Selbständigkeit eines Bausparkassenvertreters

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

15. 12. 1999


Aktenzeichen

5 AZR 770/98


Leitsatz des Gerichts

Ein im Anstellungsvertrag vereinbartes Wettbewerbsverbot stellt kein Indiz dar für oder gegen die Selbständigkeit eines Bausparkassenvertreters.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Mit der am 16. 6. 1997 bei Gericht eingereichten Klage begehrt der Kl. die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestehe, das durch die Kündigung der Bekl. vom 20. 5. 1997 nicht beendet worden sei.

Der Kl. vermittelte zunächst aufgrund eines zwischen ihm und einem Dritten geschlossenen „Vertreter-Vertrages“ vom 21. 3. 1996 und ab dem 1. 10. 1996 aufgrund eines zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages vom 26. 9. 1996 Bausparverträge und Lebensversicherungsverträge der Bekl. Der Vertrag vom 26. 9. 1996 enthielt u.a. folgende Bestimmungen:

㤠1 Rechtsstellung des Mitarbeiters

Der Vertreter ist freier Handelsvertreter i.S. des § 84 Abs. 1 HGB. Über seine Arbeitszeit und die Art der Durchführung seiner Tätigkeit kann er frei bestimmen. Für die Einhaltung der ihm als selbständigem Gewerbetreibenden obliegenden gewerberechtlichen, steuerlichen und sonstigen gesetzlichen Pflichten ist der Vertreter selbst verantwortlich. W. hält für den Vertreter hierzu ein Merkblatt bereit.

§ 3 Tätigkeitsbereich

(1) Der Vertreter übernimmt das in Anlage V agb 1 festgelegte Arbeitsgebiet und den ihm übertragenen Vertragsbestand in seine Verantwortung. Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Vertreters soll in seinem Arbeitsgebiet und seinem Vertragsbestand liegen.

(2) Der Vertreter ist berechtigt, Verträge auch außerhalb seines Arbeitsgebiets und seines Vertragsbestands zu vermitteln.

(3) Falls organisatorische Gründe es erfordern, behält sich W. vor, das Arbeitsgebiet und die Bestände zu verändern, wobei die beiderseitigen Interessen zu berücksichtigen sind. Eine wesentliche Änderung des Arbeitsgebiets oder der Bestände ist nur unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist zulässig.

§ 4 Werbetätigkeit

(1) W. gibt dem Vertreter für die Ausübung seiner Tätigkeit weitgehend werbliche Unterstützung.

Daneben unterstützt W. den Vertreter in seinem Arbeitsgebiet und seinem Vertragsbestand durch ein System vielfältiger Verkaufsförderungsmaßnahmen.

(2) Werbeanzeigen und sonstige öffentliche Werbemaßnahmen bedürfen der vorherigen Genehmigung durch W., auch wenn der Vertreter selbst die Kosten trägt.

(3) Der Vertreter darf Werbemaßnahmen, die sich nicht nur an bestimmte einzelne Interessenten richten, nicht außerhalb seines Arbeitsgebiets und seines Vertragsbestands durchführen.

§ 5 Fachliche Weisungen und Vertretungsmacht

(1) Der Vertreter ist verpflichtet, sich an die ihm von W. und deren Beauftragten erteilten fachlichen Weisungen und Arbeitsrichtlinien zu halten. Er darf insbesondere über Zuteilungsaussichten und Finanzierungsmöglichkeiten keine Angaben machen, die von den Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB) und ihren Erläuterungen sowie den sonstigen offiziellen Verlautbarungen von W. abweichen.

(2) Mit Ausnahme von Anträgen auf Abschluss von Verträgen, deren Vermittlung ihm übertragen ist, kann der Vertreter keine Erklärungen Dritter mit Wirkung für W. entgegennehmen. Zum Abschluss von Verträgen oder zur Abgabe von Erklärungen im Namen oder für Rechnung von W. ist er nur berechtigt, wenn er im Einzelfall schriftlich dazu bevollmächtigt wird.

§ 6 Beratungsbüros und W.-Beratungsstellen

(1) Richtet der Vertreter auf eigene Kosten ein Beratungsbüro ein, so dürfen Ausgestaltung und Standort den berechtigten Interessen von W. nicht entgegenstehen. Der Vertreter ist verpflichtet, bei Einrichtung eines Beratungsbüros die Zustimmung von W. vorher einzuholen.

(2) Die Benutzung einer W.-Beratungsstelle kann unabhängig von diesem Vertrag in einer besonderen Vereinbarung geregelt werden. Ein Anspruch hierauf besteht nicht.

§ 7 Übernahme weiterer Vertretungen und sonstige Tätigkeiten

(1) Die Übernahme weiterer Vertretungen für andere Unternehmen oder die Ausübung anderer Tätigkeiten ist nicht zulässig.

(2) ...

§ 9 Provision, Bevorschussung und Abrechnung

(1) Die Provision ist eine Globalprovision; sind Dritte an der Vermittlung beteiligt (Stützpunkte oder andere Vermittler), so sind diese vom Vertreter aus der Globalprovision zu honorieren, soweit sie nicht einen Provisionsanspruch unmittelbar gegen W. haben.

...“

Am 18. 9. 1996 unterschrieb der Kl. eine Erklärung, dass er ab dem 1. 4. 1996 ausschließlich für die Unternehmensgruppe W. tätig sei und keine andere Tätigkeit - weder freiberuflich noch angestellt - ausübe. Mit Schreiben vom 25. 9. 1996 sagte die Bekl. dem Kl. für das erste Halbjahr seiner Tätigkeit (1. 10. 1996 bis 31. 3. 1997) ein monatliches Fixum in Höhe von 4.200 DM, in den darauffolgenden drei Monaten (1. 4. 1997 bis 30. 6. 1997) ein monatliches Fixum von 1.400 DM und einen monatlichen Aufbauzuschuss in Höhe von 2.800 DM sowie für die nächsten drei Monate (1. 7. 1997 bis 30. 9. 1997) ein monatliches Fixum in Höhe von 2.800 DM und einen Aufbauzuschuss von 1.400 DM zu. Alle Provisionen und Vergütungen sollten auf die gezahlten Fixa angerechnet werden.

Der Kl. erhielt eine als W.-Erfolgs-System-Karriereplan bezeichnete Aufstellung. In dieser waren unter der Überschrift „Das erfolgreiche Einstellungs- und Einarbeitungkonzept für dienstjunge Mitarbeiter“ über einen Zeitraum von insgesamt 24 Monaten die in den einzelnen Zeitabschnitten der Einarbeitung zu erbringenden „Aktivitäten“ sowie die „Voraussetzungen, Erwartungen an Außendienstmitarbeiter“ aufgeführt. In der Spalte „Voraussetzungen und Erwartungen an den AM“ war ab dem zweiten Monat u.a. das Führen eines Zielplanbuches und das regelmäßige Ausfüllen von Kundenberatungsbögen vorgesehen.

Der Kl. unterschrieb einen „Ausbildungsplan für dienstjunge Mitarbeiter“. In diesem waren Termine für das erste Halbjahr 1997 niedergelegt. Dabei handelte es sich um monatlich zwei Gesprächsrunden jeweils von 9.30 Uhr bis 12.00 Uhr. Darüber hinaus waren für etwas mehr als vier Monate insgesamt neun gemeinsame Außendiensttage mit Beginn jeweils 15.00 Uhr vorgesehen. An diesen Tagen wurde der Kl. von einem Bezirksdirektor oder einem Spezialisten begleitet.

Mit Schreiben vom 20. 5. 1997, dem Kl. zugegangen am 30. 5. 1997, kündigte die Bekl. das Vertragsverhältnis zum 30. 6. 1997 mit der Begründung, die Abschlusstätigkeit des Kl. habe sich nicht so entwickelt, wie das von beiden Seiten erwartet worden sei.

Der Kl. hat die Auffassung vertreten, nach den vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Handhabung sei er Arbeitnehmer der Bekl. und kein selbständiger Handels- bzw. Versicherungsvertreter gewesen. Er habe in vielfacher Hinsicht den Weisungen der Bekl. unterlegen. Er sei weder in der Bestimmung der Dauer und der Lage seiner Arbeitszeit noch in der Gestaltung seiner Tätigkeit frei gewesen. Bei den „Vorschlägen“ der Bekl., insbesondere denjenigen aus dem „Karriereplan“ habe es sich tatsächlich um verbindliche Anweisungen gehandelt. I.d.R. habe er vormittags Gespräche mit seinen Ausbildern bzw. Spezialisten führen und dann am Nachmittag, beginnend ab 15.00 Uhr, Kunden besuchen müssen. Auch nach Ablauf der Einarbeitungszeit habe die Bekl. die Anzahl der täglichen Kundenkontakte entsprechend dem Karriereplan vorgegeben und diese regelmäßig kontrolliert. Zudem habe sie Anweisungen im Einzelfall erteilt. So sei er etwa aufgefordert worden, 50 Adressen aus dem elektronischen Telefonbuchverzeichnis D-Info zu selektieren und in der Woche 50 Adressen anzuschreiben.

Sein Tätigkeitsgebiet sei klar definiert und in räumlicher und inhaltlicher Hinsicht beschränkt gewesen. Das Nebentätigkeitsverbot sei über die Einschränkungen eines Einfirmenvertreters hinausgegangen. Er habe keinerlei Eigenkapital einsetzen müssen. Ihm seien sämtliche Unterlagen, Briefpapier, Visitenkarten mit Foto und anderes mehr von der Bekl. gestellt worden. Weitere Werbemittel seien gar nicht notwendig gewesen. Er habe weder das wirtschaftliche Risiko getragen noch unternehmerische Chancen verwirklichen können.

Da er nach alledem Arbeitnehmer der Bekl. sei und weder personen- noch verhaltens- oder betriebsdedingte Gründe für die Kündigung vorlägen, sei diese sozial nicht gerechtfertigt und daher rechtsunwirksam.

Der Kl. hat, soweit in der Revisionsinstanz noch erheblich, beantragt: Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 20. 5. 1997 nicht aufgelöst worden ist.

Die Bekl. hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kl. sei kein Arbeitnehmer gewesen. Er sei bei der Bestimmung seiner Arbeitszeit und der Gestaltung seiner Tätigkeit frei gewesen. Ein Recht zur Erteilung persönlicher Weisungen sei weder vereinbart noch ausgeübt worden. Fachliche Weisungen entsprächen § 86 HGB. Der W.-Karriereplan sei lediglich ein vereinbarter Ausbildungsplan. Er enthalte unverbindliche Vorschläge zur Arbeitsorganisation des Mitarbeiters, um diesem dauerhafte Erfolge zu ermöglichen. Der Plan beruhe auf langjährigen Erfahrungen und werde von den Vertretern gerne beachtet. Die vorgeschlagenen Kontakte seien nicht vorgeschrieben gewesen, sondern stellten lediglich das anzustrebende Ziel dar. Die Kundenberatungsbögen seien nur ein Hilfsmittel, das es dem Handelsvertreter ermöglichen solle, seine Arbeit zu systematisieren und zu Erfolgen zu kommen. Eine Pflicht zur Vorlage der Bögen habe nicht bestanden, allenfalls habe der zuständige Bezirksdirektor bzw. der Organisationsleiter sie sich von Zeit zu Zeit zeigen lassen. Es gehöre zu einer fachgerechten Ausbildung, dem Neuling das Rüstzeug für ein systematisches Arbeiten zu vermitteln. Das habe mit einem Weisungsrecht nichts zu tun, sondern sei die Weitergabe von Erfahrungen, die darauf ziele, dem Handelsvertreter ein selbständiges Arbeiten zu ermöglichen. Der Kl. habe bei Nichteinhaltung der Vorschläge mit keinen Sanktionen oder Konsequenzen rechnen müssen. Die Einhaltung der Vorgaben sei nicht einmal kontrolliert worden.

Da der Kl. in der Einarbeitungszeit finanziell abgesichert gewesen sei, habe sie erwartet, dass er die Ausbildungsangebote auch in Anspruch nehme. Sie könne es sich nicht leisten, dass auf der Grundlage außerberuflicher Erfahrungen mit einem „selbstgestrickten Beratungsgespräch“ für den Abschluss von Bausparverträgen geworben werde.

Die Einstellung eigener Mitarbeiter sei dem Kl. nicht verwehrt gewesen. Tatsächlich habe sie viele Handelsvertreter, die eigene Mitarbeiter beschäftigten. Selbstverständlich sei, dass der Betreffende über eigenes Kapital, etwa über ein eigenes Fahrzeug, verfüge. Von jedem Außendienstmitarbeiter werde erwartet, dass er sich eine eigene Organisation aufbaue.

Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Bekl. hat das LAG die Klage abgewiesen. Die Revision des Kl. ist nicht begründet.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das LAG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zwischen den Parteien hat kein Arbeitsverhältnis bestanden. Die von der Bekl. erklärte ordentliche Kündigung hat das Vertragsverhältnis der Parteien aufgelöst.


I.

Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann, § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB. Für die Abgrenzung zum unselbständigen Angestellten hat sich das Gesetz im Bereich der Vermittlung von Geschäften und Versicherungen für Dritte auf diese beiden Kriterien beschränkt. Zwar sind dabei alle Umstände des Falles in Betracht zu ziehen und schließlich in ihrer Gesamtheit zu würdigen (BAG 21. 1. 1966 - 3 AZR 183/65 - BAG 18, 87 = AP Nr. 2 zu § 92 HGB). Die heranzuziehenden Anknüpfungspunkte müssen sich jedoch diesen gesetzlichen Unterscheidungsmerkmalen zuordnen lassen.

Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Widersprechen sich Vereinbarungen und tatsächliche Durchführung, so ist letztere maßgebend. Dabei kommt es auf eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles an (BAG 6. 5. 1998 - 5 AZR 347/97 - AP Nr. 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit [Für die Amtl. Samml. bestimmt]).


II.

Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das LAG zu dem Ergebnis gelangt ist, zwischen den Parteien habe kein Arbeitsverhältnis bestanden.

1. Der Kl. war in seiner Arbeitszeitgestaltung im wesentlichen frei.

a) Die freie Bestimmung der Arbeitszeit eines Selbständigen erstreckt sich nicht nur auf die Festlegung von Anfang und Ende eines Arbeitsabschnitts, sondern auch auf die Festlegung des gesamten Arbeitsumfangs, also der Arbeitsdauer.

b) Nach § 1 Satz 2 des Anstellungsvertrages unterlag der Kl. hinsichtlich seiner Arbeitszeit keinem Weisungsrecht, sondern konnte diese frei bestimmen. Tatsächlich war er in seiner Entscheidung, wann er welche Kunden mit welchen Angeboten aufsuchte, weitgehend autonom. Insbesondere waren ihm keine „Tourenpläne“ vorgegeben. Dass er die von ihm selbst ermittelten potentiellen Kunden nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit aufsuchen konnte, sondern sich nach deren Anwesenheit und deren Wünschen zu richten hatte, ändert daran nichts. Ein derartiger faktischer Zwang berührt die Möglichkeit der freien Bestimmung der Arbeitszeit gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB nicht (BAG 26. 5. 1999 - 5 AZR 469/98 - AP Nr. 104 zu § 611 BGB Abhängigkeit [IV 2a der Gründe]), denn mit freier Bestimmung der Arbeitszeit ist nur die (rechtliche) Freiheit gegenüber dem Unternehmer gemeint. Es ist auf das rechtliche Dürfen gegenüber dem Unternehmer abzustellen.

Soweit der Kl. verpflichtet war, an wöchentlichen Work-Shops teilzunehmen, hat er weder zu deren Inhalt noch zu der damit verbundenen zeitlichen Inanspruchnahme konkret vorgetragen. Sollte es sich um die „Gesprächsrunden“ nach dem „Ausbildungsplan für dienstjunge Mitarbeiter“ gehandelt haben, hätte die zeitliche Inanspruchnahme für das erste Halbjahr 1997 bei zwölf Gesprächsrunden mit einer Dauer von jeweils zweieinhalb Stunden einer wöchentlichen Belastung von etwa 75 Minuten entsprochen. Diese Inanspruchnahme vermag nicht entscheidend für den Arbeitnehmerstatus zu sprechen. Dies gilt auch für die zeitliche Inanspruchnahme durch die Begleitung im Außendienst. Aus dem Ausbildungsplan ergeben sich insoweit für die Zeit von Dezember 1996 bis März 1997 lediglich neun Termine, jeweils ab 15.00 Uhr.

Eine zeitliche Weisungsgebundenheit kann auch aus der Festlegung eines in einer bestimmten Zeitspanne zu erledigenden Min destsolls folgen. Dies ist jedoch dann nicht anzunehmen, wenn die Grenzen so gesetzt sind, dass den Mitarbeitern ein erheblicher Spielraum verbleibt (BAG 26. 5. 1999 - 5 AZR 469/98 - AP Nr. 104 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Vorliegend ist bereits das Mindestsoll streitig geblieben. Wird zugunsten des Kl. davon ausgegangen, die im Karriereplan enthaltene Vorgabe von einem Abschluss pro Arbeitstag auf Grund von zehn Kundenkontakten sei verbindlich gewesen, lässt dies allenfalls Vermutungen über die zeitliche Bindung zu. Konkrete Darlegungen hat der Kl. unterlassen.

2. Der Kl. konnte seine Tätigkeit im wesentlichen frei gestalten.

Kraft Gesetzes (§ 675 i.V. mit § 665 BGB) hat der Vertreter allgemeine Weisungen in bezug auf den Inhalt seiner Tätigkeit zu befolgen. Dabei darf in der Versicherungswirtschaft wegen der außerordentlichen Vielgestaltigkeit und Schwierigkeit des Versicherungsrechts und der sehr hohen finanziellen Risiken der Rahmen für zulässige Weisungen nicht zu eng gezogen werden. Mit dem Selbständigenstatus eines Handelsvertreters ist es also durchaus vereinbar, dass er einem Weisungsrecht unterliegt. Ebenso ist es mit dem Selbständigenstatus vereinbar, wenn die Weisungsrechte im Vertrag konkretisiert werden.

a) Eine zu einem Arbeitsverhältnis führende Einschränkung ergibt sich nicht aus § 5 Abs. 1 des Vertretervertrages, wonach der Kl. verpflichtet war, sich an die ihm von der Bekl. und deren Beauftragten erteilten fachlichen Weisungen zu halten. Aus der Konkretisierung im Folgesatz (Untersagung von abweichenden Angaben über Zuteilungsaussichten und Finanzierungsmöglichkeiten) erschließt sich, dass unter „fachlichen Weisungen“ solche bezüglich der produktbezogenen inhaltlichen Ausgestaltung der Tätigkeit zu verstehen waren. Weisungen, die sich auf das Produkt beziehen, deuten nicht auf die Selbständigkeit des Vertreters hin, weil die Tätigkeit des Versicherungsvertreters gemäß § 92 Abs. 1 1. Alt. HGB bzw. des Bausparkassenvertreters gemäß § 92 Abs. 5 HGB i.V. mit § 92 Abs. 1 1. Alt. HGB lediglich darin besteht, Verträge zu vermitteln. Der Vertreter vertreibt also nicht ein eigenes Produkt, sondern vermittelt das Produkt eines anderen. Den Inhalt des Vertrags(-angebots) bestimmt allein das Versicherungsunternehmen oder die Bausparkasse.

Davon zu unterscheiden sind Weisungen, die sich auf Berichtspflichten oder sonstige Anzeigepflichten beziehen. Einer umfassenden Kontrolle unterliegt nur der Arbeitnehmer; der Selbständige braucht sich Kontrollen nicht in gleichem Maße gefallen zu lassen. Andererseits ist zu beachten, dass der Handelsvertreter gemäß § 86 Abs. 2 HGB dem Unternehmer „die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen“ hat. Was unter den Begriff „erforderliche Nachrichten“ fällt, bestimmt sich unter sachgerechter Abwägung der Interessen des Mitarbeiters danach, was das objektive Interesse des Unternehmers nach Besonderheit und Dringlichkeit des Falles erfordert (BGH 24. 9. 1987 - I ZR 243/85 - WM 1988, 33). Der Grad zulässiger Kontrolle ist überschritten, wenn der Betroffene verpflichtet wird, umfangreich über seine Tätigkeit Bericht zu erstatten, und das Versicherungsunternehmen damit die Möglichkeit hat, ihn zu überprüfen und durch entsprechende Sanktionsmöglichkeiten sicherzustellen, dass ein bestimmtes Mindestsoll erfüllt wird ( Hanau/Strick, DB 1998 Beilage Nr. 14, S. 9/10).

b) Der Kl. hat lediglich pauschal behauptet, er habe umfangreichen Berichtspflichten unterlegen. Nach seinem Vortrag bleibt aber offen, ob diese über das Ausfüllen der sog. Kundenberatungsbögen hinausgingen. Welche Angaben in letzteren enthalten sein mussten, hat der Kl. ebenfalls nicht angegeben. Er hat nicht einmal ein Muster eines solchen Bogens vorgelegt. Es ist daher nicht ersichtlich, ob die dort zu machenden Angaben über die „erforderlichen Nachrichten“ i.S. des § 86 Abs. 2 HGB hinausgingen.

c) Soweit der Kl. vorgetragen hat, er sei von der Bekl. angewiesen worden, Kunden aus seinem Aufgabengebiet aufzusuchen, wenn diese telefonisch um eine Beratung gebeten hätten, handelt es sich um Weisungen, die die Vermittlungstätigkeit selbst betreffen und damit um solche, die für einen Arbeitnehmerstatus sprechen können. Indes sind singuläre Weisungen, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, mit dem Selbständigenstatus vereinbar. Dies ergibt sich ebenfalls aus der Interessenwahrungspflicht nach § 86 Abs. 1 2. Halbs. HGB. Zur Häufigkeit solcher Weisungen hat der Kl. nichts vorgetragen. Aus den gleichen Überlegungen ist die Aufforderung an den Kl., 50 Adressen anzuschreiben, nicht erheblich. Der Kl. hat selbst vorgetragen, dass diese Weisung zur Abstellung eines Engpasses erging.

d) Wenn die Bekl. den Kl. bei seiner Tätigkeit dadurch unterstützte, dass sie ihm gemäß § 4 Abs. 1 des Vertretervertrages werbliche Mittel und Verkaufsförderungsmaßnahmen zukommen ließ und ihm die üblichen Unterlagen (z. B. Prospekte, Tarife, Anträge etc.) zur Verfügung stellte, entspricht dies der gesetzlichen Verpflichtung des Unternehmers gegenüber dem Handelsvertreter, wie sie in § 86a HGB geregelt ist.

e) § 4 Abs. 2 des Vertrages, wonach Werbeanzeigen und sonstige Werbemaßnahmen der vorherigen Genehmigung durch die Bekl. bedürfen, ist mit der Selbständigkeit des Vertreters zu vereinbaren. Ein entsprechendes Weisungsrecht lässt sich mittelbar aus der Interessenwahrungspflicht i.V. mit den Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes herleiten: Nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz können die Aufsichtsbehörden nur in den engen Grenzen des § 81 Abs. 2 Satz 3 und § 83 Abs. 2 VAG unmittelbar gegen den Versicherungsvertreter vorgehen. Grundsätzlich ist die Aufsicht über Versicherungsvertreter eine mittelbare. Die Aufsichtsbehörde verlangt im Wege der Anordnung gemäß § 81 Abs. 2 Satz 1 VAG von den Versicherungsunternehmen, dass diese auf der Grundlage ihrer Rechtsbeziehungen zu den Versicherungsvertretern die Maßnahmen treffen, die geeignet sind, Missstände zu vermeiden und zu beseitigen. Die aufgrund einer solchen Anordnung vom Versicherungsunternehmen zu treffenden Maßnahmen bestehen in entsprechenden Weisungen an den Vertreter. Gerade Veröffentlichungen zu Werbezwecken können in vielfältiger Weise gegen Vorschriften des UWG, insbesondere § 1 UWG, verstoßen. Es ist daher mit der Selbständigkeit vereinbar, wenn dem Versicherungsunternehmen vertraglich das Recht eingeräumt wird, Werbemaßnahmen auf eine etwaige Wettbewerbswidrigkeit hin zu überprüfen. Es spricht nichts für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses, wenn im Rahmen der praktischen Durchführung des Vertrages die Zustimmung stets erteilt wird. Gegenteiliges hat der Kl. nicht behauptet.

f) Entscheidendes für den Arbeitnehmerstatus des Kl. lässt sich nicht aus den vertraglichen Bestimmungen über die Beratungsbüros und die Beratungsstellen (§ 6) entnehmen. Der Kl. hatte zwar bei der Einrichtung eines eigenen Beratungsbüros die Zustimmung der Bekl. einzuholen und bei der Ausgestaltung und der Standortwahl die berechtigten Interessen der Bekl. zu beachten. Dies war aber von der Interessenwahrungspflicht des Vertreters gedeckt. Es spricht sogar für den Selbständigenstatus, dass dem Kl. der Aufbau einer eigenständigen Büroorganisation ermöglicht wurde.

g) Dem Kl. war gemäß § 3 Abs. 1 des Mitarbeitervertrages ein festgelegtes Arbeitsgebiet übertragen. Aus der Regelung in § 87 Abs. 2 Satz 1 HGB ergibt sich, dass auch der selbständige Handelsvertreter auf einen bestimmten Bezirk beschränkt sein kann. Zwar ist die Regelung des § 87 Abs. 2 Satz 1 HGB (i.V. mit § 92 Abs. 5 HGB) auf Versicherungsvertreter bzw. Bausparkassenvertreter wegen § 92 Abs. 3 Satz 2 HGB nicht anwendbar. Dafür ergibt sich aus § 46 VVG, dass eine Beschränkung auf einen Bezirk zulässig ist. Eine Zusammenschau mit § 92 Abs. 3 Satz 2 HGB zeigt, dass die Beschränkung sogar zulässig ist, ohne dass der Kreis der provisionspflichtigen Geschäfte gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1 HGB erweitert werden müsste. Im Ergebnis spricht die Beschränkung auf einen bestimmten Vertreterbezirk nicht gegen die Selbständigkeit eines im Versicherungsdienst Tätigen. Ebenso wenig deutet die Übernahme eines Vertragsbestandes auf die Unselbständigkeit des Kl. hin. Ihm war dadurch nicht ein fester Kundenkreis übertragen worden. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages sollte lediglich der Schwerpunkt der Tätigkeit des Vertreters in seinem Arbeitsgebiet und seinem Vertragsbestand liegen. Nach § 3 Abs. 2 des Vertrages war er ausdrücklich berechtigt, Verträge auch außerhalb seines Arbeitsgebiets und seines Vertragsbestands zu vermitteln.

h) Dem Kl. war die Beschäftigung von Untervertretern nicht verboten. Vielmehr spricht die Bestimmung in § 9 Abs. 1 des Vertretervertrages über die Verprovisionierung von an der Vermittlung beteiligten Dritten für die Berechtigung des Kl., Untervertreter zu beschäftigen. Entsprechendes ergibt sich auch aus § 11 Abs. 2 3. Unterabs. des Vertrages. Dies ist ein Indiz für die Selbständigkeit des Kl. (vgl. BAG 21. 1. 1966, AP Nr. 2 zu § 92 HGB).

i) Aus dem vereinbarten Wettbewerbsverbot folgt kein Indiz für oder gegen die Selbständigkeit des Kl.

aa) § 7 Abs. 1 des Vertretervertrages enthält zunächst ein Konkurrenzverbot. Ein solches steht der Selbständigkeit eines Handelsvertreters nicht entgegen. Dieser hat gemäß § 86 Abs. 1 HGB die Interessen seines Unternehmers wahrzunehmen und darf deshalb sogar ohne ausdrückliches Wettbewerbsverbot nicht in einer Weise tätig werden, die sich zum Schaden des Unternehmers auswirken kann (BAG 21. 1. 1966 - 3 AZR 183/65 - AP Nr. 2 zu § 92 HGB [II 4a der Gründe]). Auch eine weitergehende Beschränkung dahingehend, dass der Betroffene ausschließlich für das vertragsgebundene Unternehmen - also auch nicht für Unternehmen, die in anderen Sparten tätig sind - oder Unternehmen anderer Branchen - als Handelsvertreter tätig werden darf (sog. Einfirmenvertreter), ist mit der Selbständigkeit ohne weiteres vereinbar, ohne dass hierfür auf die Interessenwahrungspflicht rekurriert werden müsste. Die Zulässigkeit einer solchen Beschränkung gegenüber selbständigen Handelsvertretern ergibt sich ohne weiteres aus § 92a HGB. Daraus, dass § 92a HGB die Möglichkeit eröffnet, eine Betätigung für fremde Versicherungsunternehmen auch dann zu verbieten, wenn spartenfremde Versicherungsverträge vermittelt werden sollen, ergibt sich, dass die Beschränkung im Vertretervertrag auf eine oder mehrere Versicherungssparten ebenfalls mit der Selbständigkeit des Vertreters vereinbar ist.

bb) Soweit dem Kl. die Ausübung anderer Tätigkeiten untersagt war, geht dies nicht nur über das Verbot, für die Konkurrenz tätig zu werden, sondern auch über das Leitbild des Einfirmenvertreters hinaus. Ein umfassendes Nebentätigkeitsverbot wird sich mit der Interessenwahrungspflicht allenfalls im Einzelfall rechtfertigen lassen, doch bestünden diese rechtlichen Bedenken auch dann, wenn die Klausel im Arbeitsverhältnis vereinbart würde. Der rechtliche Maßstab des Art. 12 GG ist für beide Rechtsverhältnisse gleich.

3. Nach alledem ergibt auch die Gesamtwürdigung nicht, dass der Kl. in der Gestaltung seiner Tätigkeit und der Bestimmung seiner Arbeitszeit so eingeschränkt war, dass das Rechtsverhältnis der Parteien als Arbeitsverhältnis anzusehen wäre.


III.

Da das Kündigungsschutzgesetz mithin keine Anwendung findet, hat die von der Bekl. ausgesprochene ordentliche Kündigung das Vertragsverhältnis zum 30. 6. 1997 beendet. Die Kündigungsfrist gemäß § 16 Abs. 1a) Satz 1 des Vertretervertrages wurde gewahrt.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht