Homepage des Betriebsrats

Gericht

ArbG Paderborn


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

29. 01. 1998


Aktenzeichen

1BV 35/97


Leitsatz des Gerichts

  1. Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verbietet dem Betriebsrat, ohne Veranlassung durch den Arbeitgeber die Öffentlichkeit mittels einer Homepage im WWW über betriebsinterne Vorgänge zu unterrichten.

  2. In besonderen Einzelfällen hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat eine eigene Homepage im Intranet zur Verfügung zu stellen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Ast. ist ein Unternehmen der Elektronikbranche mit mehreren tausend Arbeitnehmern. Der Ag. ist der bei ihr gewählte Betriebsrat. Die Ast. verfügt über ein unternehmensinternes elektronisches Informationsnetzwerk, welches Intranet genannt wird. Der Ag. beabsichtigte, in diesem Intranet eine eigene Homepage einzurichten. Einen Konsens bezüglich der Einrichtung dieser Homepage konnten die Beteiligten jedoch nicht erzielen.

Der Ag. richtete daraufhin im öffentlich für jedermann zugänglichen Internet eine eigene Homepage ein. Mit dieser Homepage stellt sich der Ag. den Internet-Benutzern sowohl deutsch- als auch englischsprachig vor, er stellt weiterhin die Betriebsratsmitglieder unter Erwähnung der jeweiligen Gewerkschaftszugehörigkeit sowie die Betriebsratsausschüsse vor. Des weiteren erfolgt eine Information über den Ablauf einer Betriebsversammlung vom 14.11.1997. Schließlich wird auch der Tarifvertrag zur Altersteilzeit in NRW vorgestellt.

Die Ast. hält die Einrichtung einer eigenen Homepage des Ag. im Internet für rechtswidrig. Der Ast. trägt zur Begründung seines Antrags im wesentlichen folgendes vor: Der Ag. habe mit der Errichtung der Homepage im Internet den betriebsverfassungsrechtlichen Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG verletzt. Der Ag. habe bewußt den Weg über eine allgemein zugängliche Internet-Homepage genommen, um ein anderes Ziel, nämlich einen betrieblichen Intranet-Zugang zu erreichen.

Der Ag. trägt im wesentlichen folgendes vor: Es sei richtig, daß die Ast. ihm die Einrichtung einer eigenen Homepage im Intranet verweigert habe und daß er sich daraufhin auf eigene Kosten eine Homepage im öffentlich zugänglichen Internet eingerichtet habe. Die Ast. habe sich nur ein Mitspracherecht über die technischen Aspekte der Intranet-Homepage, sondern auch über den Inhalt der Informationsseiten vorbehalten wollen.

Der Gang ins Internet habe nicht vorrangig das Ziel, die Öffentlichkeit über betriebsinterne Vorgänge zu informieren. Dieses sei vielmehr ein Nebeneffekt, den er in Kauf nehme, da die Ast. ihm eine Homepage in Intranet in rechtsgültiger Weise verweigere. Die Weigerung der Antragstellerin, ihm eine Intranet-Homepage zur Verfügung zu stellen, stelle eine Verletzung des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit dar.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... II. ... Die Hauptanträge beider Beteiligter sind ... begründet. Auf den Hauptantrag der Ast. war dem Ag. aufzugeben, seine Homepage im Internet zu schließen und nicht mehr der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Auf den Antrag des Ag. war die Ast. aber zu verpflichten, dem Ag. eine Homepage im Intranet zur Verfügung zu stellen.

Der Ag. kann sich nicht darauf berufen, es gebe für die von der Ast. gemachten Ansprüche keine Anspruchsgrundlage. Zwar ist richtig, daß die Regelung des § 23 Abs. 3 BetrVG nur Handlungs-, Duldungs- und Unterlassungsansprüche des Betriebsrats bzw. einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft regelt. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung entsprechender arbeitgeberseitiger Ansprüche existiert nicht. Allerdings kann der Arbeitgeber vom Betriebsrat die Beachtung des Gebotes der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG verlangen. Verstößt der Betriebsrat gegen dieses Gebot, so kann der Arbeitgeber ein diesem Gebot entsprechendes Handeln bzw. eine Unterlassung verlangen (vgl. Stege/Weinspach, BetrVG, 7. Aufl., § 40 Rdnr. 35). § 2 Abs. 1 BetrVG kann somit auch die Anspruchsgrundlage für einen Anspruch der hier geltend gemachten Art sein.

Tatsächlich hat der Antragsgegner durch die Einrichtung einer eigenen Homepage im Internet hier auch gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen.

Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verbietet dem Betriebsrat generell, ohne Veranlassung durch den Arbeitgeber die Öffentlichkeit über betriebsinterne Vorgänge zu unterrichten. Es gehört nämlich nicht zu den dem Betriebsrat nach dem BetrVG obliegenden Aufgaben, von sich aus die außerbetriebliche Öffentlichkeit über „allgemein interessierende Vorgänge“ des Betriebes zu informieren (so BAG AP Nr. 40 zu § 40 BetrVG1972; Stege/Weinspach, a a.O., § 2 Rdnr. 3 a). Weder aus der Generalklausel des § 2 Abs. 1 BetrVG noch aus der Aufzählung der allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats in § 80 Abs. 1 BetrVG noch aus den in Einzelbestimmungen des geregelten besonderen Aufgaben und Befugnissen des Betriebsrats folgt ein derartiges Informationsrecht.

Der Ag. hat hier durch die Einrichtung der Homepage im Internet gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen. Der Ag. räumt selber ein, den Schritt ins Internet getan zu haben, weil die Ast. sich geweigert hat, ihm eine Intranet-Homepage zur Verfügung zu stellen. Die Informationen, die der Ag. mit der Internet-Homepage verbreitet sind betriebsinterner Art. Dieses gilt schon für die deutsch- und englischsprachig abgefaßte Begrüßung, in der der Ag. auf den Konflikt mit der Ast. über seine Präsenz im unternehmensinternen Intranet ausdrücklich hinweist. Auch die Veröffentlichung der Namen der Betriebsratsmitglieder einschließlich deren Telefonnummern und Gewerkschaftszugehörigkeit sowie die Darstellung des Ablaufs einer Betriebsversammlung vom 14.11.1997 sind Betriebsinterna, die der Ag. ohne besondere Veranlassung seitens der Ast. nicht der Öffentlichkeit über das Internet zugänglich machen durfte. Demgegenüber kann sich der Ag. nicht darauf berufen, es sei nicht sein vorrangiges Ziel gewesen, die Öffentlichkeit per Internet über betriebsinterne Vorgänge zu informieren. Es handele sich insoweit lediglich um einen von ihm in Kauf genommenen Nebeneffekt. Entscheidend ist hier, daß die Öffentlichkeit per Internet jederzeit die Möglichkeit hat, die vom Ag. verbreiteten Informationen abzufragen. Ob und in welchem Umfange sie das tatsächlich nutzt, spielt keine Rolle. ..

Begründet ist weiterhin aber auch der Hauptantrag des Ag. Sein Anspruch auf Zurverfügungstellung einer eigenen Homepage im Intranet ergibt sich aus § 40 Abs. 2 BetrVG. Nach § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die Sitzung, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel und Büropersonal zur Verfügung zustellen. Die Homepage im unternehmensinternen Intranet ist ein Sachmittel im obigen Sinne, das nach dem Willen des Ag. zur Verbreitung von Informationen für die Arbeitnehmer der Antragstellerin verwendet werden soll.

Es gehört zu den gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats, im Rahmen seiner Zuständigkeit die Arbeitnehmer umfassend und rechtzeitig zu unterrichten. Auch hierfür hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die erforderlichen Sachmittel i.S.d. des § 40 Abs. 2 BetrVG zur Verfügung zu stellen. Als geeignetes und in der Regel erforderliches Kommunikationsmittel ist insbesondere das sog. „Schwarze Brett“ anerkannt worden (BAG BB 1979, 523). Im Einzelfall sind auch Rundschreiben oder sonstige Informationsschreiben die erforderlichen Sachmittel i.S.d. § 40 Abs. 2 BetrVG (vgl. BAG BB 1993, 1515).

Welche sachlichen Mittel der Arbeitgeber dem Betriebsrat zur Information der Belegschaft zur Verfügung zu stellen hat, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles anhand der konkreten Verhältnisse des Betriebes zu bestimmen. Die Erforderlichkeit des Mittels oder der Unterrichtungsmethode richtet sich dabei allein nach dem Bedürfnis und nach den Notwendigkeiten der Unterrichtung der Belegschaft durch den Betriebsrat. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Arbeitgebers, zu entscheiden, welche von mehreren sachgerechten Mitteln oder Möglichkeiten zur Information er in erforderlichem Umfang zur Verfügung stellt. Das Kriterium welche Kommunikationsmittel der Arbeitgeber selbst einsetzt, spielt keine Rolle (Stege/Weinspach, a. a. O., § 40 Rdnr. 35). So ist z. B. ein Arbeitgeber, der in seinem Betrieb ein Mailbox-System nutzt, nicht ohne weiteres verpflichtet, dem Betriebsrat die Information der Belegschaft über dieses Mailbox-System zu gestatten (BAG BB 1993, 1515).

Nach Auffassung des Gerichts ist das Zurverfügungstellen einer eigenen Homepage im Intranet hier als erforderlich im obigen Sinne anzusehen. Angesichts der konkreten Verhältnisse im Betrieb der Antragstellerin besteht nach Auffassung des Gerichts hier die Notwendigkeit, daß der Ag. die von ihm vertretenen Arbeitnehmer auch über das Intranet unterrichten kann.

Bei der Ast. handelt es sich um ein innovatives High-Tech-Unternehmen der Elektronikbranche. Die Ast. nutzt auch unternehmensintern alle Möglichkeiten der modernen elektronischen Datenverarbeitung. Ein Großteil des Schriftverkehrs wird elektronisch abgewickelt. Das E-Mail-System ist im Unternehmen stark verbreitet. Die Schaffung des Intranets ist ein weiterer Beweis dafür, daß die Kommunikation zwischen den Arbeitnehmern der Ast. in zunehmendem Maße unter Zuhilfenahme der modernsten elektronischen Medien abgewickelt wird. Von dieser Entwicklung darf der Betriebsrat eines High-Tech-Unternehmens nicht abgekoppelt und auf die Nutzung eines „Schwarzen Bretts“ sowie die Verfassung von Rundschreiben und Informationsbriefen verwiesen werden.

Die Ast. kann hier auch nicht damit gehört werden, daß nicht alle ihre Mitarbeiter über einen eigenen Intranet-Zugang verfügen und somit für den Ag. auch nicht über das Intranet zu erreichen sind. Dieser Vortrag mag durchaus zutreffend sein. Andererseits ist aber auch das bisherige Informationssystem nicht geeignet, alle Mitarbeiter jederzeit zu erreichen. Faktisch werden zahlreiche Arbeitnehmer der Ast. das „Schwarze Brett“ und Informationsschreiben des Ag. nur selten zu Gesicht bekommen. So wird bei der Ast. seit geraumer Zeit Arbeitnehmern die Möglichkeit geboten, in Telearbeit tätig zu werden. ... Diese Telearbeiter - zur Zeit noch nur etwa 160 Arbeitnehmer - verbringen nur einen geringfügigen Teil ihrer Arbeitszeit in den Betriebsgebäuden der Ast. und werden von daher nur selten die Möglichkeit haben, die herkömmlichen Informationsquellen nutzen zu können. Entsprechendes gilt auch für die Außendienstmitarbeiter der Ast., die ebenfalls nur selten auf das „Schwarze Brett“ bzw. auf ein Informationsschreiben des Ag. stoßen werden.

Nach Auffassung des Gerichts kann daher der Betriebsrat in einem Unternehmen mit wie hier vorliegenden Kommunikationsstrukturen nicht mehr ausschließlich auf die herkömmlichen Informationsmittel verwiesen werden. Er hat vielmehr einen Anspruch auf Teilhabe an der Nutzung der elektronischen Medien, die der Arbeitgeber unternehmensintern seinen Mitarbeitern zum Zwecke der Kommunikation zur Verfügung stellt. Der Einsatz dieser elektronischen Medien - hier das Intranet - ist daher als erforderlich i.S.d. § 40 Abs. 2 BetrVG anzusehen. ...

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht; Internetrecht

Normen

BetrVG §§ 2 Abs. 1, 40 Abs. 2, 87 Abs. 1 Nr. 1