Keine Eindrucks-Gegendarstellung gegen „Die Finanzbehörden ermitteln wegen Steuerschulden”

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

21. 07. 2004


Aktenzeichen

9 O 12055/04


Leitsatz des Gerichts

Ein Anspruch auf Abdruck einer „Eindrucks-Gegendarstellung“ besteht nicht schon, wenn es gut möglich ist, dass ein Leser den vom Betroffenen befürchteten Eindruck gewinnt. Vielmehr muss die Erstmitteilung den Leser zum Weiterdenken in die entsprechende Richtung geradezu zwingen.

Tenor

  1. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 29.6.2004 wird aufgehoben.

  2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

  3. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagte wegen des Abdrucks einer Gegendarstellung in Anspruch.

Die Verfügungsklägerin ist eine Landes-Rundfunk-Anstalt, die Verfügungsbeklagte verlegt ... .

In der Ausgabe Focus 26/2004 vom 21.6.2004 veröffentlichte die Verfügungsbeklagte auf Seite 17 einen Beitrag mit folgendem Wortlaut:

"ARD
Steuerschulden

Die ... Finanzbehörden ermitteln gegen ... wegen Steuerschulden. Der ... bestätigt eine Betriebsprüfung für die Jahre 1995-2000. Weitere Belastungen drohen dem Sender ..."

Antragsgemäß erließ das Landgericht München I am 29.6.2004 eine einstweilige Verfügung mit folgendem Inhalt:


... Gegendarstellung

In ... 21.6.2004 S. 17 wird behauptet, die ... Finanzbehörden würden gegen den ... wegen Steuerschulden ermitteln; der ... habe eine Betriebsprüfung für die Jahre 1995 bis 2000 bestätigt.

Soweit dadurch der Eindruck erweckt wird, gegen den ... seien Ermittlungen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung oder -verkürzung anhängig, ist festzustellen, dass es ein solches Verfahren nicht gibt. Die anstehende Steueraußenprüfung als gesetzlich vorgesehene Prüfungsmaßnahme beruht nicht darauf, dass die Steuerverwaltung dem ... fehlerhaftes Verhalten vorwirft.

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, durch die Berichterstattung werde der in der Gegendarstellung aufgegriffene Eindruck erweckt, d.h. hier werde steuerstrafrechtlich relevantes Verhalten unterstellt.

Die Verfügungsklägerin beantragt:

Unter Zurückweisung des Widerspruchs wird die im Beschlusswege ergangene Verfügung mit dem Gebot zur Veröffentlichung der Gegendarstellung bestätigt.

Die Verfügungsbeklagte beantragt:

  1. Die einstweilige Verfügung vom 29.6.2004 wird aufgehoben.

  2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Sie hält die in der Ausgangsmitteilung gewählte Formulierung für neutral, d.h. nicht für geeignet, den von der Verfügungsklägerin so dargestellten Eindruck zu erwecken. Im übrigen ist sie der Ansicht, die Gegendarstellung sei irreführend, da sich aus zahlreichen Mitteilungen, auch der Verfügungsklägerin selbst, ergebe, dass tatsächlich steuerstrafrechtliche Ermittlungen geführt würden.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Der Antrag der Verfügungsklägerin war - unter Aufhebung der erlassenen einstweiligen Verfügung - zurückzuweisen, da ihr ein Anspruch auf Abdruck einer Gegendarstellung im Sinne von § 10 des Bayerischen Pressegesetzes nicht zusteht.

Der von der Verfügungsklägerin reklamierte Eindruck wird durch die Ausgangsmitteilung beim Leser nicht mit der hierfür notwendigen Eindeutigkeit hervorgerufen. Für die Lesart der Verfügungsklägerin spricht zwar, dass formuliert wurde "ermitteln gegen". Diese Formulierung für sich genommen ist sicher eine schärfere Formulierung, als wenn die Ausgangsmitteilung lauten würde: "Die Finanzbehörden prüfen, ob ... ". Andererseits wird sowohl in der Überschrift, als auch im Text mitgeteilt, dass die Finanzbehörden eben "wegen Steuerschulden" ermittelten. Dies ist nicht nur eine neutrale Formulierung - im Gegenteil läßt sie im Umkehrschluss den aufmerksamen Leser vermuten, dass eben gerade nicht wegen Steuerhinterziehung oder -verkürzung ermittelt wird. Auch der weitere Text enthält keine Anhaltspunkte in dieser Richtung (vgl. für den vollständigen Text Anlage AST 1).

Somit ist es gut möglich, dass ein Leser den von der Verfügungsklägerin befürchteten Eindruck gewinnt. Dies genügt jedoch nicht für einen Anspruch auf Abdruck einer "Eindrucks-Gegendarstellung". "Vielmehr muss die Erstmitteilung den Leser zum Weiterdenken in dieser Richtung geradezu zwingen" (Seitz/Schmidt/Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl., Randziff. 317).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.


Dr. Steiner
Vors. Richter am Landgericht

Mai
Richter am Landgericht

Dr. Schwarz
Richterin am Landgericht

Rechtsgebiete

Presserecht