Markenrechtlicher Schutz für die typische Ausgestaltung eines Titelblattes
Gericht
LG Hamburg
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
03. 08. 2004
Aktenzeichen
312 O 447/04
Markenschutz kraft Verkehrsgeltung nach § 4 Nr.2 MarkenG können nur solche Gestaltungsmerkmale einer Ware erlangen, die vom Verkehr als Herkunftshinweis aufgefasst werden.
Erforderlich für den Schutz einer Benutzungsmarke i.S.d § 4 Nr.2 MarkenG ist, dass dieser sich auf eine konkrete Gestaltung bezieht. Eine Abstraktion von dem tatsächlich verwendeten Kennzeichen zu bloßen „Zeichenbildungsprinzipien“ ist hierfür nicht ausreichend.
Ein Umfragegutachten ist zum Nachweis der Verkehrsgeltung von graphischen Gestaltungselementen der Titelseite einer Zeitschrift nicht geeignet, wenn es den Gegenstand der Antwort bereits mit der Fragestellung offenbart. Die Umfrageergebnisse resultieren in diesem Fall nicht auf dem Wiedererkennen von Merkmalen, sondern aus der Bekanntheit der Zeitschrift selbst.
Den nach § 4 Nr.2 MarkenG erforderlichen Herkunftshinweis sieht der Verkehr in einer Ware nur dann, wenn dieser die entsprechenden Gestaltungsmerkmale nicht lediglich einer bestimmten Funktion der Ware oder dem Bemühen zuschreibt, ein ästhetisch ansprechendes Produkt zu schaffen. Kommt den Gestaltungsmerkmalen kein solcher Herkunftshinweis zu, fehlt es bereits an der für den Ausstattungsschutz erforderlichen markenmäßigen Verwendung dieser Merkmale.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung der Beklagten in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin verlegt seit 20 Jahren die ... . Dieser Titel erscheint ... . Auf Anl. K 1 wird verwiesen.
Seit Anfang 2003 gibt die Beklagte eine Frauenzeitschrift mit dem Titel ... heraus, die ebenfalls ... bundesweit erscheint.
Die Klägerin hält die ... für ein Plagiat der ... . Nachdem die Klägerin zum Az.: 312 O 121/03 sowie 312 O 224/03 bereits gegen Sonderhefte des Titels ... vorgegangen ist, wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage gegen die aus der Anl. zu diesem Urteil ersichtliche Gestaltung der Titelblätter der Zeitschrift ... .
Die Klägerin ist der Auffassung, sie genieße kraft Verkehrsgeltung Markenschutz an der Ausgestaltung des Titelblattes der Zeitschrift ... hinsichtlich der auf Bl. 3 der Klagschrift unter 4. genannten Merkmale, die sich auf den hier streitgegenständlichen Titelblättern der Zeitschrift ... sämtlich wieder fänden, weshalb sich die angegriffenen Titelblätter der ... nach Auffassung der Klägerin als eine Verletzung der der Klägerin zustehenden Markenrechte hinsichtlich der Gestaltung des Titelblattes der ... darstellen. Die Klägerin legt zur Untermauerung der von ihr behaupteten Verkehrsgeltung die aus Anl. K 3 ersichtliche Verkehrsbefragung vor.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungmittel zu unterlassen, die Zeitschrift ... mit einem der diesem Urteil beigefügten Titelblätter in Verkehr zu bringen.
Die Beklagte beantragt,
Klagabweisung.
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und hält die Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit des Streitgegenstandes zum Az.: 312 O 224/03 für unzulässig. Sie nimmt in der Sache das Bestehen von Markenschutz zu Gunsten der Titelblattgestaltung der ... in Abrede.
Zur Ergänzung des Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Zulässigkeit der Klage steht der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit nicht entgegen. Der Streitgegenstand der vorliegenden Klage (Vertrieb von Zeitschriften mit den aus der Anl. zu diesem Urt. ersichtlichen Titelblättern) unterscheidet sich von dem Streitgegenstand des Verfahrens 312 O 224/03, mit dem sich die Klägerin gegen die Gestaltung bestimmter Sonderhefte des Titels ... gewandt hat.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Gestaltung der hier streitgegenständlichen Titelblätter der ... verletzt keine Markenrechte der Klägerin hinsichtlich der Titelblattgestaltung für die Zeitschrift ... .
Die Klägerin kann sich nicht auf einen durch Verkehrsgeltung entstandenen Markenschutz nach § 4 Ziff. 2 MarkenG hinsichtlich der Gestaltungsmerkmale des Titelblattes der ... berufen. Zwar können auch von Haus aus nicht kennzeichnungskräftige Gestaltungsmerkmale kraft Verkehrsgeltung Markenschutz erlangen. Dies gilt selbst für das Aussehen oder die Form der Ware als solche (vgl. BGH, Beschl. v. 4.12.2003, GRUR 2004, S. 329 "Käse in Blütenform"). Gegenstand eines solchen Markenschutzes kraft Verkehrsgeltung kann jedoch nur ein Gestaltungsmerkmal sein, das dem Verkehr im hohen Maße bekannt ist und das vom Verkehr ebenfalls im hohen Maße als Herkunftshinweis aufgefasst wird.
Vorliegend ist bereits nicht hinreichend dargelegt, welches konkrete Zeichen Gegenstand des von Klägerseite in Anspruch genommenen Markenschutzes sein soll. Markenschutz kann immer nur erlangt werden für ein konkretes Zeichen, für eine konkrete, hinreichend bestimmte Gestaltung. Auch soweit im Rahmen von Serienzeichen u.a. Kennzeichenschutz in Betracht kommt, setzt dies voraus, dass bestimmte gemeinsame Merkmale existieren. Eine Abstraktion von den tatsächlich verwendeten Kennzeichen zu bloßen "Zeichenbildungsprinzipien" ist unzulässig (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., 2003, § 4 Rn. 13 m.w.N.). Die auf Bl. 3 der Klage unter 4. genannten Merkmale, für die die Klägerin Kennzeichenschutz in Anspruch nimmt, umschreiben kein hinreichend konkretes Zeichen. Mit Formulierungen wie "eine außerordentlich bunte vielfältige quasi wie eine Wundertüte daherkommende Ansammlung", "von in unterschiedlichen Schrifttypen und Farben quasi im geordneten Durcheinander gedruckten Inhalts-Hinweisen" pp. wird keine hinreichend bestimmte Gestaltungsform beschrieben.
Dass erhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs das Titelblatt der unabhängig von der Wiedergabe des Titels ... aufgrund der üblichen Gestaltung des Titelblattes erkennen und mit dem Titel ... in Verbindung bringen, ist von Klägerseite substantiiert dargelegt worden. Die dazu eingereichte Verkehrsbefragung gem. Anl. K 3 ist allerdings nicht geeignet, diese Behauptung zu untermauern, weil sie den Befragten gleich in der 1. Frage vorgibt bzw. jedenfalls nahe legt, dass man den Titel der Zeitschrift anhand eines Herkunftshinweises der typischen Gestaltung des Titelblattes erkennen könnte. Mit einer derartigen Fragestellung werden die Befragten letztlich zu einem "Ratespiel" aufgefordert, bei dem sich dann regelmäßig der bekannteste Titel durchsetzt. Der tatsächliche Zuordnungsgrad zwischen der Titelgestaltung und dem Titel der Zeitschrift ... innerhalb der beteiligten Verkehrskreise bedarf vorliegend aber keiner näheren Feststellung, denn der von Klägerseite geltend gemachte Markenschutz kraft Verkehrsgeltung scheitert nicht nur am Fehlen einer hinreichend konkreten Gestaltung als Schutzgegenstand, sondern auch an einer fehlenden markenmäßigen Benutzung der Titelblattgestaltung. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass die für ... typische Ausgestaltung des Titelblattes zu einem hohen Wiedererkennungswert beim Publikum führt, würde dies noch nicht auf einer markenmäßigen Verwendung der in Rede stehenden, nicht näher konkretisierten Gestaltungsmerkmale beruhen und damit keinen Markenschutz begründen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Verkehr durchaus dazu neigt, solchen Merkmalen, die nur von einem Hersteller verwendet werden, Hinweisfunktion zuzumessen, auch wenn es sich z.B. um technisch oder ästhetisch bedingte Merkmale handelt. Würde auch in diesen Fällen Markenschutz aufgrund von Verkehrsgeltung gewährt, würde der Marktpionier oder Monopolist Markenschutz für die Ausgestaltung der Ware erhalten. In derartigen Fällen ist daher der Schutz nach § 4 Nr. 2 MarkenG noch nicht allein auf die rein tatsächliche Zuordnung des Produktes aufgrund seines Aussehens zu einem bestimmten Hersteller zu gewähren. Es ist vielmehr zusätzlich zu fordern, dass die Zuordnung auf einer Benutzung der in Rede stehenden Gestaltungsmerkmale als Marke beruht (Ingerl/Rohnke, aaO, § 4 Rn. 14 m.w.N.; EUGH, Urt. v. 18.6.2002, GRUR 2002 S. 804 "Philips/Remington"). Der Verkehr sieht aber in einer bestimmten Gestaltung einer Ware nur dann einen Herkunftshinweis, wenn er die entsprechenden Gestaltungsmerkmale nicht einer konkreten Funktion der Ware oder ganz allgemein dem Bemühen zuschreibt, ein ästhetisch ansprechendes Produkt zu schaffen (BGH, GRUR 2004, 329 "Käse in Blütenform").Vorliegend wird das Publikum selbst dann, wenn es das Titelblatt der an seiner Gestaltung als solches erkennt, nicht davon ausgehen, dass diese Gestaltung als Herkunftshinweis verwendet wird. Denn das Publikum kennt die hier in Rede stehenden Einzelgestaltungsmerkmale von zahlreichen anderen Zeitschriftentiteln insbesondere im Bereich der Frauenzeitschriften. Auch wenn die diese Merkmale regelmäßig wiederkehrend in ähnlicher Form kombiniert, werden die angesprochenen Verkehrskreise dies daher nicht als markenmäßige Verwendung auffassen, sondern dem Bemühen um eine ästhetisch ansprechende, die Aufmerksamkeit des Lesers erregende Gestaltung zuschreiben.
Auf die durchaus bestehenden Unterschiede im Gesamteindruck der gegenüberstehenden Titelblätter (deutlich mehr "weiß" auf dem Titelblatt der ... im Gegensatz zu höheren Farbanteilen bei ... Fehlen einer die gesamte Breite des Titelblattes ausschöpfenden Überschrift (z.B. "9 x Fett weg!" (vgl. K 1) bei ...) kommt es daher angesichts des fehlenden Markenschutzes nicht mehr an.
Auf ergänzenden Leistungsschutz gem. § 1 UWG wird die Klage nicht gestützt. Auch insoweit wäre die Klage im Übrigen aus den im Urteil vom 5.3.2004 zum Az.: 312 O 224/03 genannten Gründen nicht begründet.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
Sievers Dr. Kagelmacher Blömer
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