Schutzdauer einer Titelschutzanzeige für ein Rätselheft weniger als 5 1/2 Monate

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

25. 05. 2004


Aktenzeichen

9HK O 7738/04


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Vorverlagerung des Titelschutzes durch Schaltung einer Titelschutzanzeige setzt voraus, dass das angekündigte Werk in branchenüblicher Weise angekündigt wird und innerhalb angemessener Frist erscheint.

  2. Im Rahmen der durch die „Sperrwirkung“ einer Titelschutzanzeige erforderlichen Interessenabwägung sind bei der Angemessenheit dieser Frist die Art des Werkes und die hierfür übliche Vorbereitungsdauer zu berücksichtigen.

  3. Die im Bereich von Druckschriften häufig genannte Frist von 6 Monaten ist keine „starre“ Frist. Sie kann – je nach Art der Druckschrift – eine längere oder kürzere Zeitspanne umfassen.

  4. Die Angemessenheit der Frist ist objektiv zu bestimmen. Subjektive Gesichtspunkte desjenigen, welcher die Vorverlagerung des Titelschutzes anstrebt, haben hierbei außer Betracht zu bleiben.

  5. Für eine Rätselzeitschrift – deren Konzeption von der Ursprungsidee bis zum Erstverkaufstag in der Regel 6 Wochen beträgt – ist eine Frist von 5 ½ Monaten zwischen Ankündigung und Inbenutzungnahme nicht mehr angemessen.

Tenor


Endurteil (einstweilige Verfügung):

  1. Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,--, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung, es zu unterlassen,
    im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für eine Zeitschrift den Titel "FREIZEIT SPASS" zu benutzen und/oder benutzen zu lassen.

  2. Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand


TATBESTAND:

Die Verfügungsklägerin (im folgenden: Klägerin) macht gegen die Verfügungsbeklagte (im folgenden: Beklagte) im Wege eines Eilverfahrens gemäß §§ 935, 937, 922 ZPO einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.

Die Klägerin ist ein Unternehmen des BURDA-Medienkonzerns. Sie brachte mit Ersterscheinungstermin vom 21.04.2004 unter dem Titel "FREIZEIT SPASS" eine neue Frauen- und Unterhaltungszeitschrift auf den Markt, die künftig wöchentlich erscheinen soll (vgl. original dieser Erstausgabe als Anlage ASt 1).

Die Vertriebsgesellschaft der Beklagten kündigte am 23.04.2004 (vgl. Anlage ASt 2) für den 28.04.2004 das Erscheinen einer Rätselzeitschrift unter dem Titel "FREIZEIT SPASS" an.

Die Klägerin ist der Meinung, dass sie mit Benutzungsaufnahme ihrer eigenen Zeitschrift am 21.04.2004 ein Werktitelrecht an der Bezeichnung "FREIZEIT SPASS" gemäß § 5 III MarkenG erworben habe. Durch die angekündigte Benutzung dieses identischen Titels und die hierdurch begründete Verwechslungsgefahr verletze die Beklagte die Rechte der Klägerin, so dass dieser Unterlassungsansprüche zustehen würden.

Die Beklagte könne sich auch nicht auf eine von ihr geschaltete Sammel-Titelschutzanzeige vom 11.11.2003 (vgl. Anlage ASt 3) berufen. Mit dieser Titelschutzanzeige seien keine prioritätsbesseren Rechte der Beklagten begründet worden, weil der Zeitraum, der zwischen der Titelschutzanzeige und der für den 28.04.2004 angekündigten Benutzung des Rätselheftes liege, zu groß sei. Die Beklagte habe ihr Werk nicht binnen eines angemessenen Folgezeitraums nach der Titelschutzanzeige in den Verkehr gebracht. Die häufig in diesem Zusammenhang genannte Frist von 6 Monaten bei Druckwerken sei keine starre Frist und sei bei einem simplen Rätselheft, wie es das der Beklagten sei, deutlich zu lang.

Wegen der Einzelheiten des klägerischen Vortrages und der Begründung hierfür wird auf die Schriftsätze der Klägerin nebst Anlagen hingewiesen.

Die Klägerin beantragte deshalb, gegen die Beklagte eine einstweilige Verfügung mit folgendem Tenor zu erlassen:

  1. Die Antragsgegnerin wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen,
    im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für eine Zeitschrift den Titel "FREIZEIT SPASS" zu benutzen und/oder benutzen zu lassen.

  2. Der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Dagegen beantragte die Beklagte, den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Zur Begründung trug sie vor, dass sie entgegen der Meinung der Klägerin ein prioritätsälteres Recht aufgrund ihrer Titelschutzanzeige vom 11.11.2003 habe. Die verstrichene Zeit bis zur geplanten Erstausgabe am 28.04.2004 sei nicht zu lang, weil der angemessene Zeitraum von 6 Monaten noch nicht abgelaufen sei.

Wegen der Einzelheiten der Argumentation und Begründung der Beklagten wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen hingewiesen.

Entscheidungsgründe


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der zulässige Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung erwies sich in vollem Umfang auch als begründet, weil der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 15 IV, 5 III MarkenG zusteht.

Mit Erscheinen ihrer Erstausgabe der Zeitschrift "FREIZEIT SPASS" am 21.04.2004 hat die Klägerin ein Werktitelrecht an dieser Bezeichnung erworben.

Der Geltendmachung dieses Werktitelrechts steht kein prioritätsälteres Recht der Beklagten aufgrund ihrer Titelschutzanzeige vom 11.11.2003 entgegen. Zugunsten der Beklagten findet keine Vorverlegung ihres Titelschutzes auf den Zeitpunkt November 2003 statt.

In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass bei Druckschriften eine Vorverlegung des Titelschutzes in Betracht kommt, wenn der Titel in branchenüblicher Weise öffentlich angekündigt wird und wenn das Werk dann in angemessener Frist erscheint.

Zwischen der Titelschutzanzeige und dem Erscheinen des ersten Rätselheftes der Beklagten am 28.04.2004 liegt ein Zeitraum von über 5 1/2 Monaten.

Das Erfordernis, die mit einer Titelschutzanzeige verbundene Sperrwirkung zeitlich zu begrenzen, ergibt sich daraus, dass eine unzumutbare Behinderung der Wettbewerber vermieden werden muß. In ihrem Interesse und zur Verhinderung einer "Titelhamsterei" sind dabei strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BGH in GRUR 89/760).

Es muß dehalb eine Interessenabwägung stattfinden, bei der insbesondere die Art des Werkes und die hierfür übliche Vorbereitungsdauer zu berücksichtigen sind (vgl. z.B. Ingerl/Rohnke, 2. Auflage, Anm. 84 zu § 5 MarkenG).

Hieraus folgt, dass die im Bereich von Druckschriften immer wieder genannte Frist von 6 Monaten keine starre Frist ist, sondern je nach der Art der Druckschrift längere, aber auch kürzere Zeitspannen angemessen sind.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände ergibt sich für den streitgegenständlichen Fall, dass hier die verwirklichte Dauer von mehr als 5 1/2 Monaten bis zum Erscheinen eines Rätselheftes zu lang ist, um eine Vorverlegung des Titelschutzes zu rechtfertigen. Es ist in keiner Weise ersichtlich, weshalb für das konkrete Heft der Beklagten eine derartig lange Frist notwendig wäre. Die Angemessenheit der Frist ist objektiv zu bestimmen und nicht nach der subjektiven Vorgehensweise desjenigen, der die Vorverlegung des Titelschutzes erreichen möchte.

Hierzu konnte die Klägerin auch durch eidesstattliche Versicherung von Herrn Rene Raepple (Objektleiter für die Rätselzeitschriften der Klägerin) vom 26.04.2004 glaubhaft machen (vgl. Anlage ASt 5), dass für die Konzeption einer Rätselzeitschrift von der Ursprungsidee bis zum Erstverkaufstag maximal 6 Wochen notwendig seien.

Unter Abwägung all dieser Umstände und unter Berücksichtigung des konkret von der Beklagten auf den Markt gebrachten Heftes (vgl. Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 27.04.2004) kam das Gericht zum Ergebnis, dass die verstichene Zeit zwischen Titelschutzanzeige und Erstausgabe der Zeitschrift der Beklagten so lange ist, dass keine Vorverlegung des Titelschutzes auf den 11.11.2003 mehr möglich ist. Die Beklagte kann deshalb der Klägerin kein prioriätsälteres Recht an dem Werktitel "FREIZEIT SPASS" entgegen halten.

Antragsgemäß war deshalb die von der Klägerin beantragte einstweilige Verfügung zu erlassen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO. Eines Ausspruches über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, weil eine einstweilige Verfügung erlassen wurde.


Schott
Vors. Richter am LG

Schumacher
Handelsrichter

Hauck
Handelsrichter

Rechtsgebiete

Markenrecht