicherungsfall „Beschädigung bzw. Zerstörung durch mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen“ in der Vollversicherung keine Beweismaßabsenkung. Ist der Versicherungsfall voll bewiesen, dann muss auch der Versicherer den Vollbeweis für eine Herbeiführung durch den Versicherungsnehmer oder dessen Repräsentanten erbringen (in Anknüpfung an BGH, NJW 1997, 3027 = VersR 1997, 1095; BGH, NJW-RR 1989, 983 = VersR 1989, 841).
Die zur Vermeidung von Missbräuchen durch den Versicherungsnehmer geschaffene Regelung des § 13 Abs. 5 lit. a AKB 2000, wonach der Versicherer seine Leistung auf den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert reduzieren kann, es sei denn, die erforderlichen Kosten der Wiederherstellung erreichen 70% des Wiederbeschaffungswerts, begegnet keinen Bedenken.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Kl. ist Eigentümerin eines Wohnwagens, der bei der Bekl. vollkaskoversichert war. Der Wohnwagen wurde mittels mehrerer Messerstiche beschädigt. Der mit der Begutachtung des Schadensumfangs beauftragte Gutachter stellte Reparaturkosten in Höhe von 9133,25 Euro fest. Die Kl. begehrt Ersatz der fiktiven Reparaturkosten abzüglich der Selbstbeteiligung in Höhe von 300 DM (153,39 Euro). Sie hat vorgetragen, sie sei am 22. 9. 2001 mit ihrem Wohnwagen nach R. gefahren, um ihre Mutter zu besuchen. Gegen 15.30 Uhr habe sie auf der Raststätte X Rast gemacht, um Kaffee zu trinken. Dabei habe sie den Wohnwagen zwischen zwei Lkw abgestellt. Nach ihrer Rückkehr aus dem Rasthaus habe sie den Wohnwagen nicht weiter überprüft, sondern die Weiterfahrt nach R. angetreten. Dort sei sie gegen 19.00 Uhr eingetroffen. Am nächsten Morgen habe sie beim Aufbauen des Vorzelts dann die Messerstiche festgestellt. Diese seien vor Fahrtantritt noch nicht vorhanden gewesen, so dass sie davon ausgehe, dass die Messerstiche während der Pause auf dem Autobahnplatz von unbekannten Dritten verursacht worden seien. Die Bekl. hat behauptet, die Schäden seien durch die Kl. oder von ihr beauftragte Personen herbeigeführt worden.
Das LG hat der Klage in Höhe von 8979,86 Euro stattgegeben. Die Berufung der Bekl. hatte nur hinsichtlich der Höhe mit einer Herabsetzung der Urteilssumme auf 6426,65 Euro Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
1. Der Kl. steht gem. § 12 Abs. 1 II lit. g AKB (Stand: Mai 2000) i.V. mit § 13 AKB 2000 ein Anspruch aus der Fahrzeugvollversicherung zu. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Außenhaut des Wohnwagens, wie auf den Lichtbildern deutlich erkennbar, an mehreren Stellen durchstochen wurde und dass dieser gewaltsam herbeigeführte Schaden mutwillig verursacht worden ist. Damit liegen die Voraussetzungen für den Versicherungsfall vor, ohne dass die Kl. den Nachweis erbringen müsste, dass dieses äußere Bild von betriebsfremden Personen verursacht worden ist. Es kommt entgegen der teilweise in der Rechtsprechung früher vertretenen Auffassung (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 408 = VersR 1996, 880 = r+s 1995, 404; OLG Hamm, NJW-RR 1996, 542 = VersR 1996, 881) auch nicht darauf an, ob der Versicherer Umstände dargetan hat, aus denen sich die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung von Vandalismus betriebsfremder Personen bzw. der Vortäuschung einer Entwendung herleiten lässt. Im Rahmen der Auslegung des § 12 Abs. 1 II lit. g AKB (Stand: Mai 2000) i.V. mit § 13 AKB (früher § 12 Abs. 1 II lit. f AKB) gilt für den Versicherungsfall „Beschädigung bzw. Zerstörung durch mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen“ in der Vollversicherung keine Beweismaßabsenkung (BGH, NJW 1997, 3027 = VersR 1997, 1095). Dem Versicherer kommen Beweiserleichterungen zur Vortäuschung nur dann zugute, wenn dem Versicherungsnehmer beim Nachweis des Eintritts des Versicherungsfalls solche Beweiserleichterungen zustehen. Ist der Versicherungsfall indes voll bewiesen oder unstreitig, dann muss auch der Versicherer den Vollbeweis für eine Herbeiführung durch den Versicherungsnehmer oder dessen Repräsentanten erbringen (BGH, NJW 1997, 3027 = VersR 1997, 1095; BGH, NJW-RR 1989, 983 = VersR 1989, 841).
Will der Versicherer in der Fahrzeugversicherung für den Versicherungsfall „Zerstörung oder Beschädigung durch mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen“ nicht leisten, dann hat er die Beweislast dafür, dass der Täter nicht betriebsfremd war. Eine Beweiserleichterung kommt ihm dabei nicht zugute.
Das LG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Bekl. der Nachweis, dass die mutwillige Beschädigung des Wohnwagens nicht durch eine betriebsfremde Person herbeigeführt wurde, nicht gelungen ist. Dem Beweisangebot der Bekl. auf Einholung eines Sachverständigengutachtens war nicht nachzugehen. Die unter Beweis gestellte Behauptung, das beim Durchstechen der Außenhaut des Wohnwagens auftretende Geräusch hätte von Benutzern des Parkplatzes mit Sicherheit bemerkt werden müssen, ist einem Sachverständigengutachten mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen nicht zugänglich. Denn es lässt sich im Nachhinein nicht mehr aufklären, ob und inwieweit sich überhaupt Personen in der Nähe des von der Kl. auf dem Rastplatz geparkten Wohnwagens aufgehalten haben. Es mag sein, dass es beim Durchstoßen der Außenwand des Wohnwagens regelmäßig zu einer starken Geräuschentwicklung kommt und dass das Beschädigungsbild zunächst den Eindruck vermittelt, die Beschädigung sei so ausgeführt worden, dass einerseits fiktiv hohe Reparaturkosten entstehen, andererseits jedoch eine für den Eigentümer zufriedenstellende Reparatur mit sehr geringem Aufwand möglich sei. Entgegen der Auffassung der Bekl. kann hieraus jedoch nicht der Schluss gezogen werden, der Wohnwagen sei von der Kl. selbst oder einer ihr beauftragten Person vorsätzlich beschädigt worden. Zwar kann ein markantes Schadensbild einen lediglich vorgetäuschten Versicherungsfall indizieren. Ein solches Indiz reicht jedoch nicht aus, um den Nachweis zu führen, dass der Wohnwagen von der Kl. selbst oder einer von ihr beauftragten Person vorsätzlich beschädigt worden ist. Denkbar ist ebenso, dass ein unbekannter Täter mutwillig diese Beschädigung herbeigeführt hat. Auch kann ein Sachverständiger zu der Frage, von wem die Messerstiche gesetzt wurden, keine sachdienlichen Angaben machen.
Das LG geht zu Recht davon aus, dass die Annahme eines lauten Geräuschs infolge der Messerstiche ebenfalls nicht den von der Bekl. gezogenen Schluss zulässt, die Tat hätte von jemandem bemerkt werden müssen. Zum einen steht nicht fest, ob sich zum Zeitpunkt der Beschädigung auf dem Rastplatz in der Nähe des Wohnwagens überhaupt Personen aufhielten, zum anderen ist es durchaus möglich, dass fremde Personen Zeugen der Tat wurden, dies jedoch nicht mitgeteilt haben. Dass die Kl. nicht bereit oder in der Lage war, eine Skizze von der Autobahnraststätte zu zeichnen, ist kein gewichtiges Indiz gegen den Vortrag der Kl. Auch ist nicht erheblich, dass die Zeitangaben, wann die Kl. sich in der Raststätte aufgehalten haben will, etwas differieren. Maßgebend ist, dass die Kl. sich äußerte, dass es jedenfalls noch hell gewesen sei.
2. Hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Ersatzanspruchs bedarf es indes einer Korrektur. Die Kl. kann nicht die vollen Reparaturkosten abzüglich der Selbstbeteiligung in Höhe von 8979,86 Euro verlangen, sondern kann nur den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert und Selbstbeteiligung in Ansatz bringen. Dies ergibt sich aus § 13 Abs. 5 lit. a AKB 2000.
Übersteigen danach die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert, wird das Fahrzeug jedoch nachweislich ordnungsgemäß in einer Fachwerkstatt in Stand gesetzt, ersetzt der Versicherer die Reparaturkosten bis zum Wiederbeschaffungswert. Ein Fahrzeugrestwert wird in diesem Fall nicht angerechnet. Erreichen die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert nicht, liegen sie aber über der Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert und wird das Fahrzeug nicht in Stand gesetzt, kann der Versicherer die Leistung begrenzen auf den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert - es sei denn, die erforderlichen Kosten der Wiederherstellung erreichen 70% des Wiederbeschaffungswerts nicht.
Vorliegend ist der Wohnwagen nicht ordnungsgemäß in einer Fachwerkstatt in Stand gesetzt worden. Die Kl. möchte vielmehr auf fiktiver Reparaturkostenbasis abrechnen. Der Wiederbeschaffungswert beträgt 12680,04 Euro, die Reparaturkosten belaufen sich auf 9133,25 Euro, der Restwert beträgt 6100 Euro. Der Differenzbetrag zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert beläuft sich auf 6580,04 Euro. 70% des Wiederbeschaffungswerts sind 8876,03 Euro. Da die Reparaturkosten in Höhe von 9133,25 Euro die 70%-Grenze des Wiederbeschaffungswerts übersteigen, kann der Versicherer die Leistung vorliegend auf den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts begrenzen. Von dem Differenzbetrag von 6580,04 Euro ist die Selbstbeteiligung von 153,39 Euro in Abzug zu bringen, so dass sich ein Leistungsanspruch in Höhe von 6426,65 Euro ergibt.
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