Minderungsrecht bei Wohnflächenabweichung

Gericht

LG Köln


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

29. 01. 2003


Aktenzeichen

10 S 237/02


Leitsatz des Gerichts

Bei einer negativen Abweichung des Wohnraums von ca. 19% ist der Mieter unabhängig von seiner subjektiven Beeinträchtigung Minderung der Miete berechtigt, wenn im Mietvertrag die Wohnfläche in Quadratmetern vorbehaltlos erklärt ist.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Nach der Beschreibung der einzelnen Mieträume ist im Mietvertrag unter dem Stichwort „Wohnfläche“ handschriftlich eingetragen „110 m²“. Die gleiche handschriftliche Eintragung „110 m²“ befindet sich im Mietvertrag unter § 6 Nr. 6 im Zusammenhang mit dem für die Umlegung der Betriebskosten maßgeblichen Verteilerschlüssel, soweit die Umlegung nach Wohn- oder Nutzfläche erfolgt. Als Kaltmiete wurden monatlich 1500 DM vereinbart. Nun blieb streitig, ob der Umstand, dass die der Bekl. vermietete Wohnung tatsächlich nur eine Wohnfläche von 89 m² hat, einen kraft Gesetzes zur Verringerung der vertraglich geschuldeten Miete führenden Mangel der Mietsache darstellt mit der Folge einer Minderungsberechtigung der Bekl. Dies hat die Kammer bejaht.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Dieser Mangel minderte die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch mehr als nur unwesentlich (vgl. § 536 I 3 BGB n.F. entsprechend § 537 I 3 BGB a.F.). Als Mangel im Sinne des Gewährleistungsrechts ist nach dem auch im Mietrecht allgemein anerkannten sog. subjektiven Fehlerbegriff definiert die für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache (der sog. Ist-Beschaffenheit) von der vertraglich vorausgesetzten oder vereinbarten Beschaffenheit (der sog. Soll-Beschaffenheit). Als Soll-Beschaffenheit haben die Parteien ausweislich des Mietvertrags eine Wohnfläche von 110 m² vereinbart. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die Kl. - was allerdings wohl zu verneinen wäre - die vorgenannte Wohnfläche sogar im Rechtssinne zugesichert haben.

Ohne Erfolg halten die Kl. entgegen, die Angabe der Wohnfläche im Mietvertrag sei lediglich als - rechtlich unverbindliche - Objektbeschreibung auszulegen. Wird nämlich - wie hier - eine bestimmte Wohnfläche ohne einen einschränkenden, auf eine etwaige Unverbindlichkeit hinweisenden Zusatz im Vertragstext genannt, so spricht allein dies - im Zweifel - dafür, dass die Vertragsparteien insoweit eine rechtsverbindliche Festlegung wollten. Dies gilt vorliegend umso mehr, als die Parteien auch in § 6 Mietvertrag an die mit 110 m² genannte Wohnfläche rechtlich angeknüpft haben, nämlich hinsichtlich des Verteilerschlüssels bei der Betriebskostenabrechnung. Spricht aber die Aufnahme der Wohnfläche in den Mietvertrag - zumindest auf erste Sicht - gegen die Annahme einer unverbindlichen Beschaffenheitsbeschreibung, so hätte es den Kl. oblegen, tatsächliche Umstände dafür vorzulegen, wieso vorliegend - ausnahmsweise - keine verbindliche Größenvereinbarung gewollt gewesen wäre. Hieran fehlt es jedoch.

Insbesondere haben die Kl. keine Tatsachen zu Verlauf und Inhalt der dem Mietvertragsschluss vorangegangenen Gespräche behauptet, aus denen sich etwa ergäbe, dass die Wohnflächenangabe im Mietvertrag nur als rechtlich unverbindliche Beschreibung gemeint gewesen sein sollte. Insbesondere behaupten die Kl. nicht, sie hätten die Bekl. ausdrücklich auf die Unverbindlichkeit der Wohnflächenangaben hingewiesen. Dass die Kl. den Vortrag der Bekl. zum Inhalt der Vorgespräche bestritten haben, genügt nicht.

Ebenso wenig macht der Umstand, dass die Bekl. die Wohnung, bevor sie sie anmietete, besichtigt hat, einen Hinweis der Kl. auf die Unverbindlichkeit der Wohnflächenangabe entbehrlich. Denn allein aus dieser Besichtigung ergab sich für die Bekl. kein Anhaltspunkt dafür, die später in den Mietvertrag eingetragene Wohnflächengröße sei nur als unverbindliche Beschreibung gemeint gewesen (vgl. zu diesen Gesichtspunkten Kraemer, NZM 1999, 156 [160 r.Sp.]).

Den Kl. ist allerdings zuzugeben, dass die Parteien vorliegend keine sog. „Quadratmetermiete“ vereinbart haben, die vereinbarte Kaltmiete - 1500 DM - ist im Mietvertrag nicht als Produkt als Wohnflächengröße und Quadratmetermietzins ausgewiesen. Hieraus folgt aber nicht etwa die Unverbindlichkeit der Wohnflächenvereinbarung: Denn auch, wenn - wie hier - eine Quadratmetermiete nicht ausdrücklich vereinbart wird, bleibt doch die Wohnfläche aus Sicht des Mieters - was für den Vermieter unmittelbar erkennbar ist - die maßgebliche Kalkulationsgrundlage für die wirtschaftliche Einordnung der vereinbarten Miete als mehr oder weniger günstig: Im hiesigen Fall etwa beträgt die Quadratmeterkaltmiete bei einer Wohnfläche von 110 m² 14,04 DM/m², umgerechnet auf die tatsächliche Wohnfläche von 89 m² aber immerhin 17,42 DM/m². Ohne Erfolg machen die Kl. in diesem Zusammenhang weiter geltend, für die Annahme einer rechtlich unverbindlichen Objektbeschreibung spreche auch, dass das genaue Flächenmaß für die Tauglichkeit der Wohnung (zum vertragsgemäßen Gebrauch) i.d.R. gleichgültig sei. Hierauf wird im Folgenden noch näher einzugehen sein.

Haben die Parteien aber - wie vor aufgeführt - als Soll-Beschaffenheit der Mietwohnung eine Wohnfläche von 110 m² vereinbart, so weicht die tatsächliche Beschaffenheit - mit einer Wohnfläche von nur 89 m² - hiervon zum Nachteil der Bekl. als Mieterin ab. Diese Abweichung beeinträchtigte die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch mehr als nur unerheblich. Als vertragsgemäßen Gebrauch hatten die Parteien - lediglich - vereinbart, dass die Bekl. die Wohnung zu Wohnzwecken nutzen sollte. Für eine weitergehende Vereinbarung der Parteien bezüglich des vertragsgemäßen Gebrauchs ergibt sich aus dem Vortrag der Parteien nichts. Der vertragsgemäße Mietgebrauch - das Wohnen - war beeinträchtigt, weil die tatsächliche Wohnfläche kleiner war als die vertraglich vereinbarte. Eine Wohnung mit kleinerer Wohnfläche ist nämlich zum Wohnen generell weniger gut geeignet als eine Wohnung mit einer größeren Wohnfläche. Diese Beeinträchtigung der Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Wohngebrauch wiegt auch mehr als nur unerheblich (vgl. § 536 I 3 BGB n.F. entsprechend § 537 I 3 BGB a.F.). Die Minderfläche beträgt nämlich - gemessen an der vertraglich vereinbarten Wohnfläche - immerhin gut 19% und liegt damit deutlich über der in der Rechtsprechung insoweit teilweise - zur Berücksichtigung von Maßtoleranzen - genannten, ohnehin großzügigen 10%-Grenze (vgl. zu Letzterem Kraemer, NZM 199, 156 [161 l.Sp. m.w. Nachw.]).

Entgegen der Auffassung der Kl. steht dem Vorliegen eines die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch mindernden Mangels auch nicht entgegen, dass die Kl. als Vermieter die zu geringe Wohnfläche jedenfalls ohne einen grundlegenden Umbau der Wohnung nicht beheben können. Darauf, ob ein Mangel der Mietsache behebbar ist oder nicht, kommt es nämlich nicht an. Die Frage der Behebbarkeit des Mangels gehört nicht zum gesetzlich vorgegebenen Begriff des Mangels im Sinne des Gewährleistungsrechts. Wäre die Auffassung der Kl. richtig, so würde der Mieter gerade bei aus seiner Sicht regelmäßig besonders schwerwiegenden, weil nicht oder nicht mit vertretbarem Aufwand zu behebenden Mängeln schlechter stehen als bei behebbaren Mängeln. Einen Grund, der ein solches - paradoxes - Ergebnis wertungsmäßig rechtfertigen könnte, gibt es nicht.

Ohne Erfolg machen die Kl. schließlich all demgegenüber geltend, die Bekl. sei in dem von ihr ausgeübten konkreten Mietgebrauch durch die Mindergröße der Wohnung nicht beeinträchtigt gewesen. Hierauf kommt es nämlich nicht an. Die - o. bereits zitierte - Definition des Mangels nach dem sog. subjektiven Fehlerbegriff bedeutet nämlich gerade nicht, dass etwa auf eine subjektive Beeinträchtigung des Mieters abzustellen wäre (so zu Recht Kraemer, NZM 1999, 156 [161]). Die Kammer verkennt allerdings nicht, dass in Rechtsprechung und Literatur vielfach gefordert wird, der Mieter müsse, um das Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs auszufüllen, darlegen und ggf. beweisen, inwiefern er durch die Minderfläche in dem von ihm konkret gewollten Mietgebrauch beeinträchtigt gewesen sei. Dem ist indes nicht zu folgen. Maßgeblich für die Tauglichkeitsminderung ist - wie sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt - allein der von den Parteien gewollte vertragsgemäße Gebrauch, d.h. hier die Nutzung der Wohnung zu Wohnzwecken. Maßstab ist dagegen nicht die konkrete Verwendungsabsicht des Mieters. Letztere unterfällt nämlich dem sog. Verwendungsrisiko des Mieters. Die von den Kl. vertretene Rechtsauffassung widerspricht dem allgemeinen System der Sachmängelhaftung. Weder im Kaufrecht, noch im Werkvertragsrecht wird nämlich vom Käufer bzw. Besteller verlangt, er müsste, um Sachmängelgewährleistungsrechte geltend machen zu können, darlegen, inwieweit er konkret durch den Mangel des Kaufgegenstands bzw. des Werks in dessen Nutzung beeinträchtigt worden sei. Einen - auch wertungsmäßig - tragfähigen Grund dafür, wieso der Mieter demgegenüber schlechter gestellt sein soll, gibt es nicht. Gegen die von den Kl. vertretene Auffassung spricht weiter, dass sie, ohne dass sich hierfür aus dem Gesetz eine Grundlage ergäbe, unzuträgliche Unsicherheiten in die Definition des die Gewährleistungsrechte auslösenden Sachmangels hineinträgt. Vielfach wird der subjektive Verwendungswille des Mieters nämlich nur schwer objektiv greifbar sein, zudem kann er sich im Verlaufe der Mietzeit auch - ggf. mehrfach - ändern.

Die Kammer ist an ihrer vorstehend begründeten Entscheidung nicht durch den von den Kl. zitierten Rechtsentscheid des OLG Dresden vom 15. 12. 1997 (NZM 1998, 184) gehindert. Dieser Rechtsentscheid bindet die Kammer nicht. § 541 ZPO a.F., der regelte, unter welchen Voraussetzungen ein Landgericht als Berufungsgericht in Mietsachen zur Vorlage an das ihm im Rechtszug übergeordnete Oberlandesgericht verpflichtet war, ist auf Grund des ZPO-Reformgesetzes ersatzlos weggefallen. Für Berufungsverfahren, die nach neuem Berufungsrecht zu entscheiden sind, gilt § 541 ZPO a.F. nicht mehr (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., Vorb. § 511 Rdnr. 40). Vorliegend ist neues Berufungsrecht anzuwenden, weil die letzte mündliche Verhandlung in erster Instanz am 12. 6. 2002, damit nach In-Kraft-Treten des ZPO-Reformgesetzes, stattgefunden hat.

Entgegen der Auffassung der Kl. ist die Minderung auch nicht in Anwendung des Rechtsgedankens aus § 539 S. 1 BGB a.F. ausgeschlossen.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

BGB § 536