Urheberschutz von Software

Gericht

OLG München


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

27. 05. 1999


Aktenzeichen

6 U 5497/98


Tatbestand


Tatbestand:

Die Parteien streiten, ob die Beklagten Raubkopien von schutzfähiger Software des Klägers hergestellt oder vertrieben haben.

Der Kläger ist selbständiger EDV-Entwickler und Programmierer. Im Jahr 1995 entwickelte er unter dem Titel (...) ein Softwarepaket, mittels dessen auf Computern des Typs (...) Laufwerke betrieben werden können. Die zugehörigen Anwendungsprogramme, "(...)","(...)","(...)" und "(...)" erlauben dem Anwender, selbst Einstellungen an CD-Rom Laufwerken vorzunehmen und verschiedene CD-Typen abzuspielen: So ermöglicht das Programm atapi.device in Verbindung mit (...) den Betrieb preisgünstiger (...) Laufwerke an (...) wobei programmtechnische Besonderheiten erstmals den Betrieb von vier Geräten an einem Anschluß gestatten. Das Programm (...)erlaubt das Lesen von (...)auf (...)ermöglicht die Ausführung von CD-ROM Anwendungen, die für eine (...) entwickelt wurden, auf normalen (...) Computern.

Die Beklagten zu 2) und 3) sind geschäftsführende Gesellschafter der Beklagten zu 1), die ihrerseits mit Computerprodukten aller Art handelt. Schwerpunktmäßig vertreiben die Beklagten HD-Laufwerke, von denen sie mindestens 8.000 Exemplare verkauft haben. Seit 1995 bezogen sie vom Kläger knapp 2.000 Disketten des streitgegenständlichen Programms. Wegen eines Lieferengpasses des Klägers stellten die Beklagten darüber hinaus mit ausdrücklicher Genehmigung des Klägers 15 Kopien zum Zweck der Messevorstellung her.

In ihrer Weihnachtsausgabe 12/96 veröffentlichte die Zeitschrift (...) ein Firmenportrait der Beklagten zu 1), in dem es u. a. heißt: Abs. 4

"Ach übrigens, in diesen Tagen läuft unser 10.000 (...) vom Band. (...) Mitbegründer und zweiter Geschäftsführer (...) ist sichtlich stolz. (...) das meint natürlich nicht nur (...), sondern natürlich auch die Festplatten, (...) und Wechselplatten, die wir in unser System integriert haben."

Mißtrauisch ob der genannten Stückzahl, die die an die Beklagte gelieferte Diskettenanzahl erheblich übertrifft, veranlaßte der Kläger Testkäufe mit dem Ergebnis, daß die Beklagten im Februar 1997 an drei Käufer gefälschte Disketten, u. a. nach München, auslieferten.

Auf Strafanzeige des Klägers vom 03.04.1997 hin leitete die Staatsanwaltschaft Kleve unter Aktenzeichen 8 Js 509/97 ein Ermittlungsverfahren ein, in dessen Zuge die Geschäftsräume der Beklagten durchsucht wurden. Dabei wurden die von den Beklagten selbst hergestellten Disketten, die sich gemeinsam mit Aufklebern mit der Aufschrift "Achtung, keine Originaldisketten" in einem gesonderten Karton befanden, sichergestellt. Der Kläger trägt vor, gegen die Beklagten bestehe der Verdacht, in großem Stil die von ihm entwickelten Programme ohne seine Zustimmung vervielfältigt und vertrieben zu haben, zumal die Programme zum uneingeschränkten Betrieb der (...) notwendig seien. Er meint, damit hätten sie wettbewerbswidrig gehandelt und gegen sein Urheberrecht an den Programmen verstoßen. Die urheberrechtliche Schutzfähigkeit der Software, insbesondere die in den Programmen verkörperte individuelle Leistung des Klägers, liege angesichts des Umstands, daß die Entwicklung ca. ein Jahr gedauert habe und nur begabten Programmierern mit speziellen Kenntnissen des Betriebssystems möglich sei, auf der Hand. Vorsorglich bietet er zur Schöpfungshöhe Beweis durch Sachverständigengutachten an. Auf richterlichen Hinweis in der Verfügung vom 24.02.1998 hin, daß Dauer und Schwierigkeit der Entwicklung keine geeigneten Parameter für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit sind und das angebotene Sachverständigengutachten als Ausforschungsbeweis unzulässig ist, ergänzte der Kläger mit Schriftsatz vom 18.05.1998 (Bl. 22/28) seinen Sachvortrag durch nähere Beschreibung der einzelnen Programme, wobei er insbesondere deren Besonderheiten gegenüber herkömmlicher Software hervorhebt.

Mit seiner Klage hat der Kläger zunächst neben Auskunft sowie - im Wege der Stufenklage - Schadensersatz und Veröffentlichungsbefugnis einen vertragsstrafenbewehrten Unterlassungsanspruch verfolgt. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung im Termin vom 21.07.1998 hinsichtlich der begehrten Unterlassung hat der Kläger beantragt,

die Beklagten zu 2) und 3) samtverbindlich zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu geben, in welchem Umfang im Geschäftsbetrieb der Beklagten zu 1) ohne vorherige Zustimmung des Klägers Vervielfältigungsstücke der Computerprogramme (...) hergestellt und/oder rechtswidrig hergestellte Vervielfältigungsstücke der vor genannten Programme verbreitet wurden durch Angabe der Namen und der Anschriften der Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Vervielfältigungsstücke, der gewerblichen Abnehmer, Auftraggeber und der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Vervielfältigungsstücke sowie der daraus erzielten Umsätze.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.

Sie bestreiten die Herstellung von Raubkopien und meinen im übrigen, die vom Kläger vorgebrachten Verdachtsmomente seien nicht stichhaltig. Zum einen gehe aus dem zitierten Firmenportrait (K 6) hervor, daß sich die dort genannte Zahl von 10.000 nicht nur auf (...) sondern auch auf Festplatten, HD-Laufwerke und Wechselplatten beziehe; denn wie aus den vom Kläger selbst vorgelegten Anlagen K 5 ersichtlich, verwendeten sie den Begriff (...) nur als Oberbegriff. Zum anderen seien die von ihnen verkauften (...) entgegen der Darstellung des Klägers auch ohne dessen Programm, nämlich als Adapter, nutzbar. Im übrigen hätten sie das Programm (...) nicht nur vom Kläger, sondern auch von drei weiteren - näher bezeichneten - Firmen bezogen. Wer ihnen die drei gefälschten Disketten untergeschoben habe, könnten sie nicht feststellen. Schließlich sei auch die urheberrechtliche Schutzfähigkeit der Programme nicht dargetan.

Mit Endurteil vom 20.08.1998 hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil die Urheberschutzfähigkeit nach § 69 a UrhG nicht dargelegt sei und auch kein Anspruch nach § 1 UWG bestehe. Daher habe der Kläger auch die Kosten hinsichtlich des erledigten Teils zu tragen. Der Kläger habe trotz gerichtlichen Hinweises neben kommerziellen Vorteilen nur die Einsatzmöglichkeiten beschrieben, nicht aber dargelegt, inwieweit die Programme das Ergebnis seiner eigenen geistigen Schöpfung und nicht durch die Problemstellung technisch vorgegeben waren.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter und verteidigt, unter weiteren Darlegungen, sein bisheriges Vorbringen als ausreichenden Vortrag zur Schöpfungshöhe. Es reiche eine einfache Individualität im Rahmen der "kleinen Münze". Es müsse ein Gestaltungsspielraum bestehen; er müsse aber nicht darlegen, welcher technische Spielraum bestehe. In der Sitzung erläuterte der Kläger zusätzlich näher ohne Bestreiten der Beklagten, was er sich im Rahmen vielfältiger Gestaltungsmöglichkeiten ausgedacht habe. Er kritisierte auch die Kostenentscheidung im Rahmen des § 91 a ZPO.

Von den für das Berufungsverfahren angekündigten Anträgen

  1. Das Urteil des Landgerichts München I vom 20.08.1998, AZ: 7 O 3114/98 (= JurPC Web-Dok. 111/1999, Red..) wird aufgehoben.

  2. Die Beklagten zu 2) und 3) werden samtverbindlich verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu geben, in welchem Umfang im Geschäftsbetrieb der Beklagten zu 1) Raubkopien des Programmpakets "(...)" vertrieben wurden durch Angabe der Namen und der Anschriften der Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Vervielfältigungsstücke sowie der daraus erzielten Umsätze.

  3. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger eine Lizenzgebühr in Höhe von 20,-- DM multipliziert mit der sich aus der Auskunft gemäß Ziffer II. Ergebenden Anzahl der verkauften Programme, hilfsweise eine angemessene Lizenzgebühr nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.

  4. Dem Kläger wird die Befugnis zugesprochen, nach Rechtskraft des Urteils dieses in einer vom Gericht zu bestimmenden Form in der Zeitschrift "(...) des Verlages (...)-(...) hilfsweise in einer vom Gericht zu bestimmenden Publikation auf Kosten der Beklagten bekanntzumachen.

  5. Die Beklagten haben samtverbindlich die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. hat der Kläger lediglich die Anträge I und II gestellt.

Die Beklagten haben beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie machen geltend, die gewünschte Auskunft sei nicht möglich, da sie nie Raubkopien bemerkt hätten. Sie hätten im übrigen Barverkäufe getätigt. Der Vorwurf der Eigenherstellung von Raubkopien sei "aus der Luft gegriffen und nicht beweisbar". Die gewünschte Auskunft sei nicht möglich. Sie bestreiten ferner den Verkauf von 50 Raubkopien an die (...) desgleichen den Verkauf solcher Ware an (...).

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Einzelheiten in den eingereichten Schriftsätzen nebst Anlagen, die angefochtene Entscheidung und die Sitzungsniederschrift verwiesen (mit Ausnahme des nicht nachgelassenen Schriftsatzes vom 13.05.1999).

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist erfolgreich, da die vom Kläger entwickelten Programme individuelle Werke im Sinne von § 69 a UrhG darstellen, so daß er den Anspruch nach § 101 a Abs. 1 UrhG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 69 c Ziffer 1 UrhG hat.

Im einzelnen tragen folgende Überlegungen die Entscheidung des Senats:

1. Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, daß es nicht auf die Anwendungsmöglichkeiten ankommt und welche kommerziellen Vorteile gegeben sind. Ferner, daß nach der Umsetzung der EG-Richtlinie an die Schutzfähigkeit geringere Anforderungen zu stellen sind und die bisherige Rechtsprechung nicht ohne weiteres einschlägig ist (so auch Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 8. Aufl., § 69 a RdNr. 4). Nunmehr wird die "kleine Münze" bei Programmen als schutzfähig anerkannt, da die Individualität des Programms, nicht die persönliche geistige Leistung nach § 2 Abs. 2 UrhG in dem bisher verstandenen Sinne maßgebend ist. Stellt das Programm ein individuelles Werk dar, das auf einer eigenen geistigen Tätigkeit beruht, ist Werkcharakter anzunehmen (Fromm/Nordemann a.a.O.). Qualitative und ästhetische Kriterien (§ 69 a Abs. 3 S. 2 UrhG) sind unbeachtlich. Das Programm muß nicht aus der "(...)" herausragen, sondern eher nur "statistisch einmalig" sein (a.a.O.). Schricker-Loewenheim § 69 a UrhG RdNr. 14 ff. stimmen damit überein; der Urheberschutz ist nach der Intention des Gesetzgebers die Regel (2. Aufl. § 69 a RdNr. 20), nicht schutzfähig ist lediglich das völlig Banale.

2. Das Landgericht hat hier einen zu strengen Maßstab an die Darlegungslast angelegt (Schricker-Loewenheim a.a.O. RdNr. 21). Eine globale, pauschale Beschreibung des Programms, aus der hervorgeht, daß es sich nicht um eine völlig banale Gestaltung handelt und es nicht lediglich das Programm eines anderen nachahmt, reicht im Normalfall aus (Schricker-Loewenheim a.a.O.).

So ermöglicht atapi.device erstmals die Möglichkeit, (...)Laufwerke zu betreiben. Daß dies technisch nicht anders möglich ist, ist nicht vorgetragen. Das gilt auch für die Möglichkeit, vier statt zwei Geräte zu betreiben. (...) stellt eine neue Kombination, die frei gewählt ist, dar, die Bedieneroberfläche von (...) nicht vorgegeben und die Kommunikation mit (...) über einen Zeiger ist neu und nicht banal. Die Bezeichnungen der Maske sind frei gewählt. PlayCD enthält einen Balken, mit welchem der Benutzer frei auf Teile eines Musiktitels zugreifen kann. Der (...)weist eine Sprachwahl auf und enthält eine Auswahl, die der Kunde einstellen kann, wie stark simuliert wird. Die Anordnung ist nicht technisch vorgegeben. (...)ist das Programmpaket, zu dem noch andere Programme gehören, und ist somit erst recht schutzfähig.

3. Der Auskunftsanspruch ist auch nicht von vornherein als unmöglich unbegründet, denn es wurden bei Testbestellungen Fälschungen geliefert, also offensichtlich nicht nur Barverkäufe getätigt.

Die Beklagten können also, soweit sie nicht doch eigene Kenntnisse haben, durch Nachfragen die erforderlichen Unterlagen für eine Auskunft ermitteln. Die weiteren Verkäufe von Raubkopien, die bestritten sind, müssen für den Erfolg des Auskunftsanspruchs nicht zusätzlich geklärt werden. Die Beklagten sind zur wahrheitsgemäßen Auskunft verpflichtet und mögen dabei sich entscheiden.

4. Der Rechtsstreit ist als Stufenklage an die erste Instanz zurückzuverweisen, da erst über die Auskunftspflicht rechtskräftig entschieden ist. Die Entscheidung des Landgerichts wird insgesamt, auch bezüglich der Kostenentscheidung - auch hinsichtlich des auf § 91 a ZPO beruhenden Teils, vgl. Thomas-Putzo, § 91 a ZPO RdNr. 56 - aufgehoben, wobei bei der endgültigen Kostenentscheidung bezüglich des erledigten Unterlassungsanspruchs vorstehende 1) und 2) zu berücksichtigen sein werden.

5. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 91 ZPO, die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 708 Nr. 10, § 713 und § 546 Abs. 2 ZPO.

Rechtsgebiete

Urheberrecht

Normen

UrhG §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 69 a, 69 c Ziffer 1, 101 a Abs. 1