Lackschaden in Waschstraße bei Fehlen von Bindemitteln im Lack

Gericht

AG Lemgo


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

17. 11. 2003


Aktenzeichen

17 C 462/02


Leitsatz des Gerichts

  1. Verwendet der Betreiber einer Autowaschstraße Reinigungsmittel, die bei Fahrzeugen, in deren Lack infolge Alterung bestimmte Bindemittel nicht mehr ausreichend vorhanden sind, zu Laufspuren führen, muss die Benutzer der Waschstraße auf diese Gefahr aufmerksam machen oder darf solche Reinigungsmittel nicht verwenden. Andernfalls haftet er für die Lackschäden.

  2. Ergibt sich aus den Gutachten eines Sachverständigen, dass an einem Pkw anlässlich der Benutzung einer Waschstraße ein Bagatellschaden entstanden ist, muss der Schädiger für die Kosten eines weiteren von dem Geschädigten in Auftrag gegebenen Gutachtens über die Kosten der Schadensbeseitigung nicht mehr aufkommen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. hat den bekl. Betreiber einer Autowaschstraße auf Schadensersatz in Anspruch genommen, weil es nach der Benutzung der Anlage zu Laufspuren auf dem Lack ihres Pkw gekommen sei.

Die Klage hatte hinsichtlich der Kosten für die Beseitigung des Schadens und eines Teils der Gutachterkosten Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Kl. steht im erkannten Umfang ein Schadensersatzanspruch aus § 634 Nr. 4 BGB zu. Zwischen den Parteien ist am 31. 5. 2002 ein Werkvertrag über die Durchführung einer Fahrzeugwäsche zu Stande gekommen. Die beklagtenseits erbrachte Werkleistung ist mangelhaft i.S. von § 633 II Nr. 2 BGB, als die Fahrzeugwäsche nicht die gewöhnliche und nach den Umständen zu erwartende Beschaffenheit aufweist. Zur Überzeugung des Gerichts steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass es infolge der Fahrzeugwäsche vom 31. 5. 2002 zu Laufspuren auf dem Fahrzeuglack bzw. den Kunststoffteilen gekommen ist. Zunächst steht nach den übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen R und S und durch die in den Gutachten der Sachverständigen R und B befindlichen Lichtbilder fest, dass auf dem klägerischen Fahrzeug Laufspuren im Bereich der Fahrzeuglackierung sowie der Kunststoffteile vorhanden sind. Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass diese Laufspuren vor dem Besuch der Waschstraße der Bekl. am 31. 5. 2002 nicht vorhanden waren. (Wird ausgeführt.)

Das Auftreten der Laufspuren an dem klägerischen Fahrzeug ist der Bekl. auch zuzurechnen. Nach den übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen R und S sind die Laufspuren auf eine Beaufschlagung von Reinigungsmitteln, welche in der Waschstraße der Bekl. verwandt werden, zurückzuführen. Dabei kann es letztlich dahinstehen, welches der diversen verwandten Reinigungsmittel zu der Beaufschlagung geführt hat. Für die Annahme, dass die Laufspuren auf die Nutzung der Waschstraße zurückzuführen sind, spricht im Übrigen, dass, wie ausgeführt, das klägerische Fahrzeug vor der Nutzung der Waschstraße derartige Schäden nicht aufwies und die Kl. überdies unstreitig unmittelbar nach Verlassen der Waschstraße deren Betreiber auf die Spuren hingewiesen hat. Aus diesen Gründen scheidet eine andere Ursache für die Laufspuren als die Nutzung der Waschstraße aus.

Der Zurechnung des Schadensbildes steht nicht entgegen, dass nach dem beklagtenseits vorgelegten Gutachten des Dipl.-Ing. F das Schadensbild auf eine Ablösung von Farbpigmenten, welche wiederum auf das Fehlen von Bindemitteln im Lack zurückzuführen ist, ausgelöst wird. Der Sachverständige F hat in seinem Gutachten ausdrücklich aufgeführt, dass eine derartige Pigmentablösung auf Grund einer chemischen Reaktion mit den verwandten Reinigungsmitteln beruht. Selbst wenn die Reinigungsmittel als solche bei einer Fahrzeuglackierung, welche vollständig unversehrt ist, mithin eine intakte Pigmentierung sowie ein ausreichendes Vorhandensein der Bindemittel im Lack aufweist, keine Laufspuren verursachen, ist das Auftreten eines derartigen Schadensbildes der Bekl. gleichwohl zuzurechnen. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Ablösung der Pigmente ohne die durch die Verwendung der Reinigungsmittel ausgelösten chemischen Reaktionen gleichwohl erfolgte. Wäre dies der Fall, hätte das klägerische Fahrzeug auch bei Vornahme einer Handwäsche derartige Laufspuren aufweisen müssen. Dies ist jedoch nicht ersichtlich. Die Bekl. ist gehalten, bei dem Betrieb der Waschstraße Reinigungsmittel zu verwenden, die selbst bei dem Befahren der Waschstraße mit Fahrzeugen, die die von dem Sachverständigen Dipl.-Ing. F geschilderten Lackschäden aufweisen, keine Schäden auftreten. Es ist allgemein bekannt, dass Waschstraßen nicht nur von Inhabern vollständig neuer, mithin im Fahrzeuglack unbeschädigter Fahrzeuge, genutzt werden.

Jedenfalls aber haftet die Bekl. aus § 280 I BGB auf Schadensersatz. Wie sich aus dem beklagtenseits vorgelegten Gutachten ergibt, ist dieser bekannt, dass es bei Fahrzeugen, deren Lackierung Schäden der Pigmentierung bzw. eine Verringerung der Bindemittel in der Lackierung aufweisen, zu Laufspuren kommen kann. Der Bekl. obliegt daher die werkvertragliche Nebenpflicht, die Benutzer der Waschstraße auf diesen Umstand hinzuweisen. Eine derartige Hinweispflicht ist nicht deshalb entbehrlich, als die Benutzer mit einem derartigen Schadensbild rechnen müssten. Dies wäre allenfalls der Fall, wenn die Lackierung eines Fahrzeugs offensichtlich abgestumpft, porös oder sonst schadhaft ist. In diesem Fall muss ein Benutzer damit rechnen, dass es bei der Verwendung der Reinigungsmittel in einer Waschstraße evtl. zu Schäden kommen kann. Wenn jedoch demgegenüber ein auch älteres Fahrzeug eine auf den ersten Anschein gepflegte und unbeschädigte Fahrzeuglackierung aufweist, muss ein Fahrzeuginhaber mit einem derartigen Schadensbild nicht rechnen und darf darauf vertrauen, dass es bei der Benutzung einer Waschstraße zu keinen Schäden infolge der Verwendung von Reinigungsmitteln kommt. Letzteres ist bei dem klägerischen Fahrzeug der Fall. Nach den übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen R und S befindet sich die Fahrzeuglackierung des klägerischen Fahrzeuges in einem einwandfreien und gemessen an dem Alter sehr gepflegten Zustand. Dies ist auch durch Inaugenscheinnahme der von dem Gutachter R gefertigten Lichtbilder ersichtlich.

Dem Schadensersatzanspruch steht nicht entgegen, dass die Kl. die Bekl. nicht entsprechend § 635 BGB unter Fristsetzung zur Nachbesserung der Werkleistung aufgefordert hat. Die Bekl. hat mit Schreiben vom 17. 6. und 29. 7. 2002 ihre Haftung endgültig abgelehnt.

Der Höhe nach kann die Kl. die zur Beseitigung der Schäden erforderlichen Kosten begehren. Diese betragen nach den übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen R und S 250 Euro netto, mithin 290 Euro brutto. Der Schadensbemessung der vorgenannten Sachverständigen ist größeres Gewicht beizumessen als der Feststellung des Sachverständigen B, als es sich bei den Sachverständigen S und R um vereidigte Sachverständige für den Bereich der Fahrzeuglackierung handelt, diese mithin ein größeres Sachwissen im Hinblick auf diesen Umstand aufweisen. Als notwendige Rechtsverfolgungskosten kann die Kl. des Weiteren die Erstattung der Kosten für das Gutachten des Sachverständigen B in Höhe von 66,12 Euro begehren. Zudem steht der Kl. eine Schadenspauschale zu, die nach ständiger Rechtsprechung des AG Lemgo seit der Umstellung auf den Euro 25 Euro beträgt.

Soweit die Kl. auch die Erstattung der Kosten für das Gutachten des Sachverständigen R über 293,48 Euro begehrt, ist die Klage abzuweisen. Die Einholung des Gutachtens war zur sachgerechten Rechtsverfolgung nicht notwendig. Bereits auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen B stand fest, dass es sich bei dem Schaden um einen sog. Bagatellschaden handelt, dieser mithin mit einem geringen Kostenaufwand zu beseitigen ist. Die Einholung des Gutachtens war auch nicht deshalb notwendig, als die Bekl. die Ursächlichkeit der Waschstraßenbenutzung für das Auftreten des Schadensbildes bestritt. Auch insoweit steht der Erforderlichkeit der Einholung eines weiteren Gutachtens entgegen, dass nach den Feststellungen des Sachverständigen B das Schadensbild mit einem relativ geringfügigen Kostenaufwand beseitigt werden kann. Die Kl. war daher gehalten, die Bekl. direkt auf Zahlung in Anspruch zu nehmen.

Rechtsgebiete

Schadensersatzrecht

Normen

BGB §§ 634 Nr. 4, 280 I