Aufhebung einer einstweiligen Verfügung wegen fehlerhafter Zustellung

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

14. 07. 2004


Aktenzeichen

9 O 2754/04


Leitsatz des Gerichts

  1. Eine einstweilige Verfügung ist gemäß §§ 936, 927 Abs. 1, 929 Abs. 2 ZPO wegen geänderter Umstände aufzuheben, wenn sie zur Zeit der mündlichen Verhandlung nicht mehr vollziehbar ist.

  2. Vollzogen wird eine einstweilige Verfügung dann nicht, wenn sie innerhalb der einmonatigen Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO nicht wirksam zugestellt worden ist.

  3. Haben sich Prozessbevollmächtigte im Vorfeld bestellt, kann gemäß § 172 ZPO wirksam nur noch an diese, nicht aber an die beklagte Partei zugestellt werden.

  4. Zur Bestellung als Prozessbevollmächtigter genügt, dass das Gericht bzw. der Gegner vom Vertretungsverhältnis Kenntnis erlangen; einer Vollmachtsurkunde bedarf es nicht, sondern nur einer aus den Umständen ersichtliche Unterrichtung und Verlautbarung (im Anschluss an BGH, NJW 1987, S. 1338/1339 zu § 176 ZPO a.F.).

Tenor

  1. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 17.2.2004 wird aufgehoben.

  2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

  3. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungskläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Der Verfügungskläger (im folgenden: Kläger) macht gegen die Verfügungsbeklagte (im folgenden: Beklagte) einen Unterlassungsanspruch geltend.

Der Kläger ist Konzertveranstalter.

Am 30.12.1997 wurde er wegen ... zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Bis zu seiner Verurteilung befand sich der Kläger in Untersuchungshaft. Mit Beschluss vom 09.03.1999 wurde die Freiheitsstrafe am 07.04.1999 zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit betrug 4 Jahre und lief am 07.04.2003 ab.

Die Beklagte verlegt eine Tageszeitung, deren Artikel auch in das Internet gestellt werden. Mit Schriftsatz vom 28.01.2004 legte die Beklagte in einem Verfahren des LG München, Az.: 9 O 22152/03 zwischen dem Kläger und der Beklagten einen in das Internet gestellten Bericht der Beklagten vom 13.03.03 unter der Überschrift "Michael Jackson muss zahlen" vor. Dort berichtete die Beklagte im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen des Klägers gegen Michael Jackson wegen abgesagter Konzerttermine, dass der Kläger ... .

Wegen der Einzelheiten des Beitrages wird auf die Anlage K 4 verwiesen.

Der Kläger trägt vor, die Beklagte sei weder berechtigt gewesen, den vollen Namen des Klägers im Zusammenhang mit seiner Verurteilung wegen zu nennen, noch darüber zu berichten, dass der Kläger wegen Steuerhinterziehung im Gefängnis gesessen habe. Selbst wenn der Kläger zu einem bestimmten Zeitpunkt eine relative Person der Zeitgeschichte gewesen sei, sei das Informationsinteresse der Öffentlichkeit zeitlich begrenzt und trete bei einer Abwägung der Pressefreiheit mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers, insbesondere seinem Recht auf Resozialisierung zurück. Die Straftaten lägen teilweise über 15 Jahre zurück. In einem solchen Fall habe die Straftat an Aktualtität verloren. Der Kläger sei rechtlich ein unbescholtener Mann.

Auf Antrag des Klägers vom 11.02.2004 erließ das Landgericht München I am 17.02.2004 eine einstweilige Verfügung mit folgendem Inhalt:

Der Antragsgegnerin wird bei Meidung
- eines Ordnungsgeldes von EUR 5,-- bis zu EUR 250.000,--, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder
- einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,
zu vollziehen am Geschäftsführer Horst Bach, für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gemäß §§ 935 ff ZPO verboten,

im Zusammenhang mit der Verurteilung des Antragstellers wegen ... seinen Namen zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten, dass der Antragsteller 1998 wegen Steuerhinterziehung im Gefängnis saß.

Die einstweilige Verfügung wurde dem Klägervertreter am 18.02.2004 zugestellt.

Die Beklagte ist der Ansicht, die einstweilige Verfügung sei gemäß § 929 Abs. 2 ZPO aufzuheben, da sie bereits nicht wirksam zugestellt worden sei. Die einstweilige Verfügung hätte gemäß § 172 ZPO an die Prozessbevollmächtigten zugestellt werden müssen, da die Prozessbevollmächtigten schon vorprozessual gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 09.02.04 die Vertretung der Beklagten angekündigt hätten.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14.07.2004 hat der Kläger beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 17.02.2004 aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte hat beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 17.02.2004 aufzuheben.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Der Antrag des Klägers war - unter Aufhebung der erlassenen einstweiligen Verfügung vom 17.02.2004 - zurückzuweisen, da die Vollziehung der einstweiligen Verfügung vom 17.02.2004 wegen Ablaufs der einmonatigen Vollziehungsfrist des § 929 2 ZPO unstatthaft ist.

Die einstweilige Verfügung war gemäß den §§ 936, 927 Abs. 1, 929 Abs. 2 wegen veränderter Umstände aufzuheben. Die veränderten Umstände liegen vorliegend darin, dass eine Vollziehbarkeit der einstweiligen Verfügung vom 17.02.2004 im Zeitpunkt der mündlichen Verhandung vom 14.07.2004 nicht mehr gegeben war, da die einmonatige Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO abgelaufen war. Fristbeginn gemäß § 929 Abs. 2 ZPO ist im vorliegenden Fall der Tag, an dem die einstweilige Verfügung der Partei, auf deren Gesuch sie erging, zugestellt wurde, also hier am 18.02.2004. Bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist jedoch keine Vollziehung erfolgt, da die einstweilige Verfügung entgegen den §§ 936, 922 Abs. 2 ZPO bis zu diesem Zeitpunkt nicht wirksam zugestellt wurde. Gemäß § 172 ZPO war die einstweilige Verfügung vorliegend nicht der Beklagten selbst, sondern deren Prozessbevollmächtigten zuzustellen, da diese sich mit Schreiben vom 09. Februar 2004 gegenüber den Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits vorprozessual wirksam als Prozessbevollmächtigte bestellt hatten. Eine solche Bestellung ist ausreichend im Sinne des § 172 ZPO. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. insbesondere BGH NJW 1987, Seite 1338, 1339 zu § 176 ZPO a. F.) geschieht die "Bestellung" zum Prozessbevollmächtigten so und wird dadurch vollzogen, dass dem Gericht bzw. dem Gegner von dem Vertretungsverhältnis Kenntnis gegeben wird. Dazu ist nach BGH auch nicht die Vorlegung einer Vollmachtsurkunde nötig, sondern es genügt auch eine nur aus den Umständen ersichtliche Unterrichtung und Verlautbarung.

Eine Vollziehbarkeit der einstweiligen Verfügung war daher im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.


Mai
Richter am Landgericht

Hammer
Richterin

Dr. Schwarz
Richterin am Landgericht

Rechtsgebiete

Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht