Keine persönliche Haftung des gesetzlichen Vertreters einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bei Gewinnzusage

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

15. 07. 2004


Aktenzeichen

III ZR 315/03


Leitsatz des Gerichts

Der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (hier: einer s.a.r.l. französischen Rechts) haftet nicht nach § 661a BGB persönlich für die Erfüllung einer von der Gesellschaft versandten Gewinnzusage oder vergleichbaren Mitteilung.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 10. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand


Tatbestand:

Der Beklagte zu 2 ist der Geschäftsführer der an dem Revisionsverfahren nicht beteiligten Beklagten zu 1, einer in Frankreich ansässigen Versandhandelsgesellschaft (s.a.r.l.).

Die Beklagte zu 1 übersandte dem Kläger im Juni 2001 einen "Einlöse- Scheck" über einen "Jackpot-Gewinn von: 60.000,- DM" sowie ein Schreiben, das dem Anschein nach "A. B. (Direktions-Assistentin)" unterschrieben hatte und in dem es unter anderem hieß:

"Betrifft: Jackpot-Gewinn von 60.000,- DM.
Letzter Aufruf zur Gewinn-Anforderung
Herr M. ! (= Kläger)
60.000,- DM liegen sicher in unserem Safe der Finanzbuchhaltung und warten auf Auszahlung!

Ja, lieber Herr M. ,
es stimmt: der Bargeld-Gewinn in Höhe von 60.000,- DM liegt noch immer in unserem Safe.

Warum fordern Sie Ihren Gewinn nicht an, lieber Herr M. ? Ich hatte Ihnen doch schon am 11.06.2001 Ihren Gewinn-Scheck zugeschickt! …

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen auch unser heutiges Angebot ans Herz legen. Für Süßes hat man doch eigentlich immer Verwendung und wenn mal überraschend Besuch kommt, ist es gut, wenn man noch eine Schachtel Pralinen oder eine Pakkung Gebäck im Schrank hat, oder? …"

Der Kläger übersandte der Beklagten zu 1 mit Schreiben vom 27. Juni 2001 den mit der "Einlöse-Marke" versehenen "Einlöse-Scheck". Die Beklagte zu 1 zahlte den angeblichen Gewinn von 60.000 DM nicht.

Im August 2001 erhielt der Kläger von der Beklagten zu 1 eine "Offizielle Gewinnerliste", die ihn als "Gewinner" eines "Gewinnbetrag(es)" von 50.000 DM "Status: noch nicht ausbezahlt!" auswies, ferner ein Schreiben, das - auszugsweise - lautete:

"WENN SIE UNSER GEWINNER SIND, WERDEN WIR FOLGENDES VERÖFFENTLICHEN:

DRINGENDE NACHRICHT FÜR D. M.
SIE HABEN 50.000,- DM IN BAR GEWONNEN!

ES ERGEHT DIE DRINGENDE AUFFORDERUNG ZUM ABRUF IHRES BARGELD-GEWINNS!

Herr M. , 50.000,- DM in bar gehören Ihnen!

Der Scheck über den vollen Betrag liegt für Sie bereit!

Sehr geehrter Herr M. ,

vor einigen Wochen haben Sie die Anforderungs-Dokumente für 50.000,- DM in bar erhalten, seitdem haben wir nichts mehr von Ihnen gehört! …

Zwingen Sie uns nicht, Ihre 50.000,- DM an einen anderen Teilnehmer auszuhändigen!!! …

Schauen Sie schnell in das beiliegende Angebot, das Sie sicher überzeugen wird und schicken Sie dann Ihre kompletten Unterlagen am besten noch heute zurück! …

Herzliche Grüße
A. B.
Direktions-Assistentin"

Mit Anwaltsschreiben vom 20. August 2001 leitete der Kläger der Beklagten zu 1 den deren Schreiben beigefügten "Auszahlungs-Schein" über 50.000 DM zu. Die Beklagte zu 1 zahlte nicht.

Der Kläger verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldnern Zahlung von 56.242,10 € (= 110.000 DM) nebst Zinsen. Die Beklagte zu 1 habe ihm mittels der vorgenannten Schreiben Gewinnzusagen (§ 661a BGB) über insgesamt 110.000 DM erteilt. Der Beklagte zu 2 sei wie die Beklagte zu 1 zur Erfüllung der Gewinnzusagen verpflichtet. Als Geschäftsführer der Beklagten zu 1 falle er unter den weit zu fassenden Unternehmerbegriff des § 661a BGB.

Das Landgericht und das Berufungsgericht haben die Beklagte zu 1 antragsgemäß verurteilt und die Klage gegen den Beklagten zu 2 abgewiesen. Der Kläger verfolgt mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision weiterhin sein Zahlungsbegehren gegen den Beklagten zu 2.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.


I.

Das Berufungsgericht hat angenommen, die deutschen Gerichte seien für die Klage gegen die Beklagte zu 1 gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Alt. 2 und gemäß Art. 5 Nr. 3 des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968, BGBl. 1972 II S. 774 (im folgenden EuGVÜ) international zuständig. Im Anschluß daran hat es stillschweigend die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte auch für die Klage gegen den Beklagten zu 2 bejaht.

Das Berufungsgericht hat eine Zahlungsverpflichtung des Beklagten zu 2 aus den als Gewinnzusagen aufgefaßten Schreiben der Beklagten zu 1 an den Kläger verneint. Nur die Beklagte zu 1 sei gegenüber dem Kläger als Unternehmer im Sinne des § 661a BGB aufgetreten; sie - und nicht der Beklagte zu 2 - habe die Gewinnmitteilungen versandt.


II.

Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung stand.

1. Die deutschen Gerichte sind für die Klage gegen den in Frankreich ansässigen Beklagten zu 2 international zuständig. Die Parteien legen dies im Revisionsrechtszug einhellig zugrunde; die auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO n.F. von Amts wegen gebotene Prüfung der internationalen Zuständigkeit ergibt keine durchgreifenden Bedenken (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - Rs. C-96/00 - Slg. 2002 I 6367 Rn. 53 ff = NJW 2002, 2697, 2698 f; Senatsurteil BGHZ 153, 82, 84 ff; weiter zur Amtsprüfung: BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 203/02 - WM 2003, 1542, 1543; Urteil vom 11. Juli 2003 - V ZR 414/02 - NJW 2003, 2830). Jedenfalls bestünde bei den deutschen Gerichten der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ; vgl. Senatsurteil aaO S. 89 ff). Der Kläger hat den gegen den Beklagten zu 2 erhobenen Zahlungsanspruch auch auf diesen Gesichtspunkt gestützt.

2. Die Klage gegen den Beklagten zu 2 ist unbegründet.

a) Der Streitfall ist jedenfalls kraft stillschweigender Rechtswahl der Parteien im Prozeß (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 - XI ZR 40/03 Umdruck S. 12 f, vorgesehen zum Abdruck in BGHZ, m.w.N.) nach deutschem Recht zu entscheiden. Die Parteien haben ihrem Vortrag übereinstimmend deutsches Recht zugrunde gelegt.

b) Das Berufungsgericht hat zutreffend einen Zahlungsanspruch nach § 661a BGB verneint.

Nach § 661a BGB hat ein Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch die Gestaltung dieser Zusage den Eindruck erweckt, daß der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, dem Verbraucher diesen Preis zu leisten. Diese Anspruchsvoraussetzungen sind in bezug auf den Beklagten zu 2 nicht gegeben.

Zwar handelte es sich bei den Schreiben der Beklagten zu 1 vom Juni 2001 und August 2001 nach den von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts um "Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen", die einem Verbraucher - hier dem Kläger - übersandt wurden und den Eindruck erweckten, er habe einen Preis gewonnen (vgl. Senatsurteil vom 19. Februar 2004 - III ZR 226/03 - NJW 2004, 1652, 1653). Diesbezüglich kann der Beklagte zu 2 aber nicht nach § 661a BGB in Anspruch genommen werden, weil er weder als "Unternehmer" noch als Versender der Gewinnmitteilungen anzusehen ist.

aa) "Unternehmer" ist nach § 14 Abs. 1 BGB eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluß eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Diese Legaldefinition ist im Fall der Gewinnzusage (§ 661a BGB), die als einseitiges Rechtsgeschäft oder als geschäftsähnliche Handlung zu qualifizieren ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 153, 82, 88 m.w.N.), zumindest entsprechend anwendbar (vgl. Palandt/Sprau, BGB 63. Aufl. 2004 § 661a Rn. 2; Erman/H. Ehmann, BGB 11. Aufl. 2004 § 661a Rn. 2; Jauernig/ Mansel, BGB 10. Aufl. 2003 § 661a Rn. 5; HK-BGB/Schulze 3. Aufl. 2003 § 661a Rn. 2; Lorenz NJW 2000, 3305, 3306; so auch im Ergebnis Kotzian- Marggraf in Bamberger/Roth, BGB 2003 § 661a Rn. 4; zweifelnd Münch- KommBGB/Micklitz 4. Aufl. 2001 § 13 Rn. 47). Der Beklagte zu 2 war danach nicht Unternehmer, weil er - soweit er als Geschäftsführer der Beklagten zu 1 an den vorgenannten Gewinnmitteilungen mitgewirkt hätte - nicht in Ausübung einer eigenen gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit gehandelt hätte. Die Geschäftsführung einer GmbH - nichts anderes kann für die nach dem Vorbild des deutschen GmbH-Gesetzes in das französische Recht eingefügte s.a.r.l. gelten (vgl. Becker, Die zivilrechtliche Haftung des Mehrheitsgesellschafters einer GmbH 2002 S. 41, 62; s. ferner zur Stellung des Geschäftsführers <"gérant"> einer s.a.r.l. Sonnenberger, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht 2. Aufl. 1991 S. 182 f) - ist keine gewerbliche oder selbständige, sondern eine angestellte berufliche Tätigkeit (vgl. BGHZ 133, 71, 77 f; 220, 223; 144, 370, 380; Erman/I. Saenger aaO § 14 Rn. 15).

bb) Der Beklagte zu 2 war auch nicht Versender im Sinne eines nach außen erkennbaren Absenders der Gewinnzusagen (vgl. Palandt/Sprau aaO Rn. 2). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sandte nicht der Beklagte zu 2, sondern die Beklagte zu 1 die Mitteilungen über angeblich gewonnene Preise dem Kläger zu. Der Beklagte zu 2 trat hierbei nicht in Erscheinung. Die mit fiktiven Namen unterschriebenen Mitteilungen verwiesen allein auf die - tatsächlich existente - Beklagte zu 1.

cc) Die Revision meint, der Begriff des "Unternehmer(s), der Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen … sendet", sei im Hinblick auf das Ziel des § 661a BGB, die unlautere Werbung mittels Vortäuschung scheinbarer Gewinne zu unterbinden (vgl. Senatsurteil BGHZ 153, 82, 90 f m.w.N.), weiter als vorbeschrieben zu fassen. Wirkungsvoll ließen sich unlautere Gewinnspiele nur dann zurückdrängen, wenn der aus § 661a BGB resultierende Erfüllungsanspruch auch die natürlichen Personen treffe, welche - hinter den Unternehmen stehend - diese Werbung organisierten. Blieben diese Personen unbelangt, werde das gesetzgeberische Ziel verfehlt, weil der Weg zu einer Umgehung des § 661a BGB vorgezeichnet sei: Es genüge, die juristische Person, welche die Zahlungspflicht aus § 661a BGB treffe, rechtzeitig zu liquidieren oder diese mit einer Mindestausstattung zu versehen und eine Insolvenz in Kauf zu nehmen, um sodann das unlautere Verhalten mittels einer anderen oder neu gegründeten Gesellschaft fortzusetzen.

Diese von der Revision angestellten allgemeinen Normzwecküberlegungen, denen kein entsprechender Tatsachenvortrag zugrunde liegt, rechtfertigen es nicht, § 661a BGB zu einer Haftungsnorm auszuweiten, die den Durchgriff auf den Geschäftsführer oder Gesellschafter einer die Gewinnzusage erteilenden Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlaubt.

c) Der Beklagte zu 2 hat dem Kläger schließlich nicht aus Garantievertrag oder delikts- oder "schadensersatzrechtlich analog der Rechtsprechung zu § 463 Satz 1 BGB a.F." für die Erfüllung des Anspruchs aus § 661a BGB gegen die Beklagte zu 1 einzustehen. Er hat gegenüber dem Kläger von ihm selbst ausgehendes Vertrauen nicht in Anspruch genommen. Im Zusammenhang mit den von seiten der Beklagten zu 1 versandten Gewinnzusagen ist er, wie bereits erwähnt, nicht in Erscheinung getreten.


Schlick Streck Kapsa
Dörr Galke

Vorinstanzen

OLG Koblenz; LG Trier

Rechtsgebiete

Verbraucherschutzrecht

Normen

BGB § 661a