Haftungsbeschränkung in allgemeinen Waschbedingungen für Pkw

Gericht

OLG Karlsruhe


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

04. 10. 1985


Aktenzeichen

15 U 201/84


Leitsatz des Gerichts

Eine Freizeichnung für leichte Fahrlässigkeit in den allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Autowaschanlage ist gem. § 11 Nr. 7 AGB-Gesetz zulässig.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Bekl. betreibt eine automatische Waschstraße für Kraftfahrzeuge. Am 23. 11. 1980 ließ die Versicherungsnehmerin der Kl. (C) ihren Pkw Marke R in der Waschstraße des Bekl. waschen. Dabei verfing sich eine Waschbürste an dem Heckscheibenwischer des Pkw, riß diesen aus der Verankerung, wobei die Heckscheibe des Fahrzeuges eingeschlagen, die Gepäckablage zerbrochen, das Innere des Fahrzeuges durchnäßt wurde. Am 22. 3. 1981 ließ ein weiterer Versicherungsnehmer der Kl. (S) in der Waschstraße des Bekl. wiederum ein Fahrzeug der Marke R waschen. Dabei verfing sich in gleicher Weise eine Waschbürste an dem Heckscheibenwischer des Fahrzeugs, riß diesen aus der Verankerung und führte die gleichen Schäden herbei wie im Schadensfall vom 23. 11. 1980. Die vom Bekl. verwendeten allgemeinen Waschbedingungen lauten in Nr. 4 b: „I (Bekl.) haftet nicht für Lackschäden sowie für die Beschädigung der außen an der Karosserie angebrachten Teile, wie z. B. Zierleisten, Spiegel, Antennen, Scheibenwischer und dadurch entstandene Folgeschäden, es sei denn, daß eine Haftung aus grobem Verschulden vorliegt."

In der Betriebsanleitung für den Pkw R ist von der Herstellerfirma empfohlen, bei einem Waschen in einer automatischen Waschanlage die Scheibenwischerarme sowie evtl. die Scheinwerferwischer und die Radioantenne mit Klebeband zu befestigen.

Die Kl. hat auf Grund der bestehenden Kaskoversicherungsverträge den Geschädigten C und S die entstandenen Schäden ersetzt. Sie hat auf Grund übergegangenen bzw. abgetretenen Rechts ihrer Versicherungsnehmer vom Bekl. Schadensersatz gefordert. Sie hält die in Nr. 4 b der allg. Waschbedingungen der Bekl. enthaltene Haftungsbeschränkung wegen Verstoßes gegen § 9 II Nr. 2 AGB-Gesetz für unwirksam. Das LG hat den Bekl. verurteilt, 3/4 der entstandenen Schäden zu tragen. Auf die Berufung des Bekl. wurde die Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Kl. steht aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmer S und C kein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung zu.

1. Eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung des Bekl. oder seines Personals (§ 278 BGB) liegt nicht vor. (Wird ausgeführt.)

2. Dem Bekl. oder seinem Personal (§ 278 BGB) könnte als leichte Fahrlässigkeit nur angelastet werden, nicht erkannt und nicht dafür gesorgt zu haben, daß die Heckscheibenwischer befestigt werden mußten, den Waschvorgang nicht genügend überwacht oder bei Beginn des Verhakens der Bürsten in den Wischerarmen die Anlage nicht sofort abgeschaltet zu haben. Für eine solche einfache Fahrlässigkeit hat der Bekl. seine Haftung jedoch durch Nr. 4 b der allg. Waschbedingungen wirksam gem. § 11 Nr. 7 AGB-Gesetz ausgeschlossen. ... Die Klausel verstößt nicht gegen § 9 II Nr. 2 AGB-Gesetz ...

3. Durch eine solche Haftungsbeschränkung bei Schäden an außen an der Fahrzeugkarosserie angebrachten Teilen und für Lackschäden werden nicht wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so eingeschränkt, daß die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist. Eine hierauf beschränkte Freizeichnung für leichte Fahrlässigkeit führt nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Kunden noch erscheint sie unbillig (ebenso OLG Düsseldorf, WM 1980, 1128; OLG Bamberg, NJW 1984, 929; LG Schweinfurt, DAR 1983, 166; LG Stuttgart, Urt. v. 11. 2. 1983 - 6 S 221/82; a. M. OLG Hamburg, DAR 1984, 260; LG Bayreuth, NJW 1982, 1767).

Der betreffende Werkvertrag (§ 631 ff. BGB) ist auf Reinigung des Fahrzeuges durch eine automatische Waschanlage gerichtet. Der Betreiber ist zwar verpflichtet, die maschinell, automatisch und deswegen nicht jederzeit kontrollierbare Anlage so zu organisieren, zu betreiben, zu warten, zu kontrollieren und zu beaufsichtigen, wie dies nach dem Stand der Technik möglich und zumutbar ist, um Beschädigungen der Fahrzeuge zu vermeiden. Auf Grund der technischen Gegebenheiten und der beiderseitigen Interessenlage können die Sorgfaltspflichten des Anlagenbetreibers aber nicht als sogenannte „Kardinalpflichten“ gewertet werden, so daß eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit bei Schäden an vorstehenden Einzelteilen nicht als unbillig und den Vertragszweck gefährdend angesehen werden kann. Eine etwaige Erwartungshaltung der Anlagenbenutzer, ihr Fahrzeug nicht nur sauber, sondern stets auch unbeschädigt zurückzuerhalten, wird der Sachlage nicht gerecht. Sie kann nicht dazu führen, daß dem Anlagenbetreiber ohne jegliche Haftungsbeschränkungsmöglichkeit als sogenannte Kardinalpflicht auferlegt wird, für einen stets schadensfreien Ablauf des Waschvorganges zu sorgen. Andernfalls wäre eine Haftungsbegrenzung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit auch für andere Gewerbebereiche niemals möglich. Denn in allen Geschäftsbereichen wird der Auftraggeber die Erwartung hegen, bei Durchführung des Vertrages nicht geschädigt zu werden. Gleichwohl läßt § 11 Nr. 7 AGB-Gesetz eine Haftungsbeschränkung grundsätzlich zu. Ob eine zentrale Verbrauchererwartung gerechtfertigt ist und gegen jede Art von Freizeichnung geschützt werden muß, hängt von der jeweiligen Interessenabwägung und den Umständen der betreffenden Vertragsart ab. Bei einem Vertrag über die Reinigung von Kraftfahrzeugen in einer automatischen Waschanlage sprechen keine überwiegenden Gründe des Verbraucherschutzes für ein uneingeschränktes Freizeichnungsverbot.

Die Reinigung von Fahrzeugen in automatischen Waschanlagen erfolgt dadurch, daß Bürsten unter gleichzeitigem Ausspritzen von Wasser, Reinigungs- und Konservierungsmitteln auf den Karosserieteilen rotieren, wobei entweder verschiedene Bürsten stationär rotieren und das Fahrzeug auf einer Art Fließband durchgeschoben wird oder aber das Fahrzeug steht und Bürstensysteme an dem Fahrzeug entlanggeführt werden. Die Fahrzeuge haben je nach Typ an unterschiedlicher Stelle und von unterschiedlicher Beschaffenheit außen angebrachte Teile wie Scheibenwischer aller Art (Frontscheiben-, Heckscheiben-, Scheinwerferwischer), Spiegel, Antennen, Zierleisten, Zierringe, Regenleisten, Zusatzleuchten und ähnliches. Gewaschen werden können Fahrzeuge aller Typen. Eine individuelle Einstellung der Bürsten nach dem jeweiligen Fahrzeugtyp, dergestalt, daß herausragende Teile von den rotierenden Bürsten oder Fäden nicht erfaßt werden, findet nicht statt. Wie jedem Benutzer erkennbar ist, besteht deswegen die generelle Gefahr, daß die Bürsten sich an vorstehenden Teilen verfangen und diese abreißen oder daß kleinere abgelöste Teile (z. B. Schrauben) in den Bürsten stecken bleiben und dadurch den Lack beschädigen. Eine Beschädigungsgefahr ist insbesondere dann gegeben, wenn Fahrzeugaußenteile nicht mehr ausreichend befestigt sind oder wenn sie - wie in den vorliegenden Fällen - auf Grund der Fahrzeugkonstruktion an einer für den Waschvorgang ungeeigneten Stelle angebracht sind. Die Schadensursache kann somit vielfach auch in der Fahrzeugbeschaffenheit, also im Verantwortungsbereich des Kunden liegen (vgl. Mehnle, DAR 1982, 49 ff.). Daneben können natürlich auch Mängel der Anlage oder Wartungsfehler als Schadensursache in Betracht kommen. Wegen der möglichen Auswirkung fehlerhaft oder an ungeeigneter Stelle angebrachter Außenteile läßt sich der Schluß auf eine objektive Pflichtverletzung des Betreibers jedenfalls bei aufgetretenen Schäden an den Fahrzeugaußenteilen nicht ziehen (OLG Bamberg, NJW 1984, 930).

Um Schadensursachen aus dem Verantwortungsbereich des Kunden auszuschalten, müßten die Fahrzeuge vor dem Waschvorgang auf ordnungsgemäßen und für den Waschautomaten geeigneten Sitz sämtlicher vorstehender Außenteile untersucht werden. Dafür müßten bereits Sachverständigenkenntnisse vorausgesetzt werden. Die Vornahme einer solchen Untersuchung ist dem Anlagenbetreiber aber nicht zumutbar. Die Fahrzeugwäsche in einer Waschanlage ist gerade auf einen automatisierten, rationalisierten, insbesondere schnellen und kostengünstigen Betrieb ausgerichtet. Vornehmlich wegen dieser Vorteile werden Waschanlagen aufgesucht. Dieser Effekt ginge verloren und würde nahezu in sein Gegenteil verkehrt, wenn der Betreiber zuvor zu einer individuellen und aufwendigen Fahrzeuguntersuchung verpflichtet wäre. Die Schäden an Außenteilen lassen sich in der Regel auch nicht durch eine intensive Beobachtung des Waschvorganges vermeiden oder einschränken. Eine zuverlässige Beobachtung wird meist durch die Größe der auf dem Fahrzeug rotierenden Bürsten und die gleichzeitig aufspritzenden Wassermengen nicht möglich sein. Das Verfangen der Bürsten und Abreißen von Teilen wird sich oft so plötzlich und schnell vollziehen, daß der Schaden durch sofortiges Abschalten der Anlage nicht mehr vermieden werden kann.

Diese dargestellten Gegebenheiten einer automatischen Waschanlage kann jeder Benutzer bei auch nur einiger Überlegung erkennen. Für die Zulässigkeit einer Haftungsbeschränkung spricht weiter, daß der Kunde nicht gezwungen ist, das schnelle und kostengünstige, aus den dargelegten Gründen aber nicht völlig gefahrlose Reinigen in einer Waschanlage in Anspruch zu nehmen. Er kann von dem im Tankstellengewerbe ebenfalls angebotenen Waschen von Hand Gebrauch machen, das zwar gefahrlos, aber wesentlich zeit- und kostenaufwendiger ist. Entschließt er sich für die billigere und schnellere Automatenwäsche, so erscheint es nicht unbillig, ihm die mit dieser Wahl zwangsläufig verbundenen Risiken teilweise - d. h. für den Fall nur leichter Fahrlässigkeit des Betreibers - aufzubürden.

Hinzu kommt, daß die Gefahr einer Schädigung bei Benutzung automatischer Waschanlagen relativ gering ist und die Folgen oft nicht erheblich sind. Eine vom Bundesverband des deutschen Tankstellen- und Garagengewerbes durchgeführte statistische Erhebung hat eine Schadensquote von nur 1 Promille. Auf 1 005 496 erfaßte Wagenwäschen entfielen insgesamt 1090 Schäden. Davon waren wiederum 981 reine Bagatellschäden unter 25 DM (vgl. Mehnle, DAR 1982, 49 ff.). Mit fortschreitender Waschanlagetechnik kann mit einer weiteren Senkung der Schadensquote gerechnet werden. Das Schadensrisiko hält sich damit für den Benutzer in vertretbaren Grenzen.

Gegen die Freizeichnungsmöglichkeit kann nicht eingewendet werden, daß sich der Anlagenbetreiber im Gegensatz zum Kunden ohne weiteres gegen das Risiko versichern kann, daß beim Betrieb seiner Anlage Fahrzeuge beschädigt werden. Gegen betriebliche Haftungsrisiken kann sich jeder Unternehmer versichern. Gleichwohl sieht § 11 Nr. 7 AGB-Gesetz eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit grundsätzlich als zulässig an. Auch der Benutzer einer Waschanlage kann sich - allerdings kostenaufwendig - versichern lassen, wie die beiden streitigen Fälle belegen, wo die Kaskoversicherung die jeweiligen Schäden ersetzt hat und nunmehr auf Grund übergegangenen Rechts Regreß nehmen will.

Schließlich wird der Kunde durch die streitige Freizeichnungsklausel auch deshalb nicht unbillig betroffen, weil bei gewichtigen Beaufsichtigungs- und Organisationsmängeln regelmäßig der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gegen den Betreiber durchgreifen wird, welche dann seine Schadensersatzpflicht begründet.

Rechtsgebiete

Schadensersatzrecht