Fehlende verbindliche Willenserklärung bei einer Online-Auktion
Gericht
LG Münster
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
21. 01. 2000
Aktenzeichen
4 O 424/99
Eine Online-Auktion von privat zu privat wird nach dem erfolgreichen Höchstgebot erst durch die Zustimmung des Anbieters wirksam. Diese Zustimmung kann nicht alleine durch eine vorweggenommene Annahmeerklärung in einer AGB-Klausel erfolgen, wenn das Höchstgebot erheblich unter dem eigentlichen Wert liegt.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten darüber, ob sie im Internet einen wirksamen Vertrag miteinander geschlossen haben. Die ricardo.de AG in Hamburg verkauft über das Internet eigene Gegenstände gegen Höchstgebot, vermittelt auf diesem Wege Vertragsabschlüsse mit anderen Anbietern und gibt unter der Bezeichnung „ricardo private auktionen“ auch Dritten die Möglichkeit, eigene Verkaufsveranstaltungen durchzuführen. Eine Teilnahme ist Internet-Benutzern nur nach Anerkennung der „Allgemeinen Geschäftsbedingungen für ricardo.de - Verkaufsveranstaltungen“ (AGB) möglich. Auf diese AGB wird bereits auf der Homepage von ricardo.de hingewiesen. Die Teilnehmer können durch zweimaliges Anklicken den Text der AGB in druckgerechter Form abrufen.
Die AGB lauten u.a. wie folgt:
§ 3 Beschreibung des Kaufgegenstandes, Verkaufsangebot bei „private auktionen“
(1) ricardo.de ermöglicht es Teilnehmern, im Eigentum des jeweiligen Teilnehmers stehende Gegenstände, die i.R.v. „private auktionen“ verkauft werden sollen, auf Angebotsseiten öffentlich zu präsentieren. ...
(5) Der anbietende Teilnehmer wird i.R.d. Freischaltung der Angebotsseite aufgefordert, die in Abs. 4 und § 5 Abs. 4 genannten Zusicherungen und Erklärungen gegenüber ricardo.de abzugeben. ricardo.de handelt dabei als Empfangsvertreter aller anderen Teilnehmer, § 164 Abs. 3 BGB. Die Freischaltung erfolgt erst, wenn der anbietende Teilnehmer die geforderten Zusicherungen und Erklärungen abgegeben hat.
§ 4 Vertragsangebot
(1) Für die von ricardo.de i.R.v. „ricardo auktionen“ und die von anbietenden Teilnehmern i.R.v. „private auktionen“ angebotenen Gegenstände können alle Teilnehmer mit Ausnahme des in Abs. 2 genannten Personenkreises während des jeweils für den angebotenen Gegenstand angegebenen Angebotszeitraums (§ 6) verbindliche Kaufangebote über die ricardo.de-Website abgeben. ...
(7) Bei Angeboten, die i.R.v. „private auktionen“ abgegeben werden, handelt ricardo.de als Empfangsvertreter der anbietenden Teilnehmer, § 164 Abs. 3 BGB.
§ 5 Annahme eines Vertragsangebots
(1) Der Vertrag über einen angebotenen Gegenstand kommt ohne Erklärung gegenüber dem Teilnehmer, der das Vertragsangebot abgegeben hat (nachfolgend auch „Antragender“ genannt), bereits durch Annahme des Vertragsangebots zu Stande. Der Antragende verzichtet auf eine Annahmeerklärung, § 151 Satz 1 BGB. Über die Annahme seines Vertragsantrags wird der Antragende alsbald, spätestens jedoch bis 24.00 Uhr es zweiten Werktages nach Ende des Angebotszeitraums (§ 6) von ricardo.de per E-Mail unter der von ihm angegebenen E-Mail-Adresse unterrichtet. ...
(4) Bei „private auktionen“ erklärt der anbietende Teilnehmer bereits mit der Freischaltung seiner Angebotsseite gem. § 3 Abs. 5 die Annahme des höchsten unter Berücksichtigung von § 4 Abs. 4 und 5 wirksam abgegebenen Kaufangebots. Der anbietende Teilnehmer wird von ricardo.de vom Zustandekommen des Kaufvertrags alsbald, spätestens jedoch bis 24.00 Uhr des zweiten Werktags nach Ende des Angebotszeitraums (§ 6) per E-Mail unter der von dem anbietenden Teilnehmer angegebenen E-Mail-Adresse unterrichtet.
§ 6 Angebotszeitraum
(1) Angebote zum Vertragsabschluss können nur während eines für den jeweiligen Gegenstand von ricardo.de festgelegten Zeitraums abgegeben werden („Angebotszeitraum“). Bei „private auktionen“ wird ricardo.de die Wünsche des anbietenden Teilnehmers nach Möglichkeit berücksichtigen. ...
(3) ricardo.de ist berechtigt, den Angebotszeitraum nach eigenem Ermessen zu verkürzen oder zu verlängern oder Veranstaltungen ohne Abschluss eines Vertrags abzubrechen.
Der Bekl. hat unter „ricardo private auktionen“ eine eigene Verkaufsveranstaltung durchgeführt und als Autohändler und anbietender Teilnehmer einen Neuwagen mit der Beschreibung: Passat Varant TDI bei einem Startpreis von 10,- DM ohne Angabe eines Mindestpreises v. 22.7.1999, 21.33 Uhr, bis zum 27.7.1999, 21.33 Uhr, angeboten. Ein Neufahrzeug mit diesen Ausstattungsmerkmalen hat im Autohandel einen Listenpreis von ca. 57.000,- DM.
Innerhalb der Bietzeit hat der Kl. als neunhundertdreiundsechzigster und letzter Bieter online ein Angebot über 26.350,- DM abgegeben und von ricardo.de per E-Mail eine Nachricht mit u.a. folgendem Inhalt erhalten:
„Hallo, herzlichen Glueckwunsch, Ihr letztes Gebot war unschlagbar! Bei ricardo private haben Sie fuer 26.350,00 DM den Zuschlag bei der Auktion von X-Automobile mit dem Titel VW Passat Variant (Auktions-Nr 174124) erhalten. Bitte setzen Sie sich mit X-Automobile in Verbindung, um Versand und Bezahlung schnell und einfach zu regeln: Benutzername: Name: E-Mail: Telefon.“
Im vorprozessualen Anwaltsschriftwechsel hat der Bekl. die Lieferung des von ihm angebotenen Fahrzeugs zu dem vom Kl. gebotenen Kaufpreis i.H.v. 26.350,- DM abgelehnt und eine etwaige auf Abschluss eines Kaufvertrags abgegebene Willenserklärung „gem. § 119 BGB aus Irrtumsgründen angefochten“.
Auszüge aus den Gründen:
Die Klage ist nicht begründet.
Die Parteien haben i.R.d. vom Anbieter ricardo.de AG veranstalteten „ricardo private auktionen“ keinen wirksamen Vertrag geschlossen.
1. Dabei sind grundsätzliche Bedenken gegen die Zulässigkeit derartiger Online-Verkaufsveranstaltungen, auch unter dem Gesichtspunkt des Gewerberechts im Hinblick auf § 34b GewO nicht angebracht, da es sich bei den „ricardo private auktionen“ im Gegensatz zu den vom selben Anbieter ebenfalls durchgeführten „ricardo non-stop auktionen“ und „ricardo live auktionen“ um einen Verkauf gegen Höchstgebot handelt (Landmann/Rohmer, GewO Bd. 1, § 34b Rdnr. 60). Bei der „ricardo private auktion“ wird den Kaufinteressenten lediglich eine Frist zur Abgabe von Geboten eingeräumt, nach deren Ablauf keine Übergebote möglich sind und bei der es zur Abgabe eines Höchstgebots, wie es zum Wesen einer Versteigerung i.S.d. GewO gehört, nicht kommen kann.
Im Übrigen wäre das Fehlen einer erforderlichen gewerbeaufsichtlichen Genehmigung ohne Einfluss auf die während einer nicht genehmigten Versteigerung geschlossenen privatrechtlichen Rechtsgeschäfte. Diese sind keinesfalls bei fehlender Genehmigung wegen Verletzung eines gesetzlichen Verbots gem. § 134 BGB nichtig, weil sich die gewerblichen Ordnungsvorschriften nicht gegen die Parteien des bürgerlich-rechtlichen Geschäfts richten (BGH NJW 1981, 1204; NJW 1968, 2286).
2. Online abgegebene Erklärungen und auf diese Weise geschlossene Verträge sind nach den allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Rechts wie im normalen Geschäftsleben zu beurteilen (Hoeren, Rechtsfragen des Internet, 1998, Rdnr. 281; Köhler/Arndt, Recht des Internet, 1999, Rdnr. 87 ff., Soergel/Wolf, BGB, 13. Aufl., vor § 145 Rdnr.108 ff.; Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 145 Rdnr. 6 ff.).
Für einen wirksamen Vertragsschluss zwischen den Parteien bedurfte es damit zweier übereinstimmender Willenserklärungen zur Herbeiführung eines rechtlichen Erfolgs, nämlich eines Angebots und dessen Annahme. Diese Erklärungen können rechtswirksam auch per Mausklick online abgegeben werden (Ernst, NJW-CoR 1997, 165; von Herget, DStR 1996, 1288, 1291).
Der Bekl. hat mit der Präsentation des von ihm online angebotenen Kraftfahrzeugs i.R.d. „ricardo private auktion“ ggü. den späteren Bietern noch keinen Antrag auf Abschluss eines Vertrags über das angebotene Fahrzeug abgegeben.
Ein Antrag auf Vertragsschluss muss nämlich bestimmt oder bestimmbar und vom Willen getragen sein, eine endgültige Erklärung in der Rechtssphäre abzugeben, wobei die Endgültigkeit als rechtlicher Bindungswille anzusehen ist (Soergel/Wolf, a.a.O., § 145 Rdnr. 4, 5). Durch das Internet übermittelte Aufforderungen zu Bestellungen sind im Zweifel nur als invitatio ad offerendum anzusehen (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 145 Rdnr. 7 a; Soergel/Wolf, a.a.O., §145 Rdnr. 7).
Auch unter Berücksichtigung der AGB konnte die Präsentation des Fahrzeugs aus der Sicht der auf diese Weise angesprochenen Interessenten nur als die Aufforderung zu Angeboten angesehen werden. Die rechtliche Wertung der Parteierklärungen muss unter Berücksichtigung der AGB erfolgen (von Herget, a.a.O.), da die Parteien diese Bedingungen vor Zulassung zur „ricardo private auktionen“ durch den Anbieter anerkennen mussten.
Anerkanntermaßen können AGB auch online wirksam vereinbart werden, wenn vom Verwender ausdrücklich auf diese hingewiesen und dem Vertragspartner Gelegenheit gegeben wird, in zumutbarer Weise von den Bedingungen Kenntnis zu nehmen (Ernst, NJW-CoR 1997, 165, 167; Köhler/Arndt, a.a.O., Rdnr. 105). Auch umfangreiche Geschäftsbedingungen werden bei Vertragsschlüssen im Internet wirksam einbezogen, wenn der Kunde die Möglichkeit hat, sie kostenlos zu kopieren (Palandt/Heinrichs, a.a.O., AGBG § 2 Rdnr. 12).
Da bereits auf der Homepage von ricardo.de deren AGB mit einem Mausklick abgerufen, zur Kenntnis genommen und auch von den Netzbenutzern kostenlos ausgedruckt werden können, sind auch diese AGB bei der rechtlichen Bewertung der Parteierklärungen mit heranzuziehen.
Mit der Beschreibung des Kaufgegenstands durch den Bekl. entsprechend § 3 AGB hat der Bekl. lediglich lnteressenten aufgefordert, Angebote zum Vertragsschluss abzugeben. Dies ergibt sich auch schon im Hinblick auf § 4 (1) AGB, wonach alle für den angebotenen Gegenstand verbindliche Kaufangebote über die ricardo.de-Website abgeben können.
Aus der Sicht des Kl. konnte deshalb die Präsentation des Kraftfahrzeugs durch den Bekl. nur als Aufforderung und nicht als bindendes Vertragsangebot gewertet werden. Daran ändert auch nichts, dass entsprechend § 5 (4) AGB bei „private auktionen“ der anbietende Teilnehmer bereits mit der Freischaltung seiner Angebotsseite die Annahme des höchsten wirksam abgegebenen Kaufangebots erklärt.
3. Ausgehend von vorstehender Würdigung der Präsentation des Kraftfahrzeugs durch den Bekl. ist somit das letzte Gebot des Kl. während des Angebotszeitraums i.S.v. § 6 AGB mit einem Kaufpreis von 26.350,- DM als Vertragsangebot gegenüber dem Bekl. anzusehen. Die Kammer geht dabei davon aus, dass der Kl. dieses Angebot als ernsthafte Erklärung seines Willens zum Zwecke einer rechtlichen Bindung abgegeben hat.
Das Vertragsangebot des Kl. ist entsprechend § 4 (7) AGB ricardo.de als Empfangsvertreter des Bekl. gem. § 164 Abs. 3 BGB und damit dem Bekl. zugegangen.
Eine zum Vertragsschluss führende Annahmeerklärung dieses Angebots seitens des Bekl. kann nicht festgestellt werden. Die ricardo.de hat weder ausdrücklich noch konkludent auf das Angebot des Kl. eine den Bekl. verpflichtende Annahmeerklärung abgegeben. Nach den AGB kann von einer Bevollmächtigung der ricardo.de zur Abgabe einer derartigen Erklärung seitens des Bekl. auch nicht ausgegangen werden, da sich die erteilte Vollmacht nach § 4 (7) AGB nur auf den Empfang von Vertragsangeboten erstreckt.
Die von ricardo.de am 27.7.1999 an den Kl. gerichtete E-Mail stellt nach Inhalt und Sinn keine Angebotsannahmeerklärung mit Rechtswirkung für den Bekl. dar. Mit dieser E-Mail ist ricardo.de lediglich ihrer nach § 5 (4) AGB eingegangenen Verpflichtung nachgekommen. Wenn auch dort vom Zustandekommen des Kaufvertrags die Rede ist, so wird dadurch die vom Gesetz für einen wirksamen Vertragsschluss geforderte Annahme eines Vertragsangebots nicht ersetzt.
4. Eine Vertragsannahme durch den Bekl. kann auch nicht darin gesehen werden, dass dieser nach § 5 (4) AGB als anbietender Teilnehmer bereits mit der Freischaltung seiner Angebotsseite die Annahme des höchsten wirksam abgegebenen Kaufangebots erklärt hat. Wenn auch grundsätzliche Bedenken gegen eine derartige vorweggenommene Erklärung nicht gerechtfertigt erscheinen, so ist diese Erklärung des Bekl. doch nicht der Erklärungswert beizumessen, dass er sich auf diese Weise mit einem Verkauf des von ihm im Internet angebotenen PKW zum Preis von 26.350,- DM einverstanden erklärt hat.
Bei der gem. § 133 BGB gebotenen Auslegung der in § 5 (4) AGB formulierten Annahmeerklärung des Bekl. ist dessen wirklicher Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Entscheidend für das Zustandekommen eines Vertrags ist deshalb, ob der Bekl. mit dieser vorweggenommenen Annahmeerklärung die ihn rechtlich bindende Erklärung abgeben wollte, das höchste innerhalb des Angebotszeitraums abgegebene Vertragsangebot ohne Rücksicht auf dessen Höhe anzunehmen.
Voraussetzung der Auslegung ist, dass die Willenserklärung auslegungsbedürftig ist. Hat die Erklärung nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen lnhalt, ist für eine Auslegung kein Raum (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 133 Rdnr. 6 m. Rspr.hinweisen). Von einem eindeutigen Erklärungsinhalt kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Der Wortlaut des § 5 (4) AGB ist abstrakt und enthält z.B. keine Aussage über den für einen wirksamen Abschluss eines Kaufvertrags gem. § 433 BGB entscheidenden Kaufpreis, über den eine Einigung zwischen den Vertragsparteien zu Stande kommen muss.
Bei der Annahmeerklärung des Bekl. handelt sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Diese ist so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (BGH NJW 1992, 1446). Es kommt dabei auf den objektiven Erklärungswert und nicht etwa auf die inneren Vorstellungen des Erklärenden an (BGHZ 36, 33). Wenn auch im Wortlaut des § 5 (4) AGB eine Annahmeerklärung des Bekl. enthalten ist, so sind bei der Auslegung die außerhalb des Erklärungsakts liegenden Begleitumstände in diese mit einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (BGH LM BGB § 133 B Nr. 3). Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen sind aber nur die Umstände zu berücksichtigen, die dem Erklärungsempfänger bekannt oder erkennbar waren. Dabei ist auch der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck und die bestehende Interessenlage zu berücksichtigen (BGHZ 20, 110, NJW 1981, 1549).
Die Orientierung an Treu und Glauben bedeutet, dass im Zweifel ein Auslegungsergebnis anzustreben ist, das die berechtigten Belange beider Parteien angemessen berücksichtigt und mit den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs in Einklang steht (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 133 Rdnr. 20 m. Rspr.hinweisen). Der Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet zur billigen Rücksichtnahme auf die schutzwürdigen Interessen des anderen Teils sowie zu einem redlichen und loyalen Verhalten.
Schließlich ist auch die im Verkehr der beteiligten Kreise herrschende tatsächliche Übung als Verkehrssitte zu berücksichtigen. Diese muss jedoch eine gewisse Festigkeit erlangt haben (BGH NJW 1990, 1724).
5. Die Anwendung dieser allgemeinen Auslegungsgrundsätze führt dazu, dass der Bekl. das Kaufangebot des Kl. zum Preise von 26.350,- DM über seinen PKW mit einem Listenpreis von rund 57.000,- DM nicht angenommen hat.
Nach den AGB handelt es sich - wie bereits ausgeführt - um einen PKW-Verkauf im Internet. Dabei mögen beide Parteien davon ausgegangen sein, diesen Vertrag aus ihrer Sicht günstig abzuschließen. Der Kl. konnte jedoch nicht davon ausgehen, dass es sich seitens des Bekl. etwa um eine Werbeveranstaltung handelte, bei der dieser bei Abschluss eines Vertrags auch Vermögenseinbußen zu Gunsten der Bieter in Kauf nehmen wollte, indem er sich zu einen Vertragsschluss mit einem Kaufpreis unterhalb seiner Einkaufspreise, also zu einem Verlustgeschäft, einverstanden erklären wollte. Allenfalls durfte der Kl. davon ausgehen, dass ihm seitens des Bekl. ein Kaufpreis zugestanden wurde, der unter den im normalen Kraftfahrzeughandel üblichen Preisnachlässen lag, die sich durch sog. „Hauspreise“ im Autohandel manifestieren.
Dem Kl. kann auch kein schutzwürdiges Interesse zum Abschluss eines Kaufvertrags deutlich unter dem Einstandspreis eines Händlers zuerkannt werden, so dass er auch aus diesem Gesichtspunkt die Erklärungen des Bekl. nicht als Angebotsannahme verstehen konnte.
Dem auch für den Kl. erkennbaren Interesse des Bekl., das Fahrzeug im Rahmen seines Geschäftsbetriebs möglichst mit Gewinn, jedenfalls nicht mit hohem Verlust zu verkaufen, steht nicht entgegen, dass der Bekl. bewusst von der Angabe eines Mindestpreises abgesehen hat. Allein diese Tatsache rechtfertigt nicht die Annahme des Kl., der Bekl. sei bereit, das Fahrzeug zu jedem innerhalb des Angebotszeitraums gebotenen höchsten Preis zu veräußern. Der Bekl. war nicht verpflichtet, einen Mindestpreis anzugeben. Auch ricardo.de empfiehlt den Anbietern, auf einen Mindestpreis zu verzichten, um auf diese Weise möglichst viele Bieter anzulocken und einen möglichst hohen Preis zu erzielen.
Bei anderer Betrachtungsweise müsste auch eine bindende Annahmeerklärung des Bekl. bei einem Bietpreis in einer Größenordnung von nur einigen hundert DM angenommen werden, was bei einem Listenpreis des Fahrzeugs von ca. 57.000,- DM das berechtigte Interesse beider Parteien nicht mehr angemessen berücksichtigt und mit den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs nichts gemein hat und allenfalls nach § 762 BGB als ein eine Verbindlichkeit nicht begründendes Spiel anzusehen wäre.
Bei der Auslegung ist auch zu berücksichtigen, dass nach den Bedingungen bei „ricardo private auktionen“ der Anbieter nach Einrichtung der Angebotsseite bis zum Ende des Angebotszeitraumes seine Eingaben nur um die Beschreibung der angebotenen Gegenstände ergänzen, sonst aber nicht mehr eingreifen und auch Fehler nicht korrigieren kann.
Während es nach § 6 (3) AGB ricardo.de möglich ist, den Angebotszeitraum nach eigenem Ermessen zu verkürzen oder zu verlängern oder die Veranstaltung ohne Abschluss eines Vertrags abzubrechen, ist bei „ricardo private auktionen“ dem anbietenden Teilnehmer diese Möglichkeit verwehrt. Das höchste Angebot wird allein durch das Ende des Angebotszeitraums und nicht, wie bei einer Versteigerung i.S.d. GewO, durch den Verkehrswert des angebotenen Gegenstands und die Preisvorstellungen der Interessenten bis zum nicht mehr überbotenen Höchstpreis bestimmt.
Dass es zu einem „höchsten“ Angebot weit unter dem Neupreis kommen kann, liegt an den Bedingungen der Verkaufsveranstaltung. Durch die Begrenzung der Bietschritte auf max. 50,00 DM ist eine Vielzahl von Geboten erforderlich, um überhaupt den Kaufpreis in eine realistische Größenordnung zu bringen. Die Gebote im unteren Bereich sind schon allein aus technischen Gründen notwendig, um einen realistischen Bietpreis zu erreichen. Das gilt insb. dann, wenn - wie vorliegend - ein niedriger Startpreis angegeben wird. Aus technischen Gründen allein wäre in der vorgegebenen Zeit bei von Anfang an fortlaufenden Angeboten ein weitaus höherer Preis zu erreichen gewesen. Der mit dem Verfahren vertraute Interessent wird jedoch mit der Abgabe von Angeboten zögern, um den Kaufpreis möglichst lange niedrig zu halten, so dass dieser zum Schluss wegen der Begrenzung der Bietschritte und des Zeitlimits nicht höher steigen kann. So fand erst in den letzten Stunden ein ständiges Überbieten statt. Der Kl. hat selber auf Frage des Gerichts bestätigt, dass er im Hinblick auf den Wert des Fahrzeugs noch weiter geboten hätte, wenn nicht das Zeitlimit erreicht gewesen wäre. Der Anbieter kann seinerseits unter diesen Bedingungen den Kaufpreis nur beeinflussen, indem er durch Dritte ohne eigene Kaufabsicht mitsteigern lässt, um den Kaufpreis höher zu treiben.
Insoweit enthält der Ablauf der „ricardo private auktionen“ Verlaufsformen, die mehr einem Glücksspiel zuzurechnen sind und einen spannenden Unterhaltungswert haben.
Ein „Ausbieten“ bis zum Höchstgebot ist nicht möglich. Dass der Bekl. sich mit einem auf diese Weise erzielten Höchstpreis als Vertragsangebot des Kl. bereits durch die antizipierte Annahmeerklärung einverstanden erklären wollte, konnte der Kl., dem das gesamte Verfahren ebenfalls durch die von ihm akzeptierten AGB bekannt war, nicht annehmen.
Zusammenfassend konnte die vorweggenommene Annahmeerklärung des Bekl. vom Kl. redlicherweise nur so verstanden werden, dass dieser das Fahrzeug nicht unter eigenen Kosten verkaufen wollte. In welcher Höhe diese lagen, ist nicht entscheidend. Bei einem Listenpreis von rd. 57.000,- DM erreicht das Vertragsangebot des Kl. i.H.v. 26.300,- DM den Erwerbspreis des Bekl. bei weitem nicht. Dieser mag im Hinblick auf das vorprozessual zum Zwecke gütlicher Einigung seitens des Bekl. gegenüber dem Kl. erklärte Verkaufsangebot bei 39.000,- DM gelegen haben.
Ein Einkaufspreis des Bekl. i.H.v. 26.300,- DM liegt außerhalb jeder Realität, da dem Autohandel auch über den möglichen Weg von Reimporten keine Einkaufsmöglichkeit unterhalb der Hälfte des im Inland üblichen Listenpreises zur Verfügung steht. Eine andere Betrachtungsweise könnte allenfalls dann Platz greifen, wenn es sich bei dem vom Bekl. angebotenen Fahrzeug um Hehlerware handeln würde. Diese Vorstellung kann der Kl. beim vorgetragenen Sachverhalt nicht gehabt haben.
6. Schließlich ist auch keine Verkehrssitte vorgetragen oder ersichtlich, nach der in Veranstaltungen wie „ricardo private auktionen“ das im Angebotszeitraum zuletzt abgegebene höchste Gebot von den anbietenden Teilnehmern in jedem Fall angenommen wird.
Gerade der vorliegende Prozess zeigt, dass dieser Streit - so weit ersichtlich - erstmals gerichtlich ausgetragen wird. Eine allgemeine entsprechende Übung besteht nicht. Dass eine Vielzahl von Verkaufsfällen nach entsprechenden „ricardo private auktionen“ abgewickelt worden sind, ist insoweit unerheblich. Zum einen kann entsprechend den obigen Ausführungen im Einzelfall bei entsprechendem Kaufangebot durchaus von einer bindenden Annahmeerklärung ausgegangen werden. Zum anderen kann nach Abschluss der Veranstaltung eine Annahmeerklärung durch den Anbieter abgegeben werden, die entweder ausdrücklich erfolgt oder stillschweigend in der Übereignung des angebotenen Gegenstands gegen Zahlung des „Höchstgebots“ liegt. Eine Erklärung in dieser Form hat der Bekl. nicht abgegeben. Er hat sich vielmehr nach dem Ende der Veranstaltung sofort geweigert, dem Kl. den PKW zum Preis von 26.300.- DM zu übereignen.
Auch aus dem im Termin überreichten Urteil des AG Sinsheim (4 C 257/99) v. 10.1.2000 ergibt sich nichts Gegenteiliges. Nach dem Urteilstenor handelte es sich um fünf ca. 3,5 Jahre alte gebrauchte Monitore. Der Sachvortrag des Bekl. ist aus dem Urteil nicht ersichtlich, weil das Gericht ihn als verspätet nicht zugelassen und sich deshalb mit ihm auch nicht auseinander gesetzt hat. Die im vorliegenden Rechtsstreit entschiedenen Fragen werden demnach in diesem Urteil nicht berührt.
Die im Hinblick auf die Durchführung dieser Verkaufsveranstaltung und den Inhalt der AGB festzustellende Rechtsunsicherheit kann nach Ansicht des Gerichts schon wesentlich dadurch gemindert werden, dass zumindest bei neuwertigen Waren vom Anbieter ein von ihm akzeptierter Mindestpreis festgelegt werden muss.
Jedem Teilnehmer ist dann klar, dass der Anbieter jeden Preis über diesem Mindestpreis akzeptiert. Auch könnten die AGB etwa dem Art. II des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt (KOM/99/0427 endg.-COD 98/0325) angepasst werden (zum Inhalt des Richtlinienvorschlags: Waldenberger, EUZW 1999, 296; Maennel, MMR 1999, 187; Hoeren, MMR 1999, 192).
Sofern man jedoch - anders als die erkennende Kammer - grundsätzlich auch in der Durchführung einer „ricardo private auktionen“ eine Versteigerung sehen will, die eine sofortige Entscheidung über die Gültigkeit des Zuschlags verlangt, wird die Zulässigkeit auch dieser Auktionen unter gewerberechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen sein. ...
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